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Veröffentlicht am 27.12.2025

Wenn der Messias eine Frau ist

Sister Deborah
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"Sister Deborah" ist ein Roman von Scholastique Mukasonga, erschienen bei Claassen, übersetzt von Jan Schönherr. Die Geschichte beginnt in den 1930er Jahren in Ruanda: Eine amerikanische Missionarin verkündet, ...

"Sister Deborah" ist ein Roman von Scholastique Mukasonga, erschienen bei Claassen, übersetzt von Jan Schönherr. Die Geschichte beginnt in den 1930er Jahren in Ruanda: Eine amerikanische Missionarin verkündet, dass der Messias eine schwarze Frau sein wird. Damit gerät sie in Konflikt mit kolonialen Autoritäten, Kirche und Männern. Ihre Botschaft wird zur Provokation und zum Verhängnis. Jahrzehnte später folgt Ikirezi, eine Akademikerin in Washington, den Spuren der legendären Prophetin, um ihre Geschichte zu rekonstruieren.

Die Grundidee des Romans ist faszinierend: Was, wenn der Messias eine schwarze Frau ist? Mukasonga nutzt diese These, um koloniale Machtstrukturen, religiösen Dogmatismus und feministische Selbstermächtigung zu verhandeln. „Ich trug diese Geschichtenkrumen zusammen und bewahrte sie in einem Winkel meines Gedächtnisses auf wie kostbare Juwelen…“ (S. 71) – dieser Satz spiegelt gut wider, wie Geschichte und Erinnerung im Buch behandelt werden.

Trotz des spannenden Ansatzes fiel es mir schwer, beim Lesen emotional anzudocken. Der Roman lebt fast ausschließlich von beschreibendem Erzählen, Dialoge sind rar, was das Tempo sehr ruhig, manchmal langatmig macht. Einzelne historische Begriffe oder unklare Bezüge wie „Boy“ ohne Kontext irritierten mich, hier hätte ich mir etwas mehr Einbettung gewünscht oder ein Glossar am Ende.

Die Atmosphäre ist jedoch stark: Mukasonga schafft ein zartes, zugleich furchtloses Porträt der Frauen, zeigt Widerstand gegen Macht und Unterdrückung und lässt die Spiritualität spürbar werden. „Der Geist hat keinen Schimmer von den Kalendern der Menschen… Würde er den Ruf der Menschen, die Hoffnung der Frauen erhören, gäbe es keine Hoffnung mehr.“ (S. 136) – hier wird die Spannung zwischen Glaube, Erwartung und Realität spürbar.

Fazit
Sister Deborah ist ein ruhiger, nachdenklicher Roman, der feministisches Denken, koloniale Geschichte und Spiritualität vereint. Die Grundidee ist stark, die Umsetzung eher erzählerisch zurückhaltend. Empfehlenswert für Leser:innen, die poetische, reflektierte Literatur lieben und sich auf beschreibendes Erzählen einlassen möchten. Weniger für alle (wie mich), die Dialoge und eine gewisse Spannung suchen.

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Veröffentlicht am 23.12.2025

Ein Roman, in dem man sich zu Hause fühlt

Es könnte so einfach sein
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Ein Roman über das Schreiben, die Liebe und den Mut von Frauen, die ihren Platz in der Welt suchen. Anne Handorf ist das Pseudonym von Carla Grosch und Volker Jarck, die beide in der Buchbranche tätig ...

Ein Roman über das Schreiben, die Liebe und den Mut von Frauen, die ihren Platz in der Welt suchen. Anne Handorf ist das Pseudonym von Carla Grosch und Volker Jarck, die beide in der Buchbranche tätig sind. Ihr gemeinsames Debüt entstand über 564 Kilometer Entfernung hinweg.

Worum geht’s genau?

