Ein Highlight!
In Beeren pflücken begleiten wir Joes Mi'kmaq-Familie aus Nova Scotia, die jedes Jahr im Sommer auf den Feldern von Maine Beeren pflückt. Als die 4jährige Ruthie verschwindet, macht sich vor allem Joe ...
In Beeren pflücken begleiten wir Joes Mi'kmaq-Familie aus Nova Scotia, die jedes Jahr im Sommer auf den Feldern von Maine Beeren pflückt. Als die 4jährige Ruthie verschwindet, macht sich vor allem Joe schreckliche Vorwürfe. Er war der Letzte, der sie gesehen hat, als sie noch auf ihrem Lieblingsstein saß und Pause machte.
Abwechselnd lesen wir nun Joes Erinnerungen, der mit Mitte 50 todkrank im Kreis seiner Familie sein Leben Revue passieren lässt und aus Sicht einer Frau namens Norma, die in Maine als Einzelkind ihrer überbehütenden Mutter und ihres sehr zurückhaltenden Vaters aufwächst. Norma fällt schon früh auf, dass ihre Haut vor allem Sommer deutlich dunkler ist als die ihrer Eltern. Es gibt keine Fotos von ihr als Baby und Kleinkind und ihre Ohrläppchen sind anders als die ihrer Eltern nicht angewachsen. Sie hat vor allem als Kind oft Alpträume und eine imaginäre Freundin namens Ruthie...
Als Lesende wissen wir also schnell, Norma ist Ruthie - und wurde von ihren Eltern als Kleinkind entführt. Diese Ausgangslage ist für mich als Mutter natürlich sehr harter Tobak und hat mich echt mitgenommen.
Die Entwicklung und das Leben von Joe und "Norma" entwickeln sich beim Lesen quasi gleichzeitig und haben mich beide gleichermaßen gefesselt. Wie Norma sehr oft fast auf die Wahrheit stößt, war sehr gut gemacht. Aber auch Joe und seine Tragödien haben mich tief berührt. Die Familie erlebt ein Trauma, als die jüngste Tochter spurlos verschwindet und die Polizei nicht bereit ist, zu helfen. Auch später erleidet die Familie weitere Unglücke, die vor allem Joe sehr zusetzen und die er nicht verarbeiten kann. Das Aufwachsen als Mi'kmaq in den 1970er Jahren ist geprägt von Rassismus, den die Familie immer wieder erleben muss. Im Gegensatz dazu wächst Norma als Weiße auf, ein sehr gut gemachter Gegensatz in dem Roman, der den Rassismus nochmal verdeutlicht!
Mich hat der Roman stark berührt. Die Protagonisten waren alle bis hin zu Nebenfiguren sehr deutlich gezeichnet und vor allem Norma und Joe haben mich absolut erreicht. Auch die Atmosphäre der geschilderten Landschaften und Zeit, in der der Roman stattfindet, waren perfekt gelungen und haben meinen Lesegenuss nochmal verstärkt.
Ich kann das Buch von Herzen weiterempfehlen - es ist eindeutig ein Lesehighlight des Jahres 2025 für mich!