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Veröffentlicht am 29.05.2022

Norderney Anfang des 20. Jahrhunderts

Die Frauen vom Inselsalon
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Sylvia Lotts historischer Roman um Frieda und Grete spielt auf Norderney. Frieda ist dort als Tochter eines Fischers mit Alkoholproblem geboren, kennt sich gut auf der Insel aus und kommt aus einfachen ...

Sylvia Lotts historischer Roman um Frieda und Grete spielt auf Norderney. Frieda ist dort als Tochter eines Fischers mit Alkoholproblem geboren, kennt sich gut auf der Insel aus und kommt aus einfachen Verhältnissen. Ihr größter Traum ist es, im Inselsalon Fisser zu arbeiten und dort das Friseurhandwerk zu erlernen. Grete kommt aus einer wohlhabenden Familie eines Berliner Unternehmens und lernt Frieda bei einem Kuraufenthalt kennen. Die beiden Mädchen verstehen sich auf Anhieb blendend und bauen eine Freundschaft auf, die sich über die nächsten Jahre hinweg, bis ins junge Erwachsenenalter hinzieht. Mittelpunkt des Geschehens ist dabei Norderney zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Sylvia Lott hat einen sehr flüssigen und anschaulichen Schreibstil, sowohl was die Landschaft, die gesellschaftlichen Aspekte als auch die Figurenentwicklung angeht. So werden Klassenunterschiede dargestellt, politische und historische Entwicklungen gekonnt eingefädelt und die unterschiedlichen Lebenswelten von Frieda und Grete deutlich. Deutlich wird jedoch auch das enge Band, was die beiden verbindet. Der Wille, etwas zu schaffen, sich einzusetzen und ein gutes Leben zu haben. Während Frieda das im Friserusalon und der ersten Liebe zu Joseph findet, muss Grete sich in Berlin mit sich selbst, ihrer Familie und den vermittelten Werten innerhalb ihrer Schicht auseinandersetzen, bevor es sie endgültig nach Norderney zieht.

Der Roman wird abwechselnd mit dem Fokus auf Frieda und auf Grete erzählt, wobei es Einschübe aus dem Friseursalon gibt, die sehr politisch sind. Trotz einiger Längen habe ich "Die Frauen vom Inselsalon" sehr gern gelesen, kann es Leser*innen, die historische Romane vor/um den 1. Weltkrieg herum mögen, empfehlen. Ich bin gespannt, wie es mit Grete und Friede am Laufe des Krieges weitergeht.

Veröffentlicht am 24.05.2022

Spannung vor allem am Schluss

Das Loft
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Das Paar Sarah und Marc lebt gemeinsam mit Marcs bestem Freund, Henning, in einem schicken Hamburger Loft. Die drei Jahre, die sie gemeinsam dort wohnen und miteinander verbringen, scheinen bestens zu ...

Das Paar Sarah und Marc lebt gemeinsam mit Marcs bestem Freund, Henning, in einem schicken Hamburger Loft. Die drei Jahre, die sie gemeinsam dort wohnen und miteinander verbringen, scheinen bestens zu verlaufen. Doch eines Tages findet die Putzhilfe in der Küche ein Blutbad vor. Henning ist verschwunden und für die Polizei ist sowohl klar, dass Henning bei dem starken Blutverlust nicht mehr am Leben sein kann, und entweder Marc, Sarah oder soar beide den Mord an ihm verübt haben.

Linus Geschke erzählt "Das Loft" aus drei Perspektiven: Marcs, Sarahs und der Polizeiermittlungen. Zunächst ist unklar, was passiert ist, jedoch wird schnell deutlich, dass die Wohngemeinschaft längst nicht so harmonisch war, wie es von außen wirkte und dass jeder der drei Geheimnisse hatte. Auch die Liebe zwischen Marc und Sarah, die Freundschaft zwischen Marc und Henning sowie das Verhältnis zwischen Sarah und Henning bestanden nicht nur aus Höhen.
Während der ersten zwei Drittel des Buches habe ich mich dauerhaft gefragt, wer lügt, wer die Wahrheit sagt und was tatsächlich passiert ist. Geschke löst diese Fragen auch erst ganz am Ende und baut gerade im letzten Drittel ordentlich Spannung auf und überraschte mich mit manchen Dingen.
Eine absolute Empfehlung für Psycho-Thriller-Fans!

Veröffentlicht am 24.05.2022

Sehr gelungener Abschluss

Violas Versteck (Tom-Babylon-Serie 4)
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Tom Babylon sucht mittlerweile seit mehr als 20 Jahren nach seiner verschwundenen Schwester, die alle anderen als tot glauben. Er jedoch ist davon überzeugt, dass sie noch lebt, irgendwo steckt und von ...

Tom Babylon sucht mittlerweile seit mehr als 20 Jahren nach seiner verschwundenen Schwester, die alle anderen als tot glauben. Er jedoch ist davon überzeugt, dass sie noch lebt, irgendwo steckt und von ihm gefunden werden muss. Als er im Keller seines Elternhauses ein Foto der erwachsenen Viola findet, verhärtet sich sein Verdacht. Kurz darauf kommt sein Vater bei einem mysteriösen U-Bahn-Unglück ums Leben und Tom wacht mit einer Amnesie in einem Londoner Krankenhaus auf.