September 2005: Noch vier Wochen bis zur Wahl der ersten Kanzlerin, und Bestsellerautorin Vera Albach will ihr letztes Buch beenden – ein Versprechen an ihren Mann Leo. In Rückblenden erfahren wir, wie sie in den 1960er-Jahren als junge Frau in einer männerdominierten Verlagswelt Fuß fasst, mit Heftromanen beginnt und sich langsam einen Namen macht. Es ist eine Geschichte über das Altern, über Liebe auf Augenhöhe und über eine Frau, die schreibt. Unbeirrt, unermüdlich, getragen von Humor, Disziplin und dem unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

Meine Meinung

Dieses Buch hat mich wirklich überrascht, im allerbesten Sinn. Ich habe die Lektüre erst ein wenig vor mir hergeschoben, dann hat sie mich völlig gepackt. „Es könnte so einfach sein“ ist ein Roman, in dem man sich sofort zu Hause fühlt: warm, leise und gleichzeitig voller Leben.

Mit feinem Humor, aber auch mit melancholischen Zwischentönen, zeichnet Handorf das Bild einer Zeit, in der Frauen zwar unentbehrlich waren, aber kaum eigene Stimmen hatten. Die Rückständigkeit einer Welt, die nach dem Krieg wieder von Männern besetzt wurde, wird mit spürbarer Sanftheit, aber großer Klarheit beschrieben. Besonders stark fand ich die Szenen, in denen Vera sich gegen männliche Verleger behaupten muss: „Der Leser da draußen verlangt nicht nach Büchern von Frauen. Ende der Diskussion.“ (S. 84) Und trotzdem schreibt sie weiter, Schritt für Schritt, bis sie ihren eigenen Namen auf einem Buchcover sieht.

Die wechselnden Zeitebenen zwischen Vergangenheit und Gegenwart geben der Geschichte Tiefe und Leichtigkeit zugleich. Ich mochte, wie sich beide Zeitschienen am Ende berühren und zeigen, dass das Ringen um Selbstbestimmung nie aufhört. Themen wie Familienbande, Geschwisterbeziehungen, Freundschaft, Altern und weibliche Selbstverwirklichung verweben sich zu einem fein gezeichneten Generationenporträt.

„Frauen können, wollen und sollen alles sein dürfen, was sie sich wünschen.“ (S. 240), dieser Satz bringt die Essenz des Romans auf den Punkt. Es geht nicht um Rebellion, sondern um Gleichberechtigung im Kleinen: um Respekt, Vertrauen und das Recht, Entscheidungen zu treffen, sei es im Beruf, der Ehe oder den Wunsch nach (oder gegen) Kinder.

Der Schreibstil ist flüssig und sehr zugänglich. Besonders gefallen hat mir der liebevolle Dialogwitz zwischen Vera und Leo. Man spürt, dass hier zwei Autor:innen schreiben, die Menschen verstehen. Die Mischung aus Ernst, Leichtigkeit und Zeitkolorit erinnert an gute alte Familienromane, aber mit einem modernen, feministischen Blick.

Fazit

Ein feinfühliger, lebenskluger Roman über Frauen, die schreiben, lieben und ihren Weg gehen. Perfekt für alle, die Geschichten mit Herz, Haltung und historischem Tiefgang mögen. Wer nach lautem Feminismus sucht, wird hier eher leise überrascht, aber genau darin liegt die Stärke dieses Buches. Danke an lovelybooks.de, netgalley.de und den C.Bertelsmann Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 23.12.2025

Atmosphärisch, aber überraschend spannungsarm

Ein stilles Mädchen
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"Ein stilles Mädchen" ist der zweite Band der Eddie-Feber-Reihe von Karin Fossum, erschienen bei Saga Egmont Buecher, aus dem Norwegischen übersetzt von Roland Hoffmann. Der Kriminalroman erzählt von der ...

"Ein stilles Mädchen" ist der zweite Band der Eddie-Feber-Reihe von Karin Fossum, erschienen bei Saga Egmont Buecher, aus dem Norwegischen übersetzt von Roland Hoffmann. Der Kriminalroman erzählt von der verschwundenen sechsjährigen Kandis und einem Ermittler, der immer tiefer in ein Geflecht aus Schmerz, Schuld und Schweigen gerät.

Ich bin ehrlich: Das Buch hat mich leider nicht so abgeholt, wie ich es mir gewünscht hätte. Die Ausgangslage ist beklemmend, fast schon klaustrophobisch: ein Kind, ein fremder Mann, eine Hütte im Wald. Doch trotz dieses starken Settings wollte sich bei mir kaum Spannung aufbauen.

Besonders irritiert hat mich, dass viele zentrale Fragen unbeantwortet bleiben. Warum bestimmte Figiuren so gehandelt haben wie sie gehandelt haben (sorry für die Ungenauigkeit aber will nicht spoilern :D), blieb für mich unklar: Depressionen? Schuld? Angst? Oder doch etwas anderes?

Zudem hatte ich das Gefühl, dass ein richtiger Showdown ausbleibt. Statt Zuspitzung folgt Offenheit. Das mag vielleicht literarisch gesehen durchaus legitim sein, mich hat es hier aber eher frustriert. Die psychologische Tiefe, für die Fossum oft gelobt wird, konnte ich nicht wirklich greifen. Die Figuren blieben für mich seltsam distanziert. Ob ich nochmal ein Buch von ihr lesen werden? Sag niemals nie, aber in der nächsten Zeit eher nicht.

Fazit
"Ein stilles Mädchen" ist ein sehr ruhiger, schmerzhafter Kriminalroman, der (scheinbar bewusst?) auf Spannung verzichtet. Für mich blieben zu viele Fragen offen, und der emotionale Zugriff fehlte. Empfehlen würde ich das Buch Leser:innen, die leise, offene Krimis mögen.

Danke jedenfalls an lovelybooks.de und Saga Egmont Buecher für das Rezensionsexemplar und die Leserunde.

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Veröffentlicht am 08.12.2025

Ein Übergangsband mit Potenzial

Tote Seelen singen nicht
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„Was macht man mit einem Wunderkind, das kein Wunder mehr ist? “ (S. 510)
Mit "Tote Seelen singen nicht" kehrt das Sonderdezernat Q unter neuer Konstellation zurück. Der Roman wurde (erstmals) nicht allein ...

„Was macht man mit einem Wunderkind, das kein Wunder mehr ist? “ (S. 510)
Mit "Tote Seelen singen nicht" kehrt das Sonderdezernat Q unter neuer Konstellation zurück. Der Roman wurde (erstmals) nicht allein von Jussi Adler-Olsen geschrieben, sondern gemeinsam mit Stine Bolther und Line Holm. Übersetzt wurde er von Friederike Buchinger und ist im Oktober 2025 im Penguin Verlag erschienen. Im Mittelpunkt steht ein neuer Fall, der das Team in die Vergangenheit eines Sängerinternats führt, während Carl Mørck selbst nach seiner Haftzeit offiziell den Dienst quittiert hat und eine neue Ermittlerin im Keller des Dezernats auftaucht.

Schon nach wenigen Seiten war für mich klar: Das hier ist kein "klassischer" Q-Fall, sondern ein Band, der die Reihe neu sortiert. Und das merkt man. Der Fokus verschiebt sich, Carl tritt zurück, Helena Henry betritt die Bühne und Rose sowie Assad reagieren darauf gewohnt emotional und herrlich eigensinnig. Positiv überrascht hat mich der Schreibstil. Der ist nämlich... genau wie mans kennt! Trotz dreifacher Autor:innenschaft liest sich das Buch, als käme es aus einer Hand und der typische Q-Tonfall ist da: leicht ironisch, manchmal etwas derb und schnörkellos.

Aber so solide die Sprache, so durchwachsen war für mich dann die Handlung. Die Story hat für mich einige Längen, gut hundert Seiten weniger hätten dem Roman meiner Meinung nach gutgetan. Der Fall selbst ist zwar atmosphärisch, aber über weite Strecken vorhersehbar. Bereits im ersten Drittel hatte ich eine recht genaue Ahnung, wohin sich die Ermittlungen entwickeln würden. Die Spannung war daher nicht sooo da. Und dennoch: Es gibt diese starken Momente, in denen Adler-Olsen & Co. zeigen, dass sie weiterhin genau wissen, was menschliche Verletzungen anrichten können, was an dem Zitat klar wird:

"Hast du eine Vorstellung davon, was es mit einem Kind macht, wenn es erkennt, dass das Paradies, das es betreten hatte, in Wahrheit eine Schlangengrube ist? Hast du eine Vorstellung davon, wie es ist, zehn Jahre alt zu sein und das Einzige zu verlieren, was einem etwas bede-tet? Zu erleben, wie alle um einen herum, Erwachsene wie Kinder, sich gegen einen verschwören?" (S. 504)
Parallelstränge deuten außerdem auf kommende Bände hin, für mich waren es zwei (?) offene Fäden (könnte aber auch einer werden), während der Hauptfall wie immer in dem Band selbst aufgeklärt wurde.

