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Veröffentlicht am 02.12.2022

Schritt für Schritt

Alles selbst gemacht!
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Die sympathische Meranerin und erfolgreiche Foodbloggerin Annalena Ganner (www.annalenashearthbeat.com) hat sich ihren großen Traum erfüllt – ein hochwertiges und sehr ansprechend fotografiertes Rezeptbuch. ...

Die sympathische Meranerin und erfolgreiche Foodbloggerin Annalena Ganner (www.annalenashearthbeat.com) hat sich ihren großen Traum erfüllt – ein hochwertiges und sehr ansprechend fotografiertes Rezeptbuch. In dem rund 130 Seiten starken Hardcover-Buch steckt sehr viel Liebe zum Kochen und fürs Detail – verständlich, gut strukturiert und mit hilfreichen Video-QR-Codes sowie weiterführenden Tipps und Koch-Varianten führt Annalena selbst die unentschlossenen Anfänger Schritt für Schritt ans Brot- und Baguettebacken. Hervorzuheben ist zudem, dass fast alles ohne große Küchengeräte sowie ausgefallenen Zutaten zuzubereiten ist.

In ihrem Vorwort erläutert die passionierte Köchin Annalena die Vorteile des Selbstbackens und -kochens wie Geschmack, Frische und Nachhaltigkeit – zudem lässt man die vielen versteckten Zusatzstoffe von Fertiglebensmitteln außen vor und kann sich tolle Vorräte anlegen. Die umfangreichen und brillant fotografierten Rezepte umfassen einen gelungenen Querschnitt in den Rubriken Brot, Pasta, Aus aller Welt, Aufstriche und Dips, Snacks und Geschenke aus der Küche sowie Backen und Desserts. Die vielseitige Auswahl ist präzise getroffen, ohne zu überfordern und beinhaltet notwendige Basics des Alltags, die variiert werden können. Verblüffend ist wirklich, dass die bisher ausprobierten der 50 Rezepte recht einfach nachzukochen sind und Annalena es vorzüglich schafft, die Ängste des vermeintlich schwierigen Selbstmachens wie Nudeln, Pesto, Pizzateig, Brot oder Pralinen empathisch zu nehmen.

„Alles selbst gemacht!“ ist eine überzeugende und hochwertige Bereicherung in der Reihe des kulinarischen do-it-yourself-Trends mit vielen einfachen, gut erklärten und leckeren Rezepten, die auf Qualität und Authentizität statt Quantität setzen – Annalena Ganner ist ihr ehrliches Herzblut fürs Kochen anzumerken und das motiviert wirklich zum Nachkochen!

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Veröffentlicht am 01.12.2022

Träume vom Ausbrechen

Connemara
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Der gefeierte französische Autor und Goncourt-Preisträger Nicolas Mathieu nimmt in seinem neuen Roman, der auf einen Chanson-Party-Hit von Michel Sardou anspielt, seine Generation der Vierzigjährigen in ...

Der gefeierte französische Autor und Goncourt-Preisträger Nicolas Mathieu nimmt in seinem neuen Roman, der auf einen Chanson-Party-Hit von Michel Sardou anspielt, seine Generation der Vierzigjährigen in der Provinz von Lothringen en détail unter die Lupe. Dabei hat er eine präzise Beobachtungsgabe und erschafft eine dichte Atmosphäre voller Gefühle, Träume, Versäumnissen und Sehnsüchten.

Im Mittelpunkt steht die zweifache Mutter Hélène, die in der von Männern dominierten Consulting-Branche Karriere machen möchte und trotz Klassenaufstieg innerlich mit Unsicherheiten und einer stetigen Zerrissenheit zu kämpfen hat – nach einem schweren Burnout ist sie weg aus der Metropole Paris, zurück in ihre Heimat in der Provinz von Nancy. Der Alltag mit zwei Töchtern und einer eingefahrenen Ehe locken sie in eine Affäre mit ihrem Jugendschwarm Christophe, der die Kleinstadt Cornécourt nie verlassen hat und in Trennung lebt. Doch auch das geht trotz leidenschaftlichen Nächten nicht gut und mit viel Schwermut, Melancholie und Einfühlungsvermögen zieht Nicolas Mathieu den Leser tief in seine in Rückblenden und tiefsinnig erzählte Milieustudie hinein. Detaillierte und anschauliche Beschreibungen treffen auf emotionale sowie politische Stimmungen und genaue Umgebungsbeschreibungen – jeder Charakter ist tief und fein geschliffen, hat mit anderen Generationen, Klassen, Familienstrukturen und negativen Emotionen zu kämpfen und kann seine provinzielle Herkunft trotz teilweise gelungenen Aufstieg nicht leugnen. Alle träumen von einem besseren Leben, vom Ausbrechen aus festgefahrenen Wegen.

Trotz ein paar pathetischen Längen in der erzählerischen Ausführlichkeit ist Nicolas Mathieu mit „Connemara“ ein tiefgründiges Gesellschaftspanorama gelungen, die nicht nur von geplatzten Träumen und Lieben in der Provinz erzählt, sondern auch soziale und politische Aspekte bis in die 1980er-Jahre verwebt. Dabei sieht der Leser besonders tief in die Lebensläufe und Gefühlswelten von Hélène und Christophe, aber auch in gesellschaftliche Entwicklungen eines ganzen Landes.

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Veröffentlicht am 30.11.2022

Kluger Chronist des Krieges

Tagebuch einer Invasion
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Andrej Kurkow gehört zu den bekanntesten Autoren und Intellektuellen der Ukraine – sein Roman „Graue Bienen“ war ein Bestseller, der den Konflikt in der Ostukraine und das Leiden der dortigen Zivilbevölkerung ...

Andrej Kurkow gehört zu den bekanntesten Autoren und Intellektuellen der Ukraine – sein Roman „Graue Bienen“ war ein Bestseller, der den Konflikt in der Ostukraine und das Leiden der dortigen Zivilbevölkerung behandelt. Nun ist das Unvorstellbare mit dem Russischen Angriffskrieg auf die gesamte Ukraine eingetreten und der in Kiew wohnhafte und 1961 geborene Kurkow hält seine Alltagsbeobachtungen, Ängste, Reflexionen zur Geschichte und seine Hoffnungen während des ersten halben Kriegsjahres in seinem bewegend-eindringlichen „Tagebuch einer Invasion“ fest – ausgezeichnet mit dem diesjährigen Geschwister-Scholl-Preis.

In seinen ergreifenden und analytischen Aufzeichnungen dieser Zeitenwende schildert Kurkow detailgenau, was für immense Schrecken der Krieg auf die Menschen in seiner Umgebung bringt, wie er sich um sie sorgt, versucht zu fliehen und einen einigermaßen normalen Alltag zu verbringen, wenn täglich die Todesangst mitschwingt und es an allen Ressourcen knapp wird. Mit scharfem Verstand und sehr genau beobachtet Kurkow diese drastischen Veränderungen und ordnet sie zeitgleich in größere Zusammenhänge und Möglichkeiten – tiefsinnige Blicke in die vergangene Geschichte sowie nach innen und nach außen und in weitreichende Folgen.

Neben den aktuellen Erlebnissen, extremen Alltagsbeobachtungen und Gedankengängen des Autors besticht das Buch durch die zahlreichen fundierten historischen Einordnungen der ukrainischen, russischen und der ehemaligen UdSSR-Geschichte. Zeithistorische Einschnitte wie der Zweite Weltkrieg oder der Holodomor verwebt Kurkow in seine eigene Familiengeschichte, ohne den detaillierten Blick auf den aktuellen Angriffskrieg zu verlieren. Diese Kontextualisierung ist präzise und gelungen – und weitet den Blick für vielfältige Zusammenhänge. Doch Kurkow erzählt in pointierten Essays neben den menschlichen Schicksalen und die Auswirkungen auf ukrainische Kulturschaffende auch vom großen Kampfgeist, Patriotismus und vom Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit der Ukrainer, die ums Überleben kämpfen – auch wenn dieser Krieg die ukrainische Nation für immer verändern und traumatisieren wird. Dabei spielen auch zahlreiche literarische Querverweise und Kurkows weitgestreutes Wissen eine tragende Rolle.

Andrej Kurkow ist ein wichtiger und ruhig erzählender Chronist dieses schrecklichen Krieges – bedacht und klug schreibt er gegen seine eigene Angst während dieser Katastrophe an und liefert mit seinem bewegenden „Tagebuch einer Invasion“ ein sehr wichtiges und reflektiertes Zeugnis der Geschehnisse ab. Und während in der Ukraine nicht nur wegen Papiermangel das literarische Schaffen zum Erliegen gekommen ist, hat er ein beispielloses Werk des Erinnerns geschaffen, dessen Fortsetzung Kurkow schon angekündigt hat.

„Krieg und Bücher passen nicht zusammen. Aber nach dem Krieg werden Bücher die Geschichte des Krieges erzählen. Sie werden die Erinnerung daran festhalten, Meinungen bilden und Emotionen wecken.“ (S. 193)

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Veröffentlicht am 25.11.2022

Chance des Bedauerns

Die Kraft der Reue
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Der amerikanische Bestseller-Autor Daniel H. Pink hat sich in seinem neuen Sachbuch versiert, spannend und umfassend einer unangenehmen, sehr starken Emotion angenommen, in der viel Kraft stecken kann, ...

Der amerikanische Bestseller-Autor Daniel H. Pink hat sich in seinem neuen Sachbuch versiert, spannend und umfassend einer unangenehmen, sehr starken Emotion angenommen, in der viel Kraft stecken kann, wenn man sie zulässt und transformiert – die Reue.

In einer Mischung aus fundierter Wissenschaft mit einer groß angelegten Studie aus dem Jahre 2020, weltweiten Ergebnissen seiner großen Bedauern-Website sowie zahlreichen Praxisgeschichten von bekannten und unbekannten Menschen fächert Daniel Pink eine Emotion auf, die viele lieber nach dem Motto „Bloß nichts bereuen“ verdrängen, bis sie vielleicht irgendwann doch schweißgebadet mit Albträumen aufwachen.

