Schockierend, unbequem und sehr wichtig
Wie verändert eine sexualisierte Gewalterfahrung in der Kindheit das gesamte Leben der betroffenen Person?
Ich kann es mir zum Glück nicht vorstellen, aber dank dem Buch von Helene Bracht habe ich inzwischen ...
Wie verändert eine sexualisierte Gewalterfahrung in der Kindheit das gesamte Leben der betroffenen Person?
Ich kann es mir zum Glück nicht vorstellen, aber dank dem Buch von Helene Bracht habe ich inzwischen eine Ahnung. Die Autorin schreibt hier über ihre Kindheit und die über mehrere Jahre stattfindende Gewalterfahrung. Dies stellt aber „nur“ den Ausgangspunkt dar, um zu veranschaulichen und zu erklären, wie sie anschließend weiterleben konnte und musste.
„Die Bilder dazu liegen in der Asservatenkammer meiner Erinnerung, verstaubt und unauffällig direkt neben anderen Szenen meiner Kinderzeit.“ S.29
In einer absolut klaren und schonungslosen Schreibweise erzählt sie dabei nicht nur aus ihrer Biographie, sondern verbindet ihr Einzelschicksal mit vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Sachinformationen zu diesem Thema. Dies stellt für mich eine große Besonderheit dieses Werks dar. Zum einen erschüttert und schockiert mich ihre persönliche Geschichte immer wieder total und zum anderen schafft sie es mit dieser Kombination einen universellen Zusammenhang herzustellen. Sie veranschaulicht an ihrem weiteren Lebens- und Liebensweg abgeklärt, warum sie nicht zu einer funktionierenden Beziehung fähig war. Welche gesellschaftlichen und zeitlichen Kontexte, wie beispielsweise die Phase der sexuellen Befreiung der Frau in den 60ger/70ger Jahren, ihr dabei in die Karten gespielt haben. Es geht um Scham und Trauma, strukturelle Bedingungen in Familie und Gesellschaft und auch darum, wie Betroffene selbst zu Täter:innen werden können.
Ein Buch, das nicht leicht zu lesen und zu gleich doch unglaublich wichtig ist. Von mir gibt es eine Empfehlung für alle, die sich mit diesem Themenkomplex auseinandersetzen können und wollen.