Cover-Bild Das Volk der Bäume
25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hörbuch Hamburg
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 01.02.2019
  • ISBN: 9783957131577
Hanya Yanagihara

Das Volk der Bäume

3 CDs
Matthias Bundschuh (Sprecher), Gunter Schoß (Sprecher), Thomas Hollaender (Sprecher), Joachim Schönfeld (Sprecher), Stephan Kleiner (Übersetzer)

Ein geradezu durchtrieben gut komponierter Roman von Hanya Yanagihara

Was als packende Expedition in der Dschungelwelt Mikronesiens beginnt, wird zur Begegnung mit den Abgründen des Menschlichen. In ihrem Roman erkundet Hanya Yanagihara, wie Neugier in Gier umschlägt – nach Ruhm, nach Liebe – und wie weit wir dafür zu gehen bereit sind.

Der junge Arzt Norton Perina kehrt mit einer unfassbaren Entdeckung von der Insel Ivu’ivu zurück: Hat er wirklich ein Mittel gegen die Sterblichkeit gefunden? Eine uralte Schildkrötenart soll die Formel des ewigen Lebens bergen. So kometenhaft er damit zur Spitze der Wissenschaft aufsteigt, so rasant vollzieht sich die Kolonisierung und Zerstörung der Insel. Mit gnadenloser Verführungskraft zieht Hanya Yanagihara uns hinein in den Forscherrausch im Urwald und lässt uns auch dann nicht entkommen, als Perina dort eine weitere Entdeckung macht: seine fatale Liebe zu Kindern. Wie betrachten wir eine Lebensleistung, wenn sich das Genie als Monster entpuppt? Das ist die Frage in diesem brillant geschriebenen, gefährlichen Dschungel von einem Roman.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.04.2019

Wann wird ein Held zum Teufel?

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Einst Nobelpreisträger, landet Dr. Norton Perina mit über 70 Jahren wegen Pädophilie im Gefängnis. Sein ihm völlig ergebener Mitarbeiter Dr. Kubodera überredet ihn, dort seine Geschichte aufzuzeichnen. ...

Einst Nobelpreisträger, landet Dr. Norton Perina mit über 70 Jahren wegen Pädophilie im Gefängnis. Sein ihm völlig ergebener Mitarbeiter Dr. Kubodera überredet ihn, dort seine Geschichte aufzuzeichnen. So erfährt der Leser/Hörer hier also aus erster Hand – aber natürlich auch aus nur dieser Perspektive – wie Perina aus dem Labor heraus auf der Insel Ivu’ivu landete. Dort stellt er Forschungen zu den dortigen offenbar ewig lebenden Eingeborenen an. Eine bestimmte Schildkrötenart, die nur auserwählte Menschen verzehren dürfen, scheint der Schlüssel dafür zu sein. Perina erzählt von seinen Entdeckungen – die leider in allen Belangen erschreckend sind …

Eigentlich wollte ich weder das Buch lesen noch das Hörbuch hören. Doch dann habe ich das Hörbuch geschenkt bekommen und wagte mich doch daran. Ich hatte mich darauf eingestellt, sehr lange dafür zu brauchen, viele Pausen einlegen zu müssen. Das Thema – oder besser: die Themen – sind nicht einfach und gehören zu den Dingen, die ich nur schwer verkrafte. Auch finde ich das Cover einfach schrecklich. Das ist allerdings tatsächlich einfach nur mein persönlicher Geschmack - ich mag keine Personen bzw. deren Gesichter auf Covern.

Kaum hatte ich mit dem Hören begonnen, konnte ich kaum aufhören. Trotz aller immer mal wieder auftauchenden Schrecklichkeiten bzw. den vordergründig relativ harmlosen Szenen, die aber jede Menge Alarmglocken auslösten und so ganz von selbst Gedankengänge auslösten, die gar nicht gut waren.

Perina, absolut davon überzeugt, das Richtige getan zu haben, erzählt wirklich ehrlich. Nur wird spätestens am Ende klar, wie er die Wahrheit sieht. Er spricht von Entdeckungen und den Folgen, von Versuchen und Erkenntnissen. Von Aktionen und Reaktionen, von der Insel und der Rückkehr. Nur zwischen den Zeilen wird deutlich, welch Zerstörung seine Forschungen ausgelöst haben. Umso fassungsloser steht man dann aber da.

