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Veröffentlicht am 28.08.2021

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Eine Familie in Berlin - Paulas Liebe
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„Du bist immer so poetisch. Du solltest Schriftstellerin werden.“ (S. 8) sagt Paulas Familie schon früh zu ihr. Paula ist die Älteste der 4 überlebenden Kinder der Oppenheimers. Ihr Vater ist Rabbiner, ...

„Du bist immer so poetisch. Du solltest Schriftstellerin werden.“ (S. 8) sagt Paulas Familie schon früh zu ihr. Paula ist die Älteste der 4 überlebenden Kinder der Oppenheimers. Ihr Vater ist Rabbiner, sie wächst in einem zwar gläubigen, aber modernen Elternhaus auf. Die Kinder besuchen gute Schulen, haben freien Zugriff auf die umfassende Bibliothek der Eltern und bekommen Musikunterricht. Sie dürfen an den künstlerischen Zirkeln der Eltern teilnehmen und selber auftreten, müssen aber auch im Haushalt mit anpacken, da die Familie nicht gerade reich ist.
Paula ist das Sorgenkind, hat Lungenprobleme und ist viel krank. Vielleicht flüchtet sie sich deswegen in die Musik und Poesie. Mit ihrem Bruder Franz hat sie ein besonders inniges Verhältnis, sie denken und fühlen oft ähnlich, ein „Seelenband“ verbindet sie. Doch im Gegensatz zu ihm, der studieren darf, hat sie keine Vorstellungen von ihrer Zukunft. „Was will ich in meinem Leben erreichen? Was will ich werden? Und wie finde ich das heraus?“ (S. 34) Da trifft es sich gut, dass ihre Tanta Auguste eine Gesellschafterin sucht und die Familie unterstützen will. Sie nimmt Paula in ihren Haushalt auf, behandelt sie wie die Tochter, die sie nie hatte und vervollkommnet ihre Ausbildung und ihren gesellschaftlichen Schliff.
Anfang der 1880er Jahren stellt Franz ihr seinem besten Freund und Mitstudenten Richard Dehmel vor, der statt zu studieren lieber Gedichte interpretiert und eigene schreibt. Er versteht es, seine Zuhörer zu fesseln, die Frauen liegen ihm zu Füßen: „Diese Augen. Diese Stimme … er ist … grandios. … Er ist ein Zauberer, der alle in seinen Bann schlägt … Ein Merlin.“ (S. 256), doch Paula ist er zu unstet und planlos. „Er ist ein Hallodri, ein Träumer, ein Künstler.“ (S. 299) Trotzdem verliebt sie sich später in ihn und will ihn heiraten, aber ihre Familie ist gegen die Beziehung, da er ohne Beruf und Anstellung nicht für sie sorgen kann.

Ich habe Ulrike Renks Ostpreußen- und Seidenstadt-Saga verschlungen. Auch diese orientierten sich an historischen Vorbildern und beruhten auf wahren Begebenheiten, aber „Paulas Liebe“ ist anders. Während sich Erstere so fesselnd wie Abenteuerromane lesen, ist das vorliegende Buch sehr ruhig, philosophisch und poetisch – wie eben auch Paula war. Vor allem die Briefe lesen sich aus heutiger Sicht zum Teil etwas sperrig und pathetisch. Man taucht tief in Paulas Gedanken- und Gefühlswelt ein, ihr Ringen um Erkenntnis und die Frage, wie sie ihr Leben gestalten soll, ob sie sich je verlieben kann und ob ein Mann sie trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit heiraten wird.
Paula erscheint für ihr Alter extrem erwachsen und sehr selbstreflektiert. Sie grübelt viel und hinterfragt alles. Auguste bringt ihr die Ideen der Gleichberechtigung näher und öffnet ihr die Augen für andere Lebensentwürfe und Gesellschaftsschichten.
Besonders fasziniert hat mich neben Paulas Leben Franz‘ Auseinandersetzung mit dem Judentum und Antisemitismus. Er will um jeden Preis als Deutscher wahrgenommen werden, nicht als Jude oder Preuße.

