Platzhalter für Profilbild

bedard

aktives Lesejury-Mitglied
offline

bedard ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bedard über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.07.2023

Kompliziertes Geschwisterverhältnis und der endgültige Abschied von der Kindheit

Elternhaus
0


Sanne ist die älteste von drei Schwestern. Als einzige ist sie in ihrem Geburtsort geblieben, hat dort geheiratet, ein Haus gebaut und zwei inzwischen erwachsene Kinder großgezogen. Sie kümmert sich um ...


Sanne ist die älteste von drei Schwestern. Als einzige ist sie in ihrem Geburtsort geblieben, hat dort geheiratet, ein Haus gebaut und zwei inzwischen erwachsene Kinder großgezogen. Sie kümmert sich um die Eltern, die in einem kleinen, aber selbstgebauten Haus in der Nähe wohnen. Und sie ist es auch, die sich um eine altersgerechte Wohnung und den Umzug der Eltern kümmert.
Petra ist die mittlere, weit entfernt alleinlebende Schwester, die nur sporadisch zu Besuch bei den Eltern ist. Sie hat als einzige studiert, der Beruf ist ihr Lebensmittelpunkt, seit Jahren hat sie eine Beziehung mit einem verheirateten Mann.
Und dann ist da noch Gitti, die Jüngste. Momentan hat sie einen Blumenladen und ist damit absolut zufrieden. Sie lebt seit Jahren mit ihrem Freund und ihrem Sohn in einem bescheidenen Haus, dem Elternhaus nicht unähnlich.

In Ute Manks Roman Elternhaus geht es zwar auch um die Sorge um die altgewordenen Eltern, die Umkehr der Rollen, wenn Kinder Entscheidungen für die Eltern treffen müssen. In erster Linie geht es aber um die Bedeutung des Elternhauses für die Kinder, unabhängig von deren Alter und die Rollenzuweisung innerhalb der Familie, die nur schwer abzustreifen ist.
Im Mittelpunkt steht dabei über weite Strecken Sanne, die Entscheidungen ohne Absprache trifft, wenig Zweifel an deren Richtigkeit zulässt. Sie handelt, packt zu, organisiert. Das entspricht ihrer Rolle und ihrem Selbstverständnis. Aber diese Fassade bröckelt, da ihr Verhalten zu Konflikten führt und immer mehr Bestandteile ihrer bisherigen Rolle wegfallen.
Petra hingegen weiß lange Zeit gar nichts vom Umzug der Eltern, da sie ein sehr distanziertes Verhältnis zu ihrer Familie hat. Sie ist die Außenseiterin, die gelegentlich zu Besuch kommt, fast wie eine Fremde. Über ihr recht einsames Privatleben weiß die Familie nichts. Niemand wäre auf die Idee gekommen, wie wichtig ihr ihr Elternhaus tatsächlich ist. Und auch Petra befindet sich in einer Zeit des Umbruchs, der vielleicht nicht nur zufällig mit dem Verlust des Elternhauses zusammenfällt.
Gitti fällt aus dieser Dreier-Konstellation ein bisschen raus, ist aber trotzdem wichtig. Und auch sie wehrt sich gegen die nur von ihr wahrgenommene zugewiesene Rolle.

Für mich hat sich im Laufe des Romans nicht nur die Rolle der Personen geändert, sondern auch meine Einstellung ihnen gegenüber. Sanne war mir zu Beginn eher unsympathisch, dann habe ich Mitleid empfunden.
Besonders gut gelungen fand ich auch die abweichenden Erinnerungen und Einordnungen an Begebenheiten als Stilmittel. Während die eine etwas als unproblematisch beschreibt, erinnert die andere sich an einen stillen Kampf.
Das Ende empfand ich in jeder Hinsicht als versöhnlich, auch wenn es kein klassisches Happy End ist. Ein positiv gestimmter Blick nach vorne.

Empfehlenswert ist dieser Roman für Menschen, die gerne Familiengeschichten mit ernsterem Hintergrund lesen. Am meisten können vermutlich Frauen damit anfangen, die mit Geschwistern aufgewachsen sind und deren Verhältnis zueinander nicht immer einfach war. Und natürlich auch Menschen, bei denen das Kümmern um die alten Eltern eine Rolle spielt. Vielleicht aber nicht gerade dann, wenn das Problem aktuell ist.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.07.2023

Der Klimawandel ist Realität, Untätigkeit ist keine Option

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
0

Eine Wette im Pub hat für den Studenten Tom Horsmith und den 20 Jahre älteren Politiker Montague Causley weitreichende Folgen, da sie gefilmt und im Internet geteilt wurde. Sollte der Meeresspiegel bedingt ...

