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Veröffentlicht am 16.07.2021

Vom Ende einer Kindheit

Vom Ende eines Sommers
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"Vom Ende eines Sommers" von Melissa Harrison erschien (HC, 2021) im Dumont-Verlag und präsentiert sich in einem etwas nostalgisch anmutenden, landschaftlich passenden und wunderschönen Cover, das in der ...

"Vom Ende eines Sommers" von Melissa Harrison erschien (HC, 2021) im Dumont-Verlag und präsentiert sich in einem etwas nostalgisch anmutenden, landschaftlich passenden und wunderschönen Cover, das in der Originalvorlage aus dem Jahre 1961 stammt.

Suffolk, 1934

Die 14jährige Edith June Mather, genannt Edie wächst mit ihren drei Geschwistern auf der Wych Farm auf. Da die Schatten des 1. Weltkrieges ihre Spuren im Lande hinterließen und Männer für die schwere landwirtschaftliche Arbeit überall fehlen, werden die Kinder jeder Farmerfamilie zum Helfen auf Äcker und Wiesen sowie bei der Ernte herangezogen. Ihr Vater regiert, behaftet mit allen Sorgen um das Fortbestehen der Farm (Weltwirtschaftskrise, Preisverfall für Gerste u.a.m.) patriarchalisch die Familie und es gibt Auseinandersetzungen der Eltern, wenn es um das Wahlrecht geht und Ada, Edies Mutter etwas anderes wählt als von ihrem konservativen Mann vorgeschlagen. Unterstützt wird die Familie von dem fast 70jährigen Doble und John, einem Kriegsheimkehrer und Gewerkschafter, der sich in hervorragender Weise um die Pferdehaltung kümmert.

Die Autorin gibt sehr intensive Einblicke in die Welt einer Farm und der Landwirtschaft im südenglischen Suffolk vor 100 Jahren, die den Menschen viel Handarbeit abverlangt und Pferde noch den Pflug durch die Äcker ziehen. Edith ist ein eher seltsames, introvertiertes Mädchen, das Bücher dem Spielen mit Gleichaltrigen vorzieht und Bäume zu ihren besten Freunden zählt: So besucht sie die Eichen im Winter, die nahe der Farm stehen, was Melissa Harrison wunderschön erzählt. Auch den Pferden fühlt sie sich sehr nahe. Wir begleiten Edith auch an den seltenen freien Tagen, als sie mit ihrem Bruder Frank, der etwas älter ist als sie, zum Fluß wandert und schwimmen geht sowie bei Besuchen der Mutter bei den Großeltern, um Mary, die verheiratete Schwester mit ihrem Baby zu treffen, die die Familie niemals auf dem Hof besucht und die Edie schmerzlich vermisst, da sie sich als Kinder sehr nahestanden.

Eines Tages taucht eine Journalistin aus London auf, die ob ihrer burschikosen Kleidung, ihres Charmes und ihrer Glamourösität sehr viel Eindruck auf die heranwachsende Edith macht: Constanze FitzAllen möchte eine Kolumne über das Landleben schreiben und sucht daher Kontakt zu allen Familienmitgliedern und Angestellten, um mehr von Bräuchen, Handwerk, Erntearbeiten, aber auch Folklore und Dialekten zu erfahren; wie sich später herausstellt, will sie nicht nur unter der These, "altes Wissen bewahren zu wollen", alte Werte zu bewahren und weiterzugeben, journalistisch tätig sein, sondern auch ihre politische Meinung transportieren.

Für diese Zeit fast unvorstellbar, akzeptiert der Vater von Edith Constanze und die Dorfbevölkerung ebenfalls. Bis eines Tages ein Streit nach einer Versammlung im Pub vom Zaune bricht, der das Leben der gesamten Familie Mather für immer verändern wird....

Meine Meinung:

Ich empfand das Lesen dieses Romans, der historischen Bezug hat wie auch ein coming-of-age Roman ist, als sehr genussvoll, da er Ediths Leben auf der Wych Farm sehr fein nachzeichnet und auch ein Spiegel der damaligen Zeit im ländlichen England ist: Großgrundbesitzer verpachten noch immer ihr Land und die Bauern haben es mehr als schwer, über die Runden zu kommen und ihre Familien zu ernähren. Ediths Zukunft scheint auch vorgezeichnet zu sein; jeder nimmt an, dass sie wohl eines Tages die Frau von Alf Rose, einem Freund ihres Bruders wird. Doch Edith, die Literatur liebt und Gedichte lieber mag als Filme, scheint sich diesem Bild ihrer Zukunft nicht anpassen zu wollen. Sie ist ein kluges und zugleich sensibles Mädchen, eine Einzelgängerin, die zeitweise in Constanze ihr Vorbild zu finden scheint. Bis auch sie merkt, dass "Connie" nicht die ist, die sie zu sein vorgibt.