Fazit

"Tote Seelen singen nicht" ist für mich ein solider Übergangsband, der Figuren neu verortet und erzählerisch die Weichen stellt. Kein Pageturner, kein Spitzentitel der Reihe, aber ein Buch für alle Q-Universum- Liebhaber:innen. Daher auch empfehlenswert für alle, die dem Team seit Jahren folgen und bereit sind für die "zweite Staffel", aus meiner Sicht weniger geeignet für Neueinsteiger:innen oder Leser:innen, die hohe Spannung erwarten.

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Veröffentlicht am 08.12.2025

Vom Nervenkitzel zur Ernüchterung

Der Nachbar
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"Der Nachbar" von Sebastian Fitzek (erschienen u.a. bei Argon Hörbuch) wird erneut von Simon Jäger gesprochen. Der Psychothriller folgt Strafverteidigerin Sarah Wolff, die an Monophobie leidet und nach ...

"Der Nachbar" von Sebastian Fitzek (erschienen u.a. bei Argon Hörbuch) wird erneut von Simon Jäger gesprochen. Der Psychothriller folgt Strafverteidigerin Sarah Wolff, die an Monophobie leidet und nach einem Umzug feststellt, dass sie nie wirklich allein war. Ein Setting, das beklemmend und intensiv sein könnte, aber für mich leider nicht funktioniert hat.

Eigentlich hätte ich auf mein Bauchgefühl hören sollen, denn ich war von Anfang an skeptisch. Der Klappentext klang für mich nach einer weiteren Variation des „der Feind lauert direkt neben dir“-Motivs. Aber die vielen begeisterten Stimmen haben mich dann doch neugierig gemacht. Und so hab ich mich dazu hinreißen lassen, einen weitere Fitzek in der Hörbuchvariante zu "lesen".
Und zunächst hat alles ganz gut angefangen. Der Einstieg? Überraschend stark. Die ersten Kapitel waren atmosphärisch dicht, und Jägers Stimme hat sofort eine Spannung erzeugt, die mich hoffen ließ, dass Fitzek mich nach den letzten eher schwachen Titeln wieder zurückgewinnt. Doch schon nach kurzer Zeit fühlte sich alles…seltsam leer an. Die Figuren wirkten auf mich erschreckend blass, und ich konnte zu keiner Person irgendeine echte Verbindung aufbauen. Nebencharaktere tauchten auf und verschwanden wieder, ohne dass sie spürbare Relevanz hatten. Mehrmals dachte ich: „Warum passiert das jetzt?“ und zwar nicht im positiven, überraschenden Thriller-Sinn, sondern im „Okay… wozu?“-Sinn. Motivationen blieben vage, Handlungsstränge wurden angerissen und wieder fallengelassen, und das Finale wirkte sehr konstruiert. Fitzek hat oft mit extremen Plots gearbeitet, das weiß man als langjährige Leserin. Aber hier war für mich kaum etwas nachvollziehbar. Die Twists fühlten sich eher wie ein Wettbewerb an: Wie viele Wendungen passen in 8 Stunden Hörzeit? Die Antwort scheint: zu viele.
Ein einziges echtes Highlight bleibt: Simon Jäger. Er schafft es wie immer, selbst einen wirren Plot mit Energie und Struktur zu füllen. Seine Interpretation rettet, was zu retten ist; aber auch er kann den erzählerischen Flickenteppich nicht kitten.

Fazit
Satz mit X, das war nix. Zu konstruiert, zu überladen, zu austauschbar und für mich der endgültige Moment, an dem ich merke, dass meine einstige große Fitzek-Liebe vielleicht einfach vorbei ist. Empfehlen kann ich dieses Buch niemandem, der Wert auf stimmige Figuren, nachvollziehbare Motive oder echte psychologische Spannung legt. Für Hardcore-Fitzek-Fans vielleicht noch interessant, für alle anderen eher nicht. Da gibt es wirklich spannendere Bücher. Danke an @netgalleyde und den @argonverlag für das Hörbuch-Rezensionsexemplar.

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