Cover-Bild Die Enkelin
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25,00
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  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 368
  • Ersterscheinung: 27.10.2021
  • ISBN: 9783257071818
Bernhard Schlink

Die Enkelin

Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet im Osten den Menschen, die für sie zählten, erlebt ihre Bedrückung und ihren Eigensinn. Seine Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land – und zu einem jungen Mädchen, das in ihm den Großvater und in dem er die Enkelin sieht. Ihre Welten könnten nicht fremder sein. Er ringt um sie.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.11.2021

vom Suchen und Finden

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Nach dem Tod seiner Frau Birgit findet Kaspar in ihren Unterlagen ein Fragment ihres Lebens vor. Birgit schreibt seit Jahren an einem Roman, den er nicht zu lesen bekam. Nun findet er ihre Gedanken und ...

Nach dem Tod seiner Frau Birgit findet Kaspar in ihren Unterlagen ein Fragment ihres Lebens vor. Birgit schreibt seit Jahren an einem Roman, den er nicht zu lesen bekam. Nun findet er ihre Gedanken und ihre Gefühle niedergeschrieben. Birgit hatte sich im Osten Berlins in den Westberliner Kaspar verliebt und ihm verheimlicht, dass sie von dem verheirateten Leo schwanger war. Mit Hilfe ihrer Freundin und Krankenschwester Paula hat sie heimlich eine Tochter zur Welt gebracht, die ihre Freundin an der Kirche aussetzen sollte. Kurz danach ist ihre Flucht in den Westen geglückt. Ihr Leben hat sich dadurch radikal geändert, sie hat mehrere Berufe angefangen und nie ihren Weg gefunden. Sie war auf der Suche nach ihrer Tochter, sie hat über Kinderheime in der DDR recherchiert und verstörendes entdeckt, doch wirklich ernsthaft hat sie die Suche nicht vorangetrieben. Kaspar, selbst kinderlos, sucht und findet nicht nur seine Stieftochter sondern auch seine Enkelin. Sie leben in einer völkischen Gemeinde und leben ihre Rechtsradikalität aus. Mit einem Trick gelingt es Kaspar seine Enkelin Sigruns für ein paar Wochen im Jahr nach Berlin zu holen, ihr eine andere Welt, besonders die Musik und das Klavierspielen zu zeigen. Er merkt, dass er bei der Jugendlichen mit Diskussionen und dem Aufzeigen der Wahrheit nicht weiterkommt, sie muss die Wahrheit selbst erkennen, doch reichen dafür die wenigen Wochen?
Die Radikalität der völkischen Gemeinde wie auch der Autonomen in Berlin wird dem geselligen Gemeindeleben, dem Zusammenhalt in ländlicher Umgebung gegenüber gestellt. Wie kann man gewaltbereite zu aufgeschlossen
Menschen umerziehen. Mit Belehrungen wird es nicht gehen, dass hat Kaspar erlebt. Nach der Lektüre kann man die Beweggründe Svenjas, Birgits Tochter, verstehen, dass sie Halt in dieser Gemeinschaft gesucht und gefunden hat. Sigrun ist noch auf der Suche nach ihrem Leben und wie es für sie weitergehen kann.
Bis auf wenige, langatmige Passagen in denen die Aufzeichnungen Birgits beschrieben werden ist es ein spannender und hochinteressanter Roman, der zum Nachdenken einlädt. Schriftstellerisch hervorragend gelungen.

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Veröffentlicht am 31.10.2021

Die Enkelin

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Klappentext:

„Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet ...

Klappentext:

„Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet im Osten den Menschen, die für sie zählten, erlebt ihre Bedrückung und ihren Eigensinn. Seine Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land – und zu einem jungen Mädchen, das in ihm den Großvater und in dem er die Enkelin sieht. Ihre Welten könnten nicht fremder sein. Er ringt um sie.“



Ich muss gestehen, dass ich nach „Olga“ von Bernhard Schlink etwas müde war, etwas von diesem Autor zu lesen. „Die Enkelin“ aber wiederum lies mich erwachen, denn diese Geschichte hat es so dick und stramm hinter den Worten, dass man gar nicht anders kann, als begeistert zu sein. Die Analyse einerseits der Charaktere aber eben auch der damaligen politischen Lage/Zeit ist Schlink bravourös gelungen. Er spricht aus tiefer Seele zu seinen Lesern, er bleibt offen und direkt, verdreht nichts, fügt nichts sinnloses als Lückenfüller hinzu. Er bleibt immer auf dem Punkt. Die emotionale Geschichte rund um Birgit sitzt beim Leser tief, egal ob wir ihr Handeln nachvollziehen können oder nicht - sie ist eine verfluchte Seele, dank des Alkohols…Teufelszeug. Das Treffen mit ihrer Tochter und Kaspar hat etwas kaltes, etwas unnahbares aber dennoch spannendes mit sich. Hier hatte ich mal wieder so einige Parts zwei Mal gelesen. Das liegt nicht daran weil ich sie nicht verstanden habe, sondern weil mal wieder hier das lesen zwischen den Zeilen Sinn macht. Hier gilt: der aufmerksame Leser wird belohnt. Als dann das Buch auch seinem Titel gerecht wird und die Enkelin ins Spiel kommt, genau wie das Thema Nationalsozialismus, Rassismus…erleben wir Leser eine besondere Wendung . Schlink benutzt nicht immer vieler Worte und lässt einige Parts der Figuren eher an der Oberfläche - ich finde das äußerst gelungen, denn dadurch kann sich jeder selbst durch die eigene Fantasie jagen.

