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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.01.2022

Fesselnder, ungewöhnlicher Thriller

Der Auftrag
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„...Diese Kanzlei nimmt normalerweise keine Klagen wegen Körperverletzung an, und wir haben keine Erfahrung mit Fällen, die unter dem Antiterrorgesetz eingehen. Aber wir haben viel Erfahrung darin, Verschleierungstaktiken ...

„...Diese Kanzlei nimmt normalerweise keine Klagen wegen Körperverletzung an, und wir haben keine Erfahrung mit Fällen, die unter dem Antiterrorgesetz eingehen. Aber wir haben viel Erfahrung darin, Verschleierungstaktiken der großen Konzerne zu durchleuchten, um versteckte Vermögenswerte aufzudecken….“

Mit diesen Worten informiert Leon Löwenstein, führender Anwalt in einer Kanzlei, die Anwältin Hana über einen möglichen nächsten Fall. Vor vier Jahren war die USA – Amerikanerin Gloria Neumann in Israel getötet und ihr Kind verletzt worden. Nun will Jakob für ihren Mann Ben und die kleine Tochter Sadie eine Entschädigung erreichen. Dafür braucht er eine Kanzlei, die mit ihm zusammenarbeitet. Das Problem liegt darin, dass man bisher von Einzeltätern ausgeht. Geld gibt es nur, wenn bewiesen werden kann, dass hinter denen eine finanzkräftige Organisation stand.
Der Autor hat einen spannenden Justizthriller geschrieben. Die Geschichte ist sehr abwechslungsreich. Es geht auch um Fragen des Glaubens und um die momentanen politischen Verhältnisse in Israel.
Der Schriftstil ist ausgefeilt. Er sorgt für einen hohen Spannungsbogen, aber auch für emotionale Szenen.
Hana ist arabische Christin und israelische Staatsbürgerin. Ihre Familie lebt in der Nähe von Nazareth. Sie spricht mehrere Sprachen und ist deshalb für den Fall besonders prädestiniert. Leon Löwenstein überlässt ihr die Entscheidung, ob sie involviert werden will oder nicht. Ausschlaggebend ist die Begegnung mit Sadie. Hana sagt zu.
Ich mag die Offenheit des Kindes. Sie baut sofort eine Beziehung zu Hana auf.

„...“Ich hoffe, der ist netter als Daddys Chef“, kommentierte Sadie. „Der will immer, dass Daddy arbeitet, auch wenn wir lieber zusammen etwas Schönes machen wollen.“...“

Aus Sicherheitsgründen wird Sadie völlig aus dem Fall herausgehalten. Hana braucht einen Partner, der in Israel die Fäden zieht. Mit Jakob, dem sie das erklärt, entspinnt sich folgendes Gespräch:

„...Und wir haben denselben Glauben.“
„Was hat das damit zu tun?“
„Im Nahen Osten spielt Religion, bei allem, was geschieht, eine wichtige Rolle.“...“

Beeindruckend ist es, wie Hana ihren Glauben lebt. Besonders ihr Gebetsleben ist sehr prägend. Zu den wichtigsten Szenen des Buches gehört für mich ihre Begegnung mit ihrem Onkel Anwar. Aus dem Prolog weiß ich, dass er schon ihre Kindheit stark beeinflusst hat.

„..“Glaubst du an Gott, Hana?“, fragte er.
„Ja, Onkel.“
„Das ist wahr. Du glaubst. Aber jeder Glaube wird geprüft. Ich habe gebetet, dass du die Prüfung bestehst.“...“

So genau hat Hana in dem Moment nicht begriffen, was ihr Anzar sagen wollte – und ich als Leser auch nicht. Erst im Laufe der Handlung erschließen sich diese Zeilen. Hanas Ermittlungen führen sie auch in eine persönliche Krise, denn nichts ist in Israel so, wie es scheint.
Akribisch gelingt es, das Umfeld der damaligen Täter zu durchleuchten. Dabei aber wird auch die Gefahr für Hana und Jakob größer, in deren Blickwinkel zu geraten.
Das Buch führt mich an einige Sehenswürdigkeiten von Israel. Auf Grund ihrer Stellung hat Hana eine unverfälschte Sicht auf die politische Lage.

„...“Wie denkst du über die Mauer?, fragte Jakob.
„Sie hat ganz sicher Leben gerettet, weil es für die Terroristen jetzt schwerer ist, die jüdischen Bezirke zu betreten“, erwidert Hanna. „Aber auf der anderen Seite ist sie auch eine tragische Erinnerung, wie viel Hass hier existiert. Viele arabische Israelis sind tief verletzt, denn die Mauer trennt Familien voneinander.“...“

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Einerseits hat es mich fesselnd unterhalten, andererseits habe ich eine Menge über Israel und seine Probleme gelernt. Die angeschnittenen Glaubensfragen haben mich zum Nachdenken gebracht.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Gelungene Anthologie

Zur falschen Zeit am falschen Ort
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„...Seien Sie nicht zur falschen Zeit am falschen Ort. Kommen Sie zu dem Platz, an dem sich Ihr Schicksal vollendet...“

Diese Zeilen stammen aus der ersten Geschichte. Mit gleicher Wortwahl gingen drei ...

