Wenn ein Buch Jahre später wieder bei dir anklopft und sagt: „Na, Lust auf ein bisschen Existenzialismus?“
Manche Bücher verschwinden nicht wirklich. Sie ziehen sich nur leise zurück. Nicht für immer, aber so auf die Kunst: Ich bin mal kurz weg, kläre du erst mal dein Leben. Sofies Welt von Jostein Gaarder ...
Manche Bücher verschwinden nicht wirklich. Sie ziehen sich nur leise zurück. Nicht für immer, aber so auf die Kunst: Ich bin mal kurz weg, kläre du erst mal dein Leben. Sofies Welt von Jostein Gaarder war für mich genau so ein Buch. Ich habe es das erste Mal als Teenie in die Hand genommen. Oder besser gesagt: Ich habe es mit in den Ägyptenurlaub geschleppt. Damals, mit 16 oder 17, dem vagen Gefühl von Fernweh im Bauch und einem sehr ernsten Plan, am Hotelpool philosophisch zu werden.
Gelesen habe ich tatsächlich nur ein paar Kapitel. Dann kam das Meer, die Sonne, das Leben dazwischen. Sofies Welt blieb zurück und wanderte später kommentarlos ins Regal.
Fast Forward: Ein paar Jahre taucht das Buch wieder auf. Ich ziehe es halb aus Neugier, halb aus Nostalgie aus dem Regal und finde darin mein altes Lesezeichen: ein kleines Plastiktütchen, das einmal eine Kette mit meinem Namen in Hieroglyphen enthielt. Ein Souvenir aus Luxor, das auf einmal wirkt wie ein kurzes ‘Hallo’ aus einem ganz anderen Leben.
Damals hatte ich noch lauter naive Fragen im Kopf, große Lebensgedanken, keine Ahnung von Kant, aber wild entschlossen, schlauer aus dem Urlaub zurückzukommen. Jetzt, Jahre später, lese ich es wirklich. Ganz. Und ganz anders.
Und dieses Mal bin ich drangeblieben.
„Sofies Welt“ ist mehr als ein Roman. Es ist ein Crashkurs in Philosophie, verkleidet als Coming-of-Age-Geschichte mit Mystery-Vibe. Die rätselhaften Briefe, die philosophischen Ausflüge, die immer größer werdenden Fragen, all das zieht einen auf eine sehr leise Art mit. Ganz ohne Drama. Dafür mit Kant. Und Sokrates. Und Gedanken über das Sein, die einem oft erst bei den einfachsten Tätigkeiten wie dem Abwaschen wirklich bewusst werden.
‘Sofies Welt’ will klug sein, aber es bemüht sich, dich nicht zu verlieren. Es ist kein staubtrockenes Uni-Skript, sondern eine Geschichte, die groß denkt, dich aber nie überfordert.
Ich habe es oft beiseitegelegt, einfach um das Gelesene sacken zu lassen. Immer wieder kam der Moment, in dem ich für einen Augenblick inne gehalten, um nachzuspüren und dabei fühlte ich mich plötzlich wieder wie das junge Mädchen, das ich damals war. Die gleichen Fragen, die ich als Teenager hatte, tauchten wieder auf, und gleichzeitig spürte ich, wie ich langsam ein anderes Verständnis für sie bekam. Es war wie ein Gespräch mit meinem früheren Ich - nur, dass ich dieses Mal nicht einfach weiterging, sondern wirklich in die Tiefe ging.
Vielleicht ist es ein Buch, das man zweimal lesen muss. Einmal, wenn man glaubt, alles wissen zu müssen und einmal, wenn man versteht, dass es okay ist, wenn man's nicht tut.
Fazit: Sofies Welt ist ein Buch wie ein Zeitkapsel-Geschenk von deinem früheren Ich an dein jetziges. Es ist philosophisch, aber nie belehrend und es ist genau das Richtige, wenn du Lust hast, dich auf die ganz großen Fragen einzulassen, ohne Erwartung auf perfekte Antworten.
Vielleicht ist das eigentliche Geschenk dieses Buches: Dass es dir zeigt, wie schön es sein kann, einfach nur zu fragen.