Wie fühlt es sich an, wenn die böse Stimme in deinem Kopf immer lauter wird? – besonders, erschütternd, tieftraurig und urkomisch
Gute GründeYael hat da „diese Sache“ gemacht und damit sich und ihre Schwester in ein Vakuum befördert. Die beiden waren sich nie nah, aber im Angesicht dessen, was da fast geschehen wäre, ändert sich Vieles. Die ...
Yael hat da „diese Sache“ gemacht und damit sich und ihre Schwester in ein Vakuum befördert. Die beiden waren sich nie nah, aber im Angesicht dessen, was da fast geschehen wäre, ändert sich Vieles. Die Leserin / der Leser begleitet in diesem Roman die außergewöhnlich intensive Reise von Yael und weiterer denkwürdiger Charaktere.
Im Folgenden finden sich mögliche Trigger und Spoiler für die Handlung des Buches. Es werden keine Details verraten, aber womöglich doch mehr als anhand des Klappentextes erwartet.
Mir fehlen noch immer ein wenig die Worte. Ich habe noch nie so ein Buch gelesen, so viele Ambivalenzen erlebt, die doch so stimmig waren, so gelacht oder geschmunzelt, um im nächsten Moment wieder tieftraurig oder nachdenklich zu sein und umgekehrt. So viele kluge Sätze und so viele dumme Entscheidungen. Das Buch ist inhaltlich mächtig, immerhin geht es um menschliche Urängste wie Tod und Trauer, aber auch Depression und Selbstmord. Und gerade deshalb hat es mich auf eine Art abgeholt und bewegt, wie es bislang nur wenige Bücher vermocht haben.
Die Hauptfigur Yael nimmt die Leserin / den Leser dabei mit auf eine wahnsinnig sprunghafte Reise durch ihre Erlebens- und Gedankenwelt. Mir hat dieses Stilmittel sehr gefallen, da es sofort nah- und greifbar gemacht hat, wie es in Yaels Kopf zugehen muss. Kaum ist ein Gedanke, eine körperliche Empfindung da, schießt von der Seitenlinie eine Erinnerung hinein oder ein Musikstück triggert lange zurückliegende Gefühle. Sicherlich kommt der Stil nicht bei allen Leser:innen gut an.
Die Menschen, die Yael in einer schwer nachvollziehbaren Situation Halt geben, sie begleiten und ihr dabei ermöglichen, wieder zu sich zu finden, sind ebenso liebenswert wie die teils sehr verpeilte Katzenliebhaberin Yael selbst. Gespickt mit diversen Anspielungen und Insider-Kommentaren aus den Kontexten Judentum, Mode, Literatur und auch australischem Lokalkontext, die ich zu großen Teilen überhaupt nicht verstanden habe, geht es traurig-zuversichtlich in so etwas, das eine Perspektive sein könnte.
„Gute Gründe“ ist ein in mehrfacher Hinsicht total verrücktes und sehr, sehr liebenswertes, großartiges Buch, weil es eben gerade Menschen zeichnet. Mit all ihren schönen und weniger schönen Facetten, in all ihrer Angst und Menschlichkeit. Und gerade das macht es aus. Wir sind alle Menschen.
Außergewöhnlich. Sehr lesenswert.