Cover-Bild Wo ist Norden
10,90
inkl. MwSt
  • Verlag: BoD – Books on Demand
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 308
  • Ersterscheinung: 12.03.2018
  • ISBN: 9783746067582
Barbara Handke

Wo ist Norden

Roman
Ostdeutschland kurz nach dem Mauerfall. Marlene nutzt die Gunst der Stunde, kauft ein baufälliges Gutshaus und zieht mit ihrer Familie ein. Sie lässt das verschlafene Dorf zu einem Sehnsuchtsort für Gäste und Freunde werden, die daran glauben wollen, alles habe hier seinen Platz in der unübersichtlich gewordenen Welt. Auch den Erzähler treibt es immer wieder dorthin. In seiner Erinnerung lässt er das Jahrzehnt noch einmal Revue passieren und ordnet damit auch sein eigenes Leben neu.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.09.2018

„Dies war ein Haus für eine andere Zeit, eine vergangene Lebensform.“

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Ein Jahrzehnt nachdem Marlene und Konrad das alte Gutshaus in Plenskow kaufen, mit Restaurierungen beginnen und dort mit ihren drei Kindern, Selma, Laure und Jakob, sowie den Eltern Konrads, Rita und Pavel, ...

Ein Jahrzehnt nachdem Marlene und Konrad das alte Gutshaus in Plenskow kaufen, mit Restaurierungen beginnen und dort mit ihren drei Kindern, Selma, Laure und Jakob, sowie den Eltern Konrads, Rita und Pavel, einziehen, sehen sie sich gezwungen, es wieder zu verkaufen und weiterzuziehen. Beim Umzug bricht sich Nikita, Konrads Bruder, das Bein, was ihn dazu veranlasst, einen Rückblick über die zehn Jahre in dem Dorf anzustellen und in schriftlicher Form festzuhalten.

Kurz nach der Wende entdecken Marlene und Konrad ein altes Gutshaus im mecklenburgischen Plenskow. Kurzerhand kaufen sie es und beginnen mit der Restauration. Konrad richtet sich eine Arztpraxis ein und Marlene gründet ihr Café „Granatapfel“. Nikita, ebenfalls Arzt, hilft bei der Restaurierung und unterstützt das Projekt finanziell. Dabei wurde er von seiner großen Liebe Marlene für Konrad verlassen und müsste außerdem dringlich an seiner Doktorarbeit schreiben. „Doch als ich an jenem Sommermorgen ein federleichtes, getigertes Kätzchen aus der Mülltonne barg, wo es irgendein Mensch – nie weiß man, wer so etwas macht – zum Sterben in einem Schuhkarton deponiert hatte, wurde mir auf einmal klar, wie sehr sie mir fehlten [...]. Meine Wohnung war nur ein Depot, eine Wartungsstätte des Alltags, da ließe sich kein Tier halten; hier in Plenskow aber gab es Platz und drei Kinder, die Ferien hatten. Konrad und Marlene nahmen es hin, in der Haustierfrage übergangen zu werden, die Kinder waren begeistert und ich erleichtert über diesen Schritt auf sie zu.“

Bei der Renovierungsarbeiten wird ein Wandgemälde entdeckt, das von einem Restaurator, Herr Tile, freigelegt wird und ihn sogar zu einem Werk über die Kulturgeschichte des mecklenburgischen Landadels inspiriert. Das Wandbild, auf dem zwei Personen mit einem Pferd zu sehen sind, soll auch für seine Einwohner und Besucher eine wichtige Rolle spielen. Das gesamte Geschehen hindurch werden Mutmaßungen darüber angestellt, was die Person auf dem Wandgemälde in der Hand hält. Jeder sieht etwas Anderes darin, und das, was er sieht, gibt Aufschluss über den Charakter und die Lebenseinstellung der jeweiligen Person. Marlene sieht einen Granatapfel darin, der Symbol für die Fruchtbarkeit des Geistes und schöpferische Gestaltungskraft ist: Dank ihrer Phantasie und Arbeit entsteht das Café „Granatapfel“, das ein großer Erfolg wird. Selma, die älteste Tochter Marlenes, erblickt eine Sonne darin – der Sonne gleich verkörpert Selma Fortschritt, Standhaftigkeit, Ausdauer, Größe und Lebensfreude. Laure, ihre Schwester, ist überzeugt, dass es ein Herz ist – mit äußerlicher und innerer Schönheit sowie mit einer melodischen Stimme und musikalischem Talent gesegnet, personifiziert sie Liebe, Kraft, Durchhaltevermögen und Leben. Pavel sieht eine Trommel: Er sorgt für Bewegung und Veränderung. Agnes, die Schwester Nikitas und Konrads, erkennt eine Granate darin – in einer homosexuellen Beziehung lebend, bricht sie mit gesellschaftlichen Konventionen, was auf ihre Familienangehörigen überraschend oder sogar schockierend wirkt. Elsa, Nikitas spätere Frau, wird auf dem Bild einer Herbstzeitlosen ansichtig, die für den Herbst des Lebens steht. Herr Tile gewahrt auf dem Gemälde zu Anfang einen Apfel, der für Wissen und Macht steht, später aber einen Totenschädel, Symbol für den Tod – ein Memento mori. Das ‚Pflegemittelpaar‛, das das Gutshaus Marlene in regelmäßigen Abständen abzukaufen versucht, sieht konsequenterweise ein Geldsäckchen in der Hand der Figur.

