Cover-Bild Unverblümt im Sommerwind
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9,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Heyne
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 496
  • Ersterscheinung: 09.03.2020
  • ISBN: 9783453423718
Simone Veenstra

Unverblümt im Sommerwind

Roman
»Bis nächste Woche habe ich die Miete auf keinen Fall beisammen.« Judith kann einfach nicht lügen. Nicht einmal klitzekleine Notlügen oder falsche Höflichkeiten sind drin. Das kostete sie Beziehungen, Jobs – und jetzt sogar ihre Wohnung. Um ein Dach über dem Kopf zu haben, fährt Judith zu ihrem Onkel nach Amrum. Dort will sie nun endlich das Lügen lernen. Hilfe dabei bekommt sie von einem zugelaufenen Hund namens »Hund«. Und von Menschen, die alle genauso einen Knacks haben wie sie. Nur eben anders.

Als sie dann das Tagebuch der im Jahr 1900 auf Föhr geborenen Teda entdeckt, ist sie nicht nur von deren abenteuerlicher Lebensgeschichte fasziniert. Langsam, aber sicher sieht sie auch ihr Vorhaben, Lügen zu lernen, damit andere sie mögen, in einem ganz anderen Licht.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.06.2020

„Normal zu sein ist überbewertet“

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Farbenfrohe Sommerlektüre mit einer ordentlichen Portion Tiefgang und durch und durch sympathischen Hauptfiguren mit Ecken und Kanten – für alle, die „reif für die Insel sind“. Knapp 500 Buchseiten lang ...

Farbenfrohe Sommerlektüre mit einer ordentlichen Portion Tiefgang und durch und durch sympathischen Hauptfiguren mit Ecken und Kanten – für alle, die „reif für die Insel sind“. Knapp 500 Buchseiten lang Auszeit vom Alltag als Erholungspause für Herz und Verstand.

Schon wie er in der Hand liegt, der aktuelle Roman von Simone Veenstra, lässt das Herz hüpfen: der Schutzumschlag von „Unverblümt im Sommerwind“ ist haptisch für ein Taschenbuch durchaus anspruchsvoll gestaltet, denn die fröhlichen gelben Blumen auf dem Cover sind glatte Farbkleckse auf dem warmen, leicht rauen Karton, der beinahe ein Gefühl von Leineneinband vermittelt. Das ist sehr stimmig vor dem Hintergrund, dass der Inhalt sich intensiv mit der Wirkung von Farben und auch Formen auf die Sinne in der Malerei (und im Alltag) beschäftigt. Erst einmal ein dickes Lob, dass sich ein großer Verlag wie Heyne auf so eine ausgefeilte Gestaltung eingelassen hat – für mich hat es zum Lesevergnügen beigetragen, dieses sinnliche Papier Tag für Tag in Händen zu halten. Im Innenteil der Umschlagklappe finden sich dann vorne und hinten noch jeweils liebevoll gezeichnete Karten von Amrum und Föhr, anhand derer sich die Wege auf den gar nicht mal so riesigen Inseln für all jene nachvollziehen lassen, die noch nie dort waren.

Zum Inhalt: Das Buch hat den sehr passenden Untertitel (Buchrückseite) „Lügen für Anfänger“, denn die Hauptfigur, Kunsthistorikerin Judith, kann einfach nicht lügen. Dadurch eckt sie immer wieder an, beruflich wie in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen. Ständig und überall muss sie hinausposaunen, was sie wirklich denkt, statt Zuflucht in diplomatischen Floskeln oder gesellschaftlich akzeptablen Notlügen zu suchen. Das ist für ihr Umfeld nicht besonders leicht, was ihr bewusst ist, aber das Problem ist: sie kann einfach nicht anders. Auch wenn der Begriff im Buch nie fällt: Judith erinnert an einen Menschen mit einer leichten Form von Asperger.

Ich gestehe, dass ich mich seeeehr gut mit ihr identifizieren konnte, denn ich gehöre auch zu einem Menschenschlag, der einfach immer viel zu direkt ist und beim Aussprechen unangenehmer Wahrheiten oder aufgrund irgendwie als unpassend empfundener Bemerkungen schon des Öfteren angeeckt ist. Und ja, auch mich hat diese Neigung zur Direktheit wie sie schon den einen oder anderen Job gekostet (ganz ohne Asperger). Sooo true ... Das ist nicht schön, aber rückblickend denke ich persönlich: Well, wenn ich mich derart verbiegen muss, um diesem Kunden oder jener Chefin zu gefallen, dann pass ich da wirklich nicht rein, dann muss ich eben das Umfeld finden, in dem ich mit meiner Art willkommen bin. Klar kann man an sich arbeiten und man lernt ja auch stetig dazu – aber verbiegen, das schlägt auf die Dauer einfach auf den Magen. Und mal ganz ehrlich: wer will sich schon sein Leben lang verbiegen, wo soll das hinführen?

