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Veröffentlicht am 07.11.2019

Allein in den Weiten des Alls

Die Astronautin
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25. Dezember 2067 mitten im Weltall: Auf der Krankenstation des Forschungsraumschiffs Stephen Hawking II erwacht Commander Maryam, genannt May, Knox völlig allein aus der Bewusstlosigkeit. Sie ist dehydriert, ...

25. Dezember 2067 mitten im Weltall: Auf der Krankenstation des Forschungsraumschiffs Stephen Hawking II erwacht Commander Maryam, genannt May, Knox völlig allein aus der Bewusstlosigkeit. Sie ist dehydriert, körperlich geschwächt und verwirrt. Niemand sonst scheint auf dem Raumschiff zu sein, dessen Funktionen in großen Teilen zerstört sind oder zumindest nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. May kann sich erinnern, dass sie mit ihrer Crew zu einer Mission zum Planeten Europa unterwegs war. Doch eine retrograde Amnesie verhindert, dass sie noch weiß, was sich zuletzt an Bord zugetragen hat. Offenbar ist sie die einzige Überlebende. Doch welche Katastrophe ist ihrem Team widerfahren? Und wie soll sie es jetzt zurück zur Erde schaffen? May muss gegen eine Vielzahl von Gefahren ums Überleben kämpfen. Ihre letzte Hoffnung ist die Funkverbindung zur NASA, vor allem zu dem Wissenschaftler Dr. Stephen Knox, ihrem Noch-Ehemann, dessen Herz sie brach. Kann er sie jetzt retten?

„Die Astronautin - In der Dunkelheit wird deine Stimme mich retten“ ist ein Science-Fiction-Roman von S. K. Vaughn.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 96 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht von May, aber auch aus der von Stephen. Immer wieder gibt es zwischendurch Kapitel, die bereits vor den Geschehnissen im Jahr 2067 spielen. Dabei wechseln die Schauplätze. Dank Orts- und Zeitangaben vor Beginn der Kapitel fällt die Orientierung in der Geschichte dennoch nicht schwer. Der Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Schreibstil ist schnörkellos, aber anschaulich und detailliert. Man wird direkt mitten hinein ins Geschehen geworfen. Trotzdem fiel mir der Einstieg in die Geschichte leicht.

Im Mittelpunkt des Romans steht unzweifelhaft May, eine kluge und mutige Protagonistin mit Hang zum Sarkasmus und Galgenhumor, die ich nach wenigen Seiten liebgewonnen habe. Nach außen hin scheint sie ziemlich perfekt zu sein, doch sie ist bei genauerem Blick ein realitätsnaher Charakter mit Ecken und Kanten. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt wird sehr gut deutlich. Angetan bin ich auch von der künstlichen Intelligenz, die May nach ihrer Mutter Eve benennt. Zudem kommt Stephen eine wichtige Rolle zu, der mir ebenfalls schnell sympathisch war.

Die Grundidee der Story verspricht eine Menge Abenteuer und Spannung. Dieser Erwartung wird der Roman gerecht. Mit mehr als 500 Seiten ist er recht umfangreich. Dennoch wird die Geschichte zu keinem Zeitpunkt langatmig. Das liegt einerseits an den vielen Aufgaben und Hindernissen, die die Protagonistin bewältigen muss. Zum anderen konnte mich die Geschichte emotional berühren, wobei es thematisch um weit mehr als nur die Liebesgeschichte zwischen May und Stephen geht. Darüber hinaus gibt es einige Überraschungen.

Gerade im Science-Fiction-Genre hapert es bei einigen Geschichten nicht selten bei den Aspekten Logik und Authentizität. Das ist hier allerdings nicht der Fall. Die Handlung wirkt durchweg schlüssig. Technische Vorgänge und Begriffe sowie der angenommene Entwicklungsstand in dieser Welt der Zukunft sind gut verständlich. Dabei ist dem Roman anzumerken, dass der Autor zuvor gewissenhaft recherchiert hat.

Ich habe die Geschichte als ungekürzte Lesung angehört. Dabei meistert Sprecherin Beate Rysopp ihre Aufgabe sehr gut.

Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet, allerdings erscheint mir der abgebildete Frauenkopf ein wenig zu hellhäutig, um zu Mays beschriebenen Äußeren zu passen. Auch der deutsche Titel weicht vom amerikanischen Original („Across the Void“) ab, wobei mir die sehr freie Übersetzung sogar besser gefällt.

Mein Fazit:
Mit „Die Astronautin - In der Dunkelheit wird deine Stimme mich retten“ ist S. K. Vaughn ein gleichsam spannender wie berührender Weltraumroman gelungen, der nicht nur eingefleischte Science-Fiction-Fans überzeugen kann. Da der Schriftsteller auch Drehbuchautor ist, hoffe ich auf eine Verfilmung – am liebsten in nicht ganz so ferner Zukunft.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Ein Familienleben an der böhmisch-mährischen Grenze

Heimat ist ein Sehnsuchtsort
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Schlesien im Jahr 1928: Als Laurenz Sadler in Breslau der jungen und scheuen Annemarie begegnet, ist es für ihn Liebe auf den ersten Blick. Die beiden heiraten, vom gefährlichen Geheimnis Annemaries ahnt ...

Schlesien im Jahr 1928: Als Laurenz Sadler in Breslau der jungen und scheuen Annemarie begegnet, ist es für ihn Liebe auf den ersten Blick. Die beiden heiraten, vom gefährlichen Geheimnis Annemaries ahnt er nichts. Doch eine familiäre Katastrophe zwingt Laurenz, Breslau zu verlassen und den elterlichen Hof zu übernehmen. Der jüngste Sohn des Landwirts wollte selbst nie Bauer werden, sondern als Komponist und Dirigent arbeiten. Dennoch findet er mit Annemarie und zwei außergewöhnlichen Töchtern sein Glück: der hochbegabten Kathi und der chronisch kranken Franzi. Als Kathi mit 15 Jahren einen landesweiten Schülerwettbewerb gewinnt, zieht sie die Aufmerksamkeit Berlins auf die Familie. Ihre Mutter handelt, um ihre Kinder zu schützen – und tritt damit eine Lawine tödlicher Ereignisse los…

„Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ist der erste Band der neuen Heimat-Saga von Hanni Münzer.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Teilen („Frieden“ und „Krieg“). Sie sind in insgesamt 64 Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert sind, denen jeweils Zitate fiktiver oder realer Persönlichkeiten vorangestellt sind. Die zwei Teile des Romans werden von einem Prolog und einem Epilog umrahmt. Die Handlung umfasst die Zeit von 1928 bis 1946. Der Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist anschaulich und atmosphärisch. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf, wird aber zunehmend spannender. Der Einstieg fiel mir nicht schwer.

Die Hauptcharaktere sind sehr interessant. Sie werden authentisch dargestellt. Die Entwicklung der Protagonisten lässt sich gut nachverfolgen. Bei der Vielzahl an Personen ist die Übersicht über alle genannten Charaktere, die am Anfang des Romans steht, jedoch sehr hilfreich.

Der Inhalt des Romans ist von der Familiengeschichte der Autorin inspiriert. Immer wieder wird deutlich, dass die Geschichte nicht nur auf Erzählungen, sondern auch auf fundierter Recherche der Schriftstellerin fußt. Da ich bereits viel Literatur zu den zwei großen Weltkriegen und den Jahren dazwischen kenne, war nicht alles gänzlich neu für mich. Vor allem für Leser, die weniger historisch bewandert sind, ist das Zusatzmaterial allerdings ein großes Plus. Es gibt eine Zeittafel mit den wichtigsten politischen Ereignissen jener Jahre, ein Glossar, Landkarten und weitere Extras. Gerne gelesen habe ich auch die Nachbemerkung der Autorin, die unter anderem erklärt, was auf Fakten und was auf Fiktion basiert. Interessant finde ich außerdem, dass man durch den Roman einiges über die seltene Krankheit Sklerodermie erfährt, die mir bis dato unbekannt war.

Trotz der fast 600 Seiten ist die Lektüre kurzweilig und abwechslungsreich. Weniger gut gefallen hat mir jedoch, dass der Band in sich nicht abgeschlossen ist und einige lose Enden übrig bleiben.

