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Veröffentlicht am 19.11.2019

Orphan Girl

Nellie Bly
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Lange vor Günter Wallraff haben investigative Journalisten durch aufsehenerregende Reportagen für Schlagzeilen gesorgt. Zu ihnen zählt Elizabeth Jane Cochran (1864 - 1922), die unter ihrem selbstgewählten ...

Lange vor Günter Wallraff haben investigative Journalisten durch aufsehenerregende Reportagen für Schlagzeilen gesorgt. Zu ihnen zählt Elizabeth Jane Cochran (1864 - 1922), die unter ihrem selbstgewählten Pseudonym Nellie Bly als die erste amerikanische Undercover-Reporterin in die Geschichte eingegangen ist. In seiner Biografie "Nellie Bly. Die Biografie einer furchtlosen Frau und Undercover-Journalistin" schildert Nicola Attadio wichtige Momente aus dem Leben dieser starken Frau, die für ihre Reportagen in eine psychiatrische Anstalt, an die Front des 1. Weltkrieges und als erste Frau, ohne männliche Begleitung, in 72 Tagen um die Welt reiste.

September 1887: Eine junge Frau klopft an die Tür von John Cockerill, Direktor von Pulitzers Zeitung »New York World«. Sie verlangt, als Reporterin eingestellt zu werden. Keine Frau hat sich bisher so weit vorgewagt. Ihr Name ist Elizabeth Cochran, sie ist 23-jährig, seit drei Jahren schreibt sie unter dem Pseudonym Nellie Bly für den »Pittsburgh Dispatch«. Nellie Blys Idee, undercover in die psychiatrische Anstalt Blackwell‘s Island zu gehen und aus erster Hand über die dortigen Zustände zu berichten, überzeugt Cockerill. Es entsteht eine Reportage, die in die Geschichte des Journalismus eingeht und weit über New York hinaus Schlagzeilen macht. Doch das ist erst der Anfang einer beeindruckenden journalistischen Karriere. Sie reist allein und in Rekordgeschwindigkeit um die Welt, wird zum Albtraum korrupter Politiker und berichtet von Beginn weg als einzige Kriegsreporterin von der Ostfront des Ersten Weltkriegs, wo sie vier Jahre bleibt.


Das Cover zeigt ein Portrait von Elizabeth Jane Cochran in Sepia, das alle gängigen Klischees von einer jungen Dame spiegelt, die aus einem (früher wohlhabenden) gutem Hause stammt. Ihr Haar ist ordentlich frisiert und aufgesteckt, ihre Kleidung wirkt adrett und ist hochgeschlossen, wie es sich gehört. Auch ihre gerade Haltung und ihr sanftes Lächeln passt in dieses Bild. Nur ihre ernsten Augen können ihren eigenen Willen nicht verleugnen,. Jeder aufmerksame Betrachter ahnt, dass diese junge Dame für sich selbst einstehen kann und will.

Etwas Anderes bleibt ihr nicht übrig. Denn der soziale Abstieg nach dem Tod ihres Vaters macht alle Hoffnungen auf eine rosige Zukunft zunichte. Die neue Ehe ihrer Mutter endet mit einer Katastrophe, es ist kein Wunder, dass sie sich selbst vor einem ähnlichen Schicksal schützen will. Leider kann sie ihre angestrebte Laufbahn wegen fehlender finanzieller Mittel nicht fortführen, sie lässt sich nicht irritieren, setzt auf eine autodidaktische Bildung und behauptet sich in einer von Männern dominierten Welt.