Aber bleiben wir mal bei Judith: Bei ihr war es zuletzt der Job in einem Bekleidungsgeschäft: weil sie einfach nicht anders konnte als der Kundin zu sagen, dass ihr die Hose, mit der diese liebäugelte, wirklich nicht besonders gut stand. Oder die Assistent:innenstelle an der Uni, die ihr ihr besserwisserischer Exfreund Paul vor der Nase weggeschnappt hatte. War allerdings auch ein ziemlich blöder Move von seiner Seite. Und zu allem Überfluss ist sie auch noch aus ihrer WG geflogen, weil sie ohne Job die Miete nicht mehr zahlen konnte, so dass sie jetzt einfach nicht mehr weiter weiß und schon gar nicht, wohin. So sucht sie Unterschlupf bei ihrem Onkel Olaf auf der Insel Amrum, der sich einen alten Leuchtturm zu einer gemütlichen Wohnung ausgebaut hat. Dort läuft ihr gleich ein recht verfilzter, frauchenloser Hund zu, den sie erst einmal „Hund“ nennt. Das erscheint mir mehr als logisch, denn die Persönlichkeit eines Tiers zeigt sich ja nicht beim ersten Zusammentreffen, sondern erst nach und nach. (Ich bekenne, dass im Impfausweis meiner Katze Diva als Name „Katze“ steht, weil ich exakt vor diesem Problem auch stand. Meine Mitbewohner:innen zum Zeitpunkt des Zulaufens hatten sie derweil „Psychokatze“ getauft, weil sie bei unserer Begegnung so ausgehungert war, dass sie sehr aggressiv wurde, wenn man ihr ihr zustehende – so ihre Auffassung – Leberwurstbrote vorenthielt, das ist jetzt aber wieder eine andere Geschichte ...)

Ungefähr zeitgleich trifft Judith durch Zufall auf eine Gruppe von Leuten, die sich im Lauf der Erzählung als wahre Freunde entpuppen – und darauf pfeifen, ob die unverblümten Wahrheiten, die ihr immer wieder herausrutschen, schmeichelhaft sind oder nicht. Denn in solchen Wahrheiten liegen immer wieder auch Hinweise zur Selbsterkenntnis für Menschen, die offen dafür sind. Und das sind die Bewohnerinnen der „Villa Pippilotta“, einer kunterbunt angestrichenen alten Villa in Strandnähe, die von der experimentierfreudigen Köchin Maren betrieben wird.

Da ist Ben, ursprünglich Kriegsberichterstatter, nach einer schweren Beinverletzung erst einmal auf den Rollstuhl angewiesen und darüber ziemlich verbittert, dann gibt es den Teenager Lydia, deren Gesicht nach einem Unfall zum Teil durch schwere Brandnarben entstellt ist, einen älteren Herrn namens Josef, der vor Kurzem seine Frau verloren hat und sich mit ihr unterhält, als wäre sie noch da, und Rita, die von ihrer Zwillingsschwester getrennt wurde und nur schwer mit dieser Trennung klarkommt, weil die Schwestern eine geradezu symbiotische Beziehung miteinander hatten und stets wie eine Person gefühlt und gehandelt haben.

Maren, Hausmutter und guter Geist der Villa Pippilotta, betreibt das Haus als Rückzugsort für Menschen, die nach verschiedenen Schicksalsschlägen das Inselrefugium (genau wie Judith) nutzen, um wieder zu sich selbst zu finden. Das Haus hat Maren von ihrer Mutter geerbt, ihre Großmutter Teda war als Künstlerin tätig und hat die Villa als Ort für Gestalt- bzw. Kunsttherapien auf Amrum etabliert. Das interessiert Judith als Kunsthistorikerin natürlich brennend. Als sie das Atelier der Großmutter auf dem Dachboden in Augenschein nimmt, fällt ihr Tedas Tagebuch in die Hände.

