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Veröffentlicht am 27.04.2025

Den vollen Genuss gibt’s nur chronologisch

Thanatopia
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Ich lese eher wenig Sci-Fi oder verwandte Genres, dennoch werde ich bei Tom Hillenbrand öfter schwach. Ich weiß schon vor der ersten Seite, dass mich diese ganz eigene Form des Realismus innerhalb fiktiver ...

Ich lese eher wenig Sci-Fi oder verwandte Genres, dennoch werde ich bei Tom Hillenbrand öfter schwach. Ich weiß schon vor der ersten Seite, dass mich diese ganz eigene Form des Realismus innerhalb fiktiver Begebenheiten in der (näheren wie weiteren) Zukunft in ihren Bann ziehen wird. Dazu gibt es noch spannende Erzählstränge und interessante Charaktere.

Auch wenn man die Bücher einzeln lesen könnte, empfehle ich für die Hologrammatica-Reihe wärmstens, alles chronologisch zu lesen. Es gibt zwar Glossare am Ende des Buches, aber die Geschichten sind eng verknüpft und vieles Grundlegende wird meines Gefühls nach in Band 1 am besten erklärt bzw. überhaupt genauer angesprochen.

Ist man mit dem Vokabular vertraut, findet man in “Thanatopia” viele alte Bekannte wieder. Namen, Begebenheiten und Schauplätze tauchen wieder auf. Einerseits birgt die Geschichte dadurch viel Vertrautes, man erfährt aber auch Dinge, die frühere Geschehnisse erst so richtig verständlich machen. Das klingt furchtbar kryptisch, aber würde ich an dieser Stelle auf alles eingehen, wäre das nicht weniger verwirrend.

In “Thanatopia” treffen wir (wieder) auf Galahad, diesmal erfahren wir etwas über seine Kindheit und die Erfahrungen, die ihn zu dem Mann machten, der uns in “Hologrammatica” begegnet und im Nachfolger “Qube” zum Weltretter wird.

Abgesehen von diesem “Rückblick” spielt “Thanatopia” aber ein paar Jahre nach “Qube”. Soweit so verständlich. Der Umweltaspekt und warum die Menschheit überhaupt jene Super-KI erschaffen hat, die nun Probleme macht, stehen in diesem Band weniger im Mittelpunkt. Der Fokus liegt hier mehr auf den Thanatonauten. Diese Individuen erforschen (teilweise illegal) die Grenze zwischen Leben und Tod. Wie das geht, ist in der Welt der Hologrammatica leicht erklärt, würde hier aber den Rahmen sprengen.

“Thanatopia” ist ein weiterer faszinierender Thriller in dieser Reihe. Wird es eine Fortsetzung geben? Falls ja, werde ich sehr wahrscheinlich wieder in die Welt der Cogits, Braincrashes und Schwammköpfe eintauchen.

Veröffentlicht am 17.03.2025

Spannend und nachdenklich machend

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Dieser 350 Seiten lange Island-Krimi bietet neben gewohnt guter Spannung auch jede Menge Themen zum anschließenden Diskutieren oder Sinnieren. Eva Björg Ægisdóttir stellt die fiktive steinreiche Familie ...

Dieser 350 Seiten lange Island-Krimi bietet neben gewohnt guter Spannung auch jede Menge Themen zum anschließenden Diskutieren oder Sinnieren. Eva Björg Ægisdóttir stellt die fiktive steinreiche Familie Snæberg in den Mittelpunkt dieses Buches.

Ein Familientreffen zahlreicher illustrer und berühmter Charaktere läuft naturgemäß etwas anders ab als andere - sie mieten sich beispielsweise für mehrere Tage ein ganzes Hotel für sich alleine. Dennoch könnte man als Leser das eine oder andere Detail, das dabei ans Licht kommt, von eigenen Feiern wiedererkennen. Nur die harmloseren natürlich.

Alles fängt sehr vergnüglich an, wie lernen die ersten Hauptpersonen bei ihrer Anreise kennen. Vorne im Buch ist ein Stammbaum zu finden, was das Lesen im Verlauf sehr erleichtert. Die Erzählabschnitte wechseln zwischen einigen der anwesenden Personen, die dann jeweils andere Familienmitglieder beim Namen nennen. Dank des Stammbaums kann man sich gerade zu Beginn immer wieder schnell ansehen, wer das nun genau ist und in welcher Beziehung er zur gerade erzählenden Figur oder auch zu anderen erwähnten Personen steht.

Womit haben wir es denn zu tun? Es gibt einen tatterigen Patriarchen, seine drei Kinder samt Anhang sowie sechs Enkel (teilweise mit Partnern) und vier Urenkel. Die Ereignisse nehmen ihren Lauf, doch nicht alles davon ist von der Familie geplant… Ein Jahrzehnte altes Geheimnis kommt ans Licht und führt letztendlich zum Fund einer Leiche.

Hier kommen unsere schon bekannten Ermittler ins Spiel. Hörður und Sævar aus Akranes treffen wir wieder, die schon in den ersten drei Bänden Elmas Kollegen sind. Sævars Erzählungen zu den Ermittlungen rund und im Hotel unterbrechen die Abschnitte der Familienmitglieder immer wieder. Durch genaue Angaben, wann ein Abschnitt stattfindet und wer ihn erzählt, behält man aber gut den Überblick.

Das Besondere diesmal: Elma ist gar nicht dabei - das Buch ist eine Art Vorgeschichte zu den bisherigen Bänden. Da der Fokus aber weniger auf der Polizeiarbeit und mehr auf den Vorkommnissen rund um die Familie liegt, “stört” es nicht, dass dieser Krimi zwar vorher spielt, aber erst später geschrieben wurde.

Zu den eingangs angesprochenen Themen: Da hier so viele Generationen auf engem Raum beisammen sind, kann man gut die Unterschiede und Missverständnisse beobachten und auf das eigene Leben umlegen. Auch Kritik am sorglosen Umgang vieler Menschen mit Social Media und wie einfach es ist, jemanden damit zu hintergehen, wird aufgezeigt. Ebenso werden ein sorgloser Lebensstil und eine gewisse Selbstüberhöhung gut betuchter Menschen hinterfragt.

Auf der anderen Seite wird angedeutet, dass bei Berühmtheiten nicht notwendigerweise alles besser ist. Viele Vorurteile könnten sich als falsch herausstellen. Wir - als Gesellschaft - sind es gewohnt, schnell zu urteilen und rücken dann nicht mehr von unserer vorgefassten Meinung ab. Wer gerne Gewohnheiten oder Taten anderer hinterfragt, könnte das ein wenig öfter auch bei sich selbst tun.

Kleiner Kritikpunkt: Für mich hat sich am Ende der Prolog dann nicht mehr so ganz in die Geschichte eingefügt.

Veröffentlicht am 28.02.2025

Eine unvergessliche Reise

Der letzte Mord am Ende der Welt
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Bücher von Stuart Turton sind solche, die immer etwas länger nachhallen, nachdem man die letzte Seite umgeblättert und die Buchdeckel geschlossen hat. Wie er selbst im Nachwort anspricht, schreibt er bewusst ...

Bücher von Stuart Turton sind solche, die immer etwas länger nachhallen, nachdem man die letzte Seite umgeblättert und die Buchdeckel geschlossen hat. Wie er selbst im Nachwort anspricht, schreibt er bewusst komplett unterschiedliche Geschichten, doch allen gemein ist sein unverwechselbarer, fast schon mystischer Schreibstil.

Schon zu Beginn ist man als Leser voll Staunen, wenn man in seine Welten eintaucht, doch das steigert sich meist kontinuierlich mit jeder neuen Facette der Handlung. Auch in “Der letzte Mord am Ende der Welt” changiert die Erzählung und fasziniert mit einem ganz eigenen Drahtseilakt zwischen offensichtlicher Fiktion und inhärenter Logik.

Natürlich gibt es keinen “Nebel” aus “allesfressenden Insekten”, der ein paar wenige Individuen dazu zwingt, abgeschottet und alleine auf einer Insel eine ganz eigene Zivilisation aufzubauen. Aber dennoch bietet die Geschichte in sich eine absolut glaubwürdige Struktur und viele moralische Dilemmata, über die man sich - ob man will oder nicht - ganz automatisch den Kopf zerbricht, so als wäre die generelle Situation realistisch.



Welche Situation ist das? Wir lernen also, dass es eine Insel am Rande der Welt gibt, auf der sonst nichts mehr existiert. Alles andere wurde durch besagten “Nebel” vernichtet. Die Inselbewohner scheinen eine eingeschworene Gemeinschaft zu sein und Teile davon hoffen, dass sie den Nebel eines Tages besiegen können.

Doch nach und nach fallen die Fassaden und es kommt ans Licht, dass sich nicht alle so einig sind, wie es scheint. Als dann tatsächlich der titelgebende Mord passiert, kippt die Stimmung und es muss ermittelt werden, wie es weitergehen kann. Gleichzeitig kommt der Nebel näher…

Nach “Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle” und “Der Tod und das dunkle Meer” ist dies nun der dritte Roman von Stuart Turton, der mich wieder genauso überrascht, gepackt und begeistert hat. Seine Geschichten sind großteils fantastisch im engsten Wortsinn. Wer sich darauf einlassen kann, den erwartet eine wilde Reise, die am Ende fast zu schnell vorbeigeht.

Veröffentlicht am 12.01.2025

Allon, ein Künstler unter den Agenten

Der Kunstsammler
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Auch wenn ich nicht alle Bände kenne - wenn Daniel Silva Neues von seinem Gabriel Allon berichtet, lese ich das immer gerne. Allon, nun ja ehemaliger Leiter des Israelischen Geheimdienstes und aktuell ...

Auch wenn ich nicht alle Bände kenne - wenn Daniel Silva Neues von seinem Gabriel Allon berichtet, lese ich das immer gerne. Allon, nun ja ehemaliger Leiter des Israelischen Geheimdienstes und aktuell Restaurator von Gemälden, lebt nun in Venedig. Er verbringt seine Zeit mit der Familie und seiner neuen Arbeit.

