Cover-Bild Und alle so still
(25)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Rowohlt
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 368
  • Ersterscheinung: 16.04.2024
  • ISBN: 9783498002985
Mareike Fallwickl

Und alle so still

Ein großer feministischer Gesellschaftsroman über Widerspruchsgeist und Solidarität 

An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. Hier kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, der etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, der die Schule abgebrochen hat und versucht, sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, die als Pflegefachkraft im Krankenhaus arbeitet und deren Pflichtgefühl unerschöpflich scheint.

Es ist der Beginn einer Revolte, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie immer getan haben. Plötzlich steht alles infrage, worauf unser System fußt. Ergreifen Elin, Nuri und Ruth die Chance auf Veränderung?

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.04.2024

Die Wegwerfmenschen - Nicht gehört, nicht gesehen, nicht geachtet

0

Elin, Ruth, Alma, Nuri. Vier Personen und jede leidet auf jeweils eigene Art unter den patriarchalen Strukturen, der Diskriminierung und Ausbeutung in der Gegenwartsgesellschaft. Während die junge Elin ...

Elin, Ruth, Alma, Nuri. Vier Personen und jede leidet auf jeweils eigene Art unter den patriarchalen Strukturen, der Diskriminierung und Ausbeutung in der Gegenwartsgesellschaft. Während die junge Elin als Social Media Star an der hohlen Selbstdarstellung zweifelt und Nähe und Anerkennung in kurzen sexuellen Abenteuern sucht, bekommt Nuri jeden Tag zu spüren, was es als Arbeiterkind mit Migrationshintergrund bedeutet zu den nicht privilegierten Klassen in der modernen kapitalistischen Dienstleistungsökonomie mit zum Teil nicht mal rudimentärer sozialer Absicherung zu gehören. Ruth wiederum bekommt als Krankenpflegerin täglich die Konsequenzen eines Gesundheitssystems zu spüren, in dem echte Fürsorge und menschenwürdige Pflege nicht honoriert wird, im Gegenzug jedoch das Sparen auf Kosten von Patient:innen und dem Personal. Der Personalmangel in der Pflege wird so mit allen Konsequenzen für Patientinnen und Pflegekräfte bildlich herausgearbeitet.

Was die Protagonist:innen eint ist Einsamkeit und eine Verzweiflung an den Zumutungen, die dieses System an jeden einzelnen von ihnen und letztlich uns alle stellt. Doch wie dem entkommen? Wie kann Veränderung gelingen? Die Autorin skizziert im Roman hierzu ein mögliches Szenario und setzt dieses auch sprachlich hervorragend um.

Gekonnt buchstabiert Mareike Fallwickl die Bedeutung von Systemrelevanz literarisch aus und führt uns damit vor Augen was tatsächlich passiert, wenn all die als selbstverständlich wahrgenommenen Tätigkeiten von Frauen im Privaten wie im Beruflichen nicht erledigt werden. Dabei beweist sie einen sensiblen Blick nicht nur auf Sexismus und Misogynie sondern ebenso auf all die Zumutungen eines harten Arbeiter:innenlebens.

Und alle so still - ist das Gegenteil seines Titels, denn still ist dieser aufwühlende, emanzipatorische Roman sicher nicht! Und das ist genau richtig!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.04.2024

Bestechend klug!

0

Meine Meinung:
Mareike Fallwickl hat einen ganz außergewöhnlichen Schreibstil, den man in meinen Augen kaum mit einem anderen vergleichen kann. Sie schafft es gerade eben durch diesen Stil, durch diese ...

Meine Meinung:
Mareike Fallwickl hat einen ganz außergewöhnlichen Schreibstil, den man in meinen Augen kaum mit einem anderen vergleichen kann. Sie schafft es gerade eben durch diesen Stil, durch diese Direktheit und Anfassbarkeit auf den Leser eine unglaubliche Aktualität und Emotionalität zu übertragen, die in meinen Augen etwas ganz besonderes ist.
Denn zunächst war ich eigentlich doch eher skeptisch, denn der Klappentext des Romas lässt eine Thematik vermuten, die sich irgendwo zwischen Feminismus und Klimakrise ansiedelte und dabei hatte ich Angst, dass dieses Buch zu sehr mit dem "erhobenen Zeigefinger" agieren würde.
Doch die Autorin schafft es ganz im Gegenteil, einen bestechend klugen und innovativen Roman zu erzählen, der zwar dem Leser die aktuellen Probleme und Themen vor Augen führt, dies aber auf eine solch kluge und zum Nachdenken anregende Art, ohne dabei wie ein Schulbuch oder Infolektüre zu wirken.
In meinen Augen ein höchst gelungener Roman, der alles hat was es benötigt um den Leser bestens zu unterhalten und auch ein wenig wachzurütteln.

Veröffentlicht am 29.04.2024

Ein schweigsamer Protest

0

Was wäre, wenn Frauen kollektiv streiken würden? Wenn Care-Arbeit einfach einmal nicht verrichtet werden würde? Das passiert an einem Sonntag im Juni, als Frauen reglos auf der Straße liegen. Dabei kreuzen ...

Was wäre, wenn Frauen kollektiv streiken würden? Wenn Care-Arbeit einfach einmal nicht verrichtet werden würde? Das passiert an einem Sonntag im Juni, als Frauen reglos auf der Straße liegen. Dabei kreuzen sich die Wege von Elin (Anfang 20), Nuri (19) und Ruth (Mitte 50)…

„Und alle so still“ ist ein Roman von Mareike Fallwickl.

Meine Meinung:
Erzählt wird im Präsens aus den Perspektiven von Elin, Nuri und Ruth, jeweils in eigenen Kapiteln. Zudem ist der Roman durch die genannten Wochentage strukturiert. Die kreativen Zwischenkapitel haben mir ebenfalls gefallen.

In sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman beeindruckt. Er ist sehr bildhaft, stellenweise fast poetisch, und eindrücklich. Dennoch wirkt die Sprache nicht gekünstelt, sondern nah am Zeitgeist und authentisch.

Die interessanten Charaktere werden realitätsnah und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Zwar sind sie nicht durchweg sympathisch. Ich mochte es jedoch, dass die Figuren über Ecken und Kanten verfügen.

Aus inhaltlicher Sicht halte ich den Roman für einen wichtigen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Debatte. Es geht um feministische Anliegen, vor allem die Bedeutung und Geringschätzung von Care-Arbeit. Das Gedankenexperiment des Generalstreiks der Frauen ist eine reizvolle und provokante Romanidee, und dabei nicht völlig abwegig. Die Umsetzung mag zum Teil etwas plakativ und überzogen sein. Darüber sehe ich aber gerne hinweg, denn die Geschichte hat mich sowohl bewegt als auch zum Nachdenken angeregt.

Auf rund 360 Seiten hat die Geschichte zudem weitere Aspekte zu bieten, die für Spannung, Überraschungen und Schockmomente sorgen. Beim Lesen kommt daher keine Langeweile auf.

Das grafische, moderne Cover spricht mich zwar nicht besonders an. Den Titel empfinde ich hingegen als besonders gut gewählt.

Mein Fazit:
Mit „Und alle so still“ ist Mareike Fallwickl erneut ein Roman gelungen, der nicht nur unterhält, sondern auch Aufmerksamkeit für ein bedeutsames Thema schafft. Eine Lektüre mit feministischen Impulsen, die mich auf sprachlicher Ebene ebenfalls überzeugen konnte und ich daher wärmstens empfehlen kann.

Veröffentlicht am 27.04.2024

Stillstand durch Verweigerung

0

Elin ist 21 Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter Alma in deren eigenem Wellnesshotel. Für sie bestand ihre Familie immer nur aus ihnen beiden. Doch dann bittet Alma sie, zu ihrer Oma Iris zu fahren, die ...

Elin ist 21 Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter Alma in deren eigenem Wellnesshotel. Für sie bestand ihre Familie immer nur aus ihnen beiden. Doch dann bittet Alma sie, zu ihrer Oma Iris zu fahren, die sie nie kennengelernt hat. Diese hat sich mit anderen Frauen vor das Krankenhaus gelegt. Die Aktion sorgt für Irritation - gegen was oder wofür sind die Frauen? Was sind ihre Forderungen? Doch die Beteiligten äußern sich nicht dazu. Nicht nur Elin wird Zeugin der Aktion, sondern auch die Pflegerin Ruth, Elins Tante, und der neunzehnjährige Nuri, der zahlreiche Aushilfsjobs hat, um seine Arztrechnungen bezahlen und eines Tages in eine eigene Wohnung ziehen zu können.

Zu Beginn des Romans lernte ich die drei Protagonist:innen näher kennen. Elin ist eine erfolgreiche Influencerin, doch die zahlreichen Hasskommentare machen ihr zu schaffen. Sie leidet unter Panikattacken und die hohe Zahl ihrer sexuellen Kontakte mit Besuchern des Hotels bereitet ihrer Therapeutin Sorgen. Bei einer dieser Begegnungen passiert etwas, von dem sie nicht sicher ist, ob es Gewalt war. Doch bevor sie weiter darüber nachdenken kann wird sie zu ihrer Oma geschickt, deren Verhalten Fragen aufwirft.

