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Veröffentlicht am 27.10.2018

Ein Buch, das weh tut

Mein Ein und Alles
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Und zwar richtiggehend körperlich, denn die junge Turte Alveston, Ich-Erzählerin und maßgebliche Protagonistin dieses Romans, erleidet im Laufe der Handlung so einige Blessuren sowohl physischer als auch ...

Und zwar richtiggehend körperlich, denn die junge Turte Alveston, Ich-Erzählerin und maßgebliche Protagonistin dieses Romans, erleidet im Laufe der Handlung so einige Blessuren sowohl physischer als auch psychischer Art. Diese werden ihr von ihrem Vater Martin zugefügt, der besessen ist - von ihr, von sich selbst, vor allem aber von Waffen. Mit denen er Turtle, die eigentlich Julia heißt, bereits seit frühester Kindheit konfrontiert, ebenso wie mit Sex, Schlägen und auch mit bleibenden Verletzungen - seelischen sowieso, aber auch körperlichen.

Dies alles wird dem Leser eher beiläufig mitgeteilt; es gehört zu Turtles Alltag, in den er nach und nach eintaucht. Es ist ein Leben, das man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht, geschweige denn einem Teenager wie Turtle. Die bis zu einem gewissen Punkt abhängig ist von ihrem Daddy wie sie ihn nennt, ja ihn sogar liebt, wie sie beteuert. Doch als sie zwei Jungs in ihrem Alter kennenlernt und der eine, Jacob und sie sich näherkommen, ist ihr schon klar, dass ihr Leben kein normales bzw. für ihre Altersgenossen übliches ist.

Ihr Vater lässt sie für längere, nicht genau festgelegte Zeit allein, in der sie sich ihm teilweise innerlich entzieht, dann aber doch wieder auf seine Rückkehr hofft. Als diese irgendwann stattfindet, kommt es zu einer Katastrophe. Nein: Diese war eigentlich immer schon da, doch nun gibt es eine Explosion.

Ein erschütterndes Buch, das mir stellenweise zu viel war. Zu schonungslos, zu brutal, zu offen - ja, einfach zu extrem in allem. Etwas weniger wäre aus meiner Sicht mehr gewesen, so ist dieser so erschütternde Roman stellenweise zu einer Actionstory geraten, wenn auch keiner ohne Anspruch. Dennoch, der Blick in das Innere der Protagonisten, vor allem in das von Turtle, reichte nicht sehr tief und wurde alsbald von der nächsten wilden Aktion abgelöst. Ein Roman, der mehr dauerhaft in mir bewegt und bewirkt hätte, wäre er etwas weniger wahnwitzig unterwegs gewesen.

Veröffentlicht am 27.10.2018

Stark und unabhängig

Hemingway und ich
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das sind sie beide. Martha Gellhorn und Ernest Hemingway, der schon ein bedeutender Autor ist, als sie sich 1936 kennenlernen. Und Vater von drei Söhnen aus zwei Ehen, die er abgöttisch liebt. Im Gegensatz ...

das sind sie beide. Martha Gellhorn und Ernest Hemingway, der schon ein bedeutender Autor ist, als sie sich 1936 kennenlernen. Und Vater von drei Söhnen aus zwei Ehen, die er abgöttisch liebt. Im Gegensatz zu deren Müttern: von der zweiten, Pauline, trennt er sich, sobald er Martha erobert hat.

Und das fällt ihm trotz ihres aufrechten Charakters und ihrer klaren Wertvorstellungen überhaupt nicht schwer, denn für sie ist Hemingway nicht nur ein Begriff, sondern eine Faszination. Obwohl sie selbst als Journalistin stark und unabhängig ist, bereits die halbe Welt bereist hat. Untypisch für jene Zeit.

Aber nicht ausreichend für Martha selbst, denn sie will mehr, sie will Autorin werden. Und Ernest, wie sie ihn schon bald nennt, gibt ihr die Kraft dazu und unterstützt sie dabei.

Doch nur so lange sie spurt, denn bald schon wird sie ihm zu unabhängig. Für ihn muss alles nach seinen Vorstellungen laufen, er ist die Sonne, um die der Rest des Universums zu kreisen hat.

Und er hat eine sehr starke Unterstützung: die Mentalität, Sichtweise und die Wertvorstellungen der damaligen Zeit und das nicht nur in den Vereinigten Staaten.

Ein Roman, der auf wahren Begebenheiten basiert. Doch die Autorin - nicht umsonst hat sie dieses Genre gewählt - nimmt sich die Freiheit, mit der Realität zu spielen, da und dort einen Schuss Fiktion hinzuzugeben. Nicht so sehr in Bezug auf den Ablauf der Ereignisse, vielmehr auf deren Bewertung und Einordnung.