Eine Wette im Pub hat für den Studenten Tom Horsmith und den 20 Jahre älteren Politiker Montague Causley weitreichende Folgen, da sie gefilmt und im Internet geteilt wurde. Sollte der Meeresspiegel bedingt durch den Klimawandel in fünfzig Jahren das Wohnzimmer im Haus des Politikers überfluten, wird er dort ertrinken. Andernfalls verpflichtet sich Tom dazu, seinerseits ins Meer zu gehen.

In großen Zeitsprüngen – 10, 25, 50 und 80 Jahre nach der Wette – wird die Geschichte dieser beiden Männer erzählt, deren Leben durch ein zufälliges Ereignis untrennbar miteinander verknüpft und bestimmt wurde. Insbesondere in Toms Leben spielt das Engagement für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt für Mensch und Tier eine zentrale Rolle.


John Ironmonger führt die Leserinnen erneut nach St. Piran und lässt sie dort auf teilweise bekannte Figuren und Orte treffen. Es ist aber nicht notwendig, „Der Wal und das Ende der Welt“ gelesen zu haben, um den neuen Roman zu verstehen.

Schwieriger könnte es mit dem Schreibstil und den doch recht großen Zeitsprüngen sein. Der Autor hat eine ganz spezielle Art zu beschreiben, sehr bildhaft und ausschweifend. Gleichzeitig werden die Lebensphasen der Protagonisten nur angeschnitten, da ein so langer Zeitraum sonst sicher nicht auf 400 Seiten abgehandelt werden kann. Thematisch geht es natürlich um den Klimawandel, aber das auf eine eher nachdenklich stimmende, das Gemüt der Leser
innen schonende Weise. Der Autor macht aufmerksam, warnt gewissermaßen, aber zeigt auch Wege auf. Die Welt wird in 80 Jahren nicht mehr so sein wie heute, aber es liegt auch noch in der Hand der Menschen, den Klimawandel abzumildern.

Neben dem alles bestimmenden Hauptthema geht es auch um eine berührende Liebesgeschichte, eine lebenslange Freundschaft und die Verbundenheit mit der Heimat. All das aber auf eine angenehm selbstverständliche Art ohne übertrieben kitschige Ausschmückungen.


Nach leichten Startschwierigkeiten hat mich der Roman abgeholt und bis zum stimmigen Ende auch nicht mehr losgelassen. Klare Leseempfehlung für Menschen, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auch in Romanen beschäftigen möchten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.07.2023

Gelungener Auftakt einer typischen Schwedenkrimireihe

Apfelmädchen
0

Das Thrillerdebut von Tina N. Martin spielt im Heimatort der Autorin in Nordschweden.

Eine Lehrerin wird von ihrem Ehemann erhängt im gemeinsamen Haus aufgefunden, ihre Hände von zwei Nägeln durchbohrt. ...

Das Thrillerdebut von Tina N. Martin spielt im Heimatort der Autorin in Nordschweden.

Eine Lehrerin wird von ihrem Ehemann erhängt im gemeinsamen Haus aufgefunden, ihre Hände von zwei Nägeln durchbohrt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Calle Brandt beginnt die Kriminalkommissarin Idun Lind zu ermitteln. Doch es gibt wenig Anhaltspunkte für dieses brutale Verbrechen.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Ein Handlungsstrang beginnt 1975, der andere ist in der Gegenwart angesiedelt. Die Trennung ist deutlich erkennbar durch entsprechende Kapitelüberschriften, die zeitliche Orientierung dadurch leicht möglich. Etwas problematischer ist die Vielzahl an Personen, die im Verlauf des Romans in Erscheinung treten, aber insgesamt lässt sich der Krimi schnell und leicht lesen. Als Thriller würde ich ihn eher nicht einstufen, obwohl einige sehr grausame und brutale Szenen sicher nicht für jeden Geschmack geeignet sind. Trotzdem ist der Erzählstil eher ruhig, den Charakterzeichnungen wird viel Raum zugestanden, gelegentlich auf Kosten der Spannung. Da es sich hier aber um den Auftakt einer Reihe handelt, müssen die Hauptprotagonisten natürlich erst eingeführt werden.

Durch den Erzählstrang in der Vergangenheit ist vieles schon früh erkennbar, trotzdem bleibt bis zum Ende eine gewisse Spannung erhalten.

