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Veröffentlicht am 03.05.2023

Grandiose Fortsetzung einer fantastischen SciFi-Reihe

Cytonic - Unendlich weit von Zuhause
1

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Ich habe bereits ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Ich habe bereits in meinen Rezensionen zu den beiden Vorgängerbänden die Gestaltung des Verlags gelobt, und kann auch hier nichts Neues sagen. Mir gefällt der Stil der Reihe unheimlich gut, mit dem Augenpaar, das den Betrachter jedes Mal aus einem unterschiedlichen Blickwinkel aus dem Sternenhimmel heraus ansieht. Man erkennt sofort, dass es sich hierbei um SciFi handeln muss und dass der Inhalt wohl im All spielt.
Die Innenklappen sind im gleichen Stil gehalten wie das Cover, nur zieren die vordere und hintere Klappe jeweils ein gut gewähltes Zitat aus dem Buch.
Der Untertitel – den Titel hat der Verlag auch dieses Mal aus dem Original übernommen – passt ebenfalls wunderbar auf den Inhalt.


Meine Meinung:
Wieder einmal sitze ich vor einer Rezension, bei der ich nicht wirklich weiß, was ich groß schreiben soll, außer dass das Buch wirklich von der ersten bis zur letzten Seite absolut genial war.

Hauptsächlich liegt das natürlich einfach an Brandon Sanderson. „Cytonic“ ist mein sechstes Buch von ihm, und von jedem einzigen war ich bisher restlos begeistert, so auch von diesem. Er schafft es einfach jedes Mal, genau die richtige Mischung aus Humor, Spannung, Character- und Worldbuilding und Dialogen zu treffen, und damit von Anfang bis Ende zu fesseln.
Auch wenn „Cytonic“ wie seine Vorgänger zwischendurch durchaus düster und auch ein bisschen brutal ist, lockert er durch wahnwitzige, sarkastische Kommentare der Protagonistin Spensa oder etwa die Versuche der KI M-Bot, mit seinen neu gewonnenen Gefühlen umzugehen, die Situation wieder auf, ohne, dass dem Geschehen dadurch etwas an Ernsthaftigkeit verloren geht.
Dadurch ist das Lesen nicht nur unheimlich mitreißend, sondern macht auch noch riesig viel Spaß.

Bereits in meiner Rezension zum ersten Band habe ich das Worldbuilding des Autors ja gelobt, und in der Rezension zur Fortsetzung kam ich gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. Hier müsste ich mich eigentlich noch steigern, aber ich wüsste gar nicht, wie!
Spensa befindet sich hier zusammen mit M-Bot im Nirgendwo, dem Reich der Delver, das sie erkunden muss, um die Gefahr für ihre Heimat abzuwenden und wieder nach Hause zu finden. Dabei ist sie zu Beginn ähnlich ahnungslos wie der Leser, aber ihre Furchtlosigkeit, Intelligenz und ihr Witz sorgen dafür, dass sie sich schnell zurechtzufinden weiß. Dadurch lichtet sich auch für den Leser der Nebel nach und nach und es werden viele Fragen beantwortet, die man sich schon lange gestellt hat.
Endlich bekommt man eine Ahnung davon, was es mit den Delvern und den Cytonikern auf sich hat, und welche Rolle Spensa in zukünftigen Bänden noch spielen wird.
In „Cytonic“ lernt man nicht nur praktisch im Schnelldurchlauf weite Teile der Galaxie kennen, es ist auch noch beeindruckend, wie es Sanderson gelingt, innerhalb einer bereits fortgeschrittenen Reihe auf fast 500 Seiten immer noch Neues zu gelingen, ohne, dass man jemals das Gefühl hätte, dass das, was man gerade liest, zu viel oder zu „abgespaced“ (pun intended) wird. Er schafft es einfach, dass alles, was er schreibt, sich auf so natürliche Weise in die Geschichte einzufügen, dass man gar nichts hinterfragt von dem, was man liest. Man nimmt einfach alles an und lässt sich, ohne es zu merken, vollständig in die Geschichte fallen.


Wie schon in den Vorgängerbänden ist auch hier die Plotdichte unglaublich hoch. Ein Gefecht jagt das nächste, ständig ist Spensa in Gefahr und man weiß zu keinem Zeitpunkt, was als nächstes auf einen zukommt. Trotzdem hat man auf den fast 500 Seiten nicht einmal das Gefühl, dass eine kurze Atempause nötig wäre; Sanderson schafft es eben, wie gesagt, den Leser dauerhaft mit Informationen zu versorgen und bei der Stange zu halten, da er immer den richtigen Ton trifft.

Das Ende ist dieses Mal nicht ganz so fies und mittendrin, wie bei „Starsight“, aber es lässt natürlich trotzdem viele Fragen offen. Dabei hat sich die Geschichte im Verlauf von „Cytonic“ in eine völlig neue Richtung entwickelt, die ich so niemals vorhergesehen hätte, die rückblickend betrachtet aber jetzt als einzig logische Entwicklung erscheint. Zum Ende dieses Bandes werden dabei Dinge angedeutet, die die gesamte Geschichte noch interessanter werden lassen könnten. Ich bin unfassbar gespannt auf alles, was noch kommt!


Das bezieht sich auch auf die Figuren.
Vor allem Spensa und M-Bot sind mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen. Was mich vor allem an der Protagonistin so begeistert, ist, dass sie an jeder ihrer Aufgaben wächst und sich weiterentwickelt. Zu Beginn von „Skyward“ war sie ein junges, lautes Mädchen, das in jeden Kampf stürzt, um sich zu beweisen. Jetzt ist sie zwar immer noch sehr laut und frech, aber sie kennt ihre Stärken und Schwächen und weiß, dass sie sich nicht mehr beweisen muss. Innerhalb der letzten drei Bücher hat sie sich so stark entwickelt, aber ihren Hang zur Dramatik, ihre Liebe zu Geschichten und den großartigen trockenen Humor behalten. Obwohl sie so eine starke Wandlung durchlaufen hat, ist sie immer noch dieselbe Figur; sie bleibt sich trotz allem stets treu, und das macht sie zu einer tollen, greifbaren und nahbaren Protagonistin.