Ich finde den Klappentext etwas ungünstig formuliert. Er impliziert, dass es um die Liebesgeschichte zwischen Paula und Richard geht, dabei ist das ja nur ein Teil ihres Lebens (und leider kein besonders schöner, aber ich will hier nicht vorgreifen). Es geht vor allem um ihr Aufwachsen, ihre Ausbildung und Entwicklung. Sie hätte gern studiert, aber das war damals für Frauen in Deutschland unmöglich, außerdem war sie eine begabte Pianistin, konnte das wegen ihrer instabilen Gesundheit aber nicht zu ihrem Beruf machen. Und obwohl sie schon früh Rätselreime und ähnliches gedichtet hat, ist sie erst spät zum Schreiben gekommen.

Ulrike Renk schildert Paulas bewegtes und nicht gerade leichtes Leben sehr detailreich, passt sich sozusagen deren überbordender Ausdrucksweise an. Ich hätte mir manchmal etwas mehr Spannung und Tempo gewünscht, aber das letzte Drittel hat mich dann mit dem Buch versöhnt. Ich bin schon sehr gespannt auf den nächsten Band.

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Veröffentlicht am 10.07.2021

Schokoladentage

Wenn die Hoffnung erwacht
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… nennt Nora die Sonntage, die sie heimlich mit dem amerikanischen GI William Bowman verbringt. Auf dem Silvesterball 47 in der Villa der amerikanischen Besatzer hat er sich mit den Worten „Darf ich die ...

… nennt Nora die Sonntage, die sie heimlich mit dem amerikanischen GI William Bowman verbringt. Auf dem Silvesterball 47 in der Villa der amerikanischen Besatzer hat er sich mit den Worten „Darf ich die schönste Frau im Raum zum Tanzen auffordern?“ (S. 17) in ihr Herz geschlichen. Sie ist so verliebt, dass sie ihre katholische Erziehung ignoriert und hofft, dass auch seine Liebesschwüre echt sind. Als sie schwanger wird, will er seine Versprechungen wahr machen „Jetzt heiraten wir natürlich in den Staaten, damit erhalten du und das Kind automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft.“ (S. 93), doch gleichzeitig wird er für wenige Wochen in die USA abkommandiert. Er verspricht, vor der Geburt des Kindes zurück zu sein – und lässt nie wieder von sich hören. Nora muss ihren Sohn unehelich zur Welt bringen, ein echter Skandal, der ihren Vater toben lässt. Er ist ein Mann alter Schule, behandelt Nora und ihre Mutter wie Dienstboten, sie müssen sich ihm in allem unterordnen. Bald präsentiert er eine Lösung auch für „Noras Problem“. Er will sie mit einem Geschäftspartner verheiraten und so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Nora flieht kopflos mit ihrem Sohn nach München, nicht wissend, dass die Stadt fast total zerstört und die Wohnsituation noch angespannter als in Regensburg ist. Auf der Straße begegnet sie einer völlig verwirrten Frau und begleitet sie nach Hause in eine herrschaftliche Villa …

Ich habe Nora von Beginn an gemocht, so eine starke und mutige Frau. Durch die Beziehung zu William erfährt sie, dass das Leben nicht so trist und vorbestimmt verlaufen muss, wie von ihren Eltern vorgelebt. Sie wird erwachsen, selbstbewusst und nimmt ihr Glück selbst in die Hand. In München trifft sie zwar eine Entscheidung, die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, gewinnt dadurch aber auch ungeplant eine Unabhängigkeit, die sie sonst nie erreicht hätte. Außerdem ändert sie damit das Leben der Familie der jungen Frau, die sie auf der Straße gefunden hat …

Lilli Beck schreibt sehr lebendig und schildert die damaligen Zustände sehr plastisch, die Nöte der Nachkriegszeit, die Hoffnungen und Träume der Menschen, die Schwarzmarktgeschäfte, Währungsumstellungen, politische Entwicklungen und den langsamen wirtschaftlichen Aufschwung, wobei ihr besonderes Augenmerk auf der Entwicklung einer Frauenzeitschrift liegt. Es ist immer wieder erschreckend zu lesen, wie wenig Rechte Frauen damals hatten. Gerade darum mochte ich auch die Nebenfigur Marlene so sehr – eine sehr schöne, aufregende und kluge Frau, über die ich nicht noch mehr verraten möchte.

Lilli Becks neuer Roman „Wenn die Hoffnung erwacht“ ist eine sehr emotionale und mitreißende Familiengeschichte, bei der ich von der ersten Seite an mitgefiebert habe, auch wenn mir ab einer bestimmten Stelle klar war, dass es nur eine Lösung für das ganze Kuddelmuddel geben kann.

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Veröffentlicht am 18.06.2021

Der deutsch-italienische Monk ermittelt

Mord in Parma
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Paolo ist eigentlich informeller Mitarbeiter für Fallanalyse und Tathergangs-rekonstruktion bei der Münchner Polizei. Doch als ein echter Corregio auftaucht, der als NS-Raub- bzw. Beutekunst gelistet ist, ...

Paolo ist eigentlich informeller Mitarbeiter für Fallanalyse und Tathergangs-rekonstruktion bei der Münchner Polizei. Doch als ein echter Corregio auftaucht, der als NS-Raub- bzw. Beutekunst gelistet ist, wird Paolo von seiner Vorgesetzten Julia beauftragt, das Gemälde nach Parma zu begleiten. Schließlich war er als Kind dort oft im Urlaub und spricht etwas Italienisch. Die Aktion soll nur 2 Tage dauern, aber dann verschiebt sich die Rückfahrt und Umberto Tantaro, der Kurator der Nationalgalerie von Parma, ruft Paolo ängstlich an. Er soll sofort zu ihm kommen. Paolo beeilt sich wirklich, doch er findet Tantaro nur noch tot vor. Für den zuständigen italienischen Commissario Aldo Borghesi sieht es nach Selbstmord aus, er lehnt weitere Ermittlungen ab. Aber Paolo hat berechtigte Zweifel und stellt eigene Nachforschungen an.

„Mord in Parma“ von Dani Scarpa ist der Auftakt einer neuen Krimireihe mit einem etwas anderen Ermittler. Paolo ist kein einfacher Mensch, sondern erinnert von seiner eckigen Art her und seiner Macke des Händedesinfizierens an den Fernseh-Privatdetektiv Monk. Er hat ein episodisches Gedächtnis und kann nichts vergessen – das ist bei der Polizei zwar super, im Privatleben aber eher hinderlich. „Manchmal war es ein Fluch, sich an alles erinnern zu können. An jeden Menschen, an jedes Ereignis. Und leider auch an jede Dummheit.“ (S. 30) Zudem ist er mit seiner Chefin Julia seit langem auch privat verbandelt und sein von ihr bisher unbeantworteter Heiratsantrag steht zwischen ihnen.
Außerdem hat ihm sein Bruder Felix ein Hotel in Cervia nahe Parma vererbt, um dessen Verkauf Paolo sich endlich kümmern muss. „Er wollte diesem Erinnerungspfad nicht folgen. Die Frage, wohin er führen mochte, berührte ihn unangenehm, und wenn er ehrlich war, fürchtete er sich sogar davor.“ (S. 67)
Zum Hotel gehört Felix‘ Geschäftspartnerin, die Köchin Lucia Camaro. Da sie ziemlich gut Deutsch spricht, schlägt Paolo ihr einen Deal vor: Wenn sie bei seinen Erkundigungen für ihn übersetzt, verkauft er ihr das Hotel. Lucia traut ihm zu Beginn zwar nicht, aber bald weiß sie, ihn zu nehmen: „Für einen tedesco sind Sie lustig, wissen Sie das?“ (S. 85) Auch die Ermittlungen machen ihr eine Menge Spaß. Wo er mit seiner deutschen Gründlichkeit und dem Glauben an die Bürokratie scheitert, kommt sie mit einem Flirt und „Dolce Vita“ weiter. Und ganz langsam wird auch Paolo lockerer „… seit er in Italien war, hatte er so viele Dinge getan, die er zuvor nie für möglich gehalten hätte …“ (S. 185)

