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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.11.2024

Sehr extrem und sehr verschieden

Die Mitford Schwestern
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So sind sie, die Schwestern der englischen Adelsfamilie Mitford, wobei vor allem Unity mit dem deutschen Nationalsozalismus sympathisiert, sie ist in den frühen Jahren des Deutschen Reichs eine ...

So sind sie, die Schwestern der englischen Adelsfamilie Mitford, wobei vor allem Unity mit dem deutschen Nationalsozalismus sympathisiert, sie ist in den frühen Jahren des Deutschen Reichs eine große Verehrerin von Adolf Hitler und lebt zeitweise sogar in München. Ihre Schwester Diana wendet sich ebenfalls Hitler zu, wenngleich ihre Motivation eine andere ist - sie liebt den englischen Faschistenführer Mosley, den ständige Sorgen um seine Position und den Faschismus in England plagen. Sie erhofft sich von Hitler Unterstützung vor allem finanzieller Art für ihn.

Die jüngere Pamela hingegen ist überzeugte Kommunistin und zieht mit ihrem Lebensgefährten gar nach Spanien, um dort die Republikaner zu unterstützen.

Die älteste Schwester Nancy, eine Autorin, die sich selbst vor allem aufgrund ihrer Kinderlosigkeit und des sowohl untreuen als auch finanziell leichtsinnigen Gatten sorgt, unterstützt ihre Schwestern, deren Überzeugung, vor allem die des Nationalsozialismus, sie nicht teilt, dennoch nach Kräften.

Eine Romanbiografie über eine ungewöhnliche britische Familie, die über weite Teile auch eine interessante zeithistorische Darstellung bietet, dennoch gibt es zwischendurch immer mal Momente, in denen das Geschehen für meine Geschmack zu sehr auf die Familie gerichtet ist.

Dennoch eine lohnenswerte Lektüre für alle, die sich für die internationale Verbreitung extremer politischer Strömungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessieren.


Veröffentlicht am 01.11.2024

Geheimnisvoll

Das Haus der Bücher und Schatten
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Es war nicht nur das Geheimnisvolle, das mich zu diesem Buch zog. Nein, vor allem war es das Baltikum, eine Region, die in meinem Leben eine große Rolle spielt, die mein Interesse weckte.

Doch ...

Es war nicht nur das Geheimnisvolle, das mich zu diesem Buch zog. Nein, vor allem war es das Baltikum, eine Region, die in meinem Leben eine große Rolle spielt, die mein Interesse weckte.

Doch leider konnten die Schilderungen der Ereignisse in Livland - das ist die Landschaft im Baltikum, in der die Handlungen spielte - nicht mit denen im Leipziger Graphischen Viertel mithalten. Auch die Charaktere, die dort agierten, nicht: ab der Mitte des Buches war die dortige Entwicklung der Handlung für mich mehr oder weniger absehbar, was mir leider die Lust am Lesen nahm.

Ich gebe zu, dass mein Interesse an diesem Roman längst nicht so fair und so bedingungslos ist, wie es sein sollte, aber so ist es mit der Lektüre: wie auch der Autor seinen ureigenen Weg zum Stoff hat, ist dies auch beim Leser der Fall - man kann eben nicht raus aus seiner Haut!

Veröffentlicht am 30.10.2024

Hildur und ihre Lieben

Hildur – Der Schatten des Nordlichts
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Dieser Krimi ist der dritte Teil einer ungewöhnlichen Trilogie um die Kommissarin Hildur Rúnarsdóttir, die in den Westfjorden Islands, auf gut Deutsch am A... der Welt, ermittelt. Eigentlich leitet sie ...

Dieser Krimi ist der dritte Teil einer ungewöhnlichen Trilogie um die Kommissarin Hildur Rúnarsdóttir, die in den Westfjorden Islands, auf gut Deutsch am A... der Welt, ermittelt. Eigentlich leitet sie die Abteilung für vermisste Kinder, aber aufgrund der dünnen Besiedlung und der damit verbundenen ebenso dünnen Besetzung des Polizeireviers hat sie immer wieder in anderen Bereichen zu tun.

Mit ihrem Kollegen, dem Finnen Jakob versteht sie sich nach wie vor gut: sie vertrauen einander bedingungslos, was sich diesmal als besonders relevant erweist.

Diesmal wird zunächst eine Leiche in einem Fischernetz gefunden - die Ermittlungen bleiben jedoch nicht nur daran hängen. Nein, Hildur verschlägt es sogar nach Finnland - ihr Kollege Jakob droht in seiner Heimat in ernste Schwierigkeiten zu geraten.