So erklärt sich auch der zweite Handlungsstrang des Romans, der in der Zeit vor und nach dem ersten Weltkrieg bis in die 1920er-Jahre hinein spielt. In diesem wird die Geschichte von Teda erzählt, Marens Großmutter. Teda stammte von Föhr, der Nachbarinsel von Amrum, und studierte in den „wilden 20ern“ als Mann verkleidet (!) unter der Identität ihres im Krieg gefallenen Bruders in Berlin Kunst. Denn zu diesem Zeitpunkt waren Frauen noch nicht offiziell zum Kunststudium zugelassen. Die historische Parallelhandlung entfaltet sich nach und nach, während Judith Tedas Tagebuch liest. Der kurze Ausschnitt aus Tedas Leben, der über die Tagebucheinträge transportiert wird, bietet über die Perspektive Tedas einen höchst intensiven Einblick in eine Zeit voller Umbrüche: zum einen in die politischen Veränderungen, das Erstarken der nationalsozialistischen Kräfte, aber auch den Widerstand gegen das nationalistische Geschwätz und gegen unintelligente Würstchen, die sich in der Gruppe stark fühlen.

Es vermittelt aber auch das Gefühl für eine Aufbruchsstimmung unter Frauen, die sich mit der Emanzipationsbewegung rund um die Einführung des Frauenwahlrechts 1919 trauten, in vielen Bereichen mehr Verantwortung und Macht einzufordern. Teda gehört noch zu der Generation, die sich ihren Wunsch nach einer qualifizierten künstlerischen Ausbildung nicht als Frau gleichberechtigt erfüllen kann, also geht sie einen anderen, nicht ganz legalen Weg. Es ist verblüffend, wie leichtfüßig es Autorin Simone Veenstra gelingt, derart mächtige Themen wie nebenbei in die Handlung einfließen zu lassen, ohne dass auch nur der Ansatz eines erhobenen Zeigefingers durchscheint. Im Gegenteil: die Handlung um Teda, die sich ihr Studium durch allabendliches LIve-Porträtzeichnen in einem Kabarett finanziert, hat mich geradezu eingesogen, so dass ich mir mehrfach gewünscht habe, trotz des nicht gerade schmalen Umfangs von „Unverblümt im Sommerwind“, ich könnte noch mehr über Tedas ziemlich schillerndes Leben erfahren. Es wird derart spannend geschildert, dass die Autorin ein eigenes Buch (wenn nicht gar ein mehrteiliges historisches Werk) daraus hätte bauen können, ohne dass es auch nur eine Sekunde gelangweilt hätte.

Neben den Einblicken in Tedas schillernde Kabarettwelt der Weimarer Zeit, die Künstlerinnen und Künstler, Schwule und Lesben, aufstrebende Filmsternchen, engagierte Kämpferinnen gegen Armut und Hunger und prügelsüchtige Nazis mit leichter Hand skizziert, alles in der Halbwelt der Amüsierviertel von Berlin angesiedelt, die aus Romanen der Zeit und Geschichtsbüchern so verlockend von den Seiten winkt, gibt es natürlich auch die eine oder andere Liebesgeschichte. Tedas Enkeltochter Maren muss ja irgendwie in die Welt gelangen. Und auch zwischen Judith und Ben scheint es zu funken – ob da was geht zwischen diesen beiden schwierigen und vom Leben verletzten Charakteren? Findet es selbst heraus!

Mein Fazit: der Roman hat mich zu Tränen gerührt zurückgelassen, begeistert über die wunderbare Figurenzeichnung, die spannende Handlung, die ganz ohne Thrillerelemente trotzdem den Charakter eines Pageturners entfaltet, und absolut süchtig nach mehr – nach mehr Geschichten von Hund, Teda und Judith! 500 Seiten finde ich lange nicht genug. Das schafft „Unverblümt im Sommerwind“ übrigens – trotz des etwas kitschigen Titels – ganz ohne in Kitsch oder Schmalz abzudriften. Für mich schon jetzt die Sommerlektüre des Jahres 2020.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Wunder-wunderschön!

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“Unverblümt im Sommerwind“ ist ein Roman von Simone Veenstra.

Enttäuscht vom Leben sucht Judith Zuflucht bei ihrem Onkel auf Amrum.
Um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, sucht sie sich Hilfe zum ...

“Unverblümt im Sommerwind“ ist ein Roman von Simone Veenstra.

