Ehrlich gesagt dachte ich mir nach den ersten paar, der Thriller würde mir nicht gefallen. Und das, nachdem ich „Gone Girl“ von Gillian Flynn regelrecht verschlungen habe! Doch das ganze erste Drittel war ich noch nicht so richtig überzeugt. Mir war der Schreibstil zu harsch, die Story noch viel zu undurchsichtig. Ich könnte jetzt auch gar nicht sagen, was meine Meinung geändert hat, aber irgendwann wurde es dann doch spannender. Bis es am Ende richtig gut wurde, mich kaum losgelassen hat. Das Ende hält noch ein paar gute Plot Twists parat und auch wenn ich die endgültige Auflösung sehr krass und vielleicht für ein bisschen zu komplex halte, kann ich am Ende behaupten, dass es meiner Meinung nach ein gutes Buch ist.
In "Cry Baby" geht es viel um die Probleme, die Geheimnisse einer kleinen Stadt. Die Kulisse ist dabei auch richtig gut gewählt, wie ich finde. Eben diese kleine Stadt, im Hochsommer, sehr abgelegen und mit ihrer eigenen Dynamik. Der Tratsch, die verschiedenen Bewohner und wie Schicht um Schicht dieser kleinen Stadt abgeschält wird, bis man zur Wahrheit gelangt - wirklich genial gemacht. Genauso ein Thema ist aber auch die Familie der Protagonistin und die Probleme, die es hier gibt. Wie man im ersten Moment noch nicht weiß, wieso Camille von Wind Gap und ihrer Familie weg ist, aber nach und nach mehr erfährt.
Wie schon erwähnt, kam mir der Schreibstil der Autorin vor allem am Anfang sehr harsch vor. Kurze Sätze, harte Wortwahl - alles in allem sehr gewöhnungsbedürftig. Und irgendwie ganz anders, als ich es von "Gone Girl in Erinnerung hatte. Aber entweder habe ich mich einfach mit der Zeit an den Stil gewöhnt oder er hat sich tatsächlich ein wenig geändert, auf jeden Fall empfand ich ihn später als nicht mehr so harsch. Die kurzen Sätze blieben, aber sie passen auch sehr gut zur Hauptperson, zu Camilles verschlossenem Charakter. Außerdem lässt er sich flüssig lesen. Vielleicht nicht unbedingt leicht, aber das Buch ist flüssig geschrieben.
Auch mit den Charakteren muss man erst mal warm werden. Bei Camille liegt das daran, dass man erst spät mehr über sie erfährt, bei anderen, weil sie sich verstellen und man sie nicht unbedingt sofort durchschauen kann. Camille als Protagonistin ist auf jeden Fall sehr interessant. Nett und sympathisch würde ich sie nicht unbedingt nennen, aber es ist faszinierend, ihre Geschichte zu verfolgen. Als Reporterin hat sie es am Anfang überhaupt nicht leicht in Wind Gap. Die meisten Leute in dieser kleinen Stadt Wind Gap sind misstrauisch ihr gegenüber oder wollen diese Morde ganz einfach nicht in der Zeitung sehen und die Polizei vor Ort kooperiert auch nicht unbedingt mit ihr. Das ist aber natürlich nicht der einzige Grund, weshalb dieser Fall für Camille der Hölle gleichkommt. Denn sie ist in Wind Gap aufgewachsen und hat hier nicht unbedingt das schönste Leben geführt. Sie hat wirklich einiges durchgemacht, vieles davon erfährt man wirklich erst ziemlich spät im Verlauf der Handlung, doch trotzdem scheint sie ein guter Mensch zu sein. Nur dass sie eigentlich dauerblau ist, fand ich ein wenig seltsam... Das Interessante an ihr, dass sie sich schneidet beziehungsweise Wörter in ihre Haut ritzt, wird ja schon im Klappentext erwähnt. Die Wörter auf ihrem Körper spielen in Camilles Leben auch eine große Rolle, das merkt man sehr. Ich fand es interessant, wann welche Worte erwähnt wurden im Buch, wie sie miteinander und mit der Handlung in Verbindung stehen.
Zu den restlichen Charakteren will ich gar nicht viel sagen, weil man hier leicht zu viel sagen kann. Die meisten sind seltsam, haben irgendwelche Geheimnisse, können auf jeden Fall in keine Schubladen gesteckt werden. Nur zu Camilles Mutter Adora möchte ich etwas sagen. Sie fand ich von Anfang an etwas gruselig. Vielleicht, weil erwähnt wurde, dass sie sich bei Stress die Wimpern auszupft und dann ganz rosa Augen hat? Ja, daran wird's wohl liegen, das war mir irgendwie unheimlich...
Das Ende finde ich insgesamt ganz gut gelungen. Es ist an sich schon abgeschlossen, lässt dem Leser aber Freiraum, sich auszudenken, was wohl danach geschehen wird.
Insgesamt fand ich „Cry Baby“ wirklich interessant, der Thriller braucht jedoch eine Weile, um seine fesselnde Wirkung zu entfalten.