Nach beenden des Buches tauchen so viele Fragen auf und man fragt sich, warum Kaspar sich so ruhig verhalten hat gegenüber seiner Enkelin….War es das erstaunen darüber? War es Sprachlosigkeit über dieses Bild? War es die Erkenntnis, dass das Thema Nationalsozialismus noch lange nicht ruht?

Ein äußerst gelungener Roman mit besonderer Tiefe - 5 von 5 Sterne!

Veröffentlicht am 29.10.2021

Ein sehr intensiv erzählter Roman, der mich sehr aufgerüttelt hat

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Als Kaspar eines Tages nach Hause kommt, findet er seine alkoholkranke Frau Birgit tot auf. Als er ihre Hinterlassenschaftet sichtet, erfährt er ungeahntes über die Vergangenheit seiner Frau, die er liebte, ...

Als Kaspar eines Tages nach Hause kommt, findet er seine alkoholkranke Frau Birgit tot auf. Als er ihre Hinterlassenschaftet sichtet, erfährt er ungeahntes über die Vergangenheit seiner Frau, die er liebte, aber scheinbar nicht richtig kannte. Damals ist sie zu ihm in den Westen geflohen, um der Enge des DDR-Regimes zu entkommen. Kaspar unternimmt nun die Reise in die Vergangenheit von Birgit, denn diese hatte auch erste Anstrengungen unternommen, mehr über die Vergangenheit bzw. was dann in ihrer Abwesenheit passiert ist, zu erfahren.
Kaspar findet Birgits Tochter, die in einer völkischen Gemeinschaft lebt und eine 14jährige Tochter hat.
Der Roman beschreibt sachlich und trotzdem sehr intensiv, was Kaspar alles erlebt, wie er die unterschiedlichen Menschen wahrnimmt und eine Beziehung zu seiner (Stief-)Enkelin herstellt.
Warum Birgit nicht zu Ruhe im Westen kam, das wir mir als Leser schnell klar. Wie sich ihre Tochter entwickelt hat und das sie eine Enkelin hat, das hat Birgit nie erfahren. Wie wäre es ihr damit ergangen? Ich bin total schockiert, mit welchem Weltbild Sigrun, die Enkelin, aufwächst. Es findet quasi eine andere Indoktrination statt, ,was mich sehr nachdenklich gemacht hat. Wie viele von diesen Gemeinschaften bzw. wie viele Menschen gibt es, die diese Ansichten vertreten? Kaspar ist unsagbar engagiert in seinem Handeln Sigrun aus ihrer "Blase" herauszuholen und ich bin bewegt davon, wie gern er sie hat. . Ich selber stelle für mich fest, wie wenig ich von völkischen Gemeinschaften weiss und habe die Gefahr, die von ihnen ausgeht, in dem sie ihr Gedankengut an ihren Nachwuchs weitergeben, völlig unterschätzt.

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Veröffentlicht am 28.10.2021

Die Enkelin und ihr Großvater

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Kaspar liest. Die ganzen Jahre hat sie in ihrer Dachkammer aufgeschrieben, was ihr Leben war, hat sich ihre Vergangenheit von der Seele geschrieben. Birgit ist tot und er liest von ihrem gemeinsamen Leben, ...

Kaspar liest. Die ganzen Jahre hat sie in ihrer Dachkammer aufgeschrieben, was ihr Leben war, hat sich ihre Vergangenheit von der Seele geschrieben. Birgit ist tot und er liest von ihrem gemeinsamen Leben, aber mehr noch zieht Birgits Leben an ihm vorüber. Das, von dem er weiß und das andere, welches sie vor ihm verborgen hielt. Und so macht er sich auf die Suche nach Birgits Tochter, von der er nichts wusste, die sie nach der Geburt gleich weggeben hat, gar nicht sehen wollte. Damals wäre er zu ihr in den Osten gegangen, aber sie wollte lieber im Westen leben. Er hat ihr geholfen, zu fliehen, die DDR hinter sich zu lassen.

Der Autor nimmt seine Leser mit in eine völkische Gemeinschaft, die nach wie vor dem verbohrten Idealismus der Nationalsozialisten nacheifert, alles Nicht-Deutsche verurteilt, den Holocaust mit all seinen Schrecken vehement leugnet, deren Geist ein ewig gestriger ist. Sie leben ihre Überzeugung, sind in ihrem Enthusiasmus gefangen. Hier findet er Birgits Tochter, die nach ihrem heftigen Vorleben in dieser Gemeinschaft ihrem Leben eine andere Richtung gibt und deren rechte Gesinnung sie auch ihrer 14jährigen Tochter nahebringt. Sigrun heißt sie, Birgits Enkelin ist sie und ihn, Kaspar, nennt sie bald Großvater.

„Er musste Sigrun eine andere Welt erleben und andere Erfahrungen machen lassen, als ihre Eltern es ihr boten.“ Eine große Aufgabe – ob sie wenigsten ansatzweise lösbar ist? Diese andere Welt hat Kaspar ihr gezeigt, ihre Eltern werden nicht begeistert gewesen sein. „…und wenn man die Franzosen nicht mag, macht man es sich schwer, die liebenswerten Franzosen zu finden.“ Ein so richtiger Satz, es kommt nicht darauf an, welche Nationalität einer hat, der einzelne Mensch zählt. Seine Haltung, seine Empathie, seine Weitsicht. Leben und leben lassen.

Bernhard Schlink schaut genau hin. Sein ruhiger, sehr präziