Erfrischend was anderes, aber nichts für zwischen-durch
Pagans ist alles andere als ein klassischer Krimi, Thriller oder Fantasyroman. Wer klare Genre-Grenzen erwartet, wird vermutlich enttäuscht – wer sich jedoch auf eine komplexe, politisch aufgeladene und ...
Pagans ist alles andere als ein klassischer Krimi, Thriller oder Fantasyroman. Wer klare Genre-Grenzen erwartet, wird vermutlich enttäuscht – wer sich jedoch auf eine komplexe, politisch aufgeladene und atmosphärisch dichte Geschichte einlässt, kann mit diesem Buch ein außergewöhnliches Leseerlebnis erfahren.
Die Handlung spielt in einem alternativen England, in dem die Kolonialisierung nie stattgefunden hat. Kelten (Stämmler), Pikten (Norsen) und Engländer (Angelsachsen) leben nebeneinander auf der Insel. Christentum ist eine neue, unbekannte Kraft. Diese Welt wirkt vertraut und fremd zugleich – allerdings bleibt das Worldbuilding stellenweise leider zu oberflächlich erklärt. Gerade in der ersten Hälfte war es für mich schwer, mich zurechtzufinden. Viele Begriffe, Ethnien, Religionen und politische Strukturen werden eingeführt, ohne dass sie ausreichend erklärt werden. Für mich war das ein deutlicher Dämpfer im Leseerlebnis.
Ein Glossar ist vorhanden, was mir sehr geholfen hat. Dennoch: Ich musste mich über weite Strecken aktiv durchbeißen. Ohne bis kaum Vorwissen über englische/europäische Geschichte oder die kulturellen Hintergründe rund um Kelten und Angelsachsen bleibt der Einstieg zäh. In meiner Leserunde hat mir der Austausch geholfen, das Gelesene besser einzuordnen – und mit zunehmender Seitenzahl wird man mit einer durchdachten Kriminalgeschichte belohnt.
Der Kriminalfall ist spannend konstruiert, logisch aufgebaut und stückweise sehr clever durchdacht. Motive und Indizien werden nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern sinnvoll aufgebaut. Besonders gelungen fand ich Details wie die Beweisführung mit einer Drohne oder die Beobachtung eines minimalen Spalts zwischen Handschuh und Ärmel – kleine Hinweise, die große Wirkung entfalten.
Was die Charaktere betrifft, hatte ich gemischte Gefühle. Aedith, die Protagonistin, ist sympathisch und bringt mit ihrer schlagfertigen Art sowie kleinen humorvollen Momenten etwas Lockerheit in die ansonsten eher schwere Geschichte. Drustan bleibt für mich etwas blass, seine Vergangenheit wird nur angerissen. Die Dynamik zwischen den beiden funktioniert aber gut und sorgt für eine gewisse Spannung und Witz.
Besonders eigen ist die Darstellung der Polizeiarbeit. Dass Fälle von den Stämmlern in Bardengesang vorgetragen werden, ist skurril, aber passend zur alternativen Welt. Es zeigt auch, wie tief kulturelle Unterschiede im Buch verankert sind. Gleichzeitig wird deutlich, dass Misstrauen und Vorurteile eine große Rolle spielen – wie eine Form von Alltagsrassismus, nur eben angepasst an diese Welt.
Politik spielt eine zentrale Rolle in Pagans. Der Roman verwebt Machtspiele, Intrigen und kulturelle Konflikte geschickt mit der Kriminalhandlung. Das ist spannend, aber fordert auch Aufmerksamkeit. Kapitelweise hatte ich das Gefühl, den Faden zu verlieren – besonders, wenn erneut Begriffe eingeführt wurden, die nicht erklärt wurden oder wenn technische Begriffe wie "Mobifon" auftauchten, die eher für Verwirrung sorgten.
Der letzte Abschnitt des Buches war der stärkste. Endlich kam ich in einen Lesefluss, der vorher schwer zu finden war. Zwar gab es ein Kapitel, das ich inhaltlich nicht nachvollziehen konnte, aber insgesamt konnte das Finale vieles wieder ausgleichen.
Mein Highlight war ein Zitat, das den schrägen Humor des Buches gut trifft: „Und hin und wieder bekommt man die Gelegenheit, das Schicksal zu seiner Nutte zu machen.“
Fazit: Pagans ist kein Buch für zwischendurch. Es verlangt Konzentration, Geduld und den Willen, sich auf eine ungewohnte Welt einzulassen. Wer das schafft, wird mit einer originellen Mischung aus alternativer Historie, Politik, Kriminalfall und kultureller Tiefe belohnt. Für mich war es nicht ganz das Richtige, vor allem wegen des mangelnden Worldbuildings und der sprachlichen Komplexität. Ich bin aber auch ins Buch gegangen mit dem Verständnis dass mir mehr Fantasy begegnet, wie ich es sonst gewohnt bin. Dennoch ein guter Read für alle, die mal etwas ganz anderes erleben wollen.