Cover-Bild Medulla
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 16.09.2025
  • ISBN: 9783832181673
Verena Güntner

Medulla

Roman | Nominiert für den SPIEGEL Buchpreis 2025
Was, wenn die Lust, neu anzufangen, unbändig ist? Wenn sich der brennende Wunsch danach, frei und selbstbestimmt zu leben, nicht länger leugnen lässt?
In einem heißen Berliner Sommer driften drei Paare auseinander, werden sich fremd, zu gegenläufigen Strukturen. Im flimmernden Zentrum die schwangeren Körper von Siv, Leyla und Esther – drei Frauen, die sich der Enge ihrer Lebensentwürfe widersetzen und radikal abwenden von einem scheinbar vorgezeichneten Weg.
Kraftvoll und zugleich mit einer großen Zartheit zeichnet Verena Güntner widerständige, sinnliche Figuren und erzählt von brüchigen Beziehungen, Schwesternschaft und Aufbruch.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.10.2025

Provokante, diskussionswürdige Geschichte

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Der Vater hat Kuchen mitgebracht, versucht sie zu überreden, mit ihm heimzukommen, die Mutter wird sich freuen. Als sie ihn aus ihrer Wohnung hinauszitiert hat, klingelt das Telefon. Sie weiß, egal wie ...

Der Vater hat Kuchen mitgebracht, versucht sie zu überreden, mit ihm heimzukommen, die Mutter wird sich freuen. Als sie ihn aus ihrer Wohnung hinauszitiert hat, klingelt das Telefon. Sie weiß, egal wie oft sie drangehen, sich melden und auflegen wird, wird es wieder klingeln, so als müsste es das letzte Wort haben.

Siv und Hanna sind im Hallenbad angekommen. Sie drehen einige Runden, springen unter die Gemeinschaftsduschen, pinkeln gleichzeitig im großen Strahl auf die Fliesen und lachen über entsetzte Gesichter. Wieder in Hannas Wohnung werfen sie ihre nackten Körper aufs Bett und feiern ihre Vertrautheit, bis Siv einfällt, dass sie mit Jan im Theater verabredet ist.

Jan hat seine Siebdruckespressomaschine minutiös gereinigt. Er setzt sich mit der ersten Tasse des heißen, bitteren Gebräus an den Küchentisch und ist zufrieden. Siv hat schon um sieben die Wohnung verlassen und eine riesige Essiggurke mit einer Kerze darin auf dem Tisch platziert. Er würde eine gut eingelegte essigsaure Gurke jederzeit einer Torte vorziehen und beißt auch gleich beherzt hinein, dass es kracht und spritzt. Sein Handy gibt einige einfallslose Glückwünsche her, Luftballons, Sektflaschen und Herzfeuerwerke. Jan ist enttäuscht. Er hat sich für den helllila Samtanzug entschieden und fährt mit dem Taxi ins Lepperts, sein Fast-Sterne-Lokal, um seinen Fünfzigsten zu feiern. Als er eintritt, ist Siv schon da. Sie will das Blumenarrangement abholen. Jan geht vor ihr in die Knie, hält sie an der Hüfte fest und kippt dabei den ersten Humpen hinunter. Siv lacht und macht sich los. Jan gleitet rücklings zu Boden und sieht in die Gesichter der ersten Gäste.

Fazit: Verena Güntner hat eine provokante, diskussionswürdige Szenerie erschaffen und sie hat mich gefordert. Im Vordergrund stehen drei Paare. Siv, deren Mutter Dänin ist, lebt mit dem Gastronom Jan in einer offenen Beziehung. Sie vergnügt sich wahlweise mit ihrer besten Freundin Hanna und/oder deren Freund Hans. Sie wird schwanger und weiß sofort, dass sie das Kind nicht austragen wird. Der pedantische Jan hat den richtigen geschäftlichen Riecher gehabt und lebt und ermöglicht Siv ein sorgenfreies Leben. Die Afghanin Leyla und David wollen unbedingt ein Kind, aber seine Spermien sind müde geworden. Als es dann doch klappt, erkennt Leyla, dass David nicht der Richtige für eine Familie ist. Esther ist die narzisstische, beruflich erfolgreiche Perfektionistin, die sich eine Weile in Jacobs Bewunderung gesonnt hat. Als sie schwanger ist, erliegt Jacob einem jahrelangen Irrtum und Esther bricht aus. Die Autorin gibt den Beteiligten kapitelweise eine Stimme, die mich mitten in die Beziehungsdynamiken wirft. Mit offenem Mund verfolge ich Sivs Freizügigkeit und Konsequenz, Leylas psychologischer Konstellation, es allen recht machen zu wollen und Esthers Kaltschnäutzigkeit. Die Autorin entzaubert die Männer, die alles andere als Helden oder „echte Kerle“ sind. Die Frauen wollen ihre selbstbestimmten Entscheidungen treffen und die Männer wollen das verhindern. Soweit der Konflikt. Sie will was das er nicht will, so funktionieren die meisten Beziehungen. Geflasht hat mich, was die Autorin mit mir gemacht hat. Alle Darsteller sind alles, was ich nicht sein möchte und eben doch stellenweise bin. Unsympathisch, verantwortungslos, eigensinnig, unsensibel, exzentrisch. Ich konnte mich mit niemandem wirklich verbünden und keine moralische Keule auspacken, denn irgendwie haben alle für sich gesehen recht. Darf ich als Frau dem Erzeuger meines Kindes das Recht absprechen, mitzuentscheiden? Darf der Erzeuger meines Kindes mir das Recht absprechen, frei über meinen Körper und damit gegen das Kind zu bestimmen? Eine denkwürdige, kontroverse, feministische, unterhaltsam erzählte Geschichte, die hängen bleibt.

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Veröffentlicht am 30.09.2025

Außergewöhnliche Geschichte um drei Frauen

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Zum Inhalt

Berlin
Es geht um drei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten und die sehr speziell wirken. Deren Lebenspartner stehen Ihnen in nichts nach.

Siv ist eine knapp 40-jährige, ...

Zum Inhalt

Berlin
Es geht um drei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten und die sehr speziell wirken. Deren Lebenspartner stehen Ihnen in nichts nach.

Siv ist eine knapp 40-jährige, schwangere Frau, die ihr Kind nicht behalten möchte. Mit Jan führt sie eine offene Beziehung und verweigert ihm das Mitspracherecht. Sie verdient kaum Geld und lebt von Jans Verdienst, aus dem eigenen Restaurant, wie die Made im Speck. Sie kennt keinerlei Tabus, wenn es um ihre Liebes - Affären geht. In zwischenmenschlichen Beziehungen lässt sie oftmals die nötige Empathie vermissen. Jan verhält sich lange Zeit passiv und scheint sich in einer Midlife-Crisis zu befinden.

Leyla und David träumen schon seit Jahren davon, Eltern zu werden. Als Leyla endlich schwanger wird, will sie ihren Körper von dem Kind befreien. Sie ist von ihrem Mann genervt, der sich, in ihren Augen, nie richtig von seinem Elternhaus gelöst hat. Obwohl ihr Siv unsympathisch ist, wird gerade sie ihre Retterin in der Not.

Esther ist mit Jacob verheiratet und hochschwanger. Eigentlich möchte auch sie kein Kind mehr. Ihr überfürsorglicher Mann lässt ihr kaum Luft zum Atem und wäre mit Sicherheit die bessere Mutter. Zu ihren Kontrolluntersuchungen nimmt sie den wesentlich jüngeren Lem mit.

Meine Meinung

Außergewöhnliche Geschichte um drei Frauen

Im Fokus stehen die Schwangerschaften der drei Frauen und die lieblosen Beziehungen zu ihren Partnern. Diese Themen waren für mich eine sehr große Herausforderung, da die Einstellung der Frauen für mich nicht nachvollziehbar war und ich mich in keinster Weise mit ihnen identifizieren konnte. Das ist auch gut so, da ich in Büchern andere Menschen kennenlernen möchte. Dazu hatte ich bei Medulla jede Menge Gelegenheit. Ich weiß jetzt, wie sie ticken; aber nicht warum.
Das ist es, was diese Geschichte über Beziehungsdramen, von anderen so unterscheidet und einzigartig macht. Es gibt kaum Rückblenden in die Vergangenheiten der Figuren. Man wird zum Nachdenken angeregt, ohne am Ende eine Antwort zu bekommen, die einem erklärt, warum die Personen so sind, wie sie sind.

Der magische Schreibstil hat mich förmlich an die Seiten gefesselt. Die Figuren sind so gut gezeichnet, dass ich nun behaupten möchte, sie persönlich zu kennen. Richtig sympathisch war mir keiner - interessant fand ich jeden. Stellenweise gibt es sehr ekelige Szenen, die aber
in das Geschehen passen.

Trauer hat viele Gesichter; manche sind sehr verstörend, wie David bei seiner Mutter feststellen musste. Dazu möchte ich nicht mehr verraten, da diese Szene ein sehr emotionaler Bestandteil der Geschichte ist, der es wert ist, entdeckt zu werden.

Fazit
Eine Frau schwimmt und taucht voll bekleidet im See. Welche von den drei Frauen ist es? Das ist eine von den wenigen Antworten, die ich am Ende bekommen habe.

Darf eine Frau allein über ihr ungeborenes Kind bestimmen? Ist eine offene Beziehung wünschenswert? Warum bleibt man viel zu lange in einer unglücklichen Beziehung? Auf all diese Fragen gibt es nicht die eine Antwort, da die Situationen genauso einzigartig sind, wie jeder einzelner Mensch.

Eine klare Empfehlung. Herzlichen Dank, Verena Güntner. Ich habe jedes einzelne Wort genossen.

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Veröffentlicht am 28.09.2025

Interessant

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Drei Paare, sechs Menschen, unterschiedliche Lebenswege und Wertvorstellungen. Die drei Paare sind lose befreundet, teilweise arbeiten sie zusammen. Siv ist Anfang 40 und will keine Kinder. Dann wird sie ...

Drei Paare, sechs Menschen, unterschiedliche Lebenswege und Wertvorstellungen. Die drei Paare sind lose befreundet, teilweise arbeiten sie zusammen. Siv ist Anfang 40 und will keine Kinder. Dann wird sie schwanger. Ihr Mann Jan hätte gern das Kind. Wer darf hier eigentlich entscheiden ob sie das Kind bekommt oder nicht? Leyla wollte immer Kinder haben, dann ist sie schwanger und alles wird anders. Will sie überhaupt den Weg gehen, den sie mit David zusammen eingeschlagen hat? Dann gibt es noch Esther und Jacob. Esther ist ebenfalls schwanger, permanent genervt von Jacob. Sie kann sich nicht auf das Kind freuen, stößt Jacob immer weiter von sich weg.

Ein eindrucksvoller, sehr fordernder Roman, der bestimmt sehr polarisieren wird. Er lässt sich ganz wunderbar lesen, ich war sofort mitten drin. Die Sprache ist teilweise wunderbar poetisch, manchmal ist man so nah an den Personen dran, dass es fast weh tut. Moralisch außerordentlich komplex sind die Themen hier. Wer darf über das heranwachsende Kind entscheiden? Drei Frauen, die über sich und ihre Körper selbst bestimmen wollen. Doch in welcher Intensität ist das noch in Ordnung? Ist es okay zu betrügen, doch dann auf Kosten des eigenen Mannes zu leben? Wie weit kann man gehen? Verena Güntner bricht mit Konventionen, fordert die Leserschaft auf sich auch Gedanken abseits der „normalen“ Lebensweise zu machen. Und ja, am Ende geht es darum das Beste aus dem eigenen Leben zu machen. Wir alle haben unterschiedliche Werte und Grenzen. Das sollte toleriert werden.

Ein sehr wichtiges, aufwühlendes Buch, das ich euch sehr gern empfehle. Es bleibt definitiv im Kopf!

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Veröffentlicht am 29.11.2025

Hitze, Körper, Neuanfang

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Ein heißer Berliner Sommer legt sich wie eine klebrige Haut über die Stadt, und plötzlich ist alles in Bewegung. Die Wege von Siv, Leyla und Esther beginnen zu flirren, jede von ihnen tastet sich durch ...

Ein heißer Berliner Sommer legt sich wie eine klebrige Haut über die Stadt, und plötzlich ist alles in Bewegung. Die Wege von Siv, Leyla und Esther beginnen zu flirren, jede von ihnen tastet sich durch eine Mischung aus Sehnsucht, Trotz und leiser Erschöpfung. Die Autorin führt nah an die Körper heran, an ihre atmenden Zweifel und an das Verlangen nach etwas, das größer wirkt als der Alltag. Dabei entfaltet sich eine Sprache, die weich und sinnlich bleibt, ohne sich jemals aufzudrängen.

Mit jeder Szene entstehen Bilder, die fast schmerzhaft klar sind: das offene Fenster über der erhitzten Straße, Schweiß, der nach Sommer riecht, und ein Herzschlag, der sich wie ein pochender Gegenrhythmus gegen ein vertrautes Leben stemmt. Diese Momente tragen eine Zartheit in sich, die sich unauffällig in die eigenen Gedanken einschreibt. Zugleich wohnt ihnen eine stille Wut inne, die den Mut zum Aufbruch nährt.

Besonders berührt hat mich die Art, wie Güntner die drei Frauen weder idealisiert noch bricht. Alles wirkt verletzlich und dennoch entschlossen, voller Widersprüche, aber niemals unverständlich. An wenigen Stellen verlieren die Perspektivwechsel etwas an Präzision, und die Erzählung hätte punktuell mehr Strenge vertragen. Doch das schmälert kaum die Kraft des Romans.

Am Ende bleibt das Gefühl, Zeugin eines inneren Erwachens geworden zu sein. Medulla erzählt nicht nur vom Verlassen alter Pfade, sondern vom Finden einer Stimme, die lange verschüttet war. Ein warmes, forderndes Buch, das nachglüht und den Mut zum eigenen Neubeginn spürbar macht.

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Veröffentlicht am 24.09.2025

Super interessanter, inhaltlich und formal spannender Roman

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Nach „Power“ ist „Medulla“ mein zweiter Roman, den ich von Verena Güntner lese. Und genau wie bei „Power“ hat sich Güntner wieder für einen aussagekräftigen Romantitel entschieden, der auf verschiedene ...

Nach „Power“ ist „Medulla“ mein zweiter Roman, den ich von Verena Güntner lese. Und genau wie bei „Power“ hat sich Güntner wieder für einen aussagekräftigen Romantitel entschieden, der auf verschiedene Weise auf sein Thema anspielt.
Denn die Medulla ist als wichtiger Teil des Gehirns überwiegend für Funktionen verantwortlich, die nicht willkürlich gesteuert werden, also für alles, was körperlich automatisch abläuft.

Was scheinbar gesellschaftlich automatisch abläuft ist, dass bei Frauen irgendwie immer davon ausgegangen wird, dass sie vor Ablauf des Verfallsdatums ihrer Fortpflanzungsfähigkeit einen Kinderwunsch entwickeln und auch umsetzen.

Einen krassen und komplexen Kontrapunkt dazu setzt Güntner in „Medulla“. So besonders wie sein Inhalt ist sein formaler Aufbau: nach einer anteasernden Einleitung ist der Roman in drei Abschnitte unterteilt, in denen jeweils die Geschichte dreier Paare erzählt wird, die auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Schwangerschaft konfrontiert werden. Geplant und ungeplant.
Die Paare sind nicht mehr ganz jung und bewegen sich in einem städtischen, wohlstandsgesättigten Milieu.

Liv, Jan, Leyla, David, Esther und Jakob geht es gut, sie haben genug Sex miteinander und mit anderen, interessante Jobs, in denen sie sich verwirklichen können und sind von den Krankheiten und Einschränkungen des Alters noch weit entfernt.

Die Partnerschaften scheinen stabil, fehlt jetzt nur noch ein gemeinsames Kind zum perfekten Glück? Liv weiß im Gegensatz zu Leyla und Esther schon länger, dass sie nie Mutter werden möchte. Leyla möchte mit ihrem Partner David seit längerer Zeit schwanger werden und Esther ist bereits schwanger.

Ihre Männer- und Frauenfiguren sind modernen und individuelle Skizzen von Lebensentwürfen, wie ich sie in meinem persönlichen, sehr ländlich geprägten Umfeld eher seltener vorfinde, mir aber in Großstädten gut vorstellen kann.
Umso überraschter bin ich, dass in Güntners Roman das unreflektierte Verfolgen von gesellschaftlichen Konventionen in Bezug auf das Kinderkriegen ein großes Thema ist.

“Draußen will er wissen, warum sie das Kind bekommen wollte, und sie zuckt mit den Schultern.
Sie ist überrascht von der Frage, die sie sich selbst nie wirklich gestellt hat. […]Und war es nicht das, was alle machten? Kinder kriegen?”

Nicht nur die Frauen stehen bei Güntner im Fokus, die Perspektiven der Männer nehmen genausoviel Raum ein. Dabei verweigert Güntner den in feministischen Bücher oft üblichen Topos vom bequemen, männlichen Macho, der weiblicher Selbstverwirklichung entgegensteht und jegliche Übernahme von emotionaler Arbeit verweigert. Im Gegenteil, Güntner bricht Rollenklischees, besonders in Bezug auf Kinderwunsch und Schwangerschaft, weit auf und zeigt Männer und Frauen jenseits ihrer gesellschaftlichen Zuschreibungen.

Ebenfalls überrascht bin ich von den dysfunktionalen Hetero Beziehungen, die Güntners Roman dominieren und von der großen Sprachlosigkeit und der Lieblosigkeit in den Paarbeziehungen. Sind eine Beziehung, Partner
innen oder gar ein Kind nur Häkchen auf der Bucket List des Lebens?

“Sie versteht nur nicht, wie es so weit gekommen ist. Sie wird Mutter werden. Aus diesem Umstand werden sich Aufgaben ergeben, die an Erwartungen geknüpft sind, denen sie sich kaum entziehen können wird. Ihr Leben im Dienst einer Sache, die sich nicht umkehren lässt, die immer nur nach vorne wächst, unablässig braucht und fordert. Es ist eine Falle. Eine, in die sie sich vielleicht nicht willentlich hineinbegeben hat, aber doch eine, der sie nicht ausgewichen ist, als die Möglichkeit dazu noch da war.”

Für mich macht der große Reiz an Güntners Roman aus, dass er sich jeder Eindeutigkeit verweigert und mir als Leserin keine Antworten oder eine klare Deutungslinie vorgibt. So wie der Titel „Medulla“ bereits viele Interprationsebenen öffnet, tun es auch die Geschichten von Güntners Figuren. Mir gefällt es auch, dass Güntner sich nicht scheut, ihre Figuren hässlich und widersprüchlich zu zeigen, machmal slapstickartig und surreal überzeichnet. Auch die von ihr öfter verwendete schamlosen Körperlichkeit in manchen Szenen lese ich gerne.

„Medulla“ war für mich ein super interessanter, inhaltlich und formal spannender Roman, der auch einiges an Reibung mit sich bringt und nicht auf lesetechnische Befriedigung sondern auf Anregung zum Selberdenken setzt.

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