Nikita selbst, der Ich-Erzähler, meint am Anfang einen Ball zu erkennen – er empfindet sich als Spielball der Familie. Er fühlt sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Unabhängigkeit und einem eigenen Leben und der Sehnsucht nach seiner Familie gekoppelt mit dem Wunsch zu helfen und zu unterstützen. Während eines Familientreffens fragt er sich: „Hatte ich nicht selbst einmal versucht, mein Leben in die Hand zu nehmen, mich unabhängiger zu machen? Warum war ich wieder so tief hineingerutscht in diese unbekömmliche Konstellation? Was hielt mich? Konnte ich nicht zumindest damit aufhören, die Plenskower an erste Stelle zu setzen? Wer setzte mich an erste Stelle?“ Bald darauf stellt Nikita fest: „Mein Leben allein – was war das eigentlich für eine Bußübung, und was hatte es genützt? Oder war es Verstocktheit, wie Konrad sagte? Mutwilliges Abschnüren meiner Lebensader? Diese Fragen entschieden sich, als ich in die Plenskower Dorfstraße einbog und endlich wieder das Gefühl hatte, am Leben zu sein.“

Nach allen Höhen und Tiefen schließen sich langsam Nikitas Wunden und das Wandbild offenbart ihm sein ganzes Geheimnis: „Es war wie ein Fenster in eine frische Anderswelt, in der die Jahreszeiten zusammenfließen, in der die Sterne bei Tage leuchten, in der Tiere, Menschen und Pflanzen miteinander sprechen. Überhaupt erschienen mir die beiden Figuren nicht als Menschen, sondern nur menschenähnlich, denn sie waren alles zugleich: Frau und Mann, Kind und Greis, Faun und Fee. Das Ding in der Hand war, wie ich nun sehen konnte, kein Ball und kein Apfel, sondern eine Sonne, die gerade in den Himmel aufstieg. Selma hatte recht. Wir anderen hatten das Offensichtliche nicht erkannt.“

„Wo ist Norden“ ist ein einfühlsam, lebhaft und phantasievoll geschriebener Roman, den man mit all seinen Figuren ins Herz schließen muss!

Veröffentlicht am 19.04.2018

Norden

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Auf das Buch war ich sehr gespannt, da ich selbst die Wende miterlebt habe und die aufregende Zeit danach. Das Cover hat mich von Anfang an sehr angesprochen, weil es den Inhalt richtig gut widerspiegelt. ...

Auf das Buch war ich sehr gespannt, da ich selbst die Wende miterlebt habe und die aufregende Zeit danach. Das Cover hat mich von Anfang an sehr angesprochen, weil es den Inhalt richtig gut widerspiegelt. Im Mittelpunkt der Handlung steht Marlene, die ein altes Gutshaus kauft und dort künftig mit ihrer Familie leben will. Gerade weil so viele Generationen unter einem Dach leben, ist es für alle wichtig, eine eigenständige Persönlichkeit zu bleiben und so erfährt man im laufe der Handlung die kleinen Geschichten und Träume der Mitbewohner. Man ist bei allen Tälern und Bergen hautnah dabei. Die Figuren sind interessant und sympathisch und der Schreibstil hat mir in seiner unaufdringlichen Art sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 23.10.2018

Familiengeschichte in den 1990ern

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„Wo ist Norden“ von Barbara Handke ist ein lesenswerter Roman über eine Familie, die nach der Wende in Ostdeutschland einen alten Gutshof kauft. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Niketsch, ...

„Wo ist Norden“ von Barbara Handke ist ein lesenswerter Roman über eine Familie, die nach der Wende in Ostdeutschland einen alten Gutshof kauft. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Niketsch, auch Nikita oder Nick genannt. Der Gutshof gehört seinem Bruder und dessen Frau, die gemeinsam mit deren 3 Kindern sowie den Eltern der Brüder dort einziehen. Neben Beschreibungen der Restaurierung und des Hauses geht es im Wesentlichen um die Beziehung des Ich-Erzählers zu der Familie. Die Personen der Familie, sowie viele weitere Personen (hauptsächlich Dorfbewohner) werden detailreich charakterisiert, so dass ich sie mir bildlich vorstellen konnte und gerne persönlich kennen gelernt hätte. Allerdings hatte ich etwas Schwierigkeiten mir die Personen alle zu merken, da sie oft mit Vor- oder Nachnamen vorgestellt werden.
Insgesamt hatte ich einige angenehme Lesestunden und kann das Buch weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Lebensträume

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Deutschland kurz nach der Wende, eine Familie kauft in einem Dorf im Osten einen alten Gutshof, um diesen liebevoll zu restaurieren. Marlene, die Ehefrau und Mutter von drei Kindern ist dabei die treibende ...

Deutschland kurz nach der Wende, eine Familie kauft in einem Dorf im Osten einen alten Gutshof, um diesen liebevoll zu restaurieren. Marlene, die Ehefrau und Mutter von drei Kindern ist dabei die treibende Kraft. Kreativ und motiviert befehligt sie den Umbau, für Konrad, den Ehemann, wird eine Arztpraxis eingerichtet. Sie selbst will dort ein Café betreiben. Misstrauisch beäugen die alteingesessenen Bewohner der Ortes das alternative Treiben, zu frisch ist noch der Umbruch vom realen Sozialismus zur freien Selbstbestimmung. Aber nicht nur der Widerstand von außen macht Marlene zu schaffen, auch das Zusammenleben mit Konrads Eltern, insbesondre mit der Schwiegermutter Rita, Ex-Lehrerin in der Ex-DDR, gestaltet sich als schwierig. Ritas alte Kommode, die Marlenes neu gestaltetes Vestibül verschandelt ist exemplarisch für die vielen (oft klemmenden) Schubladen in Ritas Denken. Mit Pawel dem Schwiegervater geht es schon etwas leichter. Genügsam reicht ihm seine Musik und die abendliche Beobachtung des Sternenhimmels.
Der Erzähler Nikita, Konrads älterer Bruder ist Besucher, Beobachter, Geldgeber und guter Onkel für die Kinder. Seine Konstellation zu Marlene ist kompliziert, war er doch vor Konrad ihr Freund. Jetzt ist Marlene sein Nordstern, leuchtend, strahlend und unerreichbar.
Wo ist Norden ist eine bitter süße Erzählung über Lebensträume, Anfänge und Abschiede, Loslassen und Neustarts. Ein bisschen wehmütig und berührend.

Veröffentlicht am 29.03.2018

Norden ist irgendwo im Nirgendwo

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Die Mauer ist gefallen. Marlene kauft ein altes Gutshaus und will mir ihrer Familie dort einziehen, leben und erleben. Marlene zieht alle ihre Familienmitglieder mit. Von Mann, Kinder, Großeltern - alles ...

Die Mauer ist gefallen. Marlene kauft ein altes Gutshaus und will mir ihrer Familie dort einziehen, leben und erleben. Marlene zieht alle ihre Familienmitglieder mit. Von Mann, Kinder, Großeltern - alles sind dabei und schaffen ein Haus für sich und Freunde. Und das alles in einem winzigen Dorf mitten in der Pampa. Auch Ich-Erzähler Nikita ist immer wieder dort „zu Haus“ und lässt sein Leben Revue passieren. Egal ob Streit oder Liebe. Alles ist Thema. Jeder der Protagonisten versucht mit diesem Hauskauf sich ein eigenes Stück Leben zu schaffen. Und das alles nach der Wende. Leider kommt dieses Thema in diesem Buch recht kurz weg. Alle Beteiligten Personen sind einem gleich sympathisch und man folgt ihnen gern auf Schritt und Tritt. Marlene ist immer der treiben Keil der Familie. Sie opfert sich regelrecht für alle auf. Manchmal fand ich es ein bisschen viel...Aber dennoch muss ich gestehen das nunmal so eine Aktion eben auch ungeahnte Dinge bereit hält...und der Versuch die eigene innere Mitte nach der Zeit der DDR zu suchen und zu finden ist nunmal nicht ganz einfach. Barbara Handke will dem Leser eine Art „ausnorden“ demonstrieren aber dieses „Norden“ muss jeder für sich selbst finden. Jeder trägt seinen eigene Kompass in sich für den jeder auch verantwortlich ist. Ihre klarer Schreibstil lässt einen abtauchen in dieses Buch. Überall ist man als Leser dabei. Theoretisch könnte diese Geschichte überall spielen aber die Tatsache das es nach der Zeit des DDR-Regimes geschieht ist recht spannend. Ihr detaillierter Blick auf das Leben einer Großfamilie mit alle Höhen und Tiefen ist sehr genau. Ein interessante Buch mit einer noch interessanteren Geschichte!