Der neue Roman der Buchpreisträgerin Antje Rávik Strubel: Federleicht und messerscharf
An einem frühen Morgen steht Hella Karl am Briefkasten und liest die Meldung, die sie aus der Bahn werfen wird: Der Star der Berliner Theaterszene und Gravitationszentrum der Kulturwelt hat sich das Leben genommen. Hella Karl, Feuilletonchefin einer großen Zeitung, ist nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen und glaubt, alles im Griff zu haben. Doch sie hat einen folgenreichen Artikel über den gefeierten Mann verfasst – und jetzt wird sie für seinen Tod verantwortlich gemacht. Ist er an sich selbst gescheitert, oder hat Hella Karl ihn in den Tod geschrieben?
»Der Einfluss der Fasane« erzählt heiter und packend von einer, die die Kontrolle verliert. Von den Erregungsdynamiken, die sich, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr steuern lassen. Ein leichtfüßiger Roman über schwere Vorwürfe, das Ringen um Worte und über das Unheil von medialen Diskursen.
Kai Hochwerth, eine Berühmtheit in der Theaterwelt, hat sich hinter der Kulisse der Oper in Sydney das Leben genommen. Die Kulturwelt ist geschockt, genauso wie Hella Karl, die in diesen Fall verstrickt ...
Kai Hochwerth, eine Berühmtheit in der Theaterwelt, hat sich hinter der Kulisse der Oper in Sydney das Leben genommen. Die Kulturwelt ist geschockt, genauso wie Hella Karl, die in diesen Fall verstrickt ist, denn sie hat einen überaus kritischen Bericht über Hochwerth geschrieben.
Im Laufe der Handlung kommen immer mehr Details ans Licht. Hochwerth rückt dabei immer weiter von seiner Opferrolle ab und erscheint vor seinem Tod als Täter. Erpressung und sexuelle Ausnutzung in seinem Berufsumfeld stehen zur Debatte. Das Für und Wieder werden gegeneinandergestellt. Und auch das Umfeld von Hochwerth kommt in dieser moralischen Betrachtung nicht allzu gut davon.
Der Titel sowie das Cover sind etwas irreführend, denn die Fasane sind allenfalls Statisten am äußersten Rand der Handlung.
Insgesamt ein durchaus interessantes und klug aufgebautes Thema. An manchen Stellen hatte ich das Gefühl, dass der rote Faden der Geschichte kurzzeitig aus dem Blick gerät, z.B. bei der angeblichen Flucht Ts. in ein Kloster. An anderen Stellen hätte ich mir einen tieferen Einblick in das Geschehen gewünscht.
Hervorragend geschriebene Bücher, solche von Autorinnen und Autoren, die Buchpreise gewinnen, zeichnen sich meist durch ihre Vielschichtigkeit aus. Sie wirken emotional und intellektuell noch länger nach, ...
Hervorragend geschriebene Bücher, solche von Autorinnen und Autoren, die Buchpreise gewinnen, zeichnen sich meist durch ihre Vielschichtigkeit aus. Sie wirken emotional und intellektuell noch länger nach, bieten Stoff für tiefgehende Diskussionen, bilden und regen zum Nachdenken an. Manchen dieser Bücher gelingt es dann auch noch, zusätzlich angenehm und unterhaltsam zu lesen zu sein.
"Der Einfluss der Fasane", das neue Buch der Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2021, Antje Rávik Strubel, ist so ein Buch. Vordergründig liest sich die Geschichte leicht, schnell und unterhaltsam, doch regt sie gleichzeitig tief zum Nachdenken und Diskutieren an.
Worum geht es? Hella Renata Karl hat beruflich im Leben viel erreicht, sie ist Feuilletonchefin einer großen Zeitung und bewegt sich souverän auf dem gesellschaftlichen Parkett. Bei einer lieblosen Mutter in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen, hat sie den großen Aufstieg geschafft: eine intelligente, selbstbewusste und erfolgreiche Frau. Doch nun ist ihre Position bedroht: sie hat aufgedeckt, dass ein beliebter Theaterdirektor, Kai Hochwerth, seine Geliebte geschwängert hatte und diese zur Abtreibung drängen wollte, und darüber einen Artikel verfasst. Kurz darauf nimmt sich der Beschuldigte das Leben, und die Medienlandschaft und das Internet fallen über Hella her und meinen, in ihr die Schuldige für den Suizid gefunden zu haben. Sie bekommt anonyme Drohungen und wird beruflich von ihrem Posten erst einmal auf unbestimmte Zeit beurlaubt.
Soweit zur wichtigsten Rahmenhandlung. Wirklich interessant an diesem Buch finde ich aber die Psychogramme sowohl Hellas als auch des Verstorbenen und weiterer sich im beruflichen Umfeld zwischen Theater und Medien bewegender Menschen. Das Buch zeichnet ein deutliches Bild der Scheinwelt, die gerade in höheren gesellschaftlichen Kreisen herrscht: wie wichtig Status, Auftreten und der schöne Schein sind und wie schnell man nach einem scheinbar kleinen Fauxpas sehr tief fallen kann... das betrifft sowohl Hella als auch Hochwerth.
Überhaupt spiegeln sich beide sehr stark ineinander, Hochwerth ist ein offenkundiger Narzisst, der andere Menschen für seine Zwecke ausnützt, auch sexuell, und manipuliert, während sich Hellas narzisstische Tendenzen erst auf den zweiten Blick offenbaren. Doch erlebt man ihre Gedanken und Handlungsmotive mit, so wie wir das als Lesende des Buches können (denn das ganze Buch ist aus ihrer Innenperspektive geschrieben), so erleben wir sie als eine vom Wunsch nach Erfolg und Status Getriebene mit gleichzeitig instabilem Selbstwert, die mit anderen Menschen nur oberflächliche Beziehungen eingeht, zu wahrer Intimität kaum fähig ist, und ebenfalls dazu neigt, andere auf ihre Funktion für sich zu reduzieren. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die beiden sich durchaus sympathisch waren... zumindest bis zu Hellas Artikel über Kai Hochwerth.
Besonders interessant finde ich an dem Buch aber nicht nur die Frage, ob und in welchem Ausmaß diese beiden nun narzisstisch sind oder nicht, sondern die weitergehende Perspektive, inwieweit das Milieu, in dem sie sich bewegen, Narzissten regelrecht anzieht, heranzieht und fördert bzw. gewisse Persönlichkeitstendenzen in diese Richtung möglicherweise sogar erforderlich sind, um eine solche Karriere zu machen. Auch das wird in dem Buch sehr anschaulich dargestellt, wie ich finde. Somit regt es auch zur Reflexion über die Wechselwirkung zwischen individueller Persönlichkeitsentwicklung und dem jeweiligen Milieu an, genauso wie darüber, welche Werte wir in unserer medien- und darstellungszentrierten Gesellschaft fördern (möchten) und welche nicht.
Damit ist es insgesamt ein nicht nur angenehm lesbares und unterhaltsames, sondern auch sehr intelligentes und tiefgründiges Buch, das ich allen Interessierten sehr empfehlen kann.
"Der Einfluss der Fasane" wurde von der Buchpreisträgerin Antje Rávik Strubel geschrieben.
Hella Karl steht im Morgenmantel am Briefkasten und liest in der Zeitung, dass der Star der Berliner Theaterszene ...
"Der Einfluss der Fasane" wurde von der Buchpreisträgerin Antje Rávik Strubel geschrieben.
Hella Karl steht im Morgenmantel am Briefkasten und liest in der Zeitung, dass der Star der Berliner Theaterszene sich das Leben genommen hat, kurz nachdem sie einen Enthüllungsartikel über ihn geschrieben hat. Nun wird sie verantwortlich für seinen Suizid gemacht, obwohl die Hintergründe seiner Tat noch gar nicht klar sind.
In diesem Chaos versucht Hella Karl die Nerven nicht zu verlieren, doch zunehmend verliert sie die Kontrolle über ihr eigenes Leben. Dabei im Mittelpunkt die Medien, die teils kopflos agieren und stark polarisieren, um schnellst möglich Nachrichten zu verfassen und an den Leser zu bringen. Die Medien die Hella selbst gut zu steuern weiß, richten sich plötzlich gegen sie und ein Kampf entflammt. Doch wird ihr immer mehr der Einfluss genommen und sie muss sich letztendlich ihrer Machtlosigkeit stellen, auch wenn sie immer noch versucht den Schein zu wahren. Doch schon bald passiert in ihrem Privatleben auch schnell sehr viel und ihr Berufschaos färbt auf ihr Privatleben ab. Auf dem Höhepunkt ihres Scheiterns hinterfragt sie sich selbst, ihre Entscheidungen und ihre Vergangenheit. Viele Entscheidungen die sie zu dem gemacht haben wer sie heute ist, doch auch eben zu dieser Person die nun gescheitert ist.
Schritt für Schritt enthüllt die Autorin das Verhältnis zwischen dem Toten und Hella. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, wie gut die beiden sich gekannt haben und was für eine Person der Tote tatsächlich war? Das Mitleid für ihn und für seine Witwe löst sich nach und nach immer weiter auf und es kommen allerhand prekäre Informationen ans Tageslicht. Auch der Suizid wirft immer mehr Fragen auf, als dass diese beantwortet werden.
Antje Rávik Strubel hat einen leichten und doch einnehmenden Schreibstil. Gekonnt eröffnet sie nach und nach Informationen, die nicht zu viel verraten und so die Aufmerksamkeit erhöhen. Immer wieder stehen auch die Medien im Fokus und wie man diese auch kritisch Hinterfragen muss.
„Der Einfluss der Fasane“ ist ein toller Roman mit einer modernen und kritischen Sicht auf die Medien. Mir hat dieser Roman sehr gefallen, daher gibt es von mir eine klare Leseempfehlung.
Hella Karl arbeitet seit zwölf Jahren in Berlin für die Abendpost, davon sieben als Leiterin des Feuilletons. Als sie die Nachricht erreicht, dass sich der Theaterintendant Kai Hochwerth in Sydney während ...
Hella Karl arbeitet seit zwölf Jahren in Berlin für die Abendpost, davon sieben als Leiterin des Feuilletons. Als sie die Nachricht erreicht, dass sich der Theaterintendant Kai Hochwerth in Sydney während eines Opernauftritts seiner Frau hinter den Kulissen das Leben genommen hat, ist sie nicht sonderlich erschüttert, fand sie ihn doch alles andere als sympathisch. Sie verfasst einen Nachruf und betrachtet das Thema als journalistisch verarbeitet. Doch dann werden Stimmen laut, die behaupten, dass Hella eine Mitschuld an seinem Tod trägt: Sie ist es, die vor einiger Zeit den Artikel „Intendant treibt Schauspielerin zur Abtreibung“ verfasst hat, was dazu geführt hat, dass Hochwerth zur Kündigung gedrängt wurde. In einem auf den Suizid folgenden Interview macht Hella keine gute Figur. Während sie versucht, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und nicht glaubt, etwas falsches getan zu haben, muss sie feststellen, dass nun sie es ist, die gecancelt werden soll.
Zu Beginn des Romans erfährt Hella vom Suizid Hochwerths in Sydney. Sie rekapituliert die erste unangenehme Begegnung mit ihm bei einer Theaterpremiere kurz nach ihrem Amtsantritt als Feuilletonchefin. Die berufliche Beziehung der beiden hatte ihre Höhen und Tiefen, doch sonderlich sympathisch ist er Hella nie geworden. Dabei sagt sie in der Selbstreflektion, dass sie sich oft Männern näher fühlt als Frauen. Im Rahmen der #MeToo-Debatte hat sie Männern eine Plattform zur Gegendarstellung gegeben und sich in Funk und Fernsehen gegen den Trend des Verurteilens und Cancelns ausgesprochen. Nun soll ihr ausgerechnet ein Artikel, in dem sie Hochwerth Machtmissbrauch vorwirft, weil er zu einer Schauspielerin „Sieh zu, dass du das wegmachen lässt“ gesagt hat, zum Verhängnis werden.
Der Roman ist gänzlich aus der Perspektive von Hella geschrieben. Sie gibt sich nüchtern und distanziert, nichts scheint sie aus der Ruhe bringen zu können. Erst als der Sturm, der sich allmählich zusammenbraut, nicht nachlässt, und auch ihr Privatleben aus dem Takt gerät, beginnt sie, ihre Entscheidungen stärker zu reflektieren. War es richtig, sich bei den Vorwürfen gegen Hochwerth auf die Seite der Schauspielerin zu stellen und die Anschuldigungen als Erste mit solch einem reißerischen Artikel zu veröffentlichen? Oder ist sie tatsächlich zu weit gegangen? Darüber geriet auch ich als Leserin ins Grübeln. Auf den letzten Seiten gibt es schließlich überraschende Entwicklungen, welche mir nochmals neuen Stoff zum Nachdenken gaben und die Lektüre nachhallen lassen. Für mich ist „Der Einfluss der Fasane“ ein gelungener Roman zur Cancel Culture und ihren Konsequenzen, bei dem die Anklägerin zur Angeklagten wird.
Hella Karl ist eine erfolgreiche Journalistin - seit Jahren leitet sie das Feuilleton einer großen Berliner Zeitung und kann sich seit Jahren immer noch selbst in die Augen sehen: sie ist stolz darauf, ...
Hella Karl ist eine erfolgreiche Journalistin - seit Jahren leitet sie das Feuilleton einer großen Berliner Zeitung und kann sich seit Jahren immer noch selbst in die Augen sehen: sie ist stolz darauf, sich nie zu verbiegen. Doch nun liest sie eine erschütternde Nachricht: ein ehemaliger Berliner Erfolgsregisseur hat sich das Leben genommen. Den Status des Vergangenen hatte er nicht zuletzt ihr, Hella zu verdanken, die im Zusammenhang mit ihm einen Skandal aufgedeckt hatte und ihn dabei nicht schonte, zumal es gegen die Würde einer Frau, nein: viel mehr als das, ging. Sie sieht sich nun selbst einer Hetzjagd ausgesetzt - in unterschiedlicher Art und Weise. Selbst ihr eigenes Blatt wendet sich gegen sie.
Ich bin erstaunt, wie viel Antje Rávic Strubel auf wenig mehr als 200 Seiten erzählen kann - es ist nicht eine Geschichte, es sind mehrere, die diese ausgesprochen dichte Handlung beinhaltet. Ständig fühlte ich mich hin- und hergerissen, habe mich gefragt, ob Hella Karl durchgehend im Recht ist/war? Oder sind es diejenigen - und es sind nicht wenige - die ihr die Schuld an diesem Ereignis zuweisen. Oder sind es alle zusammen? Ein sehr eindringlicher, bildreicher Roman, an dem ich fast gar nichts auszusetzen hatte. Außer dem vielen Sex, der einfach nicht meins ist - ein Sinnbild für Hahnen- und Hennenkämpfe? Wohl eher für die von Fasanen. Tolle Literatur, spannender als jeder Krimi - Hat Hella Rufmord betrieben oder ist sie selbst ein Opfer?
Ein sprachgewaltiger, intensiver, fordernder und in jeder Hinsicht lohnenswerter Roman.