Seine alte holt ihn aber dennoch ein und so wird er gebeten, sich zunächst als Kunstkenner eine Meinung abzugeben. Er soll der italienischen Polizei die Echtheit eines lange verschollenen Gemäldes bestätigen. Am Ort des Fundes ist noch mehr passiert. Die Tatsache, dass der letzte Besitzer des Gemäldes keines natürlichen Todes starb und dass dieser scheinbar noch andere - eines ist nun verschwunden - Gemälde gehortet hat, weckt Allons Interesse.

Zudem vermutet er schnell einen Diebstahl hinter dem fehlenden Kunstobjekt. Zunächst verfolgt Allon also mit Erlaubnis Italiens die Spur des Gemäldes quer durch Europa. Dabei stößt er auf die verschiedensten Charaktere und nützt alte Bekanntschaften aus seiner Geheimdienstkarriere.

Als er dann merkt, dass er alleine bzw. mit einer einzelnen Mitstreiterin nicht mehr weiterkommt, wird er in Tel Aviv vorstellig und erhält - ein wenig zu schnell - Zugang zu allem was er braucht sowie eine Gruppe engster Mitarbeiter unter sein Kommando.

Das schnell wieder gut eingespielte Team zieht in kurzer Zeit eine große Operation auf, mithilfe derer man an bestimmte Dokumente herankommen möchte. Die Schwierigkeit dabei: Die Sache läuft in Russland ab, Allon muss alles aus der Ferne koordinieren.

Zwischendurch gibt es auch noch Zeit für private Schnipsel, auch wenn Allon als Figur erst wirklich greifbar wird, wenn man mehrere Bücher kennt. Er ist natürlich erfahren und hat auch geniale wie riskante Ideen. Ihm fällt auch vieles zu und seine antrainierten Fähigkeiten sind enorm, sowohl physisch als auch was Fachwissen betrifft.

Wer klassische, auch actionreiche Agententhriller mag, wird bei Silva gut unterhalten. Ausgehend von einer “einfachen” Aufgabe, aus einem “simplen” Plot, kreiert der Autor eine faszinierende Spionagegeschichte rund um tatsächliche Fakten.

Veröffentlicht am 03.11.2024

Emmerich ist einfach verflucht gut

Die weiße Stunde
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Ein Jahr ist seit “Der letzte Tod” vergangen und August Emmerich wird im Jahr 1923 auf wie schon gewohnt spannende Weise mit einer Leiche konfrontiert. Gemeinsam mit seinem Assistenten Ferdinand Winter ...

Ein Jahr ist seit “Der letzte Tod” vergangen und August Emmerich wird im Jahr 1923 auf wie schon gewohnt spannende Weise mit einer Leiche konfrontiert. Gemeinsam mit seinem Assistenten Ferdinand Winter arbeitet der kauzige Kriminalinspektor daran, den Mörder zu finden, der eine ledige Frau in deren Schlafzimmer brutal getötet hat. Ganz nebenbei hat er auch vor, weniger zu fluchen. Wie lange kann das gut gehen?

“Die weiße Stunde” ist der bereits sechste Band der erfolgreichen Reihe von Alex Beer. Besonders sind nicht nur die Bücher, sondern vor allem die so authentisch und vielschichtig gelesenen Hörbücher. Da Cornelius Obonya Emmerich, Winter, dem Erzähler und zahlreichen wiederkehrenden wie neuen Charakteren seine Stimmen (ja, Mehrzahl) leiht, fühlt sich alles tatsächlich wienerisch und schon fast heimelig an. Natürlich kann das für Nicht-Österreicher auch ungewohnt sein, aber ich kann nur empfehlen, das Hörbuch probe zu hören. Notfalls kann man immer noch das Buch kaufen.

Das ungekürzte Hörbuch mit einer Laufzeit von 9,5 Stunden fühlt sich, wenn man erst voll in der Geschichte drinnen ist (was nicht lange dauert), tatsächlich kürzer an. So, wie man ein gedrucktes Buch manchmal einfach kaum aus der Hand legen kann, konnte ich hier die Aufnahmen kaum unterbrechen.

Emmerich ist nicht nur mit den Ermittlungen beschäftigt. Nebenbei erfahren wir auch etwas mehr über seinen alten Gegenspieler Veit Kolja. Apropos wiederkehrende Charaktere - alle Bände lassen sich von den Fällen her unabhängig voneinander lesen. Aber die Hauptfiguren sowie Nebenhandlungen rund um diese spannen sich über alle Bände und bleiben auch manchmal am Ende des Buches ungeklärt.

Es gibt also in den Büchern Anspielungen und Erwähnungen, die sich auf frühere Erlebnisse beziehen. Wer das Gefühl hat, Emmerich und Winter besser kennenlernen zu wollen, sollte auf jeden Fall den ersten Band lesen oder hören.

“Die weiße Stunde” ist Teil 6 der Reihe um Kriminalinspektor August Emmerich.



Die bisherigen Teile:

Der zweite Reiter
Die rote Frau
Der dunkle Bote
Das schwarze Band
Der letzte Tod