Regt zur eigenen Bestandsaufnahme an
Jellas Beziehung liegt in Trümmern. Bei der Polizei bringt sie die Hände zur Anzeige, die die Grenze der Unversehrtheit überschritten haben, die sich um ihren Hals gelegt haben, ihr den Zugang zum Luftholen ...
Jellas Beziehung liegt in Trümmern. Bei der Polizei bringt sie die Hände zur Anzeige, die die Grenze der Unversehrtheit überschritten haben, die sich um ihren Hals gelegt haben, ihr den Zugang zum Luftholen verwehrt haben.
Zurück in ihrem alten Kinderzimmer im elterlichen Haus fragt Jella sich, wie es dazu kommen konnte. Das Geschehene kann sie noch nicht in Worte fassen, sich nicht jenen anvertrauen, die ihr Stütze sein könnten, aus Angst eine Teilschuld aufgebürdet zu bekommen, die das Konstrukt der großen Liebesgeschichte von Yannick und Jella schleichend mitverursacht hat.
Jella ist aufgewachsen im ostdeutschen Kleinstadtmief, dem sie und ihre Freundinnen zu entkommen versuchen. Das gelingt den Mädchen, indem sie sich attraktiv für die Jungs machen, die sie bewundern. Bereits an der Schwelle zum Frausein lernt Jella ihren Wert anhand der Anziehung junger Männer zu verorten, und für diesen Wert hält man auch Manipulationen und körperliche Grenzüberschreitungen aus. Selbstverleugnung der eigenen Ansprüche ist Teil des Deals, um begehrt zu werden und somit zu den coolen Girls zu gehören.
Dann lernt sie Yannick kennen, Yannick aus gutem Hause und offensichtlich so viel mehr als sie. Mit ihm sollte es anders werden, die perfekte Beziehung...
Als Frau, die ich dieses Buch gelesen habe, war es wie in ein anderes Leben auf eigene ähnliche Erfahrungen zu schauen. Es ist auch gerade wegen seiner direkten bis obszönen Sprache wie ein ganz unangenehmer Blick in den Spiegel, und ich bin sicher – es geht vielen Frauen ähnlich, wenn sie dieses Buch lesen. Jellas erlebte Grenzüberschreitungen sind auch mir nicht fremd. Ich frage mich, welcher Mann dieses Buch liest und sich komplett frei wähnt als Invasor dieser Grenzlinien.
„Die schönste Version“ ist ein Roman, der nicht nur zum Nachdenken anregt; ich kam ganz unweigerlich zu einer inneren Bestandsaufnahme pubertärer Erfahrungen. Jellas Versuch, sowohl das Erlebte als auch das Vergangene zu bewältigen, ist aber nicht ausschließlich Resümee, sondern der erste Schritt zu Heilung, zur Abkehr von Scham und von der Suche nach der eigenen Identität.