Enttäuscht vom Leben sucht Judith Zuflucht bei ihrem Onkel auf Amrum.
Um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, sucht sie sich Hilfe zum Lügen lernen.
Sie trifft auf ganz außergewöhnliche Menschen, einen Hund und ein altes Tagebuch voller Geheimnisse.
Und dann kommt doch alles anders als sie denkt.

Das Cover ist wirklich schön. Die Farbkombinationen sind sehr harmonisch gewählt.
Die gelben Blumen bringen das blaue Cover und vor allem den Leuchtturm besonders zum Strahlen.
Auch der Hund spielt eine besondere Rolle und wurde passend in das Cover integriert.
Die verschiedenen Schriftarten machen das Cover noch lebendiger.

Der Schreibstil von Simone Veenstra ist super. Das Buch lässt sich locker, leicht und flüssig lesen. Die Autorin konnte mich auch gut mit in die Vergangenheit entführen. Es war alles verständlich und greifbar.
Auch an Spannung hat es durch vielen Geheimnisse, Entdeckungen und Enthüllungen nicht gefehlt.

Die Charaktere waren mit vielen Ecken und Kanten absolut authentisch und unheimlich sympathisch.
Ich konnte mich gut in diese hineinversetzen und habe sie durchs Lesen liebgewonnen.

Wichtige Themen wie: Akzeptanz, Toleranz, Freundschaft und Selbst-, Liebe werden in diesem Buch bearbeitet.

Dieses Buch ist nicht nur ein aufmunternder Seelentröster, sonder auch wirklich amüsant und herzerwärmend.

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Veröffentlicht am 28.07.2020

Wie man lernt zu Lügen

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Judith gelingt es einfach nicht zu Lügen, sie sagt wirklich immer die Wahrheit. Diese Wahrheit hat sie schon einiges gekostet wie ihre Beziehung und ihre Jobs.
Nun hat Judith sich entschlossen zu ihrem ...

Judith gelingt es einfach nicht zu Lügen, sie sagt wirklich immer die Wahrheit. Diese Wahrheit hat sie schon einiges gekostet wie ihre Beziehung und ihre Jobs.
Nun hat Judith sich entschlossen zu ihrem Onkel nach Amrum zu fahren um dort das Lügen zu lernen.
Bei ihrem Vorhaben läuft ihr zuerst ein Hund zu und sie lernt Menschen kennen die genauso ihr Päckchen zu tragen haben wie Judith selbst.

Ich wurde durch das Cover mit seinem schönen Motiv auf diesen Roman aufmerksam, da mich auch der Klappentext angesprochen hat habe ich mich sehr auf die Lektüre des Buches gefreut.
Gerade Romane die auf zwei Zeitebenen spielen empfinde ich immer wieder als spannend. Leider ist mir der Einstieg ins Buch sehr schwer gefallen und es hat wirklich sehr lange gedauert bis ich mich mit ihm richtig angefreundet hatte, ganz ehrlich als endlich der Schalter für mich umgelegt wurde war ich schon soweit das Buch abzubrechen.
Der Roman war auf drei Handlungsstränge und zwei Zeitebenen aufgebaut, in der Gegenwart war dies Judith und Ben und in der Vergangenheit Teda.
Judith kehrt auf die Insel zurück wo sie mit ihrem Onkel Ole als Kind viel schönes erlebt hat und versucht dort ihr Leben in den Griff zu bekommen.
Ben dagegen wurde von seiner Schwester auf die Insel geschickt da er etwas schlimmes erlebt hat und sie hofft er findet dort wieder zu sich selbst.
Teda dagegen ist ihrer Zeit weit voraus und zieht von einer Nordfriesischen Insel aus um ihre Träume zu verwirklichen.
Wie sich dies alle mischt sollte man am Besten selbst lesen da dies den Charme des Romans ausmacht.
Teilweise fiel es mir gerade in der Gegenwart recht schwer dem Handlungsverlauf zu folgen, in der Vergangenheit hatte ich dagegen damit wirklich gar kein Problem.
Der bzw. die Spannungsbögen waren aber wirklich immer sehr gut gespannt und so konnte ich mir während des Lesens so meine Gedanken machen wie wohl alles ausgehen wird.
Man konnte sich die verschiedenen Figuren des Romans wirklich mehr als leicht während des Lesens vorstellen, da sie sehr detailliert beschrieben waren.
Leider habe ich zu Judith sehr lange keinen Zugang gefunden im Gegenteil sie ging mir richtig auf die Nerven.
Ben und gerade Teda hatte ich dagegen sehr schnell in mein Leserherz geschlossen gehabt.
Obwohl ich noch nie auf Amrum war oder einen der anderen Handlungsorte je besucht hab (außer Berlin), so war doch alles so anschaulich beschrieben das ich mir alles vor dem inneren Auge entstehen lassen konnte beim Lesen.
Alles in allem aht mir der Roman zum Schluss hin wirklich sehr gut gefallen, aber da der Beginn für mich sehr schleppend war habe ich mich entschlossen für das Buch vier von fünf Sternen zu vergeben.

