Wo deine Wurzeln sind
Davide ist der Sohn des Schweinehirten in dem kleinen Dorf Tora e Piccilli, eine Schule besuchen darf er nicht. Teresa hingegen geht in die Schule und arbeitet nachmittags in der Seilerei ihres Vaters, ...
Davide ist der Sohn des Schweinehirten in dem kleinen Dorf Tora e Piccilli, eine Schule besuchen darf er nicht. Teresa hingegen geht in die Schule und arbeitet nachmittags in der Seilerei ihres Vaters, wo Davide sie manchmal besucht. Der Traum davon, eines Tages das Dorf zu verlassen, schafft ein Band zwischen ihnen. Im Jahre 1942 ändert sich etwas, als Nicolas in beider Leben tritt, ein jüdischer Junge, der mit seinem Vater und weiteren Juden aus Neapel zwangsumsiedelt wird. Der folgende Sommer bringt die drei zusammen, aber als der Krieg auch das kleine Dorf erreicht, geht die Freundschaft in die Brüche. Erst viele Jahre später gibt es ein Wiedersehen.
»Wir wussten nicht, dass wir wie Motten waren, die sich zu nah ans Feuer wagten: Angezogen vom strahlenden Licht, enden sie mit versengten Flügeln in diesem letzten Tanz, bei dem die Freude die Angst überwiegt.« (Seite 109)
Davide als Ich-Erzähler war sperrig, dadurch aber authentisch und mir als Leser nah. Sein ungebrochener Wille, lesen und schreiben zu lernen, zollte mir Respekt ab, unter widrigsten Umständen und gegen den Willen des Vaters ging er unbeirrbar seinen Weg. Die Freundschaft mit einem jüdischen Jungen, obwohl der eigene Vater ein Faschist ist, war der erste Schritt auf dem steinigen Weg, den ich zusammen mit ihm gehen durfte und anfangs war ich mir noch nicht sicher, wo uns dieser hinführen wird.
»Später sollte mir klar werden, dass Nicolas ein dunkles, sogar ihm selbst unbekanntes Wesen besaß und dass all meine Versuche, es zu begreifen, nur eine für mich fassbare Vereinfachung waren. Nicolas beherrschte die Macht nicht, die er besaß, er wurde von ihr beherrscht.« (Seite 43)
Gianni Solla hat ein wunderbares Buch geschrieben über eine dunkle Zeit der Geschichte, ohne dass diese im Vordergrund steht, aber dennoch das Leben aller Beteiligten maßgeblich beeinflusst. Mich hat es durchgehend gut unterhalten, lediglich im Mittelteil gab es ein kurzes Stück, wo meine Aufmerksamkeit ein bisschen nachgelassen hat, danach ging es aber gewohnt spannend und in eine überraschende Richtung weiter, sodass das kleine Stück überhaupt nicht ins Gewicht fällt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, welches Ende diese außergewöhnliche Erzählung nimmt, bin mit dem Ausgang jedoch mehr als zufrieden, weil er so stimmig war. Eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.