Hier ist es an der Zeit, der Reue mutig tiefer in die Augen zu sehen und aus ihr zu lernen – wie das am besten funktioniert, erläutert Pink mit vielen anschaulichen Anekdoten und psychologischem Hintergrundwissen, bestens unterteilt in übersichtlichen Kapiteln und einer flüssig verfassten und leicht verständlichen Sprache. Denn Bedauern ist nicht gefährlich oder abseits der Norm, sie kann sehr gesund sein und gehört zum natürlichen Menschsein dazu. Gerade in einer so unsicheren Zeit wie heute mit Pandemie, Umweltkrisen und Kriegen zeigt Daniel Pink auf, wie der akzeptierende Blick in die Vergangenheit auf Reue und Bedauern ein Weg voller Stärke in die Zukunft weisen kann. Denn nicht selten äußert sich diese starke Emotion auch als körperlicher Schmerz.

Pink unterteilt die Reue in „vier Kernbedauern“, unter denen die Verbindungsreue und Karriere-Reue dominieren – mit bewegenden Beispielen schildert der Autor hier Fälle, in denen Freunde, Angehörige oder Liebespartner weggedriftet sind und wie Betroffene mit diesem Schmerz und getroffenen Entscheidungen mit Selbstmitgefühl und ohne endlose, quälende Grübelei umgehen können.

Unterhaltsam, informativ und lehrreich für alle, die sich gerne mit Psychologie und Lebensweisheit beschäftigen, liefert Pink nicht nur einen tiefen Blick in die menschliche Seele, sondern auch einen eindringlichen Ratgeber voller gesammelten Ergebnisse seiner Studie mit vielen wichtigen Anregungen für das eigene erfüllte Leben. Ein faszinierender Einblick in die verschlungenen Wege der Reue!

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Veröffentlicht am 15.11.2022

Angeschlagene Frucht

Frau mit Messer
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Die südkoreanische Autorin Gu Byeong-mo hat mit „Frau mit Messer“ eine außergewöhnliche, soghafte und höchst spannende Geschichte zwischen tiefsinnig-philosophischem Gesellschaftsroman und rasanten Thriller ...

Die südkoreanische Autorin Gu Byeong-mo hat mit „Frau mit Messer“ eine außergewöhnliche, soghafte und höchst spannende Geschichte zwischen tiefsinnig-philosophischem Gesellschaftsroman und rasanten Thriller erschaffen.

Eine alternde, unauffällige Frau lebt alleine mit ihrem Hund Deadweight in einer beengten Wohnung einer Großstadt – ihr Beruf: Auftragskillerin. Deckname: Hornclaw. Über eine Agentur erhält sie ihre brutalen Aufträge zur „Schädlingsbekämpfung“, möchte sich aber bald zur Ruhe setzen und ihre legendäre Karriere beenden – doch bei ihren letzten Schritten holen sie die Schatten der Vergangenheit ein und Hornclaw, die es gewohnt war, ihre Gefühle zu verstecken und kaltblütig zu töten, wird ihre aufkommende Zuneigung zu Dr. Kang und seiner Familie zum Verhängnis, das sie angreifbar macht. Auch merkt sie, dass ihr scharfer Verstand und tadellose körperliche Fitness langsam nachlassen.

Mit schwarzem Humor und tiefgründigem Feingefühl für die prekäre Rolle einer älteren Frau in Südkorea ist „Frau mit Messer“ ein messerscharfes Psychogramm einer Frau, die sich aus der Armut nach oben gekämpft hat und nun im Kapitalismus, der sie gnadenlos abhängt, „Schädlinge“ eliminiert. Der Plot ist äußerst packend, intelligent konstruiert und wartet am Ende mit einem fulminanten und detailliert gewaltvollen Showdown mit Hornclaws Gegenspieler Bullfight. Die prägnanten gesellschaftskritischen Aspekte der modernen koreanischen Gesellschaft werden gekonnt mit rasanten Thriller-Elementen und treffsicheren Dialogen sowie Hornclaws bissig-klugen Gedanken zum Älterwerden in Korea verwoben – auch die Rückblicke in die turbulente Vergangenheit mit Mentor Ryu sowie in die schwierige Kindheit der Killerin sind bewegend und ausgewogen akzentuiert.

„Frau mit Messer“ ist ein literarisches Highlight aus Südkorea – intelligent, gewitzt, gesellschaftskritisch und mit nervenaufreibender Spannung bis zum Schluss! Einzig und alleine der koreanische Originaltitel, der übersetzt etwa „angeschlagene Frucht“ bedeutet, wäre noch treffender gewesen – fängt er doch metaphorisch das gebrechliche Älterwerden samt Abgehängtsein, das Aufbrechen von Gefühlen und die Verdrängung der traditionellen Marktstände in Südkorea durch große Supermärkte besser ein.

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