Ganz von selbst beginnt man, über Sinn und Unsinn von der Möglichkeit, durch irgendwelche Möglichkeiten (hier eben das Verzehren einer bestimmten Schildkrötenart) ewiges Leben zu erlangen, zumal die „Nebenwirkungen“ auch hier nicht unerheblich sind. Welche unfassbare Zerstörung die Entdeckung nach sich zieht, erwähnt Perina nur am Rande, doch dem Leser/Hörer bleibt einfach nicht erspart, das vor dem geistigen Auge zu realisieren.

Doch wird auch klar, dass wir mit unseren Maßstäben die Riten der Ureinwohner messen und über Dinge urteilen, die wir gar nicht verstehen. Jeder noch so kleine Eingriff von außen zerstört das fragile Gleichgewicht der Natur. Perina versucht einerseits, seine Schuld dadurch zu begleichen, indem er Kinder von der nun zerstörten Insel rettet, doch das Ende des Buches raubt mir den Atem und schmerzt mich umso mehr, als ich tatsächlich bereit war, Perinas Beweggründe zu verstehen, Entschuldigungen für ihn zu finden und Mitleid mit ihm zu haben.

Hanya Yanagihara ist meiner Meinung nach ein großartiger Roman gelungen, der wachrüttelt und auch verängstigt. Durch die „Fußnoten“ von Kubodera gelangt man zu Erkenntnissen, die ohne diese schwieriger gewesen wären. Gleichzeitig lassen sie erkennen, dass Perina niemanden aufgehalten hat. Und das offenen Auges. Besonders erwähnen möchte ich auch noch, dass es immer mal wieder Szenen gab, bei denen ich laut auflachen musste. So sehr haben Perina und Kubodera mich auf die falsche Spur geschickt – und dadurch wird klar, dass es niemals genug ist, nur eine Seite einer Geschichte zu kennen und manchmal sogar zwei zu wenig sind.

Die Autorin schafft es, ein paar sehr unangenehme und unbequeme Themen ans Licht zu zerren und den Leser dazu zu zwingen, hinzusehen. Das ist ein erster Schritt, weitere und vor allem reale Verbrechen dieser Art zu verhindern. Ein Buch, das fesselt und durch das man geradezu fliegt. Wunderbare Schilderungen eines einzigartigen Naturvolkes. Ganz viel Diskussionsstoff. Noch mehr Blendwerk. Aber beeindruckend ohne Ende. Manchmal muss man eben auch etwas lesen/hören, das nicht bequem ist und aus der Komfortzone herausholt. Es lohnt sich. Absolut. Fünf Sterne.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Grausam, abstoßend und trotzdem ungemein betörend - ein erzählerisches Meisterwerk!

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„Das Volk der Bäume“ ist das ursprünglich im Jahre 2013 veröffentlichte Debüt der Autorin Hanya Yanagihara, das jedoch erst nach dem Erfolg ihres monumentalen Meisterwerks „Ein wenig Leben“ auch in Deutschland ...

„Das Volk der Bäume“ ist das ursprünglich im Jahre 2013 veröffentlichte Debüt der Autorin Hanya Yanagihara, das jedoch erst nach dem Erfolg ihres monumentalen Meisterwerks „Ein wenig Leben“ auch in Deutschland veröffentlicht wurde. Inhaltlich stand nach eigenen Angaben der Aufstieg und Fall des Virologen Dr. Daniel Carleton Gajdusek Modell für den Wissenschaftler Dr. Norton Perina, der vor allem eins ist: ein überaus fähiger Erzähler.

Worum geht’s?
Der Roman liest sich wie eine Biografie, die von Nortons Freund und Mitarbeiter Dr. Kubodera behutsam bearbeitet und durch Fußnoten ergänzt wurde. Norton berichtet von seiner Kindheit, seinen Anfängen in medizinischen Laboren und schließlich von seiner Reise nach Ivu'ivu, die sein Leben grundlegend verändern sollte. Gemeinsam mit seinem Mentor, dem Anthropologen Paul Tallent, entdeckt er auf der mikronesischen Insel eine Gruppe von Menschen, die körperlich nicht altern, was sie dem Verzehr einer bisher unbekannten Schildkrötenart verdanken. Doch anders als sein Mentor tritt Norton mit diesem Wissen an die Öffentlichkeit und eröffnet so den Weg zur systematischen Ausbeutung und allmählichen Vernichtung des zuvor unberührten Inselvolks. Ebenso rasch wie der Aufstieg Nortons, der für die „Entdeckung des ewigen Lebens“ später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird, zeichnet sich jedoch auch sein Untergang ab, als er Jahre später vor Gericht seinen eigenen Adoptivkindern gegenübersteht und schließlich, des Kindesmissbrauchs bezichtigt, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird.

Inhaltlich wird all das bereits zu Beginn des Buches in einem Zeitungsartikel offenbart, weshalb diese Informationen keine „Spoiler“ darstellen. Umso verwunderlicher ist es, dass mit dieser Zusammenfassung tatsächlich alle wichtigen Ereignisse abgedeckt sind und darüber hinaus nichts grundlegend Bedeutsames geschieht. Wie schafft es die Autorin also, dem Leser einen Charakter, dessen menschliche Abgründe und Grausamkeit von Beginn an bekannt sind, nahe zu bringen?

Der Erzähler:
Es sei vorab noch einmal klargestellt: Dr. Norton Perina ist keine Identifikationsfigur. Er ist genau der überhebliche und nach Anerkennung lechzende Mann, den der Klappentext verspricht. Und doch muss ich gestehen, dass er mich durch seinen Erzählstil mitgenommen hat, in die kargen Labore der medizinischen Fakultät, in die aus grünen Schattierungen bestehenden Wälder Ivu'ivus und schließlich in die Mitte seiner Familie, wenn man sie denn als solche bezeichnen darf. Der Schreibstil schafft mit einer unvergleichlichen Feinfühligkeit den Spagat zwischen deskriptiver Ausführlichkeit und behutsamen Kürzungen, um die Handlung voranzutreiben. Hinzu kommt ein Wortschatz, der so reich ist, dass ich mich glücklich schätzen dürfte, könnte ich mich jemals derart gewählt ausdrücken. Und so muss ich ganz ohne Scham gestehen, dass ich wie hypnotisiert war von der Art des Erzählens, in den Bann gezogen von einem Charakter, für den ich noch vor dem Einlegen der CD nichts als Verachtung empfunden hatte.

Doch immer genau dann, wenn ich Nortons Gedanken zu verstehen glaubte und beinahe einen Anflug von Verständnis verspürte, riss mich die geballte Abscheulichkeit der Handlung, insbesondere Nortons eigener Anteil daran, zurück in die Realität. „Das Volk der Bäume“ ist kein angenehmes Buch, das sich zwischendurch lesen bzw. hören lässt. Es ist in erster Linie ein Buch über menschliche Abgründe und lässt dabei nur wenig aus. Es spiegelt den Zwiespalt von Wissenschaft und Ethik wider, über vor langer Zeit faktisch nicht vorhandene Rechte der für Versuchszwecke herangezogenen Tiere und Menschen. Nicht zuletzt ist es auch eine unterschwellige, aber klare Kritik an der Überheblichkeit westlicher Kulturen über indigene Völker, die sich scheinbar mit jeder Entdeckung eines unberührten Naturvolks wiederholt. Und vor allem ist es ein Buch über krankhafte Obsession und was daraus erwachsen kann, wenn man nicht damit umzugehen lernt.

Ich habe viele Rezensionen gelesen, die an genau dieser Stelle der Autorin vorwerfen, sie selbst würde mit diesem Buch die Tierquälerei, Frauenfeindlichkeit und ganz besonders den Missbrauch Minderjähriger rechtfertigen, ja sogar unterstützen. Doch wer dies behauptet, hat sich wohl selbst vom Erzähler hypnotisieren lassen und vergessen, wer dort eigentlich zu uns spricht. „Das Volk der Bäume“ ist vordergründig die versuchte Rehabilitation eines Wissenschaftlers, ein Schriftstück „in eigener Sache“ sozusagen, um die in Verruf geratene Reputation wiederherzustellen. Aus diesem Grund vermag ich diesen Vorwurf nicht zu teilen, auch wenn ich gestehen muss, dass auch ich stellenweise vergaß, dass ich gerade dem Täter zuhörte. Die Autorin selbst kommt nicht zu Wort und wertet das Geschehen nicht, sodass es dem Leser selbst überlassen bleibt, sich seine Meinung zu bilden.