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Veröffentlicht am 14.06.2020

Ein schönes, ehrliches Sommerbuch

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„Ich will, dass mich Menschen mögen, ich will einen Job behalten und gut darin sein, ich will endlich irgendwo dazugehören und bleiben. Und wenn das bedeutet, dass ich lernen muss zu lügen, dann ist das ...

„Ich will, dass mich Menschen mögen, ich will einen Job behalten und gut darin sein, ich will endlich irgendwo dazugehören und bleiben. Und wenn das bedeutet, dass ich lernen muss zu lügen, dann ist das eben so.“ (S.57)

Judith, die lernen möchte zu lügen. Ben, der immer wütend ist. Lydia, die sich hinter ihrer Kapuze versteckt. Rita, die sich einsam fühlt. Josef, der nicht loslassen kann. Maren, die keine Wände mag. Und Hund, der keinen Namen hat, aber trotzdem der fröhlichste von allen ist. Zusammen stellen sie sich ihren Problemen. Gemeinsam in der Villa Pippilotta auf Föhr. Denn dazu ist sie da. „Ich dachte, das ist der Grund, weshalb man hierherkommt? Um neu anzufangen.“ (S. 103)

Mit ausschweifenden Beschreibungen, malt die Autorin eine humorvolle, ehrliche Geschichte rund um Judith, Hund und ihre Freunde. Dabei werden ausgefallene Wörter benutzt, Floskeln hinterfragt, und mit viel Humor die Ehrlichkeit in die Welt gebracht.

„Freut mich?“ […]
„Ehrlich?“, provozierte er und bemerkte überrascht, dass sie wirklich überlegte.
„Ja, ich glaube schon. Vorhin hätte ich das wohl nicht gedacht, aber inzwischen sind Sie … ein bisschen netter geworden. Und interessanter.“ (S.102)

Auf dem Dachboden der Villa Pippilotta findet Judith die Tagebücher von Marens Großmutter Teda. Sie beginnt darin zu lesen und findet nicht nur eine Seelenverwandte in Teda, sondern auch eine Freundin.
Teda lebte 1911 auf Amrum, nicht weit von Föhr. Sie möchte ihre Tage nicht mit Handarbeiten vor dem Feuer verbringen. Stattdessen möchte sie malen und, wie ihr Bruder, mit Holz arbeiten. „Sie wollte sich ausdrücken, Blicke erweitern, Möglichkeiten erschaffen, sie wollte etwas tun, bei dem sie sich lebendig fühlte, am liebsten mit anderen, für andere. Und frei wollte sie sein, frei zu wählen, mit welchem Werkstoff sie das tat und mit wem!“ (S. 363) Teda lässt sich nicht ihr Leben vorschreiben, sondern nimmt es selbst in die Hand.

Die Parallelen zwischen Judith und Teda runden das Gesamtbild ab und führen die Erzählstränge zusammen. Während Judith das Lügen lernt und allen anderen mit ihren Problemen hilft, hilft sie Teda, endlich zu Wort zu kommen.

Müsste ich das Buch mit einem Wort beschreiben, wäre es „[…] ehrlich, auch wenn es manchmal wehtut.“ (S.487) Denn wenn mehr Menschen wie Judith reden würden, gäbe es weniger Missverständnisse. Floskeln ohne Bedeutung und leere Worte würden verschwinden.
„Hier und jetzt würde ich dir das Blaue vom Himmel herablügen […].“
„Blau, wieso eigentlich Blau?“ (S.488 f.)
Die Freundschaft ist ebenso echt, wie die sich anbahnende Liebesgeschichte. Es gibt Höhen und Tiefen, die aus flüchtig Bekannten Freunde werden lässt. Nichts ist unnötig verschönert oder übertrieben romantisch. Wie im wahren Leben, einfach ehrlich.