„...Seien Sie nicht zur falschen Zeit am falschen Ort. Kommen Sie zu dem Platz, an dem sich Ihr Schicksal vollendet...“

Diese Zeilen stammen aus der ersten Geschichte. Mit gleicher Wortwahl gingen drei Briefe an ihre Empfänger. Die Wahrsagerin Filomena hatte ein besonders Treffen geplant.
In den 19 folgenden Erzählungen spielt das Thema, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, jedes Mal eine andere Rolle. So unterschiedlich wie der Inhalt der Geschichten, so verschieden ist der Schriftstil der 20 Autoren und Autorinnen, deren Kurzporträt mit Bild am Ende des Buches vorgestellt wird. Mal wird mit Ich – Erzähler gearbeitet, mal kommt die Geschichte kurz und präzise zum Punkt, während in anderen Erzählungen Raum für scheinbare Nebensächlichkeiten bleibt.
Einige der Geschichten beziehen sich auf Katastrophen der letzten Jahre, die gekonnt in ein persönliches Umfeld eingebunden werden. Dem Anschlag aufs World – Trade - Center entrinnt ein Betrüger, . Ob auch den Folgen seiner Tat, soll hier nicht beantwortet werden. Der Tsunami in Thailand ist genauso Inhalt wie der Feuerbrand am Düsseldorfer Flughafen. Beides kommt für die Betroffenen mit Urgewalt und plötzlich.
Natürlich bietet sich das Thema geradezu für Kurzkrimis an. Die sind dann unter Umständen tiefschwarz, weil sie anders enden wie geplant. Außerdem kann es tödliche Folgen haben, wenn man sich nicht nur an den Dingen der Schwester vergreift.

„...Du hast nicht mehr daran gedacht, dass ich mit einem Veganer verlobt bin und die Milch in meinem Krügchen im Kühlschrank nicht von der Kuh stammt...“

Drei der Geschichten stechen besonders heraus. Eine weil sie in der Vergangenheit, speziell in der Nachkriegszeit, spielt, die zweite, weil sie die besonderen Fähigkeiten eines Kindes thematisiert, die von ihrer Mutter leider nicht erkannt werden und die dritte, weil hier die Tatsache, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, einen positiven Effekt hat.

„...Vielleicht kam das Glück manchmal auch über Umwege...“

Die Anthologie hat mir sehr gut gefallen. Sie ist abwechslungsreich und unterhaltsam.

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Veröffentlicht am 07.01.2022

Gelungene Fortsetzung

Das Savoy - Schicksal einer Familie
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„...Sie war Besitzerin dieses Hotels, sie war Arbeitgeberin und anerkannt in ihrer Zunft, ein Vorbild für Frauen, bewundert von Männern, und war schrecklich allein...“

Diese Worte charakterisieren Violet, ...

„...Sie war Besitzerin dieses Hotels, sie war Arbeitgeberin und anerkannt in ihrer Zunft, ein Vorbild für Frauen, bewundert von Männern, und war schrecklich allein...“

Diese Worte charakterisieren Violet, die nach der Erkrankung ihres Großvaters das Hotel Savoy leitet. Wir schreiben das Jahr 1936. Die politischen Verhältnisse machen auch vor dem Hotel nicht halt.
Der zweite Teil der Saga schließt zeitnah an den ersten an. Die Geschichte ist spannend. Gekonnt werden aktuelle Geschehnisse integriert.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Das Buch hat mich schnell in seinen Bann gezogen.
Während Violet nach außen das Hotel repräsentiert, laufen im Hintergrund Geschehnisse, von denen sie nicht das Mindeste ahnt. Schon im ersten Teil deutet sich an, dass dabei unter anderen ihre Schwägerin Judy die Fäden zieht. Geschickt werden alte Bedienstete aus ihrer Position gedrängt und neue Kräfte eingestellt. Das betrifft unter anderem den Chefbutler, Mr. Sykes.

„...Wenn es irgendjemand verdient hat, bis ans Ende seiner Tage im Haus zu leben, dann sind Sie das, mein alter Freund...“

Noch hat Violet die Chance, die Entscheidung ihrer Schwägerin rückgängig zu machen. Dann aber überschlagen sich die Ereignisse. Violet wird von einem Gast des Hauses zur Olympiade nach Berlin eingeladen. Dort begreift Violet, dass sie sich in letzter Zeit völlig vom Hotel vereinnahmen ließ und keinen Blick für die aktuellen Ereignisse mehr hatte. Das Geschehen lässt sie aufwachen. Als die Franzosen mit deutschen Gruß einmarschieren kommen ihr die folgenden Gedanken:

„...Die Franzosen, denen er in diesem Jahr das Rheinland weggenommen hatte, machten ihm das schönste Geschenk durch diese Unterwerfungsgeste...“

