Gut, aber nicht Annes bestes Buch <3
Vom Mond aus betrachtet, spielt das alles keine RolleWäre Sallys Leben ein Film, so würde sie ganz sicher nicht die Hauptrolle spielen. Das wäre schon eher ihre gefühlskalte Mutter. Oder ihre laute, selbstbewusste Schwester. Vielleicht auch ihr Bruder, dessen ...
Wäre Sallys Leben ein Film, so würde sie ganz sicher nicht die Hauptrolle spielen. Das wäre schon eher ihre gefühlskalte Mutter. Oder ihre laute, selbstbewusste Schwester. Vielleicht auch ihr Bruder, dessen Dahinvegetieren durch die ungeplante Schwangerschaft seiner Ex ein Ende nimmt. Aber bestimmt nicht die ruhige Sally, die zu viel denkt und doch zu nichts eine Meinung hat. Zumindest bis Leni in ihrem Haus einzieht. Da muss Sally sich plötzlich fragen, was sie wirklich vom Leben möchte: Die Hauptrolle oder den Sidekick?
Als erstes möchte ich auf die wunderschöne Gestaltung des Buches aufmerksam machen. Fantastisches Cover, Lesebändchen, Zeichnungen - eine vollkommenere Ausstattung gibt es wohl nicht.
Des weiteren ist Anne Freytags Schreibstil wie auch schon in „Den Mund voll ungesagter Dinge“ (eins meiner absoluten Liebslingsbücher!) oder „Nicht weg und nicht da“ absolut fesselnd und voller Bedeutung. Jedes Wort wiegt schwer, steht genau da, wo es stehen soll, und hinterlässt Eindruck. Anne Freytag schreibt intensiv und eindringlich, transportiert damit eine Menge Gefühle und lässt den bzw. die Leserin komplett in die Geschichte eintauchen.
Aber nicht nur die Erzählweise hat bei mir dafür gesorgt, dass ich so gut in die Story eintauchen konnte. Auch die Protagonistin hat dies ermöglicht. Im ersten Drittel des Romans erfährt man viel über ihr Innenleben, ihre Zweifel, ihre Gedanken; es kommen viele innere Monologe vor. So fiel es mir leicht, mich in Sally hiineinzuversetzen und mit ihr mitzufühlen.
Zugleich hat dies aber auch dafür gesorgt, dass sich vor allem der Einstieg gezogen hat. Ohne diverse Unterbrechungen durch wörtliche Rede fiel das Lesen für mich teilweise schleppend aus. Zur Mitte hin hat sich das aber gegeben; dann gibt es mehrere Twists und auch mehr Kommunikation.
Was mir sonst noch gut gefallen hat, das sind die Kapitel, die ab dem Moment von Lenis Einzug, auch aus Lenis Sicht erzählt werden. Über sie erfährt der bzw. die Leserin nicht so viel wie über Sally - dennoch waren die wechselnden POVs eine erfrischende Abwechslung.
Außerdem möchte ich noch auf die Themen, die Anne Freytag in diesem Buch behandelt, eingehen. Diese sind: Die Corona-Pandemie, queere Liebe, Feminismus, Selbstfindung und Beziehungsgeflechte sowie Problematiken innerhalb einer Familie. All diese Themen wurden feinfühlig und mit viel Bedacht vermittelt. Zudem haben sie mich zum Nachdenken angeregt - sowohl während des Lesens als auch im Nachhinein.
Wenn ich vmabsdakr jedoch mit anderen Büchern von Anne Freytag vergleiche, die ich bereits gelesen habe, so muss ich sagen, dass es nicht mein Favorit ist. (Welcher Roman könnte aber auch an „Den Mund voll ungesagter Worte herankommen?) Somit gebe ich der Geschichte 4,5 Sterne - was natürlich immer noch eine phänomenale Bewertung ist. vmabsdakr bekommt von auf jeden Fall eine fette Leseempfehlung! Es eignet sich für alle Leser_innen, die feinfühlige, emotionale Geschichten mit tieferer Bedeutung mögen, Geschichte, die einen weiter begleiten und zum Reflektieren bringen.