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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.05.2025

Sehr lesenswert

Das Haus der Türen
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Der Roman beschreibt das Leben zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts in Penang, Malaysia. Es gibt zwei Protagonist:innen aus deren Sicht der Roman erzählt wird. Auf der ...

Der Roman beschreibt das Leben zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts in Penang, Malaysia. Es gibt zwei Protagonist:innen aus deren Sicht der Roman erzählt wird. Auf der einen Seite ist das Lesley Hamlyn, Ehefrau des Rechtsanwalts Robert Hamlyn, die in ihrer Ehe und dem für sie eigentlich recht bequemen Leben mit Houseboys und Köchen unglücklich ist. Auf der anderen Seite wird ein Teil des Romans aus der Sicht des bekannten Schriftstellers William Somerset Maugham („Willie“) erzählt, der bei Lesley und Robert mit seinem Sekretär und Geliebten Gerald im Jahr 1921 einige Wochen zu Besuch ist. In diesen Wochen erzählt ihm Lesley aus ihrem Leben: 1910 unterstützte sie Sun Yat-Sen, einen chinesischen Revolutionär, der zu diesem Zeitpunkt zwecks der Finanzierung seiner Revolutionspläne zum Sturz der Quing-Regierung in Penang war. Gleichzeitig traf sie sich mit einem Mitstreiter Sun Yat-Sens und entfloh so ihrer sie nicht zufriedenstellenden Ehe. Parallel zu diesen Ereignissen stand ihre Freundin Ethel Proudlock wegen Mordes vor Gericht.

Mich hat der Roman sehr gefesselt, obwohl ich gar nicht genau sagen kann, was mich exakt in den Bann gezogen hat. Ich finde die Mischung aus Fiktion und realen Ereignissen und Personen sehr gelungen (William Somerset Maugham, Sun Yat-Sen und auch der Prozess gegen Ethel Proudlock). Der Roman behandelt zum einen gesellschaftliche Themen wie die Kolonialisierung und die Geschichte Penangs, die Rolle der Frau und der Umgang mit Homosexualität zu der Zeit oder die historischen Ereignisse in China, zum anderen aber auch die persönlichen Gedanken, Gefühle und Lebensumstände der beiden Protagonist:innen Lesley und Willie. Die Charakterzeichnungen haben mich überzeugt. Obwohl sich die Ereignisse in dem Roman nicht überschlagen, sondern eher im Rückblick erzählt werden, kommen viele Themen und Aspekte zusammen. Sicherlich hätte es an einigen Stellen noch mehr in die Tiefe gehen können. Trotzdem wurden die Ungerechtigkeit und Auswirkungen der Kolonialisierung deutlich, obwohl sie nicht explizit im Zentrum des Romans stehen.

Mich lässt der Roman nachdenklich zurück, ich habe einiges gelernt und den Roman als sehr lesenswert empfunden. Außerdem fand ich die Sprache sehr schön, fast schon poetisch, genauso wie die Beschreibungen der Häuser und der Natur – so werden sicherlich weitere Romane des Autors Tan Twan Eng auf meiner Leseliste landen.

Veröffentlicht am 19.05.2025

Überzeugender, spannender Roman gepaart mit Gesellschaftskritik

Der Gott des Waldes
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Jedes Jahr findet auf dem Land der Van Laars ein Sommercamp für Kinder wohlhabender Familien statt. In dem Naturreservat kommen Kinder, Jugendliche, aber auch Betreuer:innen und weitere Angestellte zusammen. ...

Jedes Jahr findet auf dem Land der Van Laars ein Sommercamp für Kinder wohlhabender Familien statt. In dem Naturreservat kommen Kinder, Jugendliche, aber auch Betreuer:innen und weitere Angestellte zusammen. Parallel dazu laden die Van Laars im Anwesen „Self-Reliance“ zu einem mehrtägigen Fest mit einflussreichen Gästen und schillernden Künstlerpersönlichkeiten.

Doch dann verschwindet die Tochter der Van Laars aus dem Sommercamp, die 13-jährige Barbara. Eine großangelegte Suche wird in die Wege geleitet. Allerdings ist Barbara nicht das erste verschwundene Kind der Van Laars: 14 Jahre zuvor, 1961, verschwand Barbaras Bruder Bear - ebenfalls im Sommer.

Der Roman wird multiperspektivisch aus der Sicht verschiedener Protagonist:innen erzählt. Immer wieder wechselt die Zeitebene, mal wird aus der Zeit von Bears Verschwinden erzählt, mal aus den Monaten vor Barbaras Verschwinden und der Zeit direkt nach Barbaras Verschwinden. Dies macht den Roman sehr spannend und lässt es zu, sich als Leser:in Gedanken zu machen. Durch die verschiedenen Sichtweisen, z.B. von der Mutter von Bear und Barbara, einer Betreuerin aus dem Camp oder der jungen Ermittlerin Judy, entsteht ein vielschichtiges Bild des Lebens rund um die Van Laars.

Besonders hervorzuheben sind für mich die detailliert beschriebenen weiblichen Charaktere. Die Kämpfe, um sich zu behaupten, die jede von ihnen auf ganz unterschiedliche Weise führen muss, sind wirklich stark beschrieben. Ebenfalls beeindruckend arbeitet die Autorin die soziale Ungleichheit zwischen den Van Laars sowie ihren Gästen und den Angestellten und anderen Bewohner:innen der Adirondacks heraus.
Außerdem geht es in „Der Gott des Waldes“ selbstverständlich auch um die Frage, was mit Bear und Barbara Van Laar geschehen ist.

Für mich ist der Roman absolut empfehlenswert und ich habe ihn sehr gerne gelesen. Inhaltlich wie sprachlich finde ich ihn sehr überzeugend.

Veröffentlicht am 12.05.2025

Unterhaltsamer Genremix

Middletide – Was die Gezeiten verbergen
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Nachdem Elijah Leith mit 18 Jahren seinen Heimatort Point Orchard und seine Jugendliebe Nakita zurückgelassen hat, kehrt er Jahre später nach einem relativ enttäuschenden literarischen Debüt zurück in ...

Nachdem Elijah Leith mit 18 Jahren seinen Heimatort Point Orchard und seine Jugendliebe Nakita zurückgelassen hat, kehrt er Jahre später nach einem relativ enttäuschenden literarischen Debüt zurück in seine alte Heimat. Er beginnt das etwas heruntergekommene Haus, in dem er aufgewachsen ist und das nach dem Tod seines Vaters leer stand, wieder herzurichten. Als dann nicht weit von seinem Haus eine Tote gefunden wird, gerät Elijah unter Verdacht, für ihren Tod verantwortlich zu sein.

Der Roman lässt sich sehr gut lesen und hat mich gut unterhalten. Zwischenzeitlich hatte ich etwas Sorge, ob er mir vielleicht etwas zu kitschig werden könnte, aber das ist zum Glück nicht passiert. Im Gegenteil, die Spannung hat im Laufe des Buches zugenommen. Die Geschichte lässt sich nur langsam zusammensetzen, da die Kapitel zu unterschiedlichen Zeiten spielen und somit auch zwischen den Zeiten springen. Außerdem wird die Geschichte nicht nur aus Elijahs Sicht erzählt, als Leser*in begleitet man auch die Ermittlungen. Meine Kritik an dem Roman betrifft zwei Punkte: Erstens habe ich mich zu Beginn etwas schwergetan, in den Roman reinzukommen und habe ihn als etwas langatmig empfunden. Und zweitens hätte ich mir etwas mehr Tiefe bei den Charakterzeichnungen gewünscht. Wirklich gut gelungenen sind aber die atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen sowie die Beschreibungen von Elijah als Selbstversorger auf seinem Stück Land.

Insgesamt hätte ich mir vielleicht etwas mehr Tiefe gewünscht, habe mich aber gut unterhalten gefühlt und wollte auch bis zum Schluss gerne wissen, wie die Geschichte aufgelöst wird.

Veröffentlicht am 11.05.2025

Detailreiche Charakter- und Landschaftsbeschreibungen

Wo wir uns treffen
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Als Philip Brooke, Familienoberhaupt der Familie Brooke, stirbt, versammelt sich seine Familie auf dem Anwesen in Sussex. Frannie, die älteste Tochter und Mutter der 7-jährigen Rowan, hat gemeinsam mit ...

Als Philip Brooke, Familienoberhaupt der Familie Brooke, stirbt, versammelt sich seine Familie auf dem Anwesen in Sussex. Frannie, die älteste Tochter und Mutter der 7-jährigen Rowan, hat gemeinsam mit ihrem Vater in den vergangenen Jahren aus dem Anwesen ein renaturiertes, nachhaltiges Projekt gemacht. Sie erbt das Anwesen und möchte das Projekt weiterführen und ausbauen. Ihre beiden jüngeren Geschwister Milo und Isa haben mit dem Projekt wenig zu tun, wobei Milo eine Psilocybin-Klinik in dem zugehörigen Wald aufbauen möchte. Einen tut die Geschwister, dass sie alle in ihrer Kindheit und Jugend erlittene Verletzungen verarbeiten müssen. Auch ihre Mutter hatte es schwer und hadert mit ihrem Leben mit Philip Brooke. Zur Beerdigung hat Isa außerdem Clara eingeladen, eine junge Doktorandin aus den USA, die Philips Tochter aus seiner Zeit in den USA sein könnte.

Mir haben die Beschreibungen der Landschaft und der Natur außerordentlich gut gefallen und auch die detaillierten Schilderungen der etwas düsteren Atmosphäre in dem herrschaftlichen, aber auch etwas heruntergekommenen, Gutshaus sind sehr gelungen. Ich finde auch, dass die Charaktere zwar nicht unbedingt Sympathiepreise gewinnen, aber authentisch und detailliert beschrieben sind. Ich fand sehr gut, dass neben den Geschwistern auch die Perspektive langjährig Beschäftigter auf dem Anwesen abgebildet wird. Trotz all der positiven Aspekte hat mich der Roman nicht 100-prozentig überzeugt. Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass der Roman sich etwas zieht. Auch hätte ich mir gewünscht, dass Clara etwas mehr Raum bekommen und es eine noch tiefergehende Auseinandersetzung mit ihren Rechercheergebnissen gegeben hätte.

Insgesamt lässt sich der Roman gut lesen und mir hat die Schreibweise gut gefallen. Wer sich auf detaillierte Charakter- und Landschaftsbeschreibungen einlassen mag, kann durch „Wo wir uns treffen“ gut unterhalten werden.

Veröffentlicht am 09.02.2025

Ein schöner Roman

Für Polina
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Hannes Prager wächst behütet in einer etwas in die Jahre gekommenen Villa in einer Moorgegend auf. Dort lebt er mit seiner liebevollen Mutter und dem dort schon lange wohnenden und arbeitenden Heinrich ...

Hannes Prager wächst behütet in einer etwas in die Jahre gekommenen Villa in einer Moorgegend auf. Dort lebt er mit seiner liebevollen Mutter und dem dort schon lange wohnenden und arbeitenden Heinrich Hildebrand. Auch Polina, seit Babytagen Hannes' beste Freundin, und ihre Mutter sind oft zu Besuch. Obwohl Polina und Hannes sehr unterschiedlich sind, verstehen sich die Beiden gut und verbringen ihre ersten Lebensjahre unbeschwert. Während sich Hannes in der Schule eher schwertut, entdeckt er durch Zufall das Klavierspielen für sich. Schnell stellt sich heraus, dass er ein sehr besonderes Talent hat. Die Musik nimmt einen großen Raum in seiner Jugend ein genauso wie die zunehmenden Gefühle für Polina. Mit 15 Jahren verliert Hannes plötzlich durch einen Unfall seine Mutter. Dieser Verlust verändert für ihn alles. Er muss zu seinem Vater nach Hamburg ziehen, ist räumlich von Polina getrennt und hört mit dem Klavierspielen auf. Statt eines Musikstudiums verläuft Hannes' Leben ganz anders – und getrennt von Polina.

Die ersten etwa hundert Seiten haben mir unheimlich gut gefallen. Takis Würger gelingt es, unterschiedlichste Emotionen zu transportieren und die so unterschiedlichen Charaktere sehr liebevoll zu beschreiben, sodass sie mir als Leserin schnell ans Herz gewachsen sind. Mit der Zeit hat bei mir der Sog etwas nachgelassen, ohne dass ich den Roman weniger gern gelesen hätte. Der Schreibstil lässt großartige Bilder entstehen, sodass ich das Lesen genossen habe. Ich hatte das Gefühl, Hannes ganz nah zu sein.

Natürlich handelt es sich bei dem Roman um eine Liebesgeschichte – mit Höhen und vielen Tiefen. Ehrlicherweise sind es aber mindestens zwei Liebesgeschichten, die in diesen Roman verpackt sind: zum einen natürlich die zwischen Hannes und Polina, zum anderen aber auch die zwischen Hannes und der Musik und dem Klavierspielen. Auch wenn ich Liebesromane eher nicht zu meinen bevorzugten Genres zählen würde, hat mich dieser Roman sehr berührt. Er lässt Raum für viele Leidenschaften und macht deutlich, wie tief beispielsweise die Liebe und Leidenschaft zur Musik oder auch zur Literatur sein kann.

„Für Polina“ ist ein stark geschriebener, schöner, berührender Roman, der sich mit der Liebe zwischen Personen, aber auch zur Musik, auseinandersetzt. Besonders hervorzuheben sind die authentisch entwickelten Charaktere, die mir sehr ans Herz gewachsen sind und mich berührt haben.