Marc Raabe hat auch im Finale seiner Tom Babylon-Reihe wieder mal bewiesen, dass er Spannung beherrscht und diese kontinuierlich aufzubauen weiß. Es ist absolut zu empfehlen, die Vorgängerbände gelesen zu haben, um die anderen Figuren - vor allem Sita Johanns und Dr. Walter Bruckmann - einzuschätzen. Außerdem wurden seit Beginn der Reihe immer wieder Hinweise auf Viola und die gemeinsame Vergangenheit gestreut, die Toms tiefes Bedürfnis, sie zu finden, verdeutlichen.
Raabe erzählt aus wechselnden Perspektiven, die Kapitel sind kurz und enden nicht selten mit einem Cliffhanger, was den Lesefluss beschleunigt und den Thriller im Nu durchlesen lässt.
Ein absolutes Muss für alle Tom Babylon-Fans, die wissen möchten, wie alles zusammenhängt.

Veröffentlicht am 23.05.2022

Sehr speziell

Vertrauen
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Inspektor Avi Avraham ermittelt in einem Vorort Tel Avivs gleich in zwei Fällen: zum einen verschwindet ein Tourist spurlos aus seinem Hotelzimmer, während sein Gepäck dort zurückbleibt; zum anderen wird ...

Inspektor Avi Avraham ermittelt in einem Vorort Tel Avivs gleich in zwei Fällen: zum einen verschwindet ein Tourist spurlos aus seinem Hotelzimmer, während sein Gepäck dort zurückbleibt; zum anderen wird ein Neugeborenes vor einem Krankenhaus ausgesetzt. Scheinbar haben zunächst beide Fälle nichts miteinander zu sein. Das ausgesetzte Baby scheint sogar sehr schnell geklärt zu sein, weshalb sich Avi aus persönlichem Interesse lieber dem Verschwinden des Touristen widmet. Schließlich scheint es, als hätte der Verbindungen zum Mossad. Recht schnell merkt Avi, dass nicht alles auf den ersten Blick ist, wie es scheint.

In Krimis haben Ermittler*innen in der Regel starke Probleme in ihrem Privatleben, ihren Ehen oder Beziehungen zu den Kindern. Avi Avraham ist jedoch äußerst frustriert von seinem Job, da er die Taten nicht ungeschehen machen kann und im Endeffekt nichts ändert, da die Opfer noch immer die Opfer sind. Dror Mishani hat somit einen recht außergewöhnlichen Protagonisten geschaffen und schlägt auch sonst einen recht speziellen Schreibstil und einen ungewöhnlichen Ton an. Das ist mir schon bei seinem Buch "Drei" aufgefallen. Wie dort auch schwingen in "Vertrauen" viele gesellschaftskritische Töne mit, die jedoch nicht immer sofort einzuordnen ist. Das kann jedoch auch daran liegen, dass ich nicht viel israelische Literatur lese und mit den literarischen Narrativen und kulturellen Aspekten nicht vertraut bin.

Insgesamt war Avi für mich eher unnahbar, blieb an der Oberfläche und ich konnte keine Bindung zu ihm oder dem Geschehen aufbauen. Ich bin zwischendurch abgeschweift und muss feststellen, dass "Vertrauen" für meinen Geschmack doch zu speziell und eigenwillig ist.

Veröffentlicht am 23.05.2022

Kein leichter Liebesroman

Jeder Tag für dich
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Mary O'Connor hat seit sieben Jahren eine feste Routine: Nach der Arbeit bei Nightline, eine Hilfe-Hotline, geht sie zum Londoner Bahnhof Ealing Broadway und hält dort ein Schild in die Höhe, auf dem: ...

Mary O'Connor hat seit sieben Jahren eine feste Routine: Nach der Arbeit bei Nightline, eine Hilfe-Hotline, geht sie zum Londoner Bahnhof Ealing Broadway und hält dort ein Schild in die Höhe, auf dem: "Komm nach Hause, Jim" steht. Denn Jim ist spurlos verschwunden und Mary, voller Sehnsucht, hofft jeden Tag aufs Neue, dass er wieder zu ihr zurückkommt. Die Journalistin Alice sieht Mary dort stehen, bekommt Mitleid und wittert andererseits eine gute Story. Sie freundet sich mit Mary an, versucht, durch sie erste Anhaltspunkte zu Jim zu bekommen und ihn dann zu finden. Ein Anruf, der Mary bei der Arbeit erreicht, stellt ihre Welt fürs Erste völlig auf den Kopf.

Wer hier einen romantischen, leichtfühligen Liebesroman erwartet, ist an der falschen Adresse. Abbie Greaves stellt hier eher Lebensgeschichten dar, die Tragik, Traurigkeit und schwere Schicksalsschläge beinhalten. Die Figuren haben eine Schärfe und Tiefe verliehen bekommen, ich konnte mit Mary und Jim mitfühlen und im Verlauf auch Alices Motive der Suche nachvollziehen. Gefühle spielen eine große Rolle und durch die Rückblenden in die Kennenlern- und Beziehungsphase von Mary und Jim nimmt auch die Liebe einen großen Platz ein. Dennoch zieht sich durch das gesamte Buch eine gewisse Schwere und Wehmütigkeit - für mich eine Empfehlung für alle, die Tiefe und Krisen in Romanen mögen.