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Veröffentlicht am 17.05.2025

Die Geschichte von Mimo

Was ich von ihr weiß
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Herbst 1986. In einer Abtei liegt ein alter Mann im Sterben. Kurz vor seinem Tod will er noch seine Geschichte erzählen.

1904 geboren als Michelangelo Vitaliani, kurz Mimo genannt, wächst er in größter ...

Herbst 1986. In einer Abtei liegt ein alter Mann im Sterben. Kurz vor seinem Tod will er noch seine Geschichte erzählen.

1904 geboren als Michelangelo Vitaliani, kurz Mimo genannt, wächst er in größter Armut in Frankreich auf. Als sein Vater 1914 auf dem Schlachtfeld stirbt, gibt ihn seine Mutter zu seinem Onkel nach Italien. Mimo hat es auf dem Hof und in der Werkstatt seines Onkels nicht leicht. Er setzt sich jedoch durch und wird entdeckt. Als Bildhauer. Seine Liebe zum Detail und dem Ausdruck der Figuren machen ihn bald bekannt. Unterstützt wird er von der reichen Familie Orsini, die ihn in die richtigen Kreise einführt. Mimo verbindet mit den Orsini jedoch nicht nur die Kunst und Bildhauerei, sondern auch deren Tochter Viola. Sie sehen sich als kosmische Zwillinge. Zwei starke Charaktere, die sich anziehen, aber auch auf Jahre abstoßen.Während Mimo Karriere macht und immer reicher, arroganter und selbstzerstörerischer wird, hadert Viola dem traditionellen Frauenbild.

Es hat ein paar Seiten gebraucht bis ich in der Geschichte angekommen war. Die Geschichte umfasst das Leben von Michelangelo Vitaliani (1904-1986). Die Verknüpfung von der Lebensgeschichte des fiktiven Bildhauers Mimo, der Geschichte Italiens sowie der einzigartigen Freundschaft von Mimo und Viola fand ich gelungen.

Die Charaktere sind zwiegespalten, mal unsympathisch und arrogant, mal liebenswert und fürsorglich. Die Entwicklung der beiden Hauptcharaktere zu verfolgen, war interessant und dem Autor auch gut gelungen. Leider hat der Autor nur aus der Perspektive von Mimo die Geschichte erzählt, so dass die Gefühlswelt von Viola etwas zu kurz kommt. Dafür gibt es sehr detaillierte Beschreibungen von den Werken von Mimo, die das Tempo der Geschichte erheblich gedrosselt haben. Trotzdem konnte mich der Autor mit seinem sehr schönen Schreibstil und der teilweise poetischen Sprache einfangen und durch die 500 Seiten ziehen.

Veröffentlicht am 17.05.2025

Eine typische Suter-Geschichte - einfach gut

Wut und Liebe
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Liebe, Wut, Hass, Intrigen, Lügen und mittendrin Noah. Noah ist ein brotloser Künstler, der mit sich, seiner Kunst und dem finanziellen Durchbruch ringt. Seine Freundin verlässt ihn und löst dadurch eine ...

Liebe, Wut, Hass, Intrigen, Lügen und mittendrin Noah. Noah ist ein brotloser Künstler, der mit sich, seiner Kunst und dem finanziellen Durchbruch ringt. Seine Freundin verlässt ihn und löst dadurch eine Dynamik bei Noah aus. Das Schicksal lässt ihn auf eine ältere Dame treffen und so kommt die Geschichte ins Rollen.

Martin Suter erzählt unaufgeregt und im mäßigen Tempo seine Geschichten. Es lohnt sich dabei zu bleiben und den Protagonisten zu folgen. Der Autor geht bei keinem Charakter in die Tiefe, aber er baut kleine Wendungen ein, die den Blick auf den Charakter verändern (können). Die Einblicke in die Kunstwelt sind ernüchtern, aber wahrscheinlich recht nah an der Realität. Es macht dem Lesenden die schwierige finanzielle Lage und den Kampf um Ausstellungsplätze und Unterstützer:innen von Künstlern sichtbar. Auch Noah kämpft um Camilla, um den Verkauf von seinen Bildern, um kreative Ideen und mit seinem Gewissen. Mit jeder weiteren Seite rutscht man tiefer in die Geschichte, folgt den Charakteren, zweifelt an und mit ihnen und sucht den Twist, den bekannten Plot-Twist, den Martin Suter sehr oft in seinen Geschichten einbaut. Und er kommt und bringt dadurch die ganze Geschichte ins Wanken.

Martin Suter ist für mich ein Autor, der es bisher immer geschafft hat, dass ich wunderbar beim Lesen abschalten kann. Gern immer wieder und immer mehr.

Veröffentlicht am 17.05.2025

Bis die Sonne scheint - eine Familiengeschichte

Bis die Sonne scheint
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Bis die Sonne scheint, erzählt die Geschichte der Familie von Christian Schünemann. Besonders im Blick ist seine Mutter und wie sie das Leben anpackt. Seine Erinnerungen und die unzähligen Briefe seiner ...

Bis die Sonne scheint, erzählt die Geschichte der Familie von Christian Schünemann. Besonders im Blick ist seine Mutter und wie sie das Leben anpackt. Seine Erinnerungen und die unzähligen Briefe seiner Mutter an ihre Schwester sorgen für viele kleine Details, die man sonst im Laufe des Lebens vergisst.

