Cover-Bild Die Wunder von Little No Horse
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24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Aufbau
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 509
  • Ersterscheinung: 08.11.2019
  • ISBN: 9783351037864
Louise Erdrich

Die Wunder von Little No Horse

Roman
Gesine Schröder (Übersetzer)

Mehr als ein halbes Jahrhundert hat Vater Damien Modeste sich ganz in den Dienst seines geliebten Stammes der Ojibwe im abgelegenen Reservat Little No Horse gestellt. Nun da sein Leben zu Ende geht, muss er fürchten, dass das große Geheimnis seines Lebens doch noch ans Licht kommen könnte: er ist in Wahrheit eine Frau. In ihrem bislang nichts ins Deutsche übertragenen Meisterwerk erkundet Louise Erdrich das Wesen der Zeit und den Geist einer Frau, die sich gezwungen fühlte, sich selbst zu verleugnen, um ihrem Glauben dienen zu können. Ein Buch mit Herz, großartig erzählt. »Lustig und elegisch, absurd und tragisch.« New York Times

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.01.2020

Eine Chance genutzt

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"Das Haus des Windes" ist ein Roman, der mich sehr berührt hat. Daher wollte ich auch dieses Buch unbedingt wieder lesen.
Viele Jahre hat Vater Damien Modeste seinen Dienst im Reservat Little No Horse ...

"Das Haus des Windes" ist ein Roman, der mich sehr berührt hat. Daher wollte ich auch dieses Buch unbedingt wieder lesen.
Viele Jahre hat Vater Damien Modeste seinen Dienst im Reservat Little No Horse bei dem Stamm der Ojibwe versehen. Er hat das immer gerne gemacht. Doch nun ist er uralt und muss fürchten, dass sein Geheimnis ans Licht kommt. Denn Damien Modeste ist in Wirklichkeit eine Frau, die als Agnes DeWitt geboren wurde und dann als Schwester Cecilia in einem Kloster lebte. In der Musik konnte sie sich verlieren, was den anderen Schwestern suspekt war. Also verließ sie das Kloster und nutzt den Zufall, der ihr eine Chance geboten hat. Nun kurz vor ihrem Tod kommt der Besuch eines Abgesandten der Katholische Kirche zu gar nicht gelegen, denn es geht um die Heiligsprechung einer Schwester.
Das Buch ist nicht ganz einfach zu lesen, denn es kommen viele Personen vor. Der Schreibstil ist mal einfühlsam und dann wieder voller Kraft. Dabei gibt es auch immer wieder humorvolle Passagen.
Aus unterschiedlichen Perspektiven wird diese Geschichte erzählt, die durchsetzt ist mit Sagen, Mythen und Visionen. Man bekommt einen guten Einblick in die Lebensweisen der heutigen Indianer. In den Reservaten sind Alkohol- und Drogenprobleme an der Tagesordnung, denn das Leben ist sehr hart. Louise Erdrich weiß genau, wovon sie schreibt, denn sie ist die Tochter einer Chippewa Indianerin und kam in einem Indianerreservat in Minnesota zur Welt.
Die Charaktere sind sehr gut beschrieben. Besonders Agnes/Damien hat es mir angetan. Sie ist gläubig, aber auch den Mythen der Indianer gegenüber aufgeschlossen. Sie ist hilfsbereit und gewitzt. Viele Jahre schafft sie es, ihr Geheimnis zu hüten.
Auch dieser Roman von Louise Erdrich ist wieder etwas ganz Besonderes. Er hat mir gut gefallen.

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Veröffentlicht am 03.01.2020

Wandlungen

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Agnes, lebt als Schwester Cecilia und dient Gott nach Kräften. Doch beim Klavier spielen hat sie eine ganze besondere Intensität. Sie wird einst mit der Musik. Da weckt das Misstrauen ihrer Mitschwestern, ...

Agnes, lebt als Schwester Cecilia und dient Gott nach Kräften. Doch beim Klavier spielen hat sie eine ganze besondere Intensität. Sie wird einst mit der Musik. Da weckt das Misstrauen ihrer Mitschwestern, worauf Agnes den Orden verlässt.
Zunächst kommt sie auf einer Farm unter. Hier ist es ihr auch nicht bestimmt heimisch zu werden. Die Begegnung mit Father Damien Modeste hat Folgen. Sie tauscht mit ihm die Identität, und geht an seiner Stelle ins Reservat nach Little No Horse. Father Damien stellt sich seiner neuen Aufgabe. Es gehen viele Jahre ins Land. Damien Modeste ist inzwischen ein Greis. Da zwingt ihn die Bitte um eine Auskunft über das Leben und Wirken einer Nonne aus dem Reservat, noch einmal zurückzuschauen. Die Nonne soll selig gesprochen werden.
Mit Agnes/Damien hat die Autorin eine interessante Protagonistin ins Leben gerufen. Sie vereint den weiblichen Blick auf die Dinge mit männlicher Entschlossenheit. Zwei Eigenschaften, die sich sehr segensreich auswirken können.
Daneben findet sich eine Vielzahl von Charakteren. Da war war es nicht immer leicht den Durchblick zu behalten. Der Stammbaum der Figuren, gleich am Anfang des Buches, bot eine gewisse Orientierungshilfe.
Frau Erdrich hat mit ihrem Werk einen Mix aus verschiedenen Stilmitteln geschaffen. Aus alten Mythen, Überlieferungen und reale Begebenheiten schuf sie ein vielschichtiges Werk.
Dabei bedient sie sich einer bildreichen, eingängigen Sprache mit der sie die Welt erschafft in der ihre Protagonistin Agnes/Damien agiert. Die Missionierung der Familien, die ihnen den hergebrachten Glauben raubt, den neuen jedoch nicht verinnerlichen lässt, ist Agnes/Damien ein Dorn im Auge. Sie beginnt nach den überlieferten Ritualen und Mythen zu fragen. Sie lauscht den Erzählungen.Dabei lernt sie die Sprache und sozialisiert sich immer mehr. Sie wird fast eine der Ihren.
Ehe am Rande fällt auch auf, wie viele Clans zu der First Nation gehören. Das Buch streift ihre Streitigkeiten und Machtkämpfe, ja ihren Kampf ums Überleben.

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Veröffentlicht am 31.12.2019

Liebeserklärung an das Leben

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Ich habe mich verliebt. Verliebt in Erdrichs Schreibstil. Eine so bezaubernde Kombination aus Sinnlichkeit, Lebenskraft, Sanftheit, brutaler Ungeschöntheit und Weisheit. So poetisch, so berührend. Dann ...

Ich habe mich verliebt. Verliebt in Erdrichs Schreibstil. Eine so bezaubernde Kombination aus Sinnlichkeit, Lebenskraft, Sanftheit, brutaler Ungeschöntheit und Weisheit. So poetisch, so berührend. Dann wieder urkomisch, humorvoll und sanft satirisch. Und dann wieder so ernsthaft, erschreckend und schmerzhaft. Wahnsinn, wie das alles zusammengeht. Ich bin wirklich verliebt! Realistisch, märchenhaft/ mystisch, immer sehr eindrücklich und anschaulich, manchmal etwas übertrieben. Einige- wunderschöne- Bilder werde ich wohl ewig im Gedächtnis behalten, allen voran die Klavierszenen.

North Dakota. Anfang des 20 Jahrhunderts. Durch Zufall übernimmt Agnes die Rolle des Father Damien, der leider im Fluss ertrank. Sie reist seiner statt in das Reservat Litlle No Horse zu den Ojibwe, um dort die Kirche zu verwalten und die Natives zu bekehren. Mit den Kirchenritualen ist sie gut vertraut, da sie als junge Frau in einem Kloster als Nonne lebte. Diesem Leben entsagte sie jedoch, da sie als begnadete Klavierspielerin ihr Herz an Chopin verlor. Danach erlebte sie einige bewegte und leidvolle, aber auch intensiv schöne Jahre.

