›Hass ist so ein hartes Wort.‹
Tom Neumann kommt frisch aus den USA, wo er eine Sonderausbildung beim FBI absolvierte, und wird gleich mit einem grausigen Fall konfrontiert. Ausgerechnet jetzt ist seine Kollegin Jutta Stern in Indien, ...
Tom Neumann kommt frisch aus den USA, wo er eine Sonderausbildung beim FBI absolvierte, und wird gleich mit einem grausigen Fall konfrontiert. Ausgerechnet jetzt ist seine Kollegin Jutta Stern in Indien, um ihren Vater zu suchen. Zwei Leichen werden im Kofferraum eines PKW gefunden, der gerade zur Inspektion ist. Die Ermittler finden rasch heraus, dass es sich um bei den Toten um Flüchtlinge handeln muss. Fast zeitgleich werden auch in Bayern Tote und zwei knapp Überlebende entdeckt, die sich in einem LKW in Kabelbindern versteckt hatten.
Ein zweiter Handelstrang erzählt von der Flucht Samirs, der sich mit seinem Vater von Aleppo aus nach Österreich durchschlagen möchte. Viel Geld haben sie dubiosen Schleppern gezahlt, doch das überladene Boot kentert auf dem Mittelmeer ...
Wer die Autorin kennt, weiß, dass sie sich nicht scheut in ihren Büchern schwierige Themen aufzugreifen, sogenannte ›heiße Eisen‹. Dieses Mal ist es die Flüchtlings-Problematik, bei der leider Gottes bereits zahlreiche Menschen Geschäfte witterten um mit der Not der armen Leute Geld zu scheffeln. Da wird im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen gegangen und immer mehr wachsen aus dem Boden: Schlepper, die sich zu weitreichenden Schlepperbanden entwickelt haben. Sie sind alles andere als Menschenfreunde und Helfer in der Not, vielmehr ist es ihnen egal, ob die Flüchtlinge auf der langen Reise überleben und ankommen, oder nicht.
Das Ermittlerteam, mir bereits aus »Als Gott schlief« bekannt, agiert in gewohnt routinierter Weise. Chefinspektor Georg hat sich verändert, betreibt Sport, isst vegan und kämpft gegen seine Nikotinsucht. Tom tut seinen Job, obwohl ihm seine Verliebtheit zu Jutta manchmal im Weg steht. Jutta kommt – nicht unbeschadet – aus Indien zurück und stürzt sich mit ebensolchem Feuereifer, ohne ihre privaten Konflikte auszuarbeiten, in den Fall. Da noch mehr Leichen auftauchen, sowie ein leerer Wohnwagen mit Blutspuren, in dem gerade eine Frau ihr Kind entbunden haben muss, ist Zusammenarbeit ein Muss. Das funktionierte und genau das gefiel mir besonders, nämlich dass nicht ein einziger Held quasi die Szene rockt.
Die verschiedenen Handlungsstränge, die zum Schluss gekonnt zusammengeführt werden, imponierten mir gewaltig. Das Leid der Flüchtlinge auf dem Weg wird ebenso hautnah und bildhaft geschildert, wie die Brutalität, die den Frauen gegenüber gebraucht wird. Unglaublich, was sie erdulden müssen. Selbst die Ankunft in den Lagern und Flüchtlingszentren beendet das Leid der meisten nicht. Die Autorin verstand es, neutral zu bleiben. Auch wenn sie das Schicksal einer Flüchtlingsfamilie herausgreift, so wirft sie zusätzlich den Blick auf jene, die die Situation und das europäische System ausnützen. Schwer zu verkraften ist vor allem, dass Frauen in den muslimischen Kulturen zu großen Teilen als Wesen zweiter Klasse angesehen wurden und deren Männer mit ihnen willkürlich verfahren dürfen. Die Autorin versteht es, neben der spannenden Krimihandlung viel von dem Leid der Menschen hineinzubringen, die ihr Land mit wenig Hab und Gut verlassen.
So sympathisch mir die Ermittler auch waren, mit Jutta wurde ich dieses Mal nicht warm. Ich verstand ihre Handlungen und ihr Verhalten die meiste Zeit nicht, auf den privaten Strang hätte ich verzichten können. Dennoch arbeitet das Team ausgesprochen professionell, verknüpft Fäden, und trotz einiger Vermutungen war ich überrascht über die Auflösung.
Der Showdown war dann extrem spannend, ich habe gezittert bis zum Schluss.
Ein gut aufgebauter, perfekt recherchierter Thriller, den ich gerne weiterempfehle. Das Nachwort der Autorin, die Hintergründe zur Recherche und die Tatsachen, auf denen die (fiktive) Handlung beruht, waren ebenfalls hochinteressant zu lesen.