Leider folgt auf den ersten Mord bald ein zweiter und Paolo gerät unter Verdacht. Julia, die das aus Deutschland mit ungutem Gefühl verfolgt und versucht, ihm bei den länderübergreifenden Untersuchungen Rückendeckung zu geben, ist sauer. Sie wollte ihn doch nur mal aus seiner Komfortzone holen! „Kann man dich nicht einmal für ein paar Tage nach Italien schicken, ohne das sich gleich Katastrophen ereignen?“ (S. 276)

Mein Fazit: Mord in Parma ist spannend und unterhaltsam. Ich mag die ungewöhnlichen Ermittler und auch ihr Privatleben passt schlüssig in die Handlung. Und natürlich gibt es ganz viel Dolce Vita inkl. eines sehr leckeren Rezeptes am Buchende – selbstverständlich mit Parma-Schinken .

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Veröffentlicht am 21.04.2021

Ich schenk Dir einen Toten

Mord frei Haus
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… steht auf der Karte an der Leiche, die in rotes Geschenkpapier mit einer riesigen Schleife verpackt vor Annabelles Tür liegt. Nach der Polizei ruft Annabelle sofort ihre Tante Daphne Penrose an – die ...

… steht auf der Karte an der Leiche, die in rotes Geschenkpapier mit einer riesigen Schleife verpackt vor Annabelles Tür liegt. Nach der Polizei ruft Annabelle sofort ihre Tante Daphne Penrose an – die Postbotin und ihr Mann Francis haben nämlich bereits zweimal bewiesen, dass sie schlauer sind und sich in Cornwall besser auskennen als Chief Inspector James Vincent. DCI Vincent verdächtigt dann auch tatsächlich nur Annabelle, weil der Tote ihr Nachbar George Huxton ist, der sie unermüdlich mit Prozessen überzogen hat. Allerdings hat sich Huxton bei fast allen Bewohnern des Städtchens Fowey unbeliebt gemacht – aber wer von ihnen würde ihn deswegen ermorden?
Huxton bleibt nicht der einzige Tote und der Mörder schickt noch weitere Nachrichten an Annabelle, trotzdem haben Daphne und Francis Probleme, ihn zu ermitteln. Sie müssen tief Huxtons Vergangenheit und in den Geheimnissen ihrer Mitbürger wühlen, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Damit bringt sich Daphne selber in Lebensgefahr.
Außerdem sorgen sie sich um ihre Freundin Lady Wickelton. Die Gesundheit der alten Dame verschlechtert sich rapide und DCI Vincent versucht das auszunutzen und ihr das Haus abzukaufen, dabei wollte die es für ein Museum stiften.

„Mord frei Haus“ ist bereits der dritte Band der Cornwall-Krimi-Reihe von Thomas Chatwin mit der ermittelnden Postbotin, aber man muss die Vorgängerbände nicht zwingend lesen, da die Handlung jeweils in sich abgeschlossen ist.

Daphne und Francis sind sehr sympathische Ermittler. Sie drängen sich den Auszufragenden nicht auf, sondern gehen sehr geschickt vor. Zudem erfahren sie als Postbotin und Hafenmeister sowieso viele Neuigkeiten vor allen anderen. Ich mag das Pärchen, weil sie auch nach 25 Jahren Ehe noch so harmonisch miteinander umgehen, ihrem Partner alle Freiheiten lassen und genau wissen, was sie aneinander haben und wie sie den anderen nehmen müssen. Sie sind beide sehr clever und geübt im Umgang mit Menschen, man vertraut sich ihnen gern an.

Die Handlung ist spannend und verzwickt. Ich hatte zwar einige Vermutungen zum Täter und seinem Motiv, aber die waren am Ende natürlich falsch. Wobei mir für Auflösung dann ein paar zu viele Zufälle zusammenkamen, aber dafür gab es einen sehr amüsanten Nebenstrang …

Thomas Chatwin versteht es den Leser zu fesseln, gut zu unterhalten und Lust auf Urlaub in Cornwall zu machen. Ich bin schon sehr gespannt auf den nächsten Fall von Daphne und Francis.