Darüber hinaus habe ich des Öfteren gelesen, dass die Wendung am Ende des Buches für einige Leser überraschend kam. Was diese Wendung beinhaltet, werde ich aus offensichtlichen Gründen nicht verraten, aber nur so viel: ich hätte es der Autorin übel genommen, wenn sie uns die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben wäre, selbst wenn ich insgeheim längst wusste, wie sie lauten würde.

Insgesamt bleiben dennoch viele kleine Fragen offen, sodass ich jedem empfehlen würde, sich nach dem Lesen oder Hören mit jemandem über dieses Buch auszutauschen. Die Autorin lässt gerade so viel Freiraum für Spekulationen, um dem Leser seine eigenen kleinen Theorien zu ermöglichen, ohne dabei Norton zu heroisieren. Genau diese Feinfühligkeit, dieser Anspruch ist es, den ich Tag für Tag in zahlreichen anderen Büchern zu finden hoffe und dabei meist enttäuscht werde. Es ist eine Kunst, gerade so viel zu sagen, um alles Wesentliche begreifbar zu machen, und gerade so viel zu verschweigen, um mich zum Nachdenken anzuregen. Auch wenn das Buch gerade im zweiten Drittel einige kaum merkliche Längen offenbart, dienten diese rückblickend dazu, um auch den Nebenfiguren genügend Raum zur Entfaltung zu bieten und dem Leser Gelegenheit zum Aufstellen weiterer Theorien zu geben. Und um vorsichtig eine meiner ganz persönlichen Theorien zu äußern, spielt die gezielte Unterdrückung homosexueller Neigungen eine nicht zu unterschätzende Rolle in den Interaktionen der Figuren. Aber das ist, wie gesagt, nur meine ganz persönliche Auffassung.

Letztlich bleibt es dem Leser selbst überlassen, welche Antwort er auf die zentrale Frage des Romans findet. Ist ein großartiger Wissenschaftler, der Abscheuliches getan hat oder getan haben soll, tatsächlich großartig?

Die Sprecher:
Zunächst war ich etwas überrascht, dass sich der Hörbuch Hamburg Verlag bei einer derart bekannten Autorin nicht für die „üblichen Verdächtigen“ der Hörbuchbranche, zum Beispiel für einen Herrn Nathan oder einen Herrn Jäger, entschieden hat. Stattdessen übernehmen die Schauspieler Gunter Schoß als Dr. Norton Perina und Matthias Bundschuh als Dr. Ronald Kubodera die Hauptrollen, die mir bis dahin nahezu unbekannt waren. Aber bereits nach der ersten halben Stunde lernte ich diese Entscheidung zu schätzen, da man sich für zwei stimmlich stark kontrastierende, aber gleichermaßen fähige Sprecher entschieden hat, die ihre Rollen mit einer Feinfühligkeit vertonen, die der des Erzählstils allemal gerecht wird. Ihr einmaliges Gespür für Zwischentöne und Implikationen machen das Hörbuch zu einem anspruchsvollen, aber ungemein fesselnden Hörerlebnis.

Fazit:
„Das Volk der Bäume“ ist genau das, was man von Hanya Yanagihara erwartet: eine schonungslose Charakterstudie über menschliche Abgründe, so grausam und abstoßend, dass man vermutlich weghören würde, wäre da nicht der unvergleichlich betörende, hypnotische Schreibstil, der auch über kleine Längen hinwegtäuscht und einen eigenen Sog entwickelt, dem man sich nicht entziehen kann. Ebenso brillant ist die Vertonung geraten, die mit zwei Sprechern aufwartet, die mit der nötigen Seriösität, aber auch Feinfühligkeit den Charakteren ihre Stimme leihen. Ein Hörbuch, das mich schockiert zurückgelassen, aber ungemein anspruchsvoll unterhalten hat. Mein bisheriges Jahreshighlight!

Veröffentlicht am 14.03.2019

Kann man Verdienst und Vergehen gegeneinander aufrechnen?

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Die Mitteilung bei dlf24 vom heutigen 13.03.2019 könnte nicht besser passen: „Der frühere Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal Pell, ist wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zu ...

Die Mitteilung bei dlf24 vom heutigen 13.03.2019 könnte nicht besser passen: „Der frühere Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal Pell, ist wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zu sechs Jahren Haft verurteilt worden... Strafmindernd gewertet wurde demnach Pells Alter, seine Gesundheit und seine Lebensleistung...“. Aber kann man eine Lebensleistung, in Hanya Yanagiharas von einem wahren Fall inspirierten Debütroman ist es ein Medizin-Nobelpreis, mit Kindesmissbrauch „verrechnen“? Und: „Wenn ein großer Mann schreckliche Dinge tut, ist er dann noch ein großer Mann?“

2017 habe ich begeistert Hanya Yanagiharas zweiten Roman "Ein wenig Leben" gelesen, der mich seither nicht mehr loslässt. Über kein anderes Buch habe ich soviel diskutiert, kein anderer Roman stößt bei denen, die ihn nicht kennen, auf solche Vorbehalte. Nun war ich gespannt auf ihren Erstling von 2013, der soeben auf Deutsch erschienen ist. Das Thema schien genauso interessant und tatsächlich ist auch jetzt mein Diskussionsbedarf hoch und der Nachhall heftig, allerdings hat mir die literarische Umsetzung als vorgebliches Sachbuch weniger zugesagt und ich empfand weite Strecken des Hörbuchs als eher quälend.

Inhalt von "Das Volk der Bäume" sind die Lebenserinnerungen des 1924 geborenen Mediziners Dr. Norton Perina, von dessen Anklage und Verurteilung wegen Kindesmissbrauchs wir aus Presseartikeln zu Beginn erfahren. Verfasst hat er die Memoiren auf Anregung seines Freundes und Kollegen Dr. Ronald Kubodera, dem kritiklosen Herausgeber und Kommentator, der wesentliche Kapitel bis zum Ende zurückhält.

Nach seinem Medizinstudium begleitet Perina 1950 zwei Anthropologen auf die unerforschte fiktive mikronesische Insel Ivu‘Ivu. Sie finden dort nicht nur einen urtümlichen Stamm, sondern auch eine Gruppe Ausgestoßener, die offensichtlich wesentlich älter als gemeinhin vorstellbar sind. Perinas Entdeckung wird der Grund für das hohe Alter sowie der Zusammenhang zwischen dem Alter und dem demenzartigen Zustand dieser körperlich in erstaunlich gutem Zustand befindlichen „Träumer“ sein; sie wird ihm den Nobelpreis einbringen. Gleichzeitig bedeutet die Entdeckung aber für die Inselbewohner und die Natur den Untergang.

Sogar ein zutiefst unsympathischer Protagonist, der Labormäuse mit Lust tötet, bedenkenlos Menschenversuche an den Träumern durchführt und über keinen seiner Mitmenschen ein gutes Wort sagt, verspürt eine Art von schlechtem Gewissen, weshalb Perina in den folgenden Jahren immer wieder nach Ivu’Ivu reist. 43 Kinder bringt er im Laufe der Jahre von dort mit in die USA, adoptiert sie und gibt ihnen ein Zuhause.

Zweifellos sind die in diesem Roman ausführlichst angesprochenen Themen Machtmissbrauch, Verantwortung des Wissenschaftlers, Grenzen der Forschung, Unsterblichkeit und Folgen des Kolonialismus ausgesprochen interessant, doch habe ich mich mit der Täterperspektive und den ausufernden, metapherngesättigten Beschreibungen der Natur und der Inselbewohner, ungekürzt in knapp 18 Stunden auf 3 mp3-CDs, schwergetan. Schmerzlich habe ich ein Booklet vermisst, vor allem hätte ich ein Glossar für die vielen Begriffe in der ausgedachten Inselsprache gebraucht, denn was eine Frucht, ein Tier, eine Gottheit oder der Name eines Inselbewohners war, wusste ich oft nicht mehr, wenn die Erklärung lange zurücklag. Auch eine Karte wäre hilfreich gewesen.

Bleiben wird mir viel Stoff zum Nachdenken, aber an "Ein wenig Leben" reicht dieser eher schleppende Roman in meinen Augen nicht heran.

Veröffentlicht am 11.03.2019

Genial konzipiert, aber etwas lang (Hörbuchrezension)

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Ich habe Hanya Yanagiharas "Das Volk der Bäume" als Hörbuch auf 3 mp3-CDs, erschienen im HörbuchHamburg Verlag und gelesen von Gunter Schoß und Matthias Bundschuh, gehört. Das Hörbuch ist fast 18 Stunden ...

Ich habe Hanya Yanagiharas "Das Volk der Bäume" als Hörbuch auf 3 mp3-CDs, erschienen im HörbuchHamburg Verlag und gelesen von Gunter Schoß und Matthias Bundschuh, gehört. Das Hörbuch ist fast 18 Stunden lang und damit meines Erachtens etwas lang geraten, man hätte sich an einigen Stellen kürzer fassen können.

Zum Inhalt: Yanagiharas Roman beruht nicht auf einer wahren Begebenheit, lehnt sich aber an an den pädophilen Wissenschaftler Gajdusek, der - wie Perina im Buch - an einem indigenen Volksstamm forschte und den Nobelpreis bekam. Da die Autorin aber einen anderen Namen verwendet, kann wohl davon ausgegangen werden, dass z.B. die Beschreibung der Kindheit des Wissenschaftlers sowie die meisten anderen Teile des Buches reine Fiktion sind. Dennoch ist es verstörend, dass ein "Norton Perina" doch in Gajdusek wirklich existiert hat. Und Gajdusek war ein wirklich genialer Wissenschaftler, aber eben auch wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Und er brachte auch unzählige Kinder mit von den Inseln, auf denen er forschte.

Im Roman ist es der Wissenschaftler Dr. Norton Perina, dessen Leben detailreich dargestellt wird. Dabei steht immer die Frage im Raum: Kann Perinas Genialität gegen den Missbrauch aufgewogen werden? Kann sein Fehlverhalten durch seine Genialität entschuldigt werden? Die Frage muss hier doch mit einem ganz klaren 'nein' beantwortet werden - eigentlich dürfte man diese Frage gar nicht stellen - der Roman tut es dennoch.

Zur Konzeption des Romanes und zum Hörbuch, das von zwei Sprechern gelesen wird, muss ich aber sagen, dass mir diese recht gut gefallen haben. Dr. Norton Perina erzählt, aber er wird immer wieder von seinem besten Freund mit Einwänden oder zusätzlichen Informationen unterbrochen. Dies wirkt aber nicht störend, ganz im Gegenteil.

Das Hörbuch lässt sich als hochwertiges literarisches Werk gut hören, aber es ist trotzdem etwas lang. Normalerweise höre ich ca. zehnstündige Hörbücher an einem Wochenende, aber das ist mir bei 18 Stunden nicht gelungen. Wenn ich es dann länger zur Seite gelegt hatte, konnte ich schlecht wieder hineinfinden und musste weit zurück gehen. Dies fand ich etwas störend; die Autorin hätte sich etwas kürzer fassen können. Insgesamt gefiel mir "Das Volk der Bäume" aber vor allem, weil es sich von den meisten Hörbuchproduktionen sehr abhebt. Daher gibt es von mir 4 Sterne.

Veröffentlicht am 11.03.2019

Definitiv mal anders

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Passend zum Aufbau des Buches, erinnert mich das Bild auf dem Cover sehr an das einiger Biographien.
Den Schreibstil finde ich total Klasse. Man wird beinahe in das Geschehen hineingezogen und kann das ...

Passend zum Aufbau des Buches, erinnert mich das Bild auf dem Cover sehr an das einiger Biographien.
Den Schreibstil finde ich total Klasse. Man wird beinahe in das Geschehen hineingezogen und kann das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen.
Obwohl der Roman ein Wenig leichter ist, als Yanagiharas "Ein wenig Leben", hat auch dieses Buch einige Passagen, die ziemlich schwer sind und die den Leser definitiv zum Nachdenken anregen.
Gleichzeitig besitzt das Buch eine Leichtigkeit, die sich von Anfang bis Ende über die Geschichte hinweg zieht.
Besonders ist, wie auch schon bei Yanagiharas "Ein wenig Leben", die Art und Weise, wie das Buch erzählt wird. Denn obwohl der Roman aus der Innensicht erzählt wird, reflektiert der Ich-Erzähler seine Geschichte bereits selber. Außerdem gibt es einen weiteren Ich-Erzähler, der die Memoireähnliche Erzählung immer wieder, in Form von nachträglich angefügten Fußnoten, kommentiert.
Zudem schafft es Yanagihara, dem Leser bereits nach wenigen Seiten das Gefühl zu geben, den Protagonisten zu kennen und dennoch immer wieder neue Wahrheiten über diesen ans Licht kommen zu lassen.

Fazit:
Wieder einmal hat Yanagihara es geschafft, mich total mit ihrer Geschichte zu fangen. Ich gebe gerne 5 Sterne: ?????.