Melissa Harrison gelingt es in magischer Weise und auf sehr atmosphärische Art, die Landschaft (und die damals betriebene Landwirtschaft) so detailliert zu beschreiben, dass man meinen könnte, die Hasen über die Felder hoppeln zu sehen, die Eulen und Vögel darüber hinwegfliegen zu sehen und das Gebrumm der Bienen zu hören. Fasziniert hat mich auch der kleine Wachtelkönig "Edmund", ein kleiner Vogel, den Edie von einer Henne ausbrüten ließ und der hier für Stärke und Lebenswille, (Un)abhängigkeit, aber auch für Zerbrechlichkeit stehen könnte.

Auch die Figuren, besonders die von Edith und ihrer Familie, auch von Constanze sind sehr fein gezeichnet: Einzig John scheint hinter den wahren Charakter dieser Frau zu blicken und stellt sich gegen Ende des Romans gegen sie: Hierbei geht es auch um die Themen Antisemitismus und Faschismus in England dieser Zeit (wobei einem als Leserin wieder einmal bewusst wird, dass es diesen in vielen europäischen Ländern bereits vor dem 2. Weltkrieg gab und später einen furchtbaren Flächenbrand auslösen sollte....). Am meisten imponierten mir Edith selbst und auch John, der aufgrund seiner eigenen politischen Gesinnung und der Gewerkschaftsarbeit eine andere politische Meinung vertritt.

Edith erzählt in der Ich-Form die Geschichte ihres Lebens auf der Farm ca. 50 Jahre später: Einiges sollte ihr erst später in ihrem Leben klar werden. Der Epilog beschreibt kurz Ediths wechselvolle Geschichte, als sie älter geworden war, diesen empfand ich etwas verstörend, ohne an dieser Stelle genauer werden zu wollen. Das Landleben hingegen und das (Er)leben auf der Wych Farm habe ich sehr genossen, da ich sicher bin, dass auch meine Mutter, Tochter eines Landwirts, in jener Zeit ein sehr ähnliches Leben hatte (wovon sie mir teils auch berichtete).

Fazit:

Ein atmosphärischer, wundervoll und fast magisch erzählter coming-of-age Roman über das Heranwachsen und Erwachsen werden eines sensiblen, klugen Mädchens im englischen Suffolk vor fast 100 Jahren, das zeitlebens eher am Rande stehen sollte. Sehr atmosphärisch und bildstark, ist dieser Roman einer der "leisen Töne", den es sich absolut zu lesen lohnt! Von mir erhält er sehr gute 4* und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 13.07.2021

Frauen, - Wohlfühl- und Liebesroman. Für mich leider zu seicht....

Highland Hope 1 - Ein Bed & Breakfast für Kirkby
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"Highland Hope" (Ein B&B für Kirkby) von Charlotte McGregor (Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Carin Müller) ist der Auftakt einer geplanten vierteiligen Liebesromanreihe, die im fiktiven Ort Kirkby ...

"Highland Hope" (Ein B&B für Kirkby) von Charlotte McGregor (Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Carin Müller) ist der Auftakt einer geplanten vierteiligen Liebesromanreihe, die im fiktiven Ort Kirkby in Schottland angesiedelt ist. Der Roman erschien (2021, TB brosch.) im Heyne-Verlag, München (Penguin Random House Verlagsgruppe).

Worum geht's?

Der Vater von Colleen Murray (33), einst geboren in Kirkby, hat eine gutgehende Anwaltskanzlei in Boston/USA. Als er erfährt, dass er unheilbar krank ist, haben er und seine Tochter Colleen noch ein wenig gemeinsame Zeit, in der er sie bittet, seine Urne nach seinem Tod nach Schottland zu bringen, um ihn in Kirkby zu bestatten. So fliegt Colleen , die ihren Job in der Hochzeitsplanungsagentur ihrer geschäftstüchtigen, aber kalten Mutter gekündigt hat, ins unbekannte Schottland - zu den Wurzeln ihres Vaters und beschließt, für eine Weile dort zu bleiben, bis sie weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen will....