Im Reservat bleibt sie nun als Father Damien bis zu ihrem Tod. Kurz vor Ende ihres Lebens erhält sie Besuch von Father Jude, eines Abgesandten der katholischen Kirche. Dieser möchte den möglichen Heiligenstatus einer Schwester eruieren.

Diese Gespräche und das Leben von Agnes/ Father Damien spannen einen zarten Bogen um eine Vielzahl an Geschichten von Frauen und Männern, Kindern und Erwachsenen der im Reservat lebenden Natives. Man muss sehr gut aufpassen, um den Überblick über die Familienbeziehungen zu wahren (gelang mir nicht immer), zur Hilfe ist vorn ein Stammbaum eingefügt.

Man lernt einiges über die Kultur, die Philosophie, die Spiritualität und den Alltag der Ojibwe. Streitigkeiten zwischen den Clans und das Blutfehdeprinzip werden deutlich. Die Schicksale sind oft geprägt von Leid ganz verschiedener Art: Krankheit, Tod, gewaltsame Verluste, Missbrauch, dysfunktionale Mutter- Kindbeziehungen, Alkoholismus, Selbstzerfleischungen - all das als Folge der weißen Einmischung. Erdrich zeigt klar die Ungerechtigkeiten gegen die Ureinwohner, zeigt, wieviel Unheil mit den europäischen Einwanderern ins Land kam. So viel Unheil, doch statt in Wut und Trauer zu verharren, bringt sie das Konzept der Vergebung mit hinein.

Agnes/ Father Damien ist eine wunderbare Figur: intelligent, gütig, liebvoll, hingebungsvoll und pflichtbewusst, aber auch schlitzohrig und widersprüchlich. Natürlich geht es hier auch um das Frau– und das Mannsein. Die weibliche, schöpferische Kraft wird hier sicht- und fühlbar gemacht.

Daneben beschäftigt sich der Roman mit der katholischen Religion, zeigt die herzliche, aber auch die unmenschliche Seite. Zeigt den Unsinn von Bekehrungen, "einer liebevollen Form von Zerstörung", und diskutiert spannende Fragen über die Beichte, den Heiligenstatus, Gotteszweifel und Gottes Gerechtigkeit sowie die Vereinbarkeit verschiedener Religionen.

Und nicht zuletzt geht es um das Leben und auch um die Liebe.

Dieser Roman ist sehr erzählmächtig, voll Poesie, schmerzhaft und bezaubernd zugleich. Lebensklug, gefühlvoll, weise und weiblich.

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Veröffentlicht am 06.12.2019

Ein berührender Roman über die Seele der Menschen jenseits des Geschlechts

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Zuweilen zart, zuweilen deftig erzählt Louise Erdrich von Agnes, die die Identität des katholischen Priesters Damien Modeste annimmt, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen - sie möchte predigen.

»Als ...

Zuweilen zart, zuweilen deftig erzählt Louise Erdrich von Agnes, die die Identität des katholischen Priesters Damien Modeste annimmt, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen - sie möchte predigen.

»Als Nonne hatte sie gelernt, den Blick gesenkt zu halten. Jetzt reckte Father Damien das Kinn, verengte die Augen und schaute geradeaus.«

1912 lebt sie in “Little No Horse”, einem Reservat der Objiwe-Indianer. Während sie sich um die Einwohner kümmert, erfährt sie viel über ihre Kultur.

Die Autorin Louise Erdrich ist Tochter einer Objiwe und beschreibt die Protagonisten mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen. Die Frauen des Stammes sind stolz und stark:
»Man kann einiges mit mir machen und ich mit anderen, ich gebe und gebe, aber irgendwann reißt das Band. Meine Liebe sitzt tief, solange man nur diese Grenze nicht überschreitet und mir nichts antut, das ich nicht bereit bin hinzunehmen.«

Erdrich lässt die verschiedenen indianischen Protagonisten selbst ihre Geschichten erzählen - über Geister, Erfahrungen mit Weißen, über absurde Situationen, Rivalitäten.