„‚[…] Geschichten erzählen uns etwas über uns und woher wir stammen. Sie erinnern uns daran, dass wir eine Vergangenheit haben, eine eigene Geschichte. Und eine Zukunft.‘“ (S. 103/480)

Aber auch M-Bot macht hier eine spannende Entwicklung durch. Am Ende des zweiten Bandes ist es ihm gelungen, seine Programmierung zu umgehen und Gefühle zu entwickeln. Damit klarzukommen, fällt ihm allerdings verständlicherweise alles andere als leicht, und das sorgt für viele unterhaltsame, aber auch einige herzerwärmende Momente. Es ist verrückt, wie lieb man diese Künstliche Intelligenz gewinnt!

„‚Vielleicht könnte ich diese Drohne ja mit mechanischen Tränendrüsen ausstatten. Dann könnte ich auslaufen, so wie du. Du hast deine Körpersekrete immer schlecht im Griff, wenn du emotional wirst.‘“ (S. 37/480)


Wie auch schon in „Starsight“ spielen hier ansonsten so gut wie keine altbekannten Figuren eine Rolle. Einzig Jorgen begegnet man ab und an auf besondere Weise, wodurch man einen – wenn auch sehr verschwommenen – Blick darauf bekommt, was in Spensas Heimat während ihrer Abwesenheit geschieht.
Ansonsten trifft Spensa auch hier wieder auf viele neue Figuren. Dabei sollte man zunächst vermuten, dass man aufgrund der schieren Menge an Figuren, die einem in dieser Reihe mittlerweile begegnet sind, völlig den Überblick verloren hat, aber das Gegenteil ist der Fall. Obwohl ich „Starsight“ vor ziemlich genau einem Jahr gelesen habe, und mich, bevor ich „Cytonic“ begonnen hatte, an kaum noch etwas erinnern konnte, kamen die Erinnerungen in kürzester Zeit zurück. Ich wusste nicht nur wieder, was inhaltlich alles so geschehen ist (was ja auch nicht gerade wenig ist), sondern auch die Figuren und ihre Rollen innerhalb der Geschichte kamen wieder zurück – und das, obwohl ich mir sonst nie irgendwelche Namen merken kann. Das kann ich mir nur dadurch erklären, dass es Sanderson gelingt, selbst jeder noch so unbedeutend erscheinenden Nebenfigur einen einzigartigen, mehrdimensionalen Charakter zu geben, der sie so lebensecht wirken lässt, dass man sie nur schwer vergessen kann.
So auch hier! Ohne zu spoilern kann ich nicht allzu viel über die neuen Figuren verraten, aber jede einzelne von ihnen hat mich direkt von Beginn an in ihren Bann gezogen und ich war begierig darauf, mehr über sie zu erfahren.


Fazit:
Wie auch schon seine Vorgängerbände ist „Cytonic“ einfach nur grandios.
Brandon Sanderson erzählt hier Spensas Geschichte auf eine Art weiter, die nur logisch erscheint, mit der ich so zu Beginn der Reihe aber niemals gerechnet hätte.
Dabei ist der Input, den man hier, sowohl was neue Welten als auch neue Figuren angeht, riesig, aber man hat trotzdem nie das Gefühl, dass es einem zu viel wird oder überfordern würde. Das ist wohl auch Sandersons Genie geschuldet, der es jedes Mal mit Leichtigkeit schafft, seinen hervorragenden Humor in die actiongeladene Geschichte einfließen zu lassen und damit ein grandioses Universum zu kreieren, das nicht nur die Science Fiction-Fans unter euch kennenlernen sollten!
5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 03.05.2023

Süße friends-to-lovers-feelgood-Romance

Hollywood Ending
1

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das comichafte ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das comichafte Cover spiegelt genau die sommerlichen RomCom-Vibes wider, die auch der Inhalt hergibt.
Man sieht im Vordergrund ein Paar mit Popcorn, das sich eine stilisierte Skyline mit Palmen – offenbar Los Angeles – ansieht wie einen Film. Das passt natürlich wunderbar zum Inhalt, da Nina und Sebastian beide nicht nur große Fans einer Serie sind, die sie zusammen sehen, sondern auch beide am Filmset des Reboots arbeiten. Sebastian ist allerdings, anders als der Mann auf dem Cover, blond.


Meine Meinung:
Allzu viel habe ich gar nicht zu sagen! „Hollywood Ending“ war das perfekte Buch für mich zum Entspannen nach meinem Examen, da es schön leicht geschrieben, sehr humorvoll und teilweise wirklich niedlich ist. Kurz: eine richtige Feelgood-Romance, wie man sie sich vorstellt!

Dabei ist das Buch nicht besonders tiefgründig und auch die Konflikte, denen die Protagonisten sich stellen müssen, sind nicht weltbewegend, aber den Anspruch stellt das Buch auch gar nicht.
Stattdessen beschreibt das Autorinnenduo hier auf nahbare, humorige und nachvollziehbare Weise, wie sich Freunde auseinanderleben können, wie sie sich durch Zufall wiederfinden und wie dann aus einer Freundschaft langsam mehr wird.

„Vielleicht können wir alle, auch ohne die Macht über Mount Signon an uns zu reißen, in das Zeitgefüge eingreifen, wenn uns nur der Luxus vergönnt ist, einen wahren Freund an unserer Seite zu haben.“ (S. 106/384)


Sebastian und Nina stellen sich dabei alltäglichen Problemen, die sie beide zu Figuren machen, in die man sich gut hineinversetzen und deren Gefühle man gut nachempfinden kann. Beide machen Fehler, haben Ecken und Kanten und müssen sich im Laufe der Handlung Herausforderungen stellen, an denen sie wachsen können.
Die Alltäglichkeit der Situationen, in denen sich die beiden befinden, sorgt dafür, dass beide Protagonisten nahbar werden und echt wirken.
Schön fand ich, dass die Kapitel abwechselnd aus Ninas und Sebastians Sicht geschrieben sind, sodass man gut nachvollziehen kann, was sie jeweils über den anderen oder über das aktuelle Geschehen denken, wie sie sich fühlen und wie sie das, was passiert, wahrnehmen. Das gibt beiden für sich, den Gefühlen beider sowie auch der gesamten Geschichte mehr Substanz, als es möglich gewesen wäre, wenn die Geschichte nur aus einer Perspektive erzählt worden wäre.

„Am meisten ist mir aber in Erinnerung geblieben, wie sicher ich mich mit ihm fühlte. Wir kannten uns kaum, aber ich wusste, ich konnte mich in seiner Gegenwart ruhig fallen lassen, konnte albern sein und meinen Rausch ausleben. Ich wusste instinktiv, dass mir mit ihm nichts passieren würde.“ (S. 112/384)


Dazu, dass man sich gut in sie hineinversetzen kann, trägt auch das Fandom-Leben, dem beide sich gewidmet haben, bei. Jemand, der sich selbst einer Fandom verschrieben hat, kann gut nachvollziehen, wie sehr die beiden für „Castles of Rust and Bones“ brennen, und sieht sich in manchen Situationen vielleicht sogar selbst.
Das und auch der trockene Humor Ninas sorgen dafür, dass man hier oft gut lachen kann und dass „Hollywood Ending“ einfach gute Laune verbreitet.


Insgesamt liest man hier aber nichts Bahnbrechendes. Das Buch spielt mit Klischees und Tropes; dementsprechend vorhersehbar ist es natürlich auch, aber unterhalten kann „Hollywood Ending“ trotzdem durchweg. Es ist eben ein Buch zum Abschalten, an das man keine allzu hohen Ansprüche stellen darf.
Mein einziger Kritikpunkt: Vor allem zum Ende hin hätte ich es mir sehr gewünscht, wenn Nina und Sebastian einfach mal wirklich Klartext miteinander geredet hätten, anstatt vor dem Konflikt zu flüchten.


Fazit:
„Hollywood Ending“ ist das perfekte Buch zum Entspannen, da es schön leicht geschrieben, sehr humorvoll und teilweise wirklich niedlich ist. Kurz: eine richtige Feelgood-Romance, wie man sie sich vorstellt!
Viel Tiefgründigkeit kann man nicht erwarten, und vor allem zum Ende hin können die Protagonisten auch mal miteinander Klartext reden, anstatt vor dem Konflikt zu flüchten, aber insgesamt ist das Buch eine sehr niedliche friends to lovers Feelgood-Romance mit hohem Unterhaltungsfaktor über die Bedeutung einer ganz besonderen Freundschaft.
4/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 03.05.2023

Ein Buch, das sprachlos zurücklässt

Die Mitternachtsbibliothek
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Vielen lieben Dank an den Droemer-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Taschenbuch ...

Vielen lieben Dank an den Droemer-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Taschenbuch hat das gleiche Cover wie das Hardcover und das wiederum hat der deutsche Verlag von Canongate Books übernommen. Das finde ich ja immer schön!
Man sieht ein weißes Gebäude, das nach oben hin offen ist und das von innen mit Regenbogenfarben beleuchtet zu sein scheint, links daneben läuft eine kleine weiße Katze. All das spielt sich vor einem dunkelblauen Hintergrund ab, der in den oberen zwei Dritteln mit weißen Punkten gesprenkelt ist, von denen einige Glitzern. Das Ganze soll eindeutig einen Nachthimmel darstellen, was zur Mitternachtsbibliothek natürlich sehr gut passt.
Dass die Bibliothek oben offen ist, und auch die Katze finden sich im Inhalt wieder.
Das Cover ist definitiv ein Hingucker!


Meine Meinung:
Nur anhand des Klappentextes hätte ich das Buch wohl nicht ausgewählt, da es im ersten Moment dadurch, dass erwähnt wird, dass die Protagonistin sich bereits zu Anfang der Geschichte das Leben nimmt, ja doch sehr düster klingt. Aufgrund der vielen begeisterten Stimmen habe ich mich dann aber trotzdem dazu entschieden, „Die Mitternachtsbibliothek“ zu lesen. Und darüber bin ich sehr froh, denn sonst hätte ich jetzt nicht ein neues Lieblingsbuch!
So ganz, was ich hier in dieser Rezension schreiben soll, weiß ich noch gar nicht. Ich habe jetzt einfach angefangen, in der Hoffnung, dass mir im Schreibprozess einfällt, was ich zu dem Buch sagen soll. Am liebsten würde ich euch einfach dieses Gefühl übertragen, das mir dieses Buch beim und auch nach dem Lesen vermittelt hat, da ich schlicht nicht weiß, wie ich es beschreiben soll, aber das geht natürlich nicht.


„Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein Buch, das im ersten Moment so unscheinbar wirkt, dann aber mit jedem Wort mehr berührt und tiefer geht. Matt Haig schreibt hier mit so einer unfassbar puren, reinen Wahrheit, dass man sich gar nicht dagegen wehren kann, dass das Buch ins Herz geht.
Das liegt zum einen ganz klar an dem poetischen, bildhaften Schreibstil des Autors, der so viel zwischen den Zeilen aussagt und mit so wenigen leisen Worten so viele laute Wahrheiten erzeugt.
Er schafft es, dem Leser völlig neue Perspektiven auf die einfachsten, aber auch auf die schwierigsten Aspekte im Leben zu eröffnen. Man denkt über Dinge, über die man sich auch sonst den Kopf zerbricht, intensiv nach, aber aus einem anderen Blickwinkel, und gelangt so zu anderen Schlüssen und neuen Wegen. Zugleich bringt einem Matt Haig dazu, über die Aspekte nachzudenken, die einem so vorher noch gar nicht in den Sinn gekommen sind. Das führt dann wiederum zu neuen Fragen, neuen Antworten und neuen Sichtweisen.