Das optisch ansprechende Cover trifft meinen Geschmack. Der Titel klingt ein wenig schwülstig, passt inhaltlich aber gut.

Mein Fazit:
„Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ist trotz kleinerer Schwächen alles in allem ein gelungener Auftaktband der neuen Heimat-Saga von Hanni Münzer.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Die gefährliche Faszination einer Schusswaffe

Der Revolver
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Der Student Nishikawa läuft in einer regnerischen Nacht ziellos durch die Straßen Tokios. Nahe einer Brücke, am Fluss Arakawa, entdeckt er per Zufall die Leiche eines Mannes. Für Nishikawa deutet die Szene ...

Der Student Nishikawa läuft in einer regnerischen Nacht ziellos durch die Straßen Tokios. Nahe einer Brücke, am Fluss Arakawa, entdeckt er per Zufall die Leiche eines Mannes. Für Nishikawa deutet die Szene auf einen Selbstmord hin, denn neben dem Toten liegt ein Revolver. Nach dem ersten Schock nimmt der junge Mann aus einem Impuls heraus die fremde Waffe an sich und verschwindet mit ihr unauffällig. Schnell findet er Gefallen an dem Revolver, der eine unheimliche und gefährliche Faszination auf ihn ausübt. Schon nach wenigen Tagen ist er geradezu besessen von der Waffe, in der noch vier Kugeln stecken. All seine Gedanken kreisen um sie. Er poliert sie immer wieder. Doch bald schon treibt ihn die Fantasie um, den Revolver abzufeuern. Wird er dem Drang nachgeben?

„Der Revolver“ ist der Debütroman von Fuminori Nakamura.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 17 eher kurzen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Nishikawa in chronologischer Reihenfolge. Vorangestellt ist ein ebenso informatives wie sympathisches Vorwort des japanischen Autors.

Geprägt ist der Roman von einer klaren, recht prägnanten Sprache. Der Schreibstil wirkt zunächst ziemlich nüchtern, hat aber immer wieder eindringliche Sprachbilder und Vergleiche zu bieten. Dadurch wird eine dichte Atmosphäre erzeugt. Von den ersten Seiten an versteht es der Autor, mit seinen Worten zu fesseln. Besonders grandios finde ich den Einstieg.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht zweifelsohne Nishikawa, der im Alter von sechs Jahren seine leibliche Familie verlassen musste, bei der er noch Tōru hieß. Nach einer Zeit im Kinderheim wurde er von Adoptiveltern aufgenommen. Die Gefühle von Einsamkeit, Gleichgültigkeit und der eigenen Bedeutungslosigkeit dominieren sein Leben, in das der Revolver Abwechslung bringt. Nicht immer konnte ich das Verhalten des sonderbaren Protagonisten in Gänze nachvollziehen. Zudem fiel es mir schwer, trotz seiner nicht leichten Kindheit Sympathie für ihn zu entwickeln, doch seine Gedanken- und Gefühlswelt wird sehr gut deutlich. Auch die übrigen Figuren im Roman kommen keineswegs klischeehaft daher.

Mit der Handlung rund um den Revolver greift der Autor eine interessante Thematik auf: den Umgang mit Schusswaffen. Inhaltlich ist der Roman auch ansonsten recht düster angehaucht. Der Tod nimmt viel Raum ein, wobei es darum nicht nur im Zusammenhang mit der Waffe geht. Auch Krankheit, Tierquälerei, Missbrauch und andere Themen spielen in der Geschichte eine Rolle. Darüber hinaus gibt es weitere gesellschaftskritische Komponenten. So schafft es das Buch an mehreren Stellen, zum Nachdenken anzuregen.

Auf knapp 200 Seiten bleibt die Spannung konstant von Anfang bis Ende erhalten: Wird der Protagonist der Versuchung der Waffe nachgeben? Besonders intensiv sind die Kapitel zu Beginn und zum Schluss. Im Mittelteil fällt der Roman ein wenig ab, wobei auch dort keine Langeweile beim Lesen aufkommt.

Das Cover mit der Illustration von Andy Warhol passt sehr gut zur Geschichte. Auch der knackige, schnörkellose Titel gefällt mir.

Mein Fazit:
Mit „Der Revolver“ ist Fuminori Nakamura ein lesenswertes Debüt gelungen, das mich fesseln konnte. Eine besondere Lektüre, die neugierig auf das übrige Werk des Autors macht.

Veröffentlicht am 29.10.2019

Wie ein Unfall ein Leben verändert

Fünf Wörter für Glück
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Es passiert an einem Morgen am Wochenende in London: Heidi, Ende 20, stürzt beim Joggen unglücklich und landet im Krankenhaus. Als sie wieder zu Bewusstsein kommt, erwartet sie ein Schock: Nach dem Unfall ...

Es passiert an einem Morgen am Wochenende in London: Heidi, Ende 20, stürzt beim Joggen unglücklich und landet im Krankenhaus. Als sie wieder zu Bewusstsein kommt, erwartet sie ein Schock: Nach dem Unfall muss ihr der rechte Unterschenkel amputiert werden. Heidi ist verzweifelt. Schon vorher war ihr Leben nicht perfekt. Ein schlechtes Date folgte auf das nächste, und sie verdiente sich ihr Geld vorwiegend als Kellnerin, obwohl sie so gerne als Schauspielerin arbeiten würde. Nun glaubt sie, dass sie ihre Träume endgültig begraben kann. Doch in der Rehaklinik trifft sie auf die 80-jährige Maud, die Lebensfreude und Optimismus ausstrahlt. Jack, der Enkel der Seniorin, versucht, Heidi aus der Reserve zu locken. Er hat eine Idee, wie sie wieder ins Leben zurückfinden kann: ein Fünf-Punkte-Plan zum Glück. Kann das funktionieren?

„Fünf Wörter für Glück“ ist ein bewegender Roman von Ella Dove.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen mit insgesamt 34 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Zudem gibt es einen Epilog. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Heidi. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil ist anschaulich, eindringlich und lebhaft. Trotz des sehr direkten Einstiegs konnte ich gut in die Geschichte einfinden. Ich habe das Buch nur ungerne zur Seite gelegt.

Mit Heidi steht eine sympathische Protagonistin im Vordergrund. Ihre Gefühls- und Gedankenwelt lässt sich gut nachvollziehen. Auch Maud ist ein liebeswürdiger Charakter. Darüber hinaus tauchen auch einige interessante Nebenfiguren auf. Die Personen im Roman wirken realitätsnah.

Inhaltlich konnte mich die Geschichte überzeugen. Anders als man zunächst vermuten könnte, handelt es sich keineswegs bloß um einen seichten Liebesroman. Zwar spielt Romantik auch eine Rolle, doch es geht um weitaus mehr, zum Beispiel Krankheiten, Freundschaften und weitere Themen. Auf rund 350 Seiten bleibt der Roman kurzweilig und abwechslungsreich.

Das Buch basiert auf der wahren Geschichte der Autorin, die beim Jogging tatsächlich gestürzt ist und mit nur 25 Jahren ihr rechtes Bein verlor. Dass die Handlung von realen Ereignissen inspiriert ist, ist dem Roman anzumerken. Die Schilderungen wirken sehr authentisch. Schon ab den ersten Kapiteln schafft es die Geschichte, mich emotional zu berühren. Doch der Roman ist nur nicht bewegend, sondern macht auch Mut und gibt positive Impulse, das Leben zu lieben und auszukosten. Auch die Botschaft, sich von Schicksalsschlägen nicht unterkriegen zu lassen, gefällt mir. Trotz der ernsten Grundthematik kommt der Humor ebenfalls nicht zu kurz.

Das hübsch gestaltete Cover strahlt Fröhlichkeit aus und passt meiner Ansicht nach ganz gut. Der deutsche Titel klingt in meinen Ohren leider unnötig kitschig, orientiert sich aber am englischen Original („Five steps to happy“).

Mein Fazit:
Mit „Fünf Wörter für Glück“ ist es Ella Dove gelungen, sowohl zu unterhalten als auch anzurühren. Wer einen 0815-Liebesroman mit Wohlfühlatmosphäre sucht, wird hier nicht fündig. Für alle, die Lust auf eine besondere Geschichte haben, kann ich die Lektüre jedoch wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Die faszinierende Welt des Porzellans

Ein neues Blau
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Berlin im Jahr 1985: Als die 18-jährige Gymnasiastin Anja Hermann zum ersten Mal zu der alten Dame in deren Haus in Charlottenburg kommt, weiß sie nicht, was genau sie erwartet. Sie soll als „Gesellschafterin“ ...

Berlin im Jahr 1985: Als die 18-jährige Gymnasiastin Anja Hermann zum ersten Mal zu der alten Dame in deren Haus in Charlottenburg kommt, weiß sie nicht, was genau sie erwartet. Sie soll als „Gesellschafterin“ mit Lili Zeit verbringen. Anja sieht es zunächst nur als Nebenjob. Doch Stück für Stück enthüllt sich die Geschichte der Seniorin mit jüdischen Wurzeln, die vor 50 Jahren vor den Nazis aus der Stadt fliehen musste. Nach dem frühen Tod der Mutter Charlotte hatte sich ihr Vater Jakob Kuhn rührend um sie gekümmert. Aber erst als sie Günther von Pechmann kennenlernt, den Direktor der Königlichen Porzellan-Manufaktur, findet Lili ihre Bestimmung. Auch im Alter hat es ihr das Porzellan sehr angetan. Das stellt Anja sofort fest. Aber welche Rolle spielt dabei die schlichte Porzellanschale, die die alte Frau wie einen Schatz hütet? Und welches Geheimnis schleppt Anja mit sich herum?

„Ein neues Blau“ ist ein Roman von Tom Saller.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Erzählt wird die Geschichte im Wechsel auf unterschiedlichen Ebenen: Der Leser begleitet Lili in den Jahren 1919 bis 1935, wobei der Roman dabei in 50 Kapitel mit einer kleinen Zusammenfassung zu Beginn untergliedert ist. Darüber hinaus wird aus der Sicht von Anja in der Ich-Perspektive erzählt, dabei spielt die Handlung in Berlin im Jahr 1985. Dieser Aufbau wirkt gut durchdacht.

Der Sprache variiert in den beiden Erzählsträngen: Während der Stil in den Passagen von Anja schon zum Teil etwas zu gewollt umgangs- und jugendsprachlich ausfällt, ist er im übrigen Part gehobener. Insgesamt ist die Sprache des Romans zwar anschaulich und leicht verständlich, jedoch auch schnörkellos und ein wenig nüchtern. Anleihen bei Erich Kästner sind festzustellen. Wie schon bei „Wenn Martha tanzt“, dem Debütroman des Autors, braucht es eine Weile, um sich in die Geschichte einzufinden. Sie nimmt nur langsam Fahrt auf. Nach einer Weile konnte ich jedoch völlig in die Handlung eintauchen.

Im Mittelpunkt des Romans steht zweifelsohne Lili, ein reizvoller Charakter, der authentisch beschrieben wird. Das trifft auch auf Anja zu, die ebenfalls eine wichtige Rolle einnimmt. Beide waren mir jedoch nicht gleich von Beginn an sympathisch.

Thematisch verliert die Geschichte immer wieder ihren Fokus. Mal geht es um Religion, mal um Tee, mal um das Porzellan, wobei ich mir einen stärkeren Schwerpunkt auf Letzteres gewünscht hätte. Dadurch erfährt der Leser auf unterhaltsame Weise andererseits allerhand Wissenswertes, denn die fundierte Recherche ist dem Roman anzumerken. Zudem wird die Geschichte somit vielschichtig.

Trotz der mehr als 400 Seiten bleibt der Roman kurzweilig. Er hat die eine und andere Wendung zu bieten. Emotional konnte mich die Geschichte allerdings nicht immer erreichen.

Sehr gut gefällt mir das optisch ansprechende Cover der gebundenen Ausgabe, das zum Inhalt passt. Den Titel finde ich auch treffend. Nur ein kleiner Kritikpunkt am Rande: Leider hat der Verlag – anders als bei Tom Sallers Debüt – dieses Mal auf das praktische Lesebändchen verzichtet.

Mein Fazit:
Auch der zweite Roman von Tom Saller, „Ein neues Blau“, bietet eine interessante und unterhaltsame Lektüre. Zum wiederholten Mal ist es dem Autor gelungen, mir schöne Lesestunden zu bereiten.