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Veröffentlicht am 17.04.2020

Ein bissel zu langatmig, aber sonst gut

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Unverblümt im Sommerwind von Simone Veenstra

Unverblümt im Sommerwind ist eine Geschichte bei der man ins Nachdenken gerät und bei der nichts ist wie es scheint:

Judith ist ein aufrichtiger und ehrlicher ...

Unverblümt im Sommerwind von Simone Veenstra

Unverblümt im Sommerwind ist eine Geschichte bei der man ins Nachdenken gerät und bei der nichts ist wie es scheint:

Judith ist ein aufrichtiger und ehrlicher Mensch und genau das ist ihr Problem. Fragt sie jemand um ihren Rat, oder auch nicht, dann sagt sie unverblümt ihre Meinung. Das kommt natürlich nicht immer gut an und so kommt es das sie immer wieder Jobs und Wohnungen verliert, aber auch ihre Beziehungen in den Wind schießt. Sie denkt sie ist anders und nach der letzten Enttäuschung will sie nur eines – sie möchte normal sein und dazu gehört das sie lernt mit ihrer Meinung hinter dem Zaun zu halten und ab und dann auch einmal zu einer Notlüge greifen kann. Im Grunde ihres Herzen ist sie mit sich selbst zufrieden und fühlt sich auch einsam, denn Freunde hat sie auch keine. Sie möchte ihr Leben in den Griff bekommen und so macht sie sich auf zu Onkel Olaf der auf Amrum im Leuchtturm lebt. Er soll ihr helfen ihr Leben in Griff zu bekommen, aber dann kommt alles ganz anders und Judith erlebt nicht nur aufregende Tage auf Amrum, ein Hund findet sie und weicht ihr nicht mehr von der Seite, sie lernt die Bewohner der Villa Pippilotta kennen und findet ein altes Tagebuch welches von einem Mädchen geschrieben wurde das 1900 auf der Nachbarinsel Föhr geboren wurde. Die Geschichte von Teda stellt ihr Leben komplett auf den Kopf und sie erkennt das anders sein, nicht unbedingt das schlechteste ist was es gibt.

Ich kannte die Autorin bislang noch nicht, aber sie hat mich mit ihrer Geschichte in den Bann gezogen, genauso wie das Cover das mir sofort ins Auge gestochen ist. Das Cover finde ich sehr erfrischend und passt super gut zum Titel, aber auch zu der Geschichte. Besonders gut gefallen hat mir das auf den Titelblattinnenseiten die Inseln Föhr und Amrum abgebildet sind und man so gleich sehen kann wo die einzelnen Orte liegen die in der Geschichte eine Rolle spielen.

Der Schreibstil der Autorin hat mich mitgerissen, flüssig und locker. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, wobei die Gegenwart überwiegt. Beide Handlungsstränge haben mich in den Bann gezogen und gerade Teda bewunderte ich für ihren Mut. Als Mädchen hatte sie es nicht leicht, sie lebte in einer Zeit in der die Eltern bestimmten was gut für sie war und ihre eigenen Wünsche bezüglich ihrer Zukunft spielten keine Rolle. Teda lebte in einer Zeit in der, der Krieg das Leben aller veränderte. Trotzdem wollte sie ihre Träume umsetzen und deshalb nahm sie ihr Leben in die Hand, zog ihr Ding durch, stellte sich den Herausforderungen und räumte einen Stein nach dem anderen aus dem Weg. Genau wie Judith war sie „anders“, aber sie hat das nie als schlecht empfunden und durch sie sieht Judith dann auch ihr Leben mit anderen Augen. Tedas Geschichte weist Judith den Weg und durch Teda blüht sie ein Stück weit auf und hilft dabei nicht nur sich selbst.