Daniel, der Erzähler, erzählt von seiner Familie, wie ein Beobachter und nicht wie ein Teil der Familie. Die typische (westdeutsche) Familie aus den 80iger Jahren. Ein schmuckes kleines Haus, welches von außen gut ausschaut, aber im Inneren doch einige Mängel aufweist. Der Vater ein scheinbar erfolgreicher Architekt, die Mutter fleißig und nach Höherem strebend und die drei Kinder leben in einer Scheinwelt. Die heile Welt muss unbedingt nach Außen aufrecht erhalten werden, auch wenn die Mahnungen sich stapeln, das Geld nicht reicht und die Versuche Geld zu verdienen immer abenteuerlicher werden. Statt Rechnungen zu begleichen, wird schick Essen gegangen und in den Urlaub gereist. Die Mutter ist in dieser Geschichte die treibende Kraft, sie versucht alles zusammenzuhalten, auch die Fassade. Dabei wirkt sie leider nicht sehr sympathisch. Daniel steht am Rand und erzählt von seinen Träumen und Wünschen, die teilweise wie Seifenblasen platzen.

Die Geschichte wird ganz ruhig und in einem langsamen Tempo erzählt. Sie plätschert ganz leise vor sich hin. Lange wusste ich nicht, warum die Geschichte erzählt wird, was will mir der Autor mit der Geschichte sagen. Liest man das Nachwort vom Autor wird vieles klarer und emotionaler. Vielleicht hätte man diese Worte eher in eine Einleitung geschrieben, um den Lesenden auf die Geschichte vorzubereiten.

Insgesamt hat mir jedoch die Geschichte gut gefallen. Der feine Humor, der immer wieder durchblitzt, die Musik, Kleidung und das Leben in den 80iger Jahren wurden wunderbar beschrieben und in die Geschichte eingewoben, so dass man gut abtauchen konnte.

Veröffentlicht am 02.05.2025

Wenn der Maulwurf zu deinem Endgegner wird

Der Maulwurf
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Sascha und Anna ziehen aufs Land. Ein großes Haus, ein noch größerer Garten und wenig Ahnung von der Materie. Jeder, der einen Garten hat, wird hier oftmals den Kopf schütteln oder schallend loslachen, ...

Sascha und Anna ziehen aufs Land. Ein großes Haus, ein noch größerer Garten und wenig Ahnung von der Materie. Jeder, der einen Garten hat, wird hier oftmals den Kopf schütteln oder schallend loslachen, wenn man die Aktionen von Sascha verfolgt. Ein Einkauf im Bau- und Gartenmarkt sorgt für leere Kassen (für Sascha) und Unterhaltung für den Mitarbeiter Schnappauf. Der Garten sieht den Anfall des peniblen Sascha gelassen und schickt seinen besten Mitarbeiter, den Maulwurf, ins Rennen. Ab den ersten Maulwurfhaufen driftete die Geschichte ins das Skurrile und Überzogene ab.

Wer zurück in die Normalität will, muss sich an die Kapitel aus der Perspektive von Anna halten. Sie verfällt nicht dem Maulwurfjagdwahnsinn, sondern beschäftigt sich mit ihrem Podcast, ihren Eltern und der Tochter Marie.

Ich muss zugegeben, dass mich Sascha ab der Hälfte des Buches genervt hat. Sein Aktionismus und seine Unfähigkeit waren so dominant, dass ich möglichst schnell durch seine Kapitel flitzen wollte. Die Anna Kapitel haben mir dagegen ganz gut gefallen. Vielleicht weil sie nicht so überdreht und kopflos war. Die ernsteren Themen gehen leider im (Maulwurf-)Wahnsinn unter, wären aber interessanter gewesen. Der Autor nutzte gern die typischen Klischees (Mann/Frau, Stadt/Land) und setzte sie, aus meiner Sicht, zu oft ein. Das Ende war leider absehbar und wenig überraschend.

Der Schreibstil war gut und so konnte man die Geschichte angenehm zügig lesen. Es ist ein Sommerroman, der dem Lesenden nicht viel abverlangt.

Veröffentlicht am 13.04.2025

Das Leben zwischen Mai und September 1945

Ein Ende und ein Anfang
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Der Krieg ist vorbei. Die Menschen können aufatmen, aber sie stehen vor den Trümmern ihrer Städte und ihres Lebens. Viele haben nichts mehr, einige leben gut und manche brauchen nichts, weil sie alles ...

Der Krieg ist vorbei. Die Menschen können aufatmen, aber sie stehen vor den Trümmern ihrer Städte und ihres Lebens. Viele haben nichts mehr, einige leben gut und manche brauchen nichts, weil sie alles haben. Und was planen die Siegermächte mit den Deutschen? Wie soll es weitergehen?

Der Autor nimmt uns mit in die Wohnstuben der Menschen. Alleinlebende Frauen, die nicht wissen, wo ihre Männer und Söhne sind und ob sie noch leben. Bekannte Künstler:innen, die aufgrund ihrer Kunst oder ihrem jüdischen Glauben in die USA geflüchtet sind, überlegen, ob sie in die alte Heimat zurückziehen sollen. Sie haben sich in den USA etabliert. Sollen sie zurück in ein zerstörtes Deutschland? Frauen und Männer, die vertrieben worden und nun einen neuen Platz in der Gesellschaft suchen.

Während die Menschen in Europa sich neu orientieren und dem Hunger standhalten müssen, verhandeln die Siegermächte, wie es mit Deutschland weitergehen soll. Die USA befindet sich noch immer in einem Krieg mit Japan. Und wie geht man mit den Besiegten um? Gerade mit den Mächtigsten aus dem "Dritten Reich"?

Oliver Hilmes schafft es die vielen geschichtlichen Zahlen, Fakten und Daten so aufzubereiten, dass man das Buch wie einen Roman lesen kann. Die geschichtlichen Passagen "lockert" er mit den Einblicken in die Gesellschaft, in das Leben der Menschen auf. Obwohl ich schon einiges über diese Zeit gelesen habe, konnte ich wieder etwas dazulernen. Die Aufarbeitung ist dem Autoren sehr gut gelungen.