Mein Fazit:

Apfelmädchen ist ein typischer Auftakt einer schwedischen Thrillerreihe, der auf zwei Zeitebenen spielt und auf das Team von sehr verschiedenen Ermittercharakteren setzt. Einige Szenen sind nichts für zartbesaitete Gemüter, trotzdem werden Thrillerfans vermutlich Spannung vermissen. Für alle anderen kann ich den Roman durchaus empfehlen, wenn auch für die Fortsetzung noch etwas Luft nach oben bleibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.06.2023

Fundierter Ratgeber zum besseren Verständnis und Umgang mit Stress

Stress positiv nutzen
0

Titel und Cover verraten bereits, worum es in diesem Ratgeber geht: nicht Stressvermeidung, sondern der richtige Umgang mit Stress ist das Thema.

Zunächst werden die Grundlagen erklärt, die ...

Titel und Cover verraten bereits, worum es in diesem Ratgeber geht: nicht Stressvermeidung, sondern der richtige Umgang mit Stress ist das Thema.

Zunächst werden die Grundlagen erklärt, die Bedeutung von Stress in der Evolution, Auswirkungen auf den Körper und die unterschiedlichen Arten von Stress. Erst dann geht es um individuelle Faktoren, Bewertungen und Strategien.
In diesem zweiten Teil werden dann verschiedene Methoden vorgestellt, die grundsätzlich auf langfristige Verhaltensänderung ausgerichtet sind und keine schnelle Lösung versprechen. Dabei geht es vor allem darum, zunächst eine individuelle Bestandsaufnahme vorzunehmen, Stressoren zu erkennen und geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln. Wichtig sind dabei auch Entspannungstechniken, auf die detaillierter eingegangen wird. Der Autor weist in diesem Kontext darauf hin, dass bei der Auswahl immer individuelle Vorlieben und die Bereitschaft, sich auf die Technik einzulassen, berücksichtigt werden müssen.

Der Ratgeber ist in leicht verständlicher Sprache geschrieben, der Text wird durch viele anschauliche Grafiken ergänzt. Man merkt dem Text an, dass der Autor als Arzt und Therapeut aus der Praxis stammt, entsprechend differenziert sind die Lösungsvorschläge. Eine Therapie ersetzt dieser Ratgeber nicht, darauf wird auch ausdrücklich hingewiesen. Aber er bietet Anregungen für ein anderes Verständnis von Stress und im besten Fall einen gesünderen Umgang damit.



  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 21.05.2023

https://wasliestdu.de/rezension/auftakt-einer-hamburg-krimireihe-mit-viel-sozialkritik-und-origineller-mordmethode

Der Bojenmann
0

"Der Bojenmann" ist der Auftakt einer neuen Krimireihe, die in Hamburg spielt. Hauptfiguren sind das LKA Team um Thies Knudsen und Dörte Eichhorn sowie Knudsens Freund Oke "La Lotse" Andersen. Im ersten ...

"Der Bojenmann" ist der Auftakt einer neuen Krimireihe, die in Hamburg spielt. Hauptfiguren sind das LKA Team um Thies Knudsen und Dörte Eichhorn sowie Knudsens Freund Oke "La Lotse" Andersen. Im ersten Fall wird der real existierende Bojenmann des Künstlers Balkenhol mitten auf der Elbe gegen einen ebenso kunstvoll plastinierten Leichnam ausgetauscht. Doch das ist nur der Auftakt, weitere professionell präparierte Leichen à la Hagens Körperwelten folgen.

Anders als in vielen Hamburg-Krimis lassen die beiden Autoren die Handlung tatsächlich unverkennbar an real existierenden Schauplätzen spielen. Zu Beginn werden vor allem die ermittelnden Personen vorgestellt. Außerdem werden insbesondere in Gesprächen zwischen Oke und Thies sehr ausführlich Themen wie Globalisierung, Klimawandel und modernes Sklaventum in der Schifffahrt behandelt. Leser*innen erfahren auch viel über das Verfahren der Plastinierung.

Kester Schlenz und Jan Jepsen haben einen sehr gut lesbaren, informativen Krimi geschrieben. Die vorgestellten Charaktere sind gut beschrieben und besonders Oke als Sympathieträger geeignet. Leider sprengen die Vielzahl an durchaus interessanten Themen mit sozialkritischem Bezug aber den Krimi - Rahmen und bremsen die Spannung etwas aus.

Das Ende lässt einige Fragen unbeantwortet. Aber das wird vermutlich in den Nachfolgebänden passieren.

Trotz der ungewöhnlichen Mordmethode ist der Bojenmann kein blutiger oder übermäßig spannender Krimi mit Suchtpotential. Gut recherchiert und gut geschrieben, aber etwas fehlt. Daher nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere