Roman | "Ein Meister der autofiktionalen Prosa." MDR Unter Büchern
»Es gibt Menschen, die sind geborene Geschichtenerzähler. Christian Berkel ist so einer.« emotion
»Ich schloss die Augen. Minutenlang schlug mein Herz bis zum Hals. Ich lebte in einem Schloss in Frankreich, es gab vorzügliche Speisen, ein Pierrot deckte den Tisch und räumte ihn wieder ab. Ich hatte zwei Brüder gewonnen, dazu sechs Hunde in einem verwilderten Park.«
Mitreißend und berührend erzählt Christian Berkel den Roman seiner Kindheit und Jugend: eine Geschichte über die Zerrissenheit, den Aufbruch und das Abnabeln – und nebenbei eine Hommage an die Literatur, die Freundschaft und die Liebe.
In diesem dritten Teil über die Familiengeschichte Christian Berkels geht es hauptsächlich um ihn selbst. Autobiografisch angehaucht erleben wir den starken Beginn seines Lebens. Wie er im Mutterleib zu ...
In diesem dritten Teil über die Familiengeschichte Christian Berkels geht es hauptsächlich um ihn selbst. Autobiografisch angehaucht erleben wir den starken Beginn seines Lebens. Wie er im Mutterleib zu wachsen beginnt, wie er bei der Geburt in Atemnot gerät, wurde sehr stark und anschaulich erzählt. Er bekam den Spitznamen Sputnik, da kurz vor seiner Geburt der russische Satellit Sputnik für Furore sorgte. Seine Eltern und seine Schwester Ada, über deren Leben in den vorherigen Bänden umfangreich berichtet wurde, werden, damit man problemlos ohne die anderen Bücher zu kennen der Handlung folgen kann, kurz vorgestellt. Wir erleben die Kindheit und Jugend bis zu den ersten Auftritten als Schauspieler mit, seine Zerrissenheit in allem nur halb zu sein, seine selbst gewählte Schulzeit in Paris, seine erwachende Sexualität und die erste Liebe. Der Wunsch, Schauspieler zu werden wurde von der kunstsinnigen Mutter früh durch das Hören von Schauspielplatten gefördert und so setzt er alles daran in Paris Theaterschauspieler zu werden. Er spricht perfekt französisch, doch seine Muttersprache lässt sich nicht verleugnen und er kehrt nach Deutschland zurück.
Der Roman beleuchtet einerseits das Leben Christian Berkels, andererseits erleben wir die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland mit. Die Verdrängung der Nazizeit bis zur RAF wird uns anhand dieser Familie wie ein Spiegel vorgehalten. Ernsthaft und humorvoll, bildgewaltig geschrieben.
Obwohl Christian Berkel darauf hinweist, dass es sich bei „Sputnik“ um einen fiktiven Roman handelt, sind die Parallelen zu seinem eigenen Leben und somit die autobiografischen Züge unverkennbar. Es bleibt ...
Obwohl Christian Berkel darauf hinweist, dass es sich bei „Sputnik“ um einen fiktiven Roman handelt, sind die Parallelen zu seinem eigenen Leben und somit die autobiografischen Züge unverkennbar. Es bleibt nur die Frage nach dem Mischungsverhältnis zwischen Fiktion und Autobiografie offen.
In einer gefühlvollen Coming of Age Geschichte mit Tiefgang schildert der Autor das Leben des jungen Sputnik – und zwar bereits ab der Zeugung (!) - bis über die (Früh-)Pubertät hinaus zum jungen Mann. Immer wieder werden dabei seine innerliche Zerrissenheit und sein Gefühlschaos deutlich. Da sind einerseits die Traumata der Eltern aus dem Krieg (die jüdische Mutter verlor Teile ihrer Familie im Konzentrationslager und war selbst lange auf der Flucht). Andererseits das eigene Hin- und Hertaumeln zwischen unerfüllter Liebe, dem Traum von der Schauspielerei, dem oft nicht leichten Schulalltag und dem unbeschwerten und teils ausschweifenden Leben als Austauschschüler in Frankreich. Christian Berkel gelingt es als Autor ebenso gut wie in seinen Rollen als Schauspieler die Leser mitten hinein tauchen zu lassen in die jeweiligen Szenen, die er sehr passend und ausdrucksstark schildert.
Mir hat es sehr gefallen den jungen Sputnik bei seiner rasanten Entwicklung zu begleiten. Am Ende beschäftigt mich jedoch immer noch die Frage wieviel Christian Berkel denn tatsächlich in Sputnik steckt.
Christian Berkel ist mir natürlich als Schauspieler aus zahlreichen Serien und Filmen bekannt. Dass er auch als Schriftsteller tätig ist und mit diesem Werk bereits seinen dritten Roman vorlegt, war mir ...
Christian Berkel ist mir natürlich als Schauspieler aus zahlreichen Serien und Filmen bekannt. Dass er auch als Schriftsteller tätig ist und mit diesem Werk bereits seinen dritten Roman vorlegt, war mir bis vor Kurzem nicht bewusst. Ehrlich gesagt habe ich nur aufgrund seiner Bekanntheit zu diesem Buch gegriffen. Das Cover sprach mich nicht besonders an, und auch der Klappentext verriet mir persönlich zu wenig, um echtes Interesse zu wecken. Umso erfreulicher war die Überraschung, die mich beim Lesen erwartete: Schon nach den ersten Seiten war ich überzeugt. Berkels Schreibstil entspricht genau meinem Geschmack – flüssig, bildhaft und sprachlich sehr gelungen. Die Geschichte entfaltet sich lebendig vor dem inneren Auge, die Formulierungen sind treffend und atmosphärisch dicht. Inhaltlich blickt Berkel autobiografisch auf seine frühe Jugend zurück. Besonders faszinierend ist, wie er die Welt aus seiner damaligen Perspektive beschreibt – mit all den Eindrücken und Wahrnehmungen. Ein eindrucksvolles, feinfühliges Buch über das Erwachsenwerden und die Suche nach Identität. Gut geschrieben und absolut lesenswert!
MEINE MEINUNG
Mit seinen beiden autofiktionalen Romanen „Der Apfelbaum“ und „Ada“ hat sich der bekannte Schauspieler Christian Berkel auf ein sehr ambitioniertes und zutiefst persönliches Projekt eingelassen, ...
MEINE MEINUNG
Mit seinen beiden autofiktionalen Romanen „Der Apfelbaum“ und „Ada“ hat sich der bekannte Schauspieler Christian Berkel auf ein sehr ambitioniertes und zutiefst persönliches Projekt eingelassen, das uns tief in die eindrucksvolle und bewegende Geschichte seiner Familie eintauchen lässt. Sehr eindrucksvoll hat er seine Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte und seinen persönlichen Erfahrungen mit den dramatischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts und der deutschen Zeitgeschichte verwoben.
Mit „Sputnik“, dem dritten Band seiner Familien-Trilogie, knüpft Berkel an sein bisheriges Werk an und nimmt nun seine eigene Biografie zum Ausgangspunkt, um auf die prägenden Jahre seiner Kindheit und Jugend zurückzublicken. Er bleibt seinem mitreißenden Erzählstil treu und versteht es erneut, autobiografische Elemente gekonnt mit literarischer Fiktion zu einer abwechslungsreichen, atmosphärisch dichten Geschichte zu verflechten. Aus zahlreichen Erinnerungen und Anekdoten setzt er in seiner faszinierenden Rückschau ein facettenreiches Bild seiner Familiengeschichte und seines persönlichen Werdegangs zusammen.
Mit viel Gespür und erzählerischem Feingefühl berichtet Berkel mal humorvoll, mal melancholisch und bisweilen poetisch von seiner innere Zerrissenheit, dem Aufbruch ins eigene Leben und schließlich dem schmerzhafte Prozess der Loslösung von seiner Herkunftsfamilie. Besonders detailreich und lebendig gelingt es ihm, die besondere Atmosphäre der Nachkriegszeit, das Flair der Pariser Bohème und die deutschen Theaterwelt der 1970er Jahre einzufangen.
Angeregt vom symbolträchtigen Ereignis des 4. Oktober 1957, an dem der erste Satellit Sputnik ins All startet, erhält der kurz darauf geborene Protagonist den Spitznamen Sputnik (russisch für Begleiter). Im ersten Teil des Romans gewährt Berkel aufschlussreiche Einblicke in seine Kindheit in West-Berlin, die von den Erzählungen seiner traumatisierten Mutter Sala geprägt ist. Ihre ganz eigene Sicht auf die Wirklichkeit formt das Familienleben, während die Bücher seines Vaters Otto, ihm eine Welt voller Geschichten eröffnen. Immer wieder stößt Berkel in seinem Umfeld auf das Schweigen über die Verbrechen der NS-Zeit und nimmt als Kind die Spannungen und unausgesprochenen Konflikte innerhalb der Familie sehr sensibel wahr. Er begreift das Leben wie ein großes Theater, in dem jeder eine Rolle zu spielen scheint – für ihn vielleicht die einzige Möglichkeit, die Welt zu verstehen.
Besonders fesselnd ist der 2. Abschnitt, in dem Berkel als Jugendlicher schließlich das Weite sucht und bei einer Gastfamilie in Paris lebt. Frankreich wird für ihn zum befreienden Gegenpol zur Schwere der Familiengeschichte und des kollektiven Traumas. Dort erlebt er eine Zeit voller Leichtigkeit, Freiheit und kulturellen Offenheit und taucht ein in die inspirierende Welt der Literatur, des Theaters, der Musik und der Sprache. Spannend ist es mitzuerleben, wie seine Jugendzeit ihm neue Perspektiven eröffnet und es ihm ermöglicht, sich als Schauspieler auszuprobieren, neue Beziehungen zu knüpfen, die Facetten von Liebe und Begehren zu erforschen und schließlich eine eigene Identität zu finden.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begleiten wir den gereiften Sputnik weiter durch sein bewegtes Leben. An seiner Seite tauchen wir ein in die intellektuelle Szene der 68-Bewegung und erleben die pulsierende, experimentierfreudige Theaterlandschaft der 1970er Jahre, die sich in von revolutionärer Aufbruchstimmung geprägt ist. Wir nehmen Anteil an seiner Suche nach Identität, seinem Austesten von Rollen, neuen Lebensentwürfen und Drogen sowie an der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Inmitten großer gesellschaftlicher und politischer Umbrüche setzt er eingehend mit der deutschen Nachkriegszeit auseinander und reflektiert über Schuld und Verantwortung.
Auch wenn mich im letzten Teil einige, etwas übersteigerte Episoden etwas weniger angesprochen haben, gelingt es Berkel doch mit großem Gespür für Atmosphäre den Bogen zu seinem Einstieg zu schlagen und die zahlreichen Mosaiksteinchen seiner persönlichen Reflexionen und Erinnerungen zu einer bewegenden, lebendigen Gesamtschau zu verdichten.
Seine faszinierende Reise in die Vergangenheit zeigt eindrucksvoll, dass wir ohne das Wissen um unsere Geschichte nie wirklich begreifen können, wer wir sind.
FAZIT
Ein berührendes und vielschichtiges Porträt einer bewegten Zeit und eines bewegten Lebens.
Eine empfehlenswerte Lektüre – auch wenn sie etwas an erzählerische Spannung vermissen lässt und nicht ganz an die Originalität der Vorgängerromane heranreicht.
Am 4. Oktober 1957 wurde der erste künstliche Satellit "Sputnik 1" in die Erdumlaufbahn geschickt. Am selben Tag kam in Westberlin ein Junge zur Welt, scheinbar vertauscht und zurückgetauscht: ...
Am 4. Oktober 1957 wurde der erste künstliche Satellit "Sputnik 1" in die Erdumlaufbahn geschickt. Am selben Tag kam in Westberlin ein Junge zur Welt, scheinbar vertauscht und zurückgetauscht: Sputnik.
Christian Berkel sieht Sputnik wie seinen eigenen Begleiter und erzählt aus seinem Leben bereits vor der Geburt, über die Zeit als Kind und das Erwachsenwerden im Blick auf Berufsausbildung und erste Erfahrungen in Sachen Liebe.
Auch wenn mich Berkels Roman nicht ganz so gepackt hat wie sein erster, so gefallen mir seine Redegewandtheit und sein ganz eigener Schreibstil auch hier.
Die genaue Beschreibung der Geburt mit vielen erdachten Einzelheiten zu Beginn des Romans - oder war es am Ende? - klingen durchaus glaubhaft und nachvollziehbar, und ich habe sie gern gelesen. Der unbedingte Wille, ein guter Schauspieler zu werden, dafür schon in jungen Jahren längere Zeit im Ausland zu leben und vieles zu er-leben, finde ich beeindruckend. Seine Offenheit, gerade auch im Umgang mit Rauschmitteln, ist bewundernswert, wenn auch für mich kaum greifbar.
Rückblickend kann ich nicht mal sagen, warum das Buch mich nicht so richtig gepackt hat. Vielleicht ist es meine fehlende Nähe zum Schauspielerdasein, das sich doch deutlich vom "richtigen Leben" unterscheidet - wobei ich nicht darüber diskutieren möchte, ob nicht das Schauspielerleben das "richtige" sein könnte. Jedenfalls brauche ich eine Menge Fantasie, um mich in das Leben eines (werdenden) Schauspielers hineinversetzen zu können.