Ruth arbeitet in dem Krankenhaus, vor das ihre Mutter sich mit den anderen Frauen legt. Sie möchte ihre Arbeit gut erledigen, doch es gibt so viel zu tun, dass sie bis zur Erschöpfung und darüber hinaus arbeitet und trotzdem nicht alles schafft, was zu tun wäre. Im Krankenhaus begegnet sie auch Nuri, der keinen Schulabschluss hat und daher diverse Jobs im Niedriglohnsektor hat - Barkeeper, Reinigungskraft, Bettenschubser, Essenslieferant - um sich finanziell über Wasser zu halten.

Schnell war ich mittendrin in der Geschichte und gespannt darauf, welche Reaktion die stille Revolte der Frauen auslöst. Der Geist der Aktion verbreitet sich und plötzlich verweigern überall Frauen die Arbeit. Der Autorin gelingt es damit eindrucksvoll, den Wert von Care Arbeit zu verdeutlichen und was das plötzliche Wegbrechen für Konsequenzen hätte. Auch die katastrophalen Zustände in Pflegeberufen und im Niedriglohnsektor sind Teil des Romans. Der starke Zusammenhalt der Frauen hat mir gut gefallen und mit Nuri hat die Geschichte einen männlichen Charakter, der sich nicht dem männlichen Rollenklischee entsprechend verhalten möchte.

Nicht alles wird auserzählt, die Geschichte setzt auf intensive Szenen und überlässt es den Leser*innen, sich das restliche Geschehen genauer auszumalen. Für mich ist "Und alle so still" ein feministischer Gesellschaftsroman, der gelungen aufzeigt, welche Konsequenzen eine kollektive Verweigerung der Frauen hätte und der zum Nachdenken ebenso wie zur Diskussion einlädt.

Veröffentlicht am 26.04.2024

Ein absolutes Muss!

0

Die Frauen legen sich hin, auf die Straße, vor Krankenhäuser, Kindergärten, und stehen nicht mehr auf. Sie hören auf mit der Carearbeit, mit den selbstverständlich von Frauen ausgeführten Tätigkeiten, ...

Die Frauen legen sich hin, auf die Straße, vor Krankenhäuser, Kindergärten, und stehen nicht mehr auf. Sie hören auf mit der Carearbeit, mit den selbstverständlich von Frauen ausgeführten Tätigkeiten, ohne laut zu werden oder Forderungen zu stellen - einfach, weil sie nicht mehr können.
So lernt Elin ihre Großmutter kennen und erfährt zum ersten Mal Solidarität unter Frauen. Ihre Tante Ruth wäre gern dabei, würde sich am liebsten dazulegen, aber als Pflegefachkraft im Krankenhaus wird sie nun noch mehr gebraucht als vorher, um das kollabierende System irgendwie aufrecht zu erhalten, und ohne Rücksicht auf sich selbst. Und da ist Nuri, gefangen am Existenzminimum und unter der toxischen Männlichkeit leidend, stellt er sich als Mann hinter die Frauen.
Mareike Fallwickl hat mit „Und alle so still“ den Roman unserer Zeit geschrieben. Sie drückt auf die blauen Flecken, die den Frauen immer wieder zugefügt werden, durch Druck, durch Erwartung, durch Gewalt. Sie schreibt über die Themen, die wenig Öffentlichkeit bekommen oder einfach nicht berücksichtigt werden; die abgewunken und mundtot gemacht werden, weil es doch läuft.
Mit „Die Wut, die bleibt“ hat sie 2022 einen famosen Auftakt geliefert, „Und alle so still“ ist die Ergänzung. Die beiden Romane greifen ineinander, bestehen aber auch eigenständig. Und es ist bemerkenswert, wie sehr sich Mareike Fallwickl von Roman zu Roman steigert. Etwas, was unmöglich scheint, denn ihr Niveau und ihr Handwerk sind bereits on top, wie kann sie da immer noch besser werden? Mit Elin, Ruth und Nuri erzählt sie eine Geschichte, die so tief berührt, dass unweigerlich Tränen fließen, und ist nicht so weit entfernt von unserer Lebensrealität, wie manche glauben mögen.
Mareike Fallwickl ist eine Meisterin der zeitgenössischen Literatur und nicht nur schriftstellerisch ein absolutes Vorbild. Ich hoffe, sie selbst, ihre Worte und ihre Werke, bekommen die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.