Um Gott zu dienen, hat Agnes auf das Leben als Frau und Mutter verzichtet. Eine Leidenschaft, die ihr geblieben ist, ist das Klavier. Beim Spiel fühlt sie sich durchdrungen von Gott:
»Die gestutzten Alleen von Haydn, Brahms oder selbst Schubert habe ich nie mit derselben Hingabe gespielt wie Beethovens wuchernde Wälder. Immer wollte ich noch tiefer ins Dickicht, habe die Intonation jeder Note problematisiert, jeden Zwischenton umgewendet und Bach nach der Wahrheit durchforstet.«

Die Geschichte reicht hinein bis in die 90er, als Agnes/Damien spürt, dass ihr Ende naht. Sie wusste, der Blick auf ihre Leistung würde sich verändern, wenn man nach ihrem Tod erfahren würde, dass sie eine Frau ist.

Der Roman war nicht immer bequem und hat auch leider meine Erwartung nach einer idyllischen Geschichte von naturnah lebenden Ureinwohnern nicht bedient. Ich habe von Armut und Hunger, Kälte, Alkoholmißbrauch und Kämpfen gelesen. Auch konnte ich nicht nachvollziehen, dass Agnes einer Institution dient, die das Weibliche als minderwertig ansieht.
Dennoch hat mich die Geschichte und bildhafte, poetische Sprache in ihren Bann gezogen und tief berührt.
Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 28.12.2019

Häutungen

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Agnes als Schwester Cecilia im Kloster heimisch, dient Gott, ehrfürchtig und demütig. Doch wenn sie Klavier spielt, verselbstständigt sich ihr Seele, Musik durchdringt sie und das ist den Mitschwestern ...

Agnes als Schwester Cecilia im Kloster heimisch, dient Gott, ehrfürchtig und demütig. Doch wenn sie Klavier spielt, verselbstständigt sich ihr Seele, Musik durchdringt sie und das ist den Mitschwestern suspekt. Sie verlässt das Kloster und kommt auf einer Farm unter. Doch auch dieses Leben bleibt eine Episode. Zufällig kann sie in die Identität eines Missionspfarrers schlüpfen – Damien Modeste – und geht an seiner Stelle ins Objiwe Reservat. Dort in No Little Horse wird der Priester schon erwartet und Father Damien richtet sich ein.

Jahrzehnte später, Modeste ein Greis, läuft sein Leben noch einmal vor ihm ab, als er Auskunft über das Wirken einer Nonne aus dem Reservat geben soll, deren Seligsprechung ansteht.

Louise Erdrich entfaltet sprachmächtig und überwältigend einen ganz eigenen Kosmos. Die diversen Clans der First Nation, ihre Streitigkeiten, ihr Kampf ums Überleben wird sichtbar. Die Missionierung der Familien, die ihnen den alten Glauben raubt, den neuen aber nicht verinnerlichen lässt, fällt Agnes/Damien ins Auge. Er interessiert sich für die Überlieferung und Riten, er lernt die Sprache und im Lauf der Jahre wird er fast einer der Ihren.

Mit Agnes/Damien habe ich eine Figur kennengelernt, die den weiblichen Blick mit männlicher Entschlossenheit vereint und eine ganz besondere Schöpfung der Autorin ist.

Eine unglaubliche Vielzahl an Charakteren, die sich manchmal auch über die Generationen hinzieht, machte es mir nicht immer ganz einfach. Ohne den Figurenstammbaum zu Beginn des Buches wäre ich fast verloren gewesen. In ihrem Roman mischen sich Überlieferungen, alte Mythen und reale Begebenheiten zu einem vielschichtigen Epos. Wie gesagt, nicht immer einfach zu lesen, aber ein besonderes Leseerlebnis.

Manche der Figuren und Familien tauchen auch in anderen Romanen der Autorin auf und es erleichtert sicher den Einstieg, wenn man schon Bücher von Louise Erdrich kennt.


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