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Veröffentlicht am 13.04.2021

Ein echte Schlammschlacht

Träume von Freiheit - Ferner Horizont
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… ist die Scheidung von Florence und Henri de Meli in den 1880er Jahren in New York. Sie zieht sich über Jahre hin, die Presse berichtet ausführlich und die Öffentlichkeit fiebert mit. Florence wird ungewollt ...

… ist die Scheidung von Florence und Henri de Meli in den 1880er Jahren in New York. Sie zieht sich über Jahre hin, die Presse berichtet ausführlich und die Öffentlichkeit fiebert mit. Florence wird ungewollt zum Vorbild für die unglücklichen, scheidungswilligen Frauen der damaligen Zeit.

Wie es zu diesem Prozess kam und warum Florence unbedingt nach amerikanischem Recht geschieden werden wollte, erzählt Silke Böschen im zweiten Teil ihrer Reihe „Träume von Freiheit – Ferner Horizont“, der auf Florence de Melis Leben basiert.
Alles beginnt 1881. Florence und Henri sind zwar Amerikaner, leben aber in der amerikanischen Kolonie in Dresden. Er ist 11 Jahre älter als sie und muss nicht arbeiten, denn seine Mutter kommt für alle Ausgaben auf. Florence genießt das Leben in der High Society, die Bälle und Empfänge, aber sie engagiert sich auch in der amerikanischen Gemeinschaft und für die Wohltätigkeit, singt im Chor. Das Paar hat zwei kleine Kinder, die Florence über alles liebt. Leider mischt sich Henris Mutter immer mehr in das Familienleben ein, sie hat Florence noch nie gemocht. Und da eine Scheidung in dieser Gesellschaftsschicht nicht in Frage kommt, schmieden Henri und seine Mutter den Plan, Florence für verrückt erklären zu lassen und weisen sie in eine Irrenanstalt ein …

Silke Böschen ist wieder ein echter Schmöker gelungen. Die über 500 Seiten lesen sich extrem flüssig und haben mir einen verregneten Tag versüßt.
Henri und Florence sind sehr verschieden. Er fühlt sich von der Lebenslust und Energie seiner Frau oft überfordert und schickt sie regelmäßig zur Erholung zur Kur. Während er ruhige Abende mit einem ausgiebigen Dinner und danach dem einen oder anderen Glas Absinth liebt, geht sie gern aus, hat viele Freunde und nach Henris Ansicht flirtet sie zu offensiv und zu viel. Auch bei der Erziehung der Kinder sind sie sich uneins. Er ist extrem streng zu ihrem Sohn und züchtigt ihn regelmäßig. Sie selbst wird von ihm und seiner Mutter zwar „nur“ mit Worten verletzt, trotzdem ist die Situation für sie kaum auszuhalten. Aber wegen der Kinder hält sie es aus.
Mir hat sehr gut gefallen, wie die Autorin die Dynamik des Paares inkl. der Schwiegermutter geschildert hat, wie sich die Situation immer mehr aufheizt, bis Henri sich nur noch durch Florence‘ Einweisung zu helfen weiß.

Auch das Umfeld, in dem die Handlung angesiedelt ist, wird sehr anschaulich beschrieben. Als echte Dresdnerin habe ich meine Stadt wiedererkannt (wobei ich erst durch das Buch erfahren habe, dass es hier mal eine amerikanische Siedlung gab) und auch die Kureinrichtungen, in den Florence untergebracht wird, gibt es zum Teil heute noch. Zum Glück sind aber die Anamnese- und Behandlungsmethoden heute nicht mehr die gleichen, die waren zum Teil nämlich sehr erschreckend.

Ich habe nur zwei klitzekleine Mankos anzumerken. Zum einen hatte ich ausgehend vom Klappentext hauptsächlich Florence Flucht quer durch Europa bis nach Amerika und den Kampf um ihre Scheidung und die Kinder erwartet und zum anderen war mir das Verhalten der Protagonisten an einigen Stellen etwas zu überzogen.

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