Und so hat sie wieder einmal einen bewegenden, aufrüttelnden Roman geschaffen, der Lust darauf macht, sich mehr mit den Protagonisten, vor allem mit Martha Gellhorn, zu beschäftigen.

Denn sie eine ebenso beeindruckende Persönlichkeit wie Hemingway selbst und durfte am Ende ihres Lebens - aus dem sie wie ihr früherer Gatte freiwillig schied - auf ein breites Schaffen zurückblicken, das neben Reportagen auch fünf Romane beinhaltet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sie sich vor allem einen Namen als Kriegsreporterin gemacht, was schon einen gewissen Vorgeschmack auf den ungewöhnlichen Weg dieser starken Frau gibt.

Ein starker Roman über die Beziehung starker Persönlichkeiten - leider nicht ganz ohne Längen im Mittelteil. Dennoch ist die Lektüre ausgesprochen lohnenswert, eröffnet sie dem Leser doch einen Blick auf ein Verhältnis der ganz besonderen, oft unfassbaren Art.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzähstil
  • Atmosphäre
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.10.2018

Der Herr der Särge

Gestorben wird morgen
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Das ist Wolfgang im wahrsten Sinne des Wortes, ist er doch der Leiter eines Bestattungsunternehmens, das er von seinem Vater geerbt hat - leider fehlt es ihm auch Jahre später vielfach an Kenntnissen ...

Das ist Wolfgang im wahrsten Sinne des Wortes, ist er doch der Leiter eines Bestattungsunternehmens, das er von seinem Vater geerbt hat - leider fehlt es ihm auch Jahre später vielfach an Kenntnissen und Fertigkeiten, die sein (Arbeits)Leben entscheidend erleichtern und auch erweitern würden.

Er ist nämlich ein ganz spezieller Typ, der schwer trägt - nicht nur an seinem Beruf, sondern am Leben insgesamt - Telefonieren, große Ansammlungen von Menschen, sogar im Kino - das ist alles nichts für ihn. Stattdessen liebt er die Botanik und es gibt nichts Schöneres für ihn, als sich in Fachliteratur zu vertiefen! Auch sein bester Freund Oskar kann ihn nur selten aus seinem Einsiedlerleben herausholen. Er ist ihm vom Charakter her diametral entgegengesetzt: ein Bruder Leichtfuß ersten Ranges, der aufgrund eines riesigen Vermögens - selbstverständlich geerbt - seine Neigungen in jeder Hinsicht ausleben kann.

Doch dann kommt Alma - sie will einen Krimi schreiben, in dem ein Bestatter eine entscheidende Rolle spielt und startet ein Praktikum bei Wolfgang. Durch sie wird so einiges durcheinandergewirbelt.

Ein wunderbar leichtfüßiger, humorvoller Roman, in dem so einiges durcheinandergewirbelt wird und nichts so ist, wie es zunächst scheint. Autorin Victoria Seifried macht kleine inhaltliche Unebenheiten wie bspw. die Verwendung zahlreicher Klischees und den Einbau einiger unlogischer Stellen durch ihren absolut grandiosen Stil wieder wett und hat es geschafft, mich so in den Bann ihrer Erzählung zu ziehen, dass ich das Buch erst aus der Hand gelegt habe, als ich am Ende angelangt war.

Wer auf anspruchsvolle Unterhaltung der ungewöhnlichen Art steht, es dabei auch gerne humorvoll und skurril mag, der ist hier an der richtigen Adresse! Ich jedenfalls freue mich schon auf den nächsten Roman dieser Autorin!

Veröffentlicht am 22.10.2018

Wo liegt die Grenze?

nichts, was uns passiert
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Anna und Jonas. Bekannte sind sie, kein Paar, aber sie haben eine gemeinsame Vergangenheit. Bezüglich Sex - es gab da mal eine Nacht. Nicht sehr lange her.

Doch nun hat Hannes, ein gemeinsamer Freund, ...

Anna und Jonas. Bekannte sind sie, kein Paar, aber sie haben eine gemeinsame Vergangenheit. Bezüglich Sex - es gab da mal eine Nacht. Nicht sehr lange her.

Doch nun hat Hannes, ein gemeinsamer Freund, Geburtstag und es wird gefeiert. Und Anna trinkt. Viel zu viel. Das macht sie öfter mal. Hannes und Jonas einigen sich darauf, sie zu Jonas zu bringen und dort ausschlafen zu lassen. Jonas legt sich neben sie, zieht sie aus und dann...

Am nächsten Morgen: Anna fühlt sich vergewaltigt. Ein absolut beschissenes Gefühl. Sie verschwindet aus Jonas' Wohnung und zieht sich zurück. Kleidet ihre Empfindung nicht in Worte, weder gegenüber Jonas noch sonst wem. Stellt auch keine Anzeige.

Aber dann doch, Wochen später, nach einem Gespräch mit ihrer Schwester. Und das spricht sich schnell rum im Freundes- und Bekanntenkreis. Gedanken und Überlegungen Dritter werden laut.

Jonas selbst ist sich keiner Schuld bewusst. Ein Vergewaltiger - er doch nicht! Ein Roman aus mehreren Perspektiven, einer der nicht wertet. Der den "Fall" nicht wertet.

Wobei ich persönlich das Gefühl des Ausgeliefert-Seins von Claire sehr gut nachvollziehen kann. Andere fühlen sich vielleicht eher Jonas näher - alles ist möglich, nichts verwerflich.

Doch, werden Sie sagen, die Vergewaltigung! Ja, keine Frage! Aber war es tatsächlich eine? Oder war es einfach etwas Belangloses? Nichts, was uns bzw. unserem Umfeld passiert?

Ein stilles Buch, aber eines, das quasi danach schreit, diskutiert zu werden. In Leserunden, aber vielleicht auch im Schulunterricht. Oder an der Uni? Kein bequemes Buch, aber eines, dass den Leser so schnell nicht wieder loslässt. Beziehungsweise in sein ruhiges Leben entlässt. Nein, es hallt nach. Lange. Auch wenn es nichts ist, was uns passiert.

Veröffentlicht am 21.10.2018

Seifferhelds neues Ehrenamt

Stick oder stirb!
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Das ist eines der ganz besonderen Art: er gibt nämlich Stickunterricht im Gefängnis. Ein sehr beliebter Kurs ist dies - auch wenn die Knastbrüder nur mit stumpfer Nadel sticken dürfen - doch Siggi Seifferheld ...

Das ist eines der ganz besonderen Art: er gibt nämlich Stickunterricht im Gefängnis. Ein sehr beliebter Kurs ist dies - auch wenn die Knastbrüder nur mit stumpfer Nadel sticken dürfen - doch Siggi Seifferheld bringt ihnen seine Passion mit der gewohnten Leidenschaft bei und sucht sogar für jeden seiner sehr unterschiedlichen Schüler das passende Motiv aus.

Bis er auf ganz besondere Art - nicht während seines Kurses, wie man wohl denken könnte - als Geisel genommen wird. Dieses Drama verhilft dem Leser zu einem besonderen Genuss, nämlich zu einem Seifferheldschen Familientreffen der intensiven Art, das durch diverse Friends wie den Männern aus Siggis Koch- und Helmerichs Trommelclub erweitert wird. Wobei nicht nur Menschen, sondern auch Hunde in großer Zahl auflaufen: hat doch Siggis Frischangetraute, die ehemalige Reporterin MaC, im ehelichen Haushalt einen Welpenkindergarten eingerichtet.

Wer die Autorin Tatjana Kruse kennt, der weiß, dass sie sogenannte Cosy-Krimis schreibt, Krimis der eher beschaulichen Art. Dachte ich bisher jedenfalls und habe ich mich gerade bei Siggi Seifferheld ein bisschen darauf verlassen. Aber es geht ganz schön brutal zu, stellenweise zumindest, auch wenn man auch in der härtesten Szene immer was zu Lachen hat.

Folglich sollte man beim Lesen aufpassen, nämlich vor allem darauf, dass man vor Lachen nicht vom Sofa rutscht, an Originalität und Humor ist die Autorin nämlich nicht zu übertreffen. Und zwar trotz eventueller Leichen, die den Weg der Familie Seifferheld und damit auch des Lesers kreuzen.

Neben der zwar noch mit beiden Beinen im Berufsleben stehenden, aber auch nicht mehr superjungen Opernsängerin Pauline Miller und den recht neu hinzugekommenen zweieiigen Zwillingsschwestern Konny und Kirimhild, die in einem geerbten Haus eine Pension eingerichtet haben, ist es vor allem Senior, also Kommissar a.D. Seifferheld, mit dem Tatjana Kruse die deutsche Krimilandschaft bevölkert. Er war als Erster da und ich bin so froh, dass er nicht zugunsten einer der anderen Reihen abtreten musste. Ich wünsche ihm noch viele, viele ebenso spannende wie unterhaltsame Fälle im Kreise seiner immer größer werdenden Familie, zu der nicht zuletzt auch Hund Onis gehört, der im vorliegenden Band eine ganz besondere Rolle spielt!