Wenn der Messias eine Frau ist
Sister Deborah"Sister Deborah" ist ein Roman von Scholastique Mukasonga, erschienen bei Claassen, übersetzt von Jan Schönherr. Die Geschichte beginnt in den 1930er Jahren in Ruanda: Eine amerikanische Missionarin verkündet, ...
"Sister Deborah" ist ein Roman von Scholastique Mukasonga, erschienen bei Claassen, übersetzt von Jan Schönherr. Die Geschichte beginnt in den 1930er Jahren in Ruanda: Eine amerikanische Missionarin verkündet, dass der Messias eine schwarze Frau sein wird. Damit gerät sie in Konflikt mit kolonialen Autoritäten, Kirche und Männern. Ihre Botschaft wird zur Provokation und zum Verhängnis. Jahrzehnte später folgt Ikirezi, eine Akademikerin in Washington, den Spuren der legendären Prophetin, um ihre Geschichte zu rekonstruieren.
Die Grundidee des Romans ist faszinierend: Was, wenn der Messias eine schwarze Frau ist? Mukasonga nutzt diese These, um koloniale Machtstrukturen, religiösen Dogmatismus und feministische Selbstermächtigung zu verhandeln. „Ich trug diese Geschichtenkrumen zusammen und bewahrte sie in einem Winkel meines Gedächtnisses auf wie kostbare Juwelen…“ (S. 71) – dieser Satz spiegelt gut wider, wie Geschichte und Erinnerung im Buch behandelt werden.
Trotz des spannenden Ansatzes fiel es mir schwer, beim Lesen emotional anzudocken. Der Roman lebt fast ausschließlich von beschreibendem Erzählen, Dialoge sind rar, was das Tempo sehr ruhig, manchmal langatmig macht. Einzelne historische Begriffe oder unklare Bezüge wie „Boy“ ohne Kontext irritierten mich, hier hätte ich mir etwas mehr Einbettung gewünscht oder ein Glossar am Ende.
Die Atmosphäre ist jedoch stark: Mukasonga schafft ein zartes, zugleich furchtloses Porträt der Frauen, zeigt Widerstand gegen Macht und Unterdrückung und lässt die Spiritualität spürbar werden. „Der Geist hat keinen Schimmer von den Kalendern der Menschen… Würde er den Ruf der Menschen, die Hoffnung der Frauen erhören, gäbe es keine Hoffnung mehr.“ (S. 136) – hier wird die Spannung zwischen Glaube, Erwartung und Realität spürbar.
Fazit
Sister Deborah ist ein ruhiger, nachdenklicher Roman, der feministisches Denken, koloniale Geschichte und Spiritualität vereint. Die Grundidee ist stark, die Umsetzung eher erzählerisch zurückhaltend. Empfehlenswert für Leser:innen, die poetische, reflektierte Literatur lieben und sich auf beschreibendes Erzählen einlassen möchten. Weniger für alle (wie mich), die Dialoge und eine gewisse Spannung suchen.