Sie quartiert sich im recht luxuriösen B&B der Familie Fraser bei Alexander Fraser (37) ein; ein alleinerziehender Vater, dessen Sohn Aidan bei ihm lebt und dessen Familienclan der Frasers recht aktiv im Dorf ist; seine Schwester Isla betreibt ein Sterne-Restaurant, sein Vater Marlin ist Dorfschmied und Tante Alice sowie die Cousinen helfen in der Anlage der Cottages wie auch im Restaurant mit, während Onkel Rupert sich um die Pferde kümmert.
Die Ankunft von Colleen ist anders, als sie es sich vorstellte, doch trotz Verspätung von Alex, der mit seinem Sohn Aidan zum Arzt musste, sind sich beide Hauptprotagonisten auf Anhieb sympathisch und die Geschichte des "sich-findens" nimmt in der spektakulären (und von der Autorin gut gewählten) Kulisse der schottischen Highlands seinen Verlauf...
Eine zwingend erforderliche Reise nach Boston wird zur Belastungsprobe der jungen Beziehung: Werden Colleen und Alex dieser stand halten - und hat ihre Liebe eine Zukunft?

Meine Meinung:

Mich hat das sehr ansprechende Cover und ein literarischer Ausflug in Pandemiezeiten in die schottischen Highlands (die ich 2018 endlich selbst einmal besuchen konnte) sehr gereizt und ich hatte mich auf einen Liebesroman eingestellt. Der Roman ist ein ausgesprochener Frauen- und Wohlfühlroman, der flüssig und leicht lesbar geschrieben wurde: Die Dialoge zwischen Colleen und Alex fand ich recht gelungen (wie auch die Handlungsverläufe bezüglich der Nebenfiguren); auch das Setting und Ausflüge sowie viele Ausritte sind natürlich sehr schön zu lesen. Allerdings fehlte mir persönlich (trotz recht sympathischen Figuren, besonders vielleicht Colleen) ein gewisser Tiefgang: Die Handlung plätscherte so vor sich hin; das Ziel war absehbar und alles wirkte auf mich etwas zu konstruiert. Waren die Dialoge oftmals recht gelungen, hatte ich meine Probleme, den (teils sehr naiven und nicht zum Alter der 33 und 37 passen wollenden) Gedankengängen etwas abgewinnen zu können, die einen recht großen Raum im Roman ausnehmen: Sie nervten mich und "Highland Hope" hätte für mich eher gewonnen, wenn man die teils abstrusen Gedanken von Alex, der hier auch das Klischee des typischen Highlanders verkörpert (sehr attraktiv und anziehend, muskulös), getrost beiseite gelassen hätte.

Fazit:

Ein unterhaltsamer, jedoch meines Erachtens eher seichter Frauen-, Wohlfühl- und Liebesroman, der den Auftakt einer Reihe im fiktiven schottischen Kirkby gibt: Ich bin sicher, dass er seine Leserschaft finden wird, ich werde jedoch eher nicht dazugehören: Mir persönlich jedoch ist er teilweise zu klischeehaft und wenig tiefgründig; ich lese durchaus (auch mal) Liebesromane, aber dieser gehört beim besten Willen leider nicht dazu. Daher vergebe ich knappe 3 Sterne.

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Veröffentlicht am 04.07.2021

Gleich zwei Cold-Cases in einem gewohnt spannenden Krimi für Karen Pirie

Ein Bild der Niedertracht
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"Ein Bild der Niedertracht" von Val McDermid erschien (TB, brosch.) 2021 in deutscher Übersetzung von Kirsten Reimers im Droemer Knaur-Verlag. Vorausschicken möchte ich, dass ich die Karen-Pirie-Reihe ...

"Ein Bild der Niedertracht" von Val McDermid erschien (TB, brosch.) 2021 in deutscher Übersetzung von Kirsten Reimers im Droemer Knaur-Verlag. Vorausschicken möchte ich, dass ich die Karen-Pirie-Reihe (Spezialistin für Cold Cases in der kleinen Historic Case Unit - HCU) der schottischen Queen of Crime u.a. Werke der Autorin sehr überzeugend finde und seit Jahren ein Fan von McDermid bin; demzufolge freute ich mich auf Bd. 6 der Reihe und - wurde nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil:

Worum geht's?

An einem eiskalten Wintermorgen holen Fischer im Firth of Forth ihren ersten Fang ein: Wie sich herausstellt, finden sie eine Leiche statt Fischen im Netz, bei der es sich um den Bruder eines seit 2 Jahren verschwundenen schottischen Politikers handelt. Selbst Karen Pirie konnte damals kein Licht ins Dunkel bringen. Wird es ihr dieses Mal gelingen, den Fall aufzuklären und wie hängen beide Ereignisse miteinander zusammen?

Zur gleichen Zeit findet die Schwester einer verunfallten Frau in Perth bei der Wohnungsauflösung der Toten eine skelettierte Leiche in einem alten VW-Camper: Hier muss Karen ihr Netzwerk, das aus der Kollegin und Freundin, der Knochenforensikerin River Wilde besteht und im anderen Falle der genialen und ebenso sympathischen, mit Keksen bestechlichen Tamsin; ihres Zeichens digitale Forensikerin nutzen und zu Rate ziehen; als Leser verfolgt man die interessanten Ergebnisse der zusammenarbeitenden Frauen, die Rätselhaftes zu Tage fördern.

Es handelt sich hier um zwei Cold Cases, die Karen fast zeitgleich lösen will und die ihr aufgrund der Netze von Lügen und Intrigen alles abverlangen. Man begleitet sie nach Paris und Caen, wo der Ermordete, der im Wasser gefunden wurde und als James Auld identifiziert werden kann, gefunden wurde. Wie sich herausstellt, war er eine Reihe von Jahren in der französischen Fremdenlegion, um in Schottland dem unerträglichen Verdacht aus dem Wege zu gehen, er habe seinen eigenen Bruder ermordet (was man ihm de facto jedoch nie nachweisen konnte). Karen spricht in der Hoffnung auf neue Ermittlungsergebnisse und Hinweisen mit den Mitgliedern seiner Jazzband und seiner Freundin in Caen. Begleitet wird sie hierbei durch DS Daisy Mortimer, die die Mitarbeit in der HCU derart fasziniert, dass sie beschließt, sich dorthin versetzen zu lassen. Da sich der "Minzdrops" Jason, der sich einmal unerschrocken zeigte, eine Weile mit gebrochenem Bein in einer Klinik befindet, unterstützt die sympathische und kluge (aber ewig in Karens Auto krümelnde) Daisy Karen nach eigenem Befinden sehr gut. (Der "Hundekuchen" ACC Ann Markie, fies, kalt und die HCU am liebsten auflösend wie immer auftretend, muss mit säuerlichem Abnicken diesem Vorhaben später beipflichten).

Die Ermittlungspfade führen die beiden Frauen nicht nur nach Frankreich, sondern später auch nach Irland, wo in einer Galerie in Dublin so einige Fäden zusammenzulaufen scheinen: Einen kurzen Ausflug in die politisch unruhige Zeit Irlands (IRA, Bombenattentate) gewährt uns McDermid auch noch und empfiehlt irische Krimis, um die Hintergründe dieser konfliktreichen Zeit besser zu verstehen (diese Empfehlung ist bei mir auch abgespeichert).

Die Autorin schreibt gewohnt spannend und schlüssig, durchaus kritisch (Sozialkritik und auch den Brexit betreffend) und unterhält mit anhaltendem Spannungsbogen und vielen Verwirrspielen ihre Leser auf hohem Niveau: Der Plot ist sehr stimmig, doch in keiner Weise vorhersehbar, da es von ungeahnten Wendungen nur so wimmelt. Das Sahnehäubchen sind auch kleine humorvolle - und zuweilen feministische Einlagen, die den Stil dieser genialen Autorin ebenfalls ausmachen und mir sehr gefallen.

Fazit:

Val McDermid kann auch in ihrem 6. Band der Reihe um die sympathische Spezialistin Karen Pirie absolut überzeugen. Wer gute Kriminalromane, die atmosphärisch, kritisch und mit überzeugenden authentischen Figuren und anhaltender Spannung gerne liest, dem sei die Reihe mehr als empfohlen. Die Autorin steht für unterhaltsame, jedoch äußerst niveauvolle Kriminalliteratur - nicht nur für Schottlandfans! Von mir (die sich bereits auf den nächsten Fall der HCU um Karen Pirie sehr freut!) gibt es daher 4,5* und eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 20.06.2021

"Was ist falsch am Hier und Jetzt?"

Marigolds Töchter
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Mir war der Roman über lange Strecken viel zu belletristisch; allerdings fand ich die meisten Figuren (Daisy z.B., Nan und Dennis) sympathisch und auch authentisch. Positiv fand ich die atmosphärische ...

Mir war der Roman über lange Strecken viel zu belletristisch; allerdings fand ich die meisten Figuren (Daisy z.B., Nan und Dennis) sympathisch und auch authentisch. Positiv fand ich die atmosphärische Stimmung, die Woolf durchaus erzeugen kann und das kleine englische Dorf (etwas sehr idyllisch, zugegeben) stellt man sich als LeserIn wie aus der Zeit gefallen vor. Suze mochte ich lange nicht besonders, sie verblüffte mich jedoch am Ende positiv.

Der Autorin ist sehr sensibel und einfühlsam eine literarische Annäherung bzgl. des Themas Demenz; besonders beginnender Demenz gelungen. Vieles war mir persönlich jedoch viel zu belletristisch und auch etwas "schöngefärbt". So kam das Thema Aggressivität oder Medikamente so gut wie gar nicht vor und was besonders in Dennis vorgegangen sein muss (ihrem Ehemann), war nicht sehr klar erkennbar. Erkennbar aber war, wie wichtig der MOMENT im Leben eines dementkranken Menschen ist - und wie wichtig die Liebe der Angehörigen ihm bzw. ihr gegenüber.
Ich hatte erst vor Kurzem eine andere Geschichte gelesen, die ins klamaukhafte abglitt. Dies kann man hier nicht behaupten und das letzte Drittel hat mich dann mit so einigen Schwachstellen versöhnen können.

In die Geschichte eingebaut ist auch eine Liebesgeschichte - Daisy kehrte nach 6 Jahren in Italien zurück und musste sich zwischen zwei Männern entscheiden. Liebe, Tod, Verlust - und auch Heimat finden sind ebenfalls Themen, die sich durch das ganze Buch ziehen: Am witzigsten fand ich Nan, die 86 jährige Mutter von Marigold - die es mit Sicherheit am Schwersten hatte, die Veränderung an ihrer Tochter akzeptieren zu können. Hier blitzte zuweilen etwas von der von mir sehr geliebten "Maggie Smith"^^

Ich vergebe 3,5 *

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Veröffentlicht am 27.05.2021

Eine Hommage an die Welt der Bücher!

Der Buchspazierer
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Ich habe das Buch heute Abend zugeklappt - und Carl, Schascha und einige andere vermisse ich jetzt schon ein bisschen.
Ein wenig "zauberhaft und auch märchenhaft", aber vieles auch real dargestellt; die ...

Ich habe das Buch heute Abend zugeklappt - und Carl, Schascha und einige andere vermisse ich jetzt schon ein bisschen.
Ein wenig "zauberhaft und auch märchenhaft", aber vieles auch real dargestellt; die sich verändernde Buchwelt, die Wegrationalisierung eines vielleicht wirklich überholten Buchausträgers, verkörpert von dem skurrilen, belesenen und äußerst sympathischen Carl Kollhoff.... Zum Ende auch eine dramatische Wendung, die mich etwas melancholisch werden ließ (da durch den Inhaberwechsel sich für Carl sein ganzes Leben änderte) und natürlich ein positiver Ausgang - dem kleinen Mädchen sei's gedankt

Ich habe noch kein Buch von Carsten Henn gelesen, doch dieses ist ihm wirklich fabelhaft gelungen: Ich fand es nicht kitschig oder klischeehaft; sondern bezaubernd für jeden Buchliebhaber. Zuweilen auch etwas wehmütig, da auch ich oftmals spüre, wie sich Dinge verändern - nicht immer zum Guten, wie ich finde

(z.B. in der Bibliothek keinen Menschen mehr vorzufinden, dem ich die Rückgabebücher geben kann und ein paar Worte wechsle; nun gibt es ein Fließband und keinen Grund mehr, mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen).

Im Grunde werden im Buch auch viele gesellschaftskritischen Problemstellungen angesprochen (Analphabetismus, häusliche Gewalt, Einsamkeit etc.) und die Herausarbeitung der literarischen Apotheke fand ich schon genial; ebenso wie die Namen der KundInnen, die Carl und Schascha beliefert...

Ich schließe mich vorangegangener absoluter Empfehlungen an; ein kleines "trouvaille" - wenn auch sicher kein Buch für den Deutschen Buchpreis in literarischer Hinsicht; aber auf jeden Fall eines für Bibliophile; warmherzig, nostalgisch, menschlich.

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