Jesu Geschichte aus weiblicher Sicht
Die Idee des Buches klang so aufregend, dass ich dem Erscheinen sehr entgegengefiebert habe. Und meine Erwartungshaltung wurde vollends erfüllt.
Die Autorin verfolgt mit ihrem Buch eine ähnliche Idee ...
Die Idee des Buches klang so aufregend, dass ich dem Erscheinen sehr entgegengefiebert habe. Und meine Erwartungshaltung wurde vollends erfüllt.
Die Autorin verfolgt mit ihrem Buch eine ähnliche Idee wie etwa Pat Barkers The Silence of the Girls nämlich das Sichtbarmachen der Stimmen der Frauen bezüglich großer historischer bzw. mythischer Ereignisse. Mit Protagonistin Ana betritt eine Figur die Bühne, die die Geschehnisse rund um das Wirken Jesu einfangen und in einen neuen Kontext rücken.
Dabei gelingt Sue Monk Kidd ein Coup, der das Buch für mich umso lesenswerter macht. Im Mittelpunkt der Geschichte steht nicht Jesus von Nazareth und seine Rolle fürs Christentum oder gar die Frage, ob er der Sohn Gottes ist. Jesus bildet eine Randfigur, der im Roman häufig genau dann nicht präsent ist, wenn ihm in der Bibel die Schwerpunkte zukommen. Und so bleibt nicht nur der Fokus auf Ana als Charakter, sondern das Buch überlässt die Wertungen über Jesus Leben und Wirken eben anderen. So wird der christliche Glaube und seine Auslegung von Jesus Leben außen vor gelassen, er wird hier vielmehr als liebevoller und frommer Ehemann sowie in seiner Beziehung zu seiner Familie dargestellt. Diese Sicht auf ihn war für mich ebenso nachvollziehbar wie die Frage einer möglichen Ehe – genauso hätte es tatsächlich sein können.
Ana ist eine Frau, die nicht in ihre Zeit zu passen scheint, lehnt sie sich doch gegen das Frauen auferlegte Rollenbild auf und verlangt nach Freiheit und eigener Entfaltung. Als sie verheiratet werden soll, scheint es fast so, als würde sie gegen die gesellschaftlichen Konventionen nicht ankommen. Doch ihre Eigeninitiative verhelfen ihr zu persönlichem Glück. Ihr heftiger Wunsch, nicht als ungehörte Stimme in der Geschichte zu verblassen sondern etwas von sich zu hinterlassen, zeigt sich am deutlichsten in ihrem Wunsch zu schreiben. Und so ist es auch diese Sehnsucht, die den Leser fesselt und gemeinsam mit ihr hoffen lässt, dass sich ihr Wunsch erfüllt. Ana zeigt auf, dass das Thema Emanziption und Teilhabe sowie eigene Verwirklichung nicht erst in der modernen Zeit aktuell ist sondern Frauen seit langer Zeit für ihre Rechte und Wünsche einstehen müssen.
Ein Buch, dass mich zutiefst berührt und beschäftigt hat – Ana ist eine inspirierende Heldin, der ich gerne mein Gehör geschenkt habe. Ein Buch, dass ich vorbehaltlos empfehlen kann und dass hoffentlich viele Leser erreichen wird.