Hildur ist eine sehr sympathische Figur, der ich gern weiter folgen würde, wenn diese Erzählungen nicht von vornherein als Trilogie ausgewiesen wären. An den recht verschachtelten und umständlich daher kommenden Stil habe ich mich inzwischen gewöhnt: auch im dritten Teil kommen wieder einige Erzählstränge und Informationen vor, sogar noch mehr als in den beiden vorherigen. Dennoch empfinde ich ihn als besonders spannungsreich.

Dies hängt vor allem mit der Familienhistorie von Hildur zusammen - ihre jüngeren Schwestern sind vor Jahrzehnten verschwunden, die Eltern verunglückt. Es gibt nur noch eine blinde Tante - die jüngere Schwester ihrer Mutter, bei der sie aufgewachsen ist. Und die hat neuerdings einen Freund, der bei Hildur alle Alarmglocken schrillen lässt. Zudem ist das Ende - wie es bei einer Trilogie sein sollte - ausgesprochen rund und bringt alle Themen zusammen. Dennoch würde ich mir wünschen, dass der Autorin Satu Rämo noch der ein oder andere Fall für Hildur und Jakob in den Sinn kommen würde, den sie ihren LeserInnen nicht vorenthalten möchte!


Veröffentlicht am 30.10.2024

Autistin mit Herz

All die kleinen Vogelherzen
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Das ist Sunday, die in einem kleinen englischen Dorf lebt und ihre Tochter Dolly allein großzieht - ihr ehemaliger Mann hat sich ob ihrer Eigenarten längst von ihr getrennt und auch die ehemaligen Schwiegereltern, ...

Das ist Sunday, die in einem kleinen englischen Dorf lebt und ihre Tochter Dolly allein großzieht - ihr ehemaliger Mann hat sich ob ihrer Eigenarten längst von ihr getrennt und auch die ehemaligen Schwiegereltern, Inhaber einer großen Gärtnerei, sehen sie eher als Arbeitskraft. Damit, dass ihre Tochter sie oft nicht versteht, hat sie sich längst arrangiert, obwohl ihr dies immer noch überaus schwerfällt.

Deswegen ist es für Sunday überraschend, dass ihre neue Nachbarin Vita den Kontakt förmlich sucht - nach kurzer Zeit schon werden Sunday und Dolly jeden Freitag bei ihr und ihrem Ehemann zum Dinner eingeladen. Mehr und mehr jedoch ist es Dolly, um die sich Vita kümmert, nach einiger Zeit verbringt sie dort ihre gesamten Wochenende. Mindestens. Es heißt, sie arbeitet für die beiden.

Sunday fühlt sich ausgegrenzt und versucht erfolglos, die Situation zu ändern. Dass es noch dicker kommen wird, kann sie nicht ahnen.

Ein wundervoller Roman, in dem es um das Anderssein geht - und zwar von innen heraus. Denn die britische Autorin Viktoria Lloyd-Barlow ist selbst Autistin und hat es mit diesem Roman 2023 auf die Longlist des Booker Prize geschafft. Was heißt geschafft: ich könnte mir vorstellen, dass die Juroren von der eigenwillig-bezaubernden Sprache der Autorin, ihrer Selbstverständlichkeit, bestimmte Angelegenheiten direkt anzusprechen, genauso verzaubert waren wie ich!

Veröffentlicht am 29.10.2024

Eher zum Blättern als zum Schmökern

Trinken wie ein Dichter
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Und natürlich zum zwischenzeitlichen Verkosten der hauptsächlich alkoholischen Getränke, die die Autoren bevorzugten. Zu den Vernünftigen zählten auf jeden Fall der Teeliebhaber George Orwell, ...

Und natürlich zum zwischenzeitlichen Verkosten der hauptsächlich alkoholischen Getränke, die die Autoren bevorzugten. Zu den Vernünftigen zählten auf jeden Fall der Teeliebhaber George Orwell, der seine persönliche perfekte Teezeremonie ausführlich beschreibt und - man mag es kaum glauben - der scharfzüngige Thomas Bernhard, der es bei Most - und nur bei Most - beließ. Ebenso der Vegetarier Percy Shelley, der einen alkoholfreien Tee-Cocktail empfiehlt, für den er allerdings auch eine Variante mit ordentlich Bourbon bereithält.

Sie stehen in krassem Gegensatz zu schreibenden Schnapsnasen wie bspw. Sylvia Plath, einer Wodka-Martini-Liebhaberin oder auch - man mag es kaum glauben - Jane Austen, die einen Portwein-Cocktail liebt, bei dem es allerdings die Menge macht.

Ein sehr unterhaltsames Buch, das man häppchenweise genießen kann, das allerdings längst nicht so weit in die Tiefe geht, wie die Schriften der meisten hier vorstellten Trinkenden. Muss es angesichts der Thematik aber auch nicht!