Judiths mochte ich sofort. Sie ist eine junge Frau die mit dem Leben hadert. Mit ihrer unverblümt ehrlichen Art eckt sie immer wieder an. Sie wird immer wieder aus der Bahn geschmissen, letztendlich hat sie kein Selbstvertrauen mehr und ist am Ende ihrer Kräfte. Sie ist es leid und als sie wieder einmal ihre Wohnung verliert beschließt sie das es an der Zeit ist ihr Leben komplett zu ändern. Sie möchte ein normales Leben führen, Freunde haben und auch mal die ein oder andere Notlüge anwenden können und ihr Onkel Olaf auf Amrum soll ihr dabei helfen. Den ersten Freund den sie findet ist ein herrenloser Hund der ihr ab dann nicht mehr von der Seite weicht. Eines Morgens, bei einem spontanen Bad im Meer, entdeckt sie eine schlafende Frau am Strand und damit beginnt für sie eine aufregende Zeit und der Beginn dessen was sie sich vorgenommen hat: Freunde zu finden und Lügen zu lernen. Marlene führt die Villa Pippilotta, ein Haus in dem die unterschiedlichsten Menschen leben, alle haben jedoch einen Wunsch – die Vergangenheit zu verarbeiten und ins Leben zurück zu finden. Als Judith Ben, Lydia, Joseph und Rita kennenlernt trifft sie auf vier Personen die seelische Wunden mit sich rum tragen und die den größten Teil des Tages alleine verbringen. Nur zu den Essenszeiten treffen sich alle, eine Gemeinschaft ist nicht erkennbar. Das ändert sich mit dem Tag an dem Judith zu ihnen stößt. Judiths ehrliche und offene Art kommt nicht immer gut an, aber sie bewegt etwas bei den Leuten und Judiths unverblümte Art trifft dort wo sie treffen muss: Tief im Inneren, sie bewegt bei jedem etwas und alle wollen Judith helfen lügen zu lernen, dabei vergessen sie ihre eigenen Probleme und können mit der Zeit auch über sich selbst und das was ihnen auf dem Herzen liegt sprechen. Die Gruppe Einzelkämpfer wächst immer mehr zusammen, sie werden Freunde und mit der Zeit setzen sich sich konkret mit ihrer Vergangenheit auseinander, fangen sich gegenseitig auf und sind füreinander da. Anfangs weiß man nicht viel über die Bewohner, über das was hinter ihnen liegt, man denkt sich seinen Teil, aber auch hier wurde ich dann überrascht, denn nicht alles was ich mir zurecht gelegt hatte, war so wie es scheint. Es gab die ein oder andere Überraschung, die ich so nicht erwartet hätte. Die Bewohner, samt der Eigentümerin dieses Erholungsheimes sind mir ganz schnell ans Herz gewachsen und ich war gespannt ob sie einen Weg finden würden um ihren Leben neue Impulse zu geben, ihre Träume und Wünsche doch noch zu erfüllen oder aber ganz neue Wege zu finden.

Ich fand die Geschichte sehr bewegend, vielleicht ein bisschen zu lang, aber im großen und ganzen hat es mir das Buch wirklich gut gefallen. Die verschiedenen Charaktere verbindet das sie neu durchstarten möchten und dies heißt mit der Vergangenheit abzuschließen, neue Wege zu gehen. Von Anfang an ist klar das die beiden Handlungsstränge miteinander zu tun haben, denn es gibt vieles das Teda und Judith verbindet. Von Anfang an ist klar das die Nordseeinseln in beider Leben eine große Rolle spielen und durch das Tagebuch kann Judith viele Puzzlesteinchen zusammen setzen. Die Liebe zur Kunst spielt bei Judith und Teda eine große Liebe und darüber hinaus entdeckt Judith dann noch ein Geheimnis das Teda ein Denkmal setzen wird.

Ein Buch über Freundschaft, Zusammenhalt, Enttäuschungen und Hoffnungen, bewegend, emotional, aber auch zum Schmunzeln. Ein Buch das in die Tiefe geht, das zeigt das „anders sein“ nicht unbedingt schlecht ist, das Ehrlichkeit auch gutes Bewirken kann, vor allem aber das man sich nicht der anderen wegen umkrempeln sollte. Judith, aber auch die anderen Bewohner der Villa Pippilotta, helfen sich gegenseitig und darüber hinaus werden die eigenen Probleme immer kleiner und sie lernen zu akzeptieren, verarbeiten und finden wieder Freude am Leben. Step bei Step stellen sie sich der Herausforderungen und nehmen neue Impulse mit und auch eine kleine Lovestory bahnt sich an. Gut eingefügt wurde Tedas Geschichte, bei der man immer wieder feststellen kann das sie und Judith sich ähnlicher sind wie man anfangs denkt, wenngleich man die beiden Lebensgeschichten nicht vergleichen kann.

Mir hat das Buch richtig gut gefallen und ich werde mir auch die anderen Bücher der Autorin noch etwas näher anschauen. Von mir gibt es eine Leseempfehlung und vier Sterne.

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