Was „Die Mitternachtsbibliothek“ aber gerade so besonders macht, ist, dass man auf das Leben im Ganzen einen ganz anderen Blick bekommt. Das, was man vorher vielleicht für selbstverständlich oder alltäglich gehalten hat, bekommt beim Lesen dieses Buches einen besonderen Glanz. Man lernt, die Dinge anders wertzuschätzen.
Gleichzeitig betrachtet man die Dinge weniger persönlich, die einem vorher sehr nahegingen und die einen vielleicht sogar eingeengt oder blockiert haben, sondern sieht sie aus der Vogelperspektive mit etwas mehr Distanz.

„An der Natur teilzuhaben, bedeutete, auch am Überlebenswillen teilzuhaben.
Wer zu lange an einem Ort verweilt, vergisst die riesige Ausdehnung der Erde. Er verliert das Gefühl für die Dimension dieser Längen- und Breitengrade. So wie es wohl auch schwierig ist, ein Gefühl für die ungeheuren Dimensionen innerhalb des menschlichen Bewusstseins zu entwickeln.
Spürt man diese Dimensionen jedoch, nachdem sie einem offenbart wurden, keimt Hoffnung auf, ob man will oder nicht, und haftet so hartnäckig am Menschen wie Flechten an einem Felsen.“ (S. 156/320)

Der Autor schafft es, das Einfache schön aussehen zu lassen, und das Schwierige weniger beängstigend. Dass ihm das mit ein paar Tausend Worten auf 320 Seiten gelungen ist, ist einfach nur bemerkenswert.


Dabei hilft ihm auch die Protagonistin Nora Seed. Man lernt sie anfangs als verzweifelte junge Frau kennen, die keinen anderen Ausweg mehr sieht, als ihrem Leben ein Ende zu bereiten. In der Mitternachtsbibliothek trifft sie dann auf Mrs Elm, eine Bibliothekarin, die ihr als Kind bereits durch eine sehr schwierige Zeit geholfen hat, und die ihr jetzt erneut Anstöße gibt, zu sich selbst zurückzufinden und in Bezug auf die Perspektiven auf das Leben den gleichen Prozess zu durchlaufen, wie der Leser.

„‚[…] Und selbst wenn du selber ein Bauer wärst – vielleicht sind wir das ja alle –, solltest du nie vergessen, dass ein Bauer die magischste aller Figuren ist. Er mag klein und gewöhnlich wirken, ist es aber nicht. Denn ein Bauer ist niemals nur ein Bauer. Ein Bauer ist eine Königin im Wartestand. Du musst nur eine Möglichkeit finden, weiter vorzurücken. Feld um Feld. So kannst du auf die andere Seite gelangen und großen Einfluss gewinnen.‘“ (S. 211/320)

Die Entwicklung, die Nora dabei im Laufe der Geschichte durchmacht, zeigen sich dabei vor allem in der Art und Weise, wie ihre Gespräche mit Mrs Elm verlaufen. Aber natürlich tragen auch die Erfahrungen, die sie in ihren unterschiedlichen Leben macht, dazu bei. Bei jedem neuen Leben merkt man anhand dessen, wie sie auf ungewohnte Situationen reagiert, wie schnell sie aufgibt oder wie intensiv sie kämpft, dass sie einen Lernprozess durchläuft und ihr Charakter sich entwickelt.
Als Figur wird sie dadurch besonders greifbar. Selbst wenn der Leser sich nicht in der gleichen Situation befindet wie Nora, kann man ihre Situation dennoch gut nachempfinden und sich hervorragend in sie hineinversetzen. Matt Haig erzählt von ihr aus der dritten Person, trotzdem kreiert er eine so intensive Nähe zu seiner Protagonistin, dass es fast so ist, als würde man sich selbst in der Mitternachtsbibliothek befinden und als würde man selbst in die unterschiedlichen Leben der Nora Seed schlüpfen.


Das Buch spricht die sehr philosophische Frage nach dem Sinn des Lebens an. Wie der Autor das in seiner Geschichte mit der Idee der Mitternachtsbibliothek verwoben hat, hat mir sehr gut gefallen! Ursache und Wirkung spielen hier eine Rolle; es wird immer wieder deutlich, dass die kleinste, am unwichtigsten erscheinende Entscheidung große Auswirkungen haben kann, nicht nur auf das eigene Leben, sondern auch auf die Leben der Mitmenschen. Gleichzeitig wird auch hervorgehoben, dass man Manches einfach nicht beeinflussen kann, dass man Manches hinnehmen muss, wie es ist, und dass einen Reue dann im eigenen Leben aufhalten kann.

Neben dem philosophischen Aspekt integriert Matt Haig auch eine wissenschaftliche Komponente in seine Geschichte. Er spricht von Quantenphysik, von Universen, die parallel gleichzeitig bestehen, in denen zugleich alles möglich ist – wie Schrödingers Katze, die in der Schachtel, solange sie zu ist, gleichzeitig tot und lebendig ist.
Neben der Mitternachtsbibliothek, die nach eigenen Regeln spielt und in der Zeit niemals vergeht, neben der Möglichkeit für Nora, alle ihrer möglichen Leben auszuprobieren, stellt der Autor mit diesem Aspekt einen starken Kontrast her. Er stellt Transzendenz und Wissenschaft, Traumwelten und Realismus gegenüber, wobei er beides als wahr darstellt und es dem Leser überlässt, wie die Geschichte zu interpretieren ist.
Bemerkenswert ist, dass man als Leser dabei nicht groß darüber nachdenken muss. Der Autor entführt einen in seine Geschichte, spielt mit Metaphern, sprachlichen Bildern und Kontrasten, und diese Gedanken über den Sinn dahinter kommen einem ganz natürlich.
Matt Haig erzeugt mit seiner „Mitternachtsbibliothek“ vor allem eins: Hoffnung.

„Interessant, dachte sie, was für völlig neue Perspektiven einem das Leben manchmal schenkt, wenn man nur lange genug wartet.“ (S. 311/320)


Fazit:
„Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein großartiges, philosophisches, poetisches Werk, das einen mit einer Natürlichkeit, die man gar nicht bemerkt, zum Nachdenken anregt, und dabei tief berührt und lange nachhallt.
Die Gefühle, die ich beim und nach dem Lesen hatte, kann ich nicht beschreiben. „Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein Buch, das im ersten Moment so unscheinbar wirkt, dann aber mit jedem Wort mehr berührt und tiefer geht. Matt Haig schreibt hier mit so einer unfassbar puren, reinen Wahrheit, dass man sich gar nicht dagegen wehren kann, dass das Buch ins Herz geht. Dabei schafft er es, die eigene Perspektive auf das Leben so zu verrücken, dass das Einfache schön aussieht und das Schwierige weniger beängstigend.
Ganz große Leseempfehlung!
5/5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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Veröffentlicht am 28.04.2023

Kein Zugang zur Protagonistin, aber vielversprechendes Grundgerüst

We Will Give You Hell
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Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Auf dem Cover ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Auf dem Cover sieht man einen Nadelwald aus der Vogelperspektive, der am unteren Bildrand zu brennen scheint. Darüber lugt aus den Baumkronen der Titel in goldenen Großbuchstaben hervor, die einen starken Kontrast zu dem Dunkelgrün der Bäume bilden.
Die Innenklappen sind ähnlich gestaltet, wobei in der vorderen Klappe ein Zitat im Stil des Titels abgedruckt ist, während die hintere Innenklappe nur den Wald zeigt.
Insgesamt gefällt mir das Cover sehr gut! Es passt hervorragend zum Setting, das größtenteils in den Wäldern Schwedens spielt, und auch das Feuer am unteren Bildrand findet sich im Inhalt wieder.
Der Titel ist ebenfalls sehr gut gewählt. Normalerweise bin ich ja eine große Verfechterin von deutschsprachigen Titeln im deutschsprachigen Raum, da englische Titel in den meisten Fällen gar nicht mal unbedingt mehr Sinn machen als etwaige deutsche. „We Will Give You Hell“ hat hier jedoch einen tieferen Sinn, der sich nicht nur im Wortspiel mit dem Spitznahmen Hell der Protagonistin Hellea erschöpft!


Meine Meinung:
Inhaltlich hätte ich das Buch gerne mehr gemocht, aber irgendwie hat es mir das nicht leichtgemacht. Das liegt hauptsächlich nur an einem einzigen Aspekt: Hellea. Ich bin mit ihr einfach nicht klargekommen.
Vorab: Das ist wieder einmal ein Punkt, der extrem subjektiv ist. Mich haben an ihr Dinge gestört, die euch vielleicht entweder gar nicht so stark auffallen würden oder die sie für euch vielleicht sogar sehr sympathisch machen. Bei mir haben diese Punkte, die sich im Übrigen teilweise auch bei den Nebenfiguren wiederfinden, dafür gesorgt, dass ich überhaupt keinen Zugang zu ihr (oder eben zu den eben genannten Nebenfiguren) finden konnte, was, da ich ein besonders figurenbezogener Leser bin, wiederum dazu geführt hat, dass ich mich insgesamt nicht so ganz in das Buch fallenlassen konnte. Das finde ich vor allem deshalb sehr schade, weil das Buch es eigentlich verdient hätte, dass ich es gerne lese, weil es ansonsten (bis auf einen weiteren Kritikpunkt, den ich zum Ende habe) so ziemlich alles richtig macht.

Was hat mich also so sehr an Hellea gestört? Ganz einfach: Ihre fehlende Selbstreflexion. Ich hatte durchweg, insbesondere aber in der ersten Hälfte das Gefühl, dass sie sich eigentlich nur in Selbstmitleid suhlt, ihre Handlungen kaum hinterfragt und alles, was ihr widerfährt, stets so darstellt, als seien alle anderen schuld. In der Hinsicht bleibt Hell stets eine passive Figur. Anstatt sich hinzustellen und zu fragen: „Wieso ist das so? Was kann ich ändern, damit es mir besser geht?“, fühlt sie sich angegriffen und wird wütend. Damit will ich nicht das Unrecht kleinreden, das ihr zweifellos widerfährt, und ich will ihr auch nicht ihre durchaus berechtigte Wut absprechen.
Was mich jedoch zunehmend gestört hat, ist, dass sie darauf immer nur passiv reagiert; sie wird wütend und schießt deshalb entweder aus Verteidigung zurück oder zieht sich zurück, aber dabei ist ihr Verhalten für mein Empfinden stets zu unreflektiert, als dass ich mich in sie hineinversetzen oder ihre Handlungen nachvollziehen können.
Noch einmal: Ihre Wut verstehe ich und kann ich auch nachempfinden, aber eben nicht wie sie darauf reagiert; vor allem deshalb auch nicht, weil sie sich auch kein Stück zu entwickeln scheint.

Das ist mein zweiter großer Kritikpunkt, den ich an Hellea habe: Ihr Charakter tritt stets nur auf einer Stelle. Egal, was Hellea im Laufe der Handlung erlebt, sie ändert nichts an ihrem Verhalten oder an ihren Reaktionen auf anderen Figuren, sondern handelt jedes Mal gleich impulsiv und unüberlegt. Entwicklung sehe ich an ihrem Charakter nicht. Stattdessen vollführt sie im letzten Viertel dann plötzlich charaktertechnisch gefühlt eine 180°-Wende, ohne dass sich diese Charakteränderung vorher irgendwie abgezeichnet hätte.

Ähnliches gilt im Übrigen auch für ihre Beziehung zu Mayvie, die sich von „gar nicht vorhanden“ zu „große Liebe“ entwickelt, und für die anderen Figuren, insbesondere Astryd.
In all diesen Aspekten tritt „We Will Give You Hell“ gut drei Viertel auf der Stelle, nur um sich dann im letzten Viertel in der finalen Entwicklungsstufe zu befinden, ohne dass diese Entwicklung dahin überhaupt stattgefunden hätte.


Die große Stärke, die das Buch hat, und die eben der Grund dafür ist, weshalb es mir hier besonders wehtut, so viel Kritik äußern zu müssen und keine bessere Bewertung abgeben zu können, ist all das Drumherum: Die Idee um die Schwestern Hellea und Svea von Schweden, die Verbindung mit der nordischen Mythologie mit dem wütenden, feministischen Grundton der Geschichte und die Gesellschaftskritik haben mir sehr gut gefallen!
Die Wut, die die Autorin mehrfach schildert und die auch Hellea sowie alle (weiblichen) Nebenfiguren empfinden, kennt man als Leserin selbst nur zu gut. Lina Frisch schafft es nicht nur, diese Emotion gut zu transportieren, sondern ihr Buch löst beim Lesen selbst auch diese ohnmächtige Wut aus, die man als Frau in den alltäglichsten Situationen aufgrund der Ungerechtigkeit, die nach wie vor noch herrscht, empfindet.
Das in Verbindung mit der Einbeziehung und teilweisen Neuinterpretation oder sogar Neuschöpfung der nordischen Mythologie schafft ein solides Grundgerüst, das viel Potenzial zu einem starken und lauten Fantasyroman bietet.

Zum Ende hin fand ich es dann aber wieder schade, dass (selbst für einen Auftakt) zu viele Konflikte offenbleiben, als dass ich zufrieden aus dem Buch gehen könnte, während die Geschichte gleichzeitig praktisch zu 100% vorhersehbar ist (was mich beim Lesen wiederum nicht so sehr gestört hat, da mir die Grundidee ja so gut gefallen hat), sodass ich auch keine große Lust verspüre, eine etwaige Fortsetzung zu lesen.


Fazit:
Ich hätte das Buch gerne mehr gemocht, aber das hat es mir leider nicht leichtgemacht.
Die Idee um die Schwestern Hellea und Svea von Schweden, die Verbindung mit der nordischen Mythologie mit dem wütenden, feministischen Grundton der Geschichte und die Gesellschaftskritik haben mir sehr gut gefallen!
Allerdings kam ich mit der Protagonistin überhaupt nicht klar. Vor allem anfangs suhlt sie sich eigentlich nur in Selbstmitleid, sie hinterfragt ihre Handlungen kaum und stellt alles, was ihr widerfährt, stets so dar, als seien bloß alle anderen Schuld. Für mein Empfinden ist ihr Verhalten dabei viel zu unreflektiert, als dass ich mich in sie hineinversetzen oder sie verstehen könnte.
Im letzten Viertel vollzieht sie dann plötzlich eine 180°-Wende, ohne dass sich diese Charakterentwicklung vorher abgezeichnet hätte. Ähnliches gilt im Übrigen auch für ihre Beziehung zu Mayvie und für die anderen Figuren, insbesondere Astryd.
Schließlich bleiben (selbst für einen Auftakt) zu viele Konflikte offen, als dass ich zufrieden aus dem Buch gehen könnte, während die Geschichte gleichzeitig praktisch zu 100% vorhersehbar ist, sodass ich auch keine große Lust verspüre, die Fortsetzung zu lesen.
2,5/ 5 Lesehasen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.04.2023

Grandioses Worldbuilding und spannender Plot, aber Zugang zu 2/3 der Protagonisten fehlt

Drachenperle
1

Vielen lieben Dank an die Autorin für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Was ich in meiner Rezension ...

Vielen lieben Dank an die Autorin für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Was ich in meiner Rezension zu „Perlensplitter“ zur Aufmachung des ersten Bandes gesagt habe, kann ich hier nur wiederholen: Personen auf Covern sind grundsätzlich nicht mein Fall, aber hier finde ich die Covergestaltung einfach nur gelungen! Während auf dem ersten Band eine blonde Frau in einem hellen Glitzerkleid abgebildet ist, die augenscheinlich Sveja darstellen soll, sieht man hier nun eine brünette Frau, in einem ebenfalls hellen Glitzerkleid, die Yljasi ähnlichsieht. Beide Frauen haben eine ähnliche Pose: mit dem Rücken zum Betrachter schauen sie über die rechte Schulter, wobei die Frau auf dem Cover des Auftaktes dabei in die Ferne schaut, während die Frau auf diesem Cover ihren Blick auf den Boden gerichtet hat.
Die Cover sind auf den ersten Blick also gleich gestaltet, unterscheiden sich bei näherem Hinsehen jedoch durch solche Details; so ist der Grundton der Farben des Covers des ersten Bandes auch etwas wärmer gehalten als der dieses Covers. Diese minimalen Unterschiede verdeutlichen, dass es sich um eine fortgesetzte Geschichte innerhalb einer Reihe handelt.
Was gleich ist: Die Position des Titels, der zu leuchten scheint, auf einer stilisierten Silhouette eines Drachen, der so positioniert ist, dass es den Anschein hat, der Drache sei auf dem Rücken der Frau tätowiert und die Schwingen wachsen daraus hervor. Das und die Andeutung der Drachenschuppen unter den Flügeln des Drachen gefallen mir sehr gut!
Am Anfang des Buches gibt es im Übrigen ein Inhaltsverzeichnis, eine tolle Karte, ein Personenregister und ein „Was bisher geschah“ – lieben wir!

Meine Meinung:
Ich wünschte, ich könnte zu dem Inhalt des Buches ein ähnlich eindeutig begeistertes Feedback geben, aber da bin ich doch etwas zwiegespalten. Die Punkte, die mir hier negativ aufgefallen sind, sind dabei – wie ja eigentlich immer – stark Geschmackssache, und finden sich so tatsächlich schon im ersten Band. Wenn euch also da bereits nicht das aufgefallen ist, was ich in meiner Rezension zum Auftakt bemängelt habe, dann wird euch das hier vermutlich auch nicht negativ auffallen.


Ich rede hier von der Charakterisierung der Figuren und den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Bereits in meiner Rezension von „Perlensplitter“ habe ich angesprochen, dass ich vor allem Yljasis Handlungen und insbesondere die Darstellung von Prinz Pasjeran nicht immer hundertprozentig nachvollziehen konnte: Er schien in meinen Augen zum Ende des Buches einen im Vergleich zum Anfang um 180° gewendeten Charakter zu haben, ohne dass sich diese Entwicklung im Laufe der Handlung abgezeichnet hätte, während Yljasi für mein Empfinden zu schnell zu krasse Gefühle für ihn entwickelt.

Nun spielen Yljasi und vor allem Pasjeran in diesem Band keine allzu große Rolle, sodass ich beim Lesen von „Drachenperle“ schon gar nicht mehr daran gedacht habe, dass ich das im ersten Band etwas unschlüssig fand. Stattdessen konnte ich hier überraschenderweise die Gefühle Yljasis für Pasjeran schon eher nachvollziehen und habe stärker mit ihr auf ihrer Suche nach ihrem Prinzen mitgefiebert, als ich es in Band 1 vermutlich für möglich gehalten hätte.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das daran gelegen hat, dass Yljasis Gefühle hier eher durch ihre Handlungen und ihre Aussagen deutlich werden, anstatt dass immer nur gesagt wird, wie sehr sie Pasjeran liebt und vermisst. Das erwähnt Yljasi zwar auch nicht selten, aber das ist insoweit auch in Ordnung, da ich anhand ihres Verhaltens hier erkennen kann, dass sie es auch so meint. Sie ist davon getrieben, Pasjeran wiederzufinden und den Fängen ihres Vaters und Bruders irgendwie zu entkommen. Durch den Kontrast, den man hier vor allem in ihrem Sicherheitsgefühl zuhause im Vergleich zu ihrer Zeit, die sie kurz mit Pasjeran verbringt, erlebt, würde man, auch wenn sie es nicht erwähnen würde, merken, dass sie sich nach ihm sehnt und bei ihm sicher fühlt. Ihre Emotionen werden dadurch leichter nachvollziehbar und ich kann mich besser in sie hineinversetzen.
Das sowie zusätzlich ihre ruhige Stärke und die intelligente Art und Weise, wie sie sich gegenüber den Männern in ihrem Leben zu Wehr zu setzen weiß, sind der Grund dafür, weshalb sie hier meine Lieblingsfigur ist. Deshalb fand ich es zwar besonders schade, dass sie in diesem Buch neben Elusyan und Sveja nur wenig Aufmerksamkeit bekommt, aber inhaltlich macht das natürlich sehr viel Sinn, weshalb sich dieser Aspekt keinesfalls negativ ausgewirkt hat.


Was ich allerdings viel weniger nachvollziehen konnte, war die Beziehung zwischen Sveja und Elusyan. Die hat sich zum Ende des Auftaktes bereits abgezeichnet und ist ja so gesehen auch bereits dem Klappentext von „Perlensplitter“ zu entnehmen (ein Junge und ein Mädchen gehen zu zweit auf die Suche nach einer magischen Perle….).
Trotzdem hat mir einfach die Entwicklung gefehlt. Ich hatte hier den Eindruck, dass es von starker Abneigung auf beiden Seiten urplötzlich in ebenso starke sexuelle Anziehung überspringt und dann genauso urplötzlich in tiefe, ewigliche Liebe, die es sogar wert ist, alles, was man kennt, aufzugeben.
Wie es allerdings erst dazu kommt, dass Elusyan Sveja bspw. jeden Morgen einen „Elusyan Special“ macht, oder dass sie ihm überhaupt erst so weit vertraut, dass sie ihn – einen für sie zunächst fremden Mann – neben sich im Bett schlafen lässt, hat sich mir nicht erschlossen.
Die ganze Beziehung hat sich für mein Empfinden zu schnell und zu intensiv von praktisch nichts in zu viel gewandelt.
Das wiederum hat dazu geführt, dass mir fast vollständig der Zugang zu den beiden Protagonisten gefehlt hat. Ich sage hier „fast vollständig“, da ich mich in den Situationen, in denen die beiden getrennt voneinander waren, durchaus in sie hineinversetzen und mich in das aktuelle Geschehen fallenlassen konnte. Sobald die beiden jedoch zusammen waren und gemeinsam auf Wolke Sieben schwebten, habe ich ihnen ihre Empfindungen nicht mehr abgekauft und saß skeptisch vor dem Buch.
Angesichts dessen, dass Sveja und Elusyan den größten Teil der Handlung miteinander verbringen, wirkt sich das – zumal ich eine Leserin bin, die sehr auf die Figuren fokussiert ist – im Gesamten natürlich stark aus.

Abgesehen davon, dass ich die Gefühle der beiden füreinander nicht wirklich nachvollziehen konnte, hat aber noch ein weiterer Aspekt dafür gesorgt, dass mir der Zugang insbesondere zu Elusyan gefehlt hat: Ich habe sein Verhalten Sveja gegenüber nicht selten als übergriffig und respektlos empfunden.
Bereits, dass er sie „Kleines“ nennt, hat mich jedes Mal gestört – würde mich ein Mann so nennen, würde ich mich herabgesetzt fühlen und den Eindruck haben, dass er mich nicht als ebenbürtig ansieht. „Kleines“ kann man ein niedliches Kind nennen, auf das man noch aufpassen muss, aber in meinen Augen nicht seine Partnerin. Nun ist die Wertung eines solchen Kosenamens aber sehr subjektiv, das ist mir bewusst. Während sich bei mir alle Nackenhaare aufstellen, gibt es sicher genug, die es sehr süß finden, dass Elusyan Sveja so nennt – ich weiß jedenfalls, dass er es liebevoll meint und dass Sveja das auch so auffasst und sich nicht daran anstößt. Deshalb spreche ich bloß an, dass mir dieser Aspekt nicht gefällt, aber – losgelöst von allem anderen! – kann ich das nicht negativ bewerten.
Was ich dagegen nicht einfach so akzeptieren kann, ist, dass er sehr oft über ihren Kopf hinwegbestimmt und ihr manche Dinge verbietet und dabei Svejas Protest einfach übergeht.
Ich verstehe, dass er für ihre Sicherheit verantwortlich ist, weil sie für sein Königreich von großer Wichtigkeit ist, und daher verstehe ich auch, dass er ihr hin und wieder sagen muss, wenn irgendetwas nicht geht – sie ist nunmal ein Ziel für Laturas Feinde und kann sich zwar durchaus verteidigen, ist aber in den meisten Fällen doch einfach unterlegen. Was ich aber überhaupt nicht verstanden habe, ist, wieso er ihr nicht einfach erklärt, was sein Plan ist und welche Rolle sie darin einnimmt. Oft genug befiehlt er ihr einfach, irgendwo zu bleiben oder irgendetwas nicht zu tun, und verschwindet dann, um seinen Teil des Plans auszuführen. Warum weiht er sie nicht ein, warum provoziert er stattdessen unnötigen Konflikt?
Was mir gut gefallen hat, ist dass Sveja jedes Mal versucht, sich dagegen zu wehren und ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Elusyan zeigt da jedoch keinerlei Verbesserungspotenzial, sondern geht über ihren Protest einfach hinweg. Und genau das ist es, was ich respektlos finde: Sie ist eine erwachsene Frau, die eigene Entscheidungen treffen kann!
Aufgestoßen hat mir beispielsweise auch, dass er ihr verbieten will, sich mit ihrem Kollegen zu treffen. Eifersucht verstehe ich, aber nur solange sie nicht übergriffig wird. Ich glaube, Elusyan und ich werden keine Freunde mehr.


So viel also zu meiner Kritik an den Figuren.
Vor allem das Worldbuilding konnte mich aber auch hier wieder restlos überzeugen! Allzu viel kann ich hier gar nichts Neues schreiben, was ich nicht auch in meiner Rezension zum Auftakt bereits geschrieben habe, deshalb hier nur so viel: Ich finde es einfach zauberhaft und bemerkenswert, mit wie viel Liebe zum Detail die Autorin die Parallelwelt der Vaskys geschaffen hat. Sie hat gefühlt alles Mögliche berücksichtig und an alles gedacht – die Art, wie die Magie, die gesellschaftlichen Strukturen und auch die Umgebung in Lytrien erklärt und beschrieben sind, ist so natürlich, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt, dass es diese Parallelwelt in der Realität ja eigentlich gar nicht gibt. Vielmehr hält man es beim Lesen durchaus für möglich, dass neben einem plötzlich ein Vasky auftaucht, der von einem verlangt, sieben verlorengegangene Perlensplitter aufzufinden, damit die Prinzessin Laturas zurückkehren kann. Genau das macht für mich gelungenes Worldbuilding aus!

Zwar hatte ich gerade im Mittelteil durchaus das Gefühl, dass so manche ereignislose Tage in Svejas Leben nicht unbedingt erwähnenswert gewesen wären und dem Buch deshalb gut 100 Seiten weniger bestimmt nicht geschadet hätten, aber trotzdem konnte mich die Handlung von Anfang bis Ende mitreißen. Zusammen mit den Protagonisten rätselt man unentwegt mit, was es mit den Trommelsteinen, der verschollenen Prinzessin, den Mythen um die Drachen und vor allem mit der Rolle von Svejas Familie auf sich hat, und wohin sich das Ganze noch entwickeln wird.
Zu keinem Zeitpunkt konnte ich einen Teil der Handlung bereits im Voraus erahnen, im Gegenteil: Die Autorin hat es immer wieder aufs Neue geschafft, mich zu überraschen und am Buch zu halten!
Ohne jetzt darauf herumreiten zu wollen, aber angesichts dessen, dass mir der Zugang zu den Figuren gefehlt hat, betont das meines Erachtens die starke Qualität von Worldbuilding und Plotline in besonderem Maße – normalerweise verliere ich schnell das Interesse an einem Buch, wenn ich mit den Figuren nicht klarkomme. Hier eben nicht!
Das Ganze gipfelt dann in einem spannenden Finale, das allerdings unfassbar fies endet und mich ganz hibbelig zu erfahren macht, wie es denn nun mit Sveja, Elusyan und Yljasi weitergeht.


Fazit:
„Drachenperle“ hat es mir mit meiner Bewertung nicht leicht gemacht, da mir schlicht der Zugang zu zwei Dritteln der Protagonisten gefehlt hat. Das lag vor allem daran, dass ich die Beziehung zwischen Sveja und Elusyan nicht nachempfinden konnte, aber auch an dem in meinen Augen teils übergriffigen und respektlosen Verhalten Elusyans Sveja gegenüber. Traten die beiden alleine auf, konnte ich mich dann aber doch in sie hineinversetzen.
Vor allem aber Yljasi und natürlich das grandiose Worldbuilding und der von vorne bis hinten spannende Handlungsaufbau haben mich trotz der fehlenden Bindung zu den Protagonisten fesseln können – bei jemandem, der bei einem Buch viel davon abhängig macht, ob ihm die Figuren zusagen oder nicht, ist das nicht leicht! Man rätselt mit, erfährt immer mehr, und gleichzeitig werden neue Fragen aufgeworfen. Das gipfelt dann in einem fiesen Finale, das einen fassungslos zurücklässt und ganz hibbelig die Fortsetzung erwarten lässt!
3/5 Lesehasen.

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