Violet will nichts als weg aus Berlin. Das aber passt anderen gar nicht in Konzept.
In diesem Teil werden an vielen Stellen politische Fragen behandelt. So logiert im Hotel der Wiener Kaufmann Emil Lilienthal. Er ist Jude. Seine Meinung lautet so:

„...Meine Landsleute sind die Schlimmsten von allen. Sie lechzen nach einem Mann wie dem kleinen Gefreiten aus Braunau. Sie können es kaum erwarten, dass er bei uns einmarschiert und Österreich auf Vordermann bringt...“

In Berlin trifft Violet einen alten Bekannten wieder. Mit ihm an ihrer Seite merkt sie, was im Hotel schief läuft. Es gilt, Entscheidungen zu fällen.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 06.01.2022

Biografie in Anekdoten

E.T.A. Hoffmann
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„...Anekdotenerzähler gleichen den Hausierern, die fremde Ware feilbieten, ohne von der Kunst, sie zu bereiten, auch nur das Mindeste zu verstehen...“

Diese Zitat von E. T. A. Hoffmann steht unter der ...

„...Anekdotenerzähler gleichen den Hausierern, die fremde Ware feilbieten, ohne von der Kunst, sie zu bereiten, auch nur das Mindeste zu verstehen...“

Diese Zitat von E. T. A. Hoffmann steht unter der Überschrift des Geleitwortes der Autoren. Dann lassen vielfältige Anekdoten des Leben des Schriftstellers an mir vorbeiziehen.
Die Anekdoten sind chronologisch geordnet und werden in einzelnen Kapiteln zusammengefasst. So folgen zum Beispiel nach der Jugend in Königsberg die Jahre in Glogau, Berlin und Posen. Dabei sit jedem Kapitel mindestens ein Zitat aus Büchern oder Briefen von E. T. A. Hoffmann vorangestellt.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Durch die Anekdoten lerne ich viele der Menschen kennen, mit denen E. T. A. Hoffmann Begegnung hatte.

„...Sein früherer Reisebegleiter Jagwitz war wieder zur Stelle, als Hoffmann Jahre später zur Kur noch einmal in Warmbrunn weilte, dem Ort, der für seine gute Luft, aber auch für seine Spielbank bekannt war...“

In anderen Anekdoten erfahre ich, wie und warum es zu den einzelnen Büchern und Erzählungen kam und wessen Persönlichkeit sich darin widerspiegelt.
Natürlich fehlen auch Anekdoten über Liebschaften und Ehe nicht. In den letzten Anekdoten kommen Zeitgenossen von E. T. A. Hoffmann zu Wort.
Das Büchlein hat mir sehr gut gefallen. Der feine Humor zeichnet ein schönes Lebensbild des Schriftstellers.

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Veröffentlicht am 05.01.2022

Blicke in den Alltag

Lichtblick. Texte für mittelgute Tage
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„...Ich setze mich an den Küchentisch. Corona setzt sich dazu. Ich habe es nicht eingeladen...“

Mit diesen Sätzen beginnt einer der kurzen Texte in dem Büchlein. Das Zitat ist ein Beispiel dafür, dass ...

„...Ich setze mich an den Küchentisch. Corona setzt sich dazu. Ich habe es nicht eingeladen...“

Mit diesen Sätzen beginnt einer der kurzen Texte in dem Büchlein. Das Zitat ist ein Beispiel dafür, dass die Autorin an vielen Stellen das Leben mit Humor nimmt.
Das Buch ist sehr vielfältig. Prosa steht neben Poesie, Alltagsbeschreibungen neben einem kurzen Gebet. Die Autorin verarbeitet auf ihre Art die Erfahrungen der heutigen Zeit.
Der Schriftstil ist zum Teil ungewöhnlich. Aufzählungen und Vergleiche dominieren häufig. Unter der Überschrift „Was mich berührt“ liest sich das so:

„...Buchfinken, die beim Trinken mit dem Schwanz wackeln. Spieluhrenmelodien. Der Tag, als Diana starb (warum bloß?) Der Geruch eines Schaffells. Und von Marmorkuchen...“

Ab und an werden neue Begriffe kreiert wie Haltewunschtaste und Milchkannenort. Ein Teil der Texte folgt dem Alphabet, will heißen, nach einem Text mit der Überschrift „Brosamen“ kommt „Chupze“.

Manche der Zeilen lassen mich nachdenklich zurück, weil ich selbst ähnliche Erfahrungen gemacht habe.
Besonders gefallen haben mir die Gespräche der Erzählerin mit dem Engel. Sie lesen sich sehr amüsant.
Die farbliche Gestaltung ist sehr gelungen. Neben halbseitigen Bildern und farbigen Unterlegungen der Schrift gibt es zarte Zeichnungen. Auch Schriftgröße und Schriftart variieren vor allem bei den Überschriften häufig.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es lohnt sich, es immer mal wieder zur Hand zu nehmen.

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