Cover-Bild Westwind
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Atrium Verlag AG
  • Themenbereich: Belletristik - Krimi: Historisch
  • Genre: Krimis & Thriller / Historische Kriminalromane
  • Seitenzahl: 350
  • Ersterscheinung: 18.09.2020
  • ISBN: 9783855350773
Samantha Harvey

Westwind

Roman
Steffen Jacobs (Übersetzer)

1491. In dem kleinen Dorf Oakham, ein Ort in dem es Ziegen gibt, die reicher sind als die Bewohner, bereitet man sich gerade auf die bevorstehende Fastenzeit vor, als eines Nachts ein Unglück geschieht: Thomas Newman, der wohlhabendste und einflussreichste Mann im Dorf, wurde von der tödlichen Strömung des Flusses mitgerissen. War es ein Unfall, Selbstmord oder gar Mord? Dies herauszufinden, obliegt dem örtlichen Priester John Reve, einem geduldigen Hirten seiner eigensinnigen Herde. Während sich durch die Beichten der unterschiedlichen Dorfbewohner langsam ein Porträt der Gemeinde zusammensetzt, kommen immer dunklere Geheimnisse ans Licht – und die Schuldfrage wird immer dringlicher.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2020

Anspruchsvolle Sündenfall-Variation

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Samantha Harveys Roman Westwind ist ein Roman, der nicht ganz einfach zu rezensieren ist, da man mit jedem Satz Gefahr läuft, etwas preis zu geben, was lieber ungesagt bleiben sollte. Hierin ähnelt man ...

Samantha Harveys Roman Westwind ist ein Roman, der nicht ganz einfach zu rezensieren ist, da man mit jedem Satz Gefahr läuft, etwas preis zu geben, was lieber ungesagt bleiben sollte. Hierin ähnelt man als Rezensent auf unheimliche Art der Erzählinstanz des Romans: John Reve, Pater, Beichtvater und geistliches Oberhaupt von Oakham, der sich nach dem Verschwinden des reichen und beliebten, aber auch reformgeistigen, Bürgers Thomas Newman (die Bedeutung des Nachnamens kommt nicht von ungefähr – dies gilt auch für den Namen des Großgrundbesitzers Townshend) der Herausforderung stellen muss, das Verschwinden aufzuklären und seine Schäfchen zu beschützen.

Das herausragende und außergewöhnlich gut umgesetzte Merkmal dieses Romans ist seine Erzählstruktur. John Reve, der sich allmählich als unzuverlässiger Erzähler entpuppt, berichtet chronologisch rückwärts von den Umständen um Newmans Verschwinden. Er beginnt also an Tag 4 und endet mit dem Tag, an dem Newman das letzte Mal gesehen wurde . Die Art, wie es Harvey gelingt, den Leser trotz dieser anspruchsvollen Erzähltechnik nicht vollends zu verwirren, graduell immer mehr und vor allem Tag für Tag sich ergänzende Informationen zu enthüllen und im Grunde schon auf Seite 111 von 350 die passende Endnote des Romans zu setzen (keine Sorge, man erfährt hier dennoch nichts, was die Auflösung vorwegnähme) ist bravourös. Ebenso exzellent gelingt es ihr, John Reves Perspektive zu nutzen. Er ist der Dreh- und Angelpunkt unserer eigenen Wahrnehmung – wir erleben und sehen die Geschehnisse und alle weiteren Figuren nur durch ihn, gefärbt durch sein Urteil und seine Absichten, seine eigene Position gegenüber seinem Selbst.

Erstklassig eingefangen ist auch die noch mittelalterlich geprägte, düstere und provinzielle Atmosphäre eines Dorfes am Ende des 15. Jahrhunderts mit seiner tiefen Gottesfurcht, Frömmigkeit und dem allgegenwärtigen Aberglauben und alten Bräuchen. Harvey macht mit leichter Hand sehr deutlich, wie beschwerlich, karg und begrenzt das Leben der Menschen war. Es gelingt ihr so ausgezeichnet, einen geeigneten Kontext für die wesentlichen Probleme und Zweifel ihres Romans zu schaffen, der sich mit den Grundfragen von Moral und Religiosität, menschlicher Einmischung und Bedürfnissen befasst und so bei aller zeitlichen Distanz durchaus auch deutliche Bezüge zur heutigen Gesellschaft und Kirche ermöglicht.

Trotz all dieser positiven Aspekte hat mich der Roman dennoch nicht vollends begeistert. Er ist zwar ein wunderbares, anspruchsvolles und viele Interpretationsmöglichkeiten anbietendes Schmuckstück von Literatur, aber ich konnte keine Nähe zu John Reve aufbauen und war an der Handlung meist nur mäßig interessiert , was mit den manchmal recht langen und langatmigen Ausführungen zur Religion zusammenhing. Wer darüber hinwegsehen kann, wird mit einem innovativen Erzählaufbau und sehr viel Stoff zum Nachdenken belohnt.

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Veröffentlicht am 04.10.2020

Die menschlichen Abgründe von Oakham

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Ich habe sehr lange keinen Roman mehr gelesen, der im Mittelalter spielt. „Westwind“ ist definitiv anders als die vielen anderen historischen Romane, die ich diesem Genre zuordnen würde. Das liegt zum ...

Ich habe sehr lange keinen Roman mehr gelesen, der im Mittelalter spielt. „Westwind“ ist definitiv anders als die vielen anderen historischen Romane, die ich diesem Genre zuordnen würde. Das liegt zum einen an dem besonderen, eleganten Schreibstil der Autorin. Zum anderen an der ungewöhnlichen Erzählstruktur. Die Geschehnisse werden nämlich rückwärts erzählt; von Tag 4 bis Tag 1.

Auf diese Weise erfährt man Stück für Stück, was sich am Tag des eigentlichen Unglücks ereignet hat. Es ist ein langer, erschreckender und düsterer Weg dorthin. Er verläuft über Fragen des Gewissens, verhängnisvolle Entscheidungen, menschliche Fehler und verborgene Geheimnisse.

Obwohl es natürlich um die Aufklärung des Falls geht, ist es nicht die typische Krimi-Spannung, die mich hier begeistert hat. Vielmehr war es die außergewöhnliche Atmosphäre, die lyrische Schreibweise, die mit so vielen größeren und kleineren Metaphern arbeitet und der tiefe Einblick in die Psyche des Menschen. Die Handlung spiegelt sehr deutlich das damalige Leben wieder, wenn auch einige historische Ungenauigkeiten bestehen. Dies und die im vierten Abschnitt schwächelnde Spannung sind jedoch die einzigen Kritikpunkte meinerseits.

Auch nachdem tragischen Ende hat mich das Buch nicht ganz losgelassen, sodass ich im Nachhinein einige Szenen noch einmal gelesen habe.

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