Das Leben von Nellie Bly ist nicht gradlinig verlaufen, es weist viele Brüche und Sprünge auf, die jeden kritischen Betrachter stutzen lassen. Eins jedoch ist sicher: Sie war alles andere als gewöhnlich. Nach ihrem erfolgreichen Einsatz als "Undercover-Reporterin" in einer Irrenanstalt in New York folgten weitere aufsehenerregende Reportagen und eine spektakuläre Reise um die Welt, auf den Spuren von Jules Verne, die sie in den Fokus der Öffentlichkeit rückten. Danach suchte sie sich eine neue Herausforderung und übernahm nach dem Tod ihres wesentlich älteren Mannes die Leitung eines großen Konzerns. Nach dem durch einen Betrug ihres engsten Mitarbeiters verursachten wirtschaftlichen Zusammenbruch ihres Unternehmens kehrte sie wieder in ihren Beruf als Journalistin zurück und machte als mutige Kriegsberichterstatterin an der Ostfront während des Ersten Weltkriegs von sich reden.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich niemals zuvor von Nellie Bly gehört hatte. Sie war für mich eine große Unbekannte, genauso wie das in den USA bekannteLied von Stephen Foster, das Elizabeth Jane Cochran zu ihrem Pseudonym inspiriert hat. Dank der einfühlsamen Biographie von Nicola Attadio habe ich diese Wissenslücke füllen können. Er schreibt in einem nüchternen, sachlichen Stil, fasst die Höhepunkte ihres Lebens kurz und knapp zusammen und ordnet sie in den geschichtlichen Zusammenhang ein. Dennoch kann man seine Bewunderung für diese starke Frauengestalt des 19. Jahrhunderts in jeder Zeile seiner Buches spüren, die stets ihrem sozialen Gewissen gefolgt ist, mit spitzer Feder die gesellschaftlichen Zustände ihrer Zeit kritisch hinterfragt und sich im von männlichen Wertvorstellungen geprägten Viktorianischen Zeitalter durchgesetzt hat.

Wir sollten ihr Andenken in Ehren halten. Deshalb gibt es von mir eine klare Lese-Empfehlung!


Veröffentlicht am 03.11.2019

Schwestern

Die Schuld jenes Sommers
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Vor einigen Jahren habe ich die historischen Romane der englischen Schriftstellerin Katherine Webb entdeckt. Seitdem fiebere ich jeder Neuerscheinung entgegen. In ihrem Buch "Die Schuld jenes Sommers" ...

Vor einigen Jahren habe ich die historischen Romane der englischen Schriftstellerin Katherine Webb entdeckt. Seitdem fiebere ich jeder Neuerscheinung entgegen. In ihrem Buch "Die Schuld jenes Sommers" führt sie ihre Leser in eine dunkle Epoche. Im April 1942 verschwindet der kleine Davy im Chaos eines Bombenangriffs auf die englische Stadt Bath. Frances wird von schrecklichen Schuldgefühlen geplagt. Warum nur hat sie Davy allein gelassen? Und lebt er noch?

Am nächsten Morgen wird das Skelett eines kleinen Mädchens gefunden: Die Tote ist Frances Freundin Wyn, die vor über 20 Jahren spurlos verschwand. Und so taucht Frances während ihrer unermüdlichen Suche nach Davy ein in die Vergangenheit, deren dunkle Schatten sie bis heute begleiten. Doch sie ist fest entschlossen herauszufinden, was in jenem Sommer vor 20 Jahren geschah ...

Das ansprechende Cover ist in warmen Farben gehalten. Der Betrachter blickt direkt auf einen gewundenen Weg, der durch eine naturbelassene Landschaft zu einem alten Haus führt. Es scheint ein warmer Sommerabend zu sein, die Sonne scheint untergegangen zu sein, aber von einer heiteren ländlichen Idylle kann keine Rede sein. Man ahnt eine drohende Gefahr, die irgendwo im Nirgendwo auf einen nichtsahnenden Spaziergänger lauert. Auch der aussagekräftige Titel zielt in die gleiche Richtung und weckt eine gewisse Erwartungshaltung ,

Angesiedelt ist der Roman in der englischen Stadt Bath im Südwesten Englands, wo die Schriftstellerin Katherine Webb ganz in der Nähe lebt. Diesmal nimmt sie ihre Leser mit in eine dunkle Epoche Europas, die von zwei Weltkriegen geprägt ist. Die Handlung spielt auf zwei zeitlichen Ebenen, nämlich im Jahre 1942 und in der Zeit des Ersten Weltkriegs, an die sich die Protagonistin Frances in Form von Rückblenden erinnert. Zentrales Motiv ist die verzweifelte Suche nach einem vermissten Kind, das in dem Leben von Frances eine besondere Rolle einnimmt.

Man kann das literarische Können von Katherine Webb nur bewundern. Einfühlsam schildert sie die schreckliche Bombardierung Baths durch die deutsche Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Man erlebt das Chaos der Kriegswirren, man fühlt Hunger, Not und Verzweiflung der Zivilbevölkerung, die viele Schicksalsschläge ertragen muss. Die Grundstimmung dieses Romans ist düster; auch die Protagonistin Frances ist eine depressive, gebrochene Figur, die mit dem Gefühlschaos in ihrem Inneren ringt, als die Leiche ihrer ehemals besten Freundin Wryn gefunden und ein "cold case" wieder aufgerollt wird.

Mit einem Schlag wird die lange verdrängte Vergangenheit wieder lebendig, und Frances erinnert sich an ihre Kindheit in Bath. Während sie selbst in einer liebevollen Familie aufgewachsen war, stammte Wryn aus einer bitterarmen dysfunktionalen Familie, in der brutale Gewalt an der Tagesordnung war. Frances hat den Verlust ihrer besten Freundin nicht verarbeitet, nur verdrängt. Die schrecklichen Ereignisse haben ihr Leben zerstört. Nach dem Verschwinden von Wryn war ein geflohener deutscher Kriegsgefangener, der losen Kontakt zu den kleinen Mädchen hatte, für den Tod von Wryn verantwortlich gemacht und hingerichtet worden. Nun kämpft sie mit tiefen Schuldgefühlen, weil sie selbst niemals über eine an ihr begangene sexuelle Gewalttat in jenem Sommer gesprochen und durch ihr Schweigen wider besseres Wissen mitschuldig an einem grausamen Verbrechen geworden ist.

Mit dem Roman "Die Schuld jenes Sommers" ist Katherine Webb ein packender historischer Roman um einen lange zurückliegenden Mord gelungen, in dem ein schockierendes Familiengeheimnis aufgedeckt wird. Mich hat dieses dramatische, emotionale Buch trotz einiger Längen überzeugt, und ich spreche eine klare Lese-Empfehlung aus.

Veröffentlicht am 15.10.2019

Schwestern

Die Sterne über Venedig
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„Ich verliebte mich in Venedig, als ich das erste Mal ankam.“

(Peggy Guggenheim)

Wer möchte der amerikanischen Kunstmäzenin nicht zustimmen? Spätestens nach der Lektüre des neuen Romans "Die Sterne ...

„Ich verliebte mich in Venedig, als ich das erste Mal ankam.“

(Peggy Guggenheim)

Wer möchte der amerikanischen Kunstmäzenin nicht zustimmen? Spätestens nach der Lektüre des neuen Romans "Die Sterne über Venedig" von Anja Saskia Beyer wird jede Leserin von einer Reise in die malerische Lagunenstadt träumen, um auf den Spuren der fiktiven Protagonistinnen zu wandeln. Die Bestseller-Autorin erzählt eine berührende Geschichte, die den den Zauber Venedigs, die Kraft einer großen Liebe und die Macht der Vergebung spiegelt.


Seit Monaten hat die alleinerziehende Nicola kaum Kontakt zu ihrer Schwester Caterina, dabei waren die beiden vorher unzertrennlich. Caterina entzieht sich immer wieder ihren Annäherungsversuchen. Auch als die Großmutter der Schwestern in Venedig erkrankt und sie zusammen mit Nicolas Tochter in die Lagunenstadt reisen, bleibt Caterina abweisend.

Dann beginnt ihre Nonna zu erzählen – von der deutschen Besatzung Venedigs im Krieg, von den mutigen Frauen, die unbewaffnet Widerstand leisteten und durch kluge Taten viel bewegen konnten. Und von der Liebe in schweren Zeiten. Eine Reise in die Vergangenheit beginnt, die mehr mit der Gegenwart zu tun hat, als die Schwestern ahnen …

Das zurückhaltend gestaltete Cover regt jeden Betrachter zum Nachdenken an. Auf einem massiven Holztisch sieht man linker Hand eine Platte mit selbstgebackenen Keksen, die mit einer italienischen Kaffeespezialität genossen werden wollen. Rechter Hand erkennt man vergilbte Fotos, die von einer längst vergessenen Epoche künden.

Anja Saskia Beyer erzählt von zwei Schwestern, nämlich Nicola und Caterina beziehungsweise Alessia und Miranda, die sich aus unterschiedlichen Gründen fremd geworden sind und wenig beziehungsweise gar keinen Kontakt mehr haben. Das Geschehen wird aus mehreren Erzählperspektiven vermittelt und spielt auf zwei zeitlichen Ebenen. Der erste Handlungsstrang ist in der Gegenwart angesiedelt und schildert den Besuch von Nicola und Caterina in Venedig, während der zweite Handlungsstrang 1942 einsetzt und von der Judenverfolgung und dem Widerstand in der besetzten Lagunenstadt erzählt. Auf diese Weise kann sich der Leser einen guten Eindruck von den zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den starken Protagonistinnen verschaffen, die für heftige Unstimmigkeiten in der italienischen Familie sorg(t)en.

Der Bestseller-Autorin ist ein berührender Familien-Roman gelungen, der historische Fakten mit einer fesselnden Handlung verbindet. Beim Lesen springt das Kopfkino sofort an. Längst vergangene Geschichte wird lebendig, man fühlt und leidet mit den starken Heldinnen in einer unmenschlichen Zeit. ABer auch Caterina und Nicola wachsen jedem Leser ans Herz, man ahnt früh den Grund für ihren Streit und wünscht sich eine Versöhnung der zwei Schwestern.

Für mich ist dieser Roman ein klares Lese-Highlight im Monat Oktober. Anja Saskia setzt allen mutigen Widerstandskämpferinnen im besetzten Italien ein literarisches Denkmal. Ihr Buch garantiert angenehme, intelligente Unterhaltung und vermittelt eine klare Botschaft: Man muss vergeben, verzeihen und vergessen können!

Veröffentlicht am 03.10.2019

Weihnachten mit Herz und Hund

Stille Nacht, flauschige Nacht
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Weihnachten ist keine Jahreszeit. Es ist ein Gefühl.

(Edna Ferber)


Zugegeben: der neue Weihnachtsroman von Petra Schier ist etwas früh ins Haus geflattert. Auf den ersten Schnee, der alle Gärten in ...



Weihnachten ist keine Jahreszeit. Es ist ein Gefühl.

(Edna Ferber)


Zugegeben: der neue Weihnachtsroman von Petra Schier ist etwas früh ins Haus geflattert. Auf den ersten Schnee, der alle Gärten in winterliche Traumlandschaften verwandelt, müssen wir noch etwas warten. Dennoch habe ich es mir mit einer Heißen Schokolade, einigen selbstgebackenen Keksen und dem romantischen Roman "Stille Nacht, flauschige Nacht" auf dem Sofa gemütlich gemacht und ein Wiedersehen mit der liebenswerten Hoteliers-Familie Sternbach gefeiert, die ich in dem Buch "Vier Pfoten für ein Weihnachtswunder" kennengelernt habe.

Es ist kurz vor Weihnachten, Patrick versinkt mit seinem gut gehenden Bauunternehmen in Arbeit. Zu Hause verwandeln die Zwillinge Joel und Jessica gemeinsam mit Hund Oskar noch das bisschen verbliebene Ruhe in Chaos. Dass nach der Kündigung eines Mitarbeiters Patricks einzige Rettung die quirlige und nervenaufreibend gut organisierte Angelique ist, lässt ihn erst recht verzweifeln. Das Konfliktpotenzial zwischen ihnen ist einfach viel zu hoch, niemals kann das gut gehen! Zu seiner Überraschung kommen sie allerdings viel besser miteinander aus, als Patrick erwartet hat - auch privat - und das war auf keinen Fall geplant. Eine verwirrende Romanze ist das Letzte, was Patrick jetzt gebrauchen kann. Mischlingshund Oskar hingegen ist da ganz anderer Meinung.

Das glitzernde Cover ist ein Traum! Wer die muntere Promenadenmischung mit den dunklen Augen auf dem Schutzumschlag betrachtet, hat schon verloren: Oskar startet einen Flauschangriff mitten ins Herz. Eine gewisse Ähnlichkeit mit "Boomer, dem Streuner", der in der gleichnamigen US-Serie die Herzen der Zuschauer im Sturm erobert hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Dass dieser kleine Held es faustdick hinter seinen Öhrchen hat, ahnt man schon, ehe man die ersten Seiten des Romans gelesen hat...

Wieder einmal hat Petra Schier einen zauberhaften Weihnachtsroman mit Herz und Hund vorgelegt, der mich in seinen Bann geschlagen hat. Alle Protagonisten sind genau ausgearbeitet, sie besitzen viele Ecken und Kanten und agieren absolut glaubwürdig. Dies gilt vor allem für Patrick und Angelique, welche zwei ausgemachte Kontrollfreaks sind, die vor allzu viel Nähe und Liebe zurückschrecken und im Laufe der Handlung lernen müssen, einfach loszulassen, ihren Verstand auszuschalten und auf ihre Gefühle zu vertrauen.

Das Geschehen wird aus verschiedenen Perspektiven dargestellt. Auf diese Weise kann man sich gut in alle Charaktere einfühlen und ihre Handlungsweisen nachvollziehen. Auch der kleine Mischlingshund Oskar kommt nicht zu kurz. Petra Schier verleiht dem ehemaligen Streuner eine eigene Stimme, und es macht so viel Spaß, sich auf seine Gedankengänge einzulassen, die jedem Leser ein Lächeln ins Gesicht zaubern werden.

Wenn Weihnachten ein Gefühl ist, dann hat Petra Schier es in ihrem neuen Roman "Stille Nacht, flauschige Nacht" perfekt wiedergegeben. Mit ihren atmosphärisch dichten, stimmungsvollen Beschreibungen und ihrem angenehmen, lebendigen Schreibstil hat sie eine wunderschöne weihnachtliche Stimmung aufs Papier gezaubert, die ihren Wohlfühl-Roman mit Herz und Hund zur perfekten Lektüre für die schönste Zeit im Jahr machen.

Veröffentlicht am 27.09.2019

Winterliebe

Bratapfel am Meer (Neuauflage)
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Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.
(Cicely Saunders)

»Bring meine Kette zurück zu meiner großen Liebe, nach Juist!« Nur wenige Stunden vor ihrem Tod hat Caros ...

Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.
(Cicely Saunders)

»Bring meine Kette zurück zu meiner großen Liebe, nach Juist!« Nur wenige Stunden vor ihrem Tod hat Caros Patientin ihr dieses Versprechen abgenommen. Nun steht Caro auf dem Klinikflur, der ihr alltäglicher Arbeitsplatz ist, und hält Elfriedes kunstvoll gearbeitete Perlenkette in den Händen. Sie spürt, dass dieses Schmuckstück ein ganz besonderes Geheimnis birgt, und beschließt, zum Jahreswechsel auf die kleine Nordseeinsel Juist zu fahren. So kann sie Elfriedes Wunsch erfüllen und sich, bei eisigem Wind und rauer Brandung vor den Fenstern, mit heißem Apfelpunsch die kleine Auszeit nehmen, nach der sie sich schon lange sehnt.

Wenn man diesen romantischen Winterroman in die Hand nimmt, verliebt man sich sofort in das in warmen Farben gehaltene Cover. Man träumt sich in eine gemütlich eingerichtete Küche, steht an einem mit Mehl bestäubten Arbeitstisch aus massivem Holz und nimmt die blankpolierten Apfel aus iher Schale. Der vielversprechende Titel "Bratapfel am Meer" ist die Versuchung selbst. Ganz ehrlich: Wer kann Anne Barns widerstehen? Ich ganz bestimmt nicht!

Dieses Mal starten wir mit der Protagonistin Caro und ihrem Bobtail Einstein in den wohlverdienten Erholungsurlaub auf Juist. Hinter ihr liegen harte Zeiten; die Trennung von ihrem Mann Jörn zerrt an ihren Nerven, und ihr Beruf als Intensivkrankenschwester in einem Krankenhaus verlangt ihr alles ab. Es ist also höchste Zeit, sich eine kleine Auszeit zu gönnen, um sich den Kopf am Meer ordentlich durchpusten zu lassen. Man merkt, dass Anne Barns sich auf der ruhigen ostfriesischen Insel im niedersächsischen Wattenmeer auskennt und viel recherchiert hat. Bisher haben wir glückliche Sommermonate auf Juist verbracht, nun erleben wir ein romantisches Winterzauberland, das wir uns dank der wunderschönen Landschaftsbeschreibungen genau vorstellen können. Man feiert ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Figuren aus dem Bestseller "Apfelkuchen am Meer", die ihren zahlenden Gast Caro wie ein Familienmitglied in ihrer Mitte willkommen heißen und in die harmonische Gemeinschaft integrieren. Außerdem darf man sich über köstliche Rezepte freuen, die perfekt auf die kalte Jahrezeit abgestimmt sind und das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.

Leider weist dieser romantische Wohlfühl-Roman gegenüber seinen perfekten Vorgängern einige leichte Schwächen auf, so dass ich ausnahmsweise nicht die Höchstpunktzahl vergeben kann. Für meinen persönlichen Geschmack sind einzelne Handlungsstränge etwas vernachlässigt worden. Die romantische Liebesgeschichte von Caro und Max, die schwere Traumata mit sich tragen, entwickelt sich viel zu schnell, und die angekündigte Suche nach dem Geheimnis der alten Dame bleibt fast völlig auf der Strecke. Hier ist noch Luft nach oben!

Dennoch möchte ich das neue Werk von Anne Barns nicht schlecht reden. Es ist ein sehr persönliches Buch, das von Verlust und Loslassen erzählt und viele schmerzhafte Erfahrungen spiegelt, und ich möchte es jedem Leser ans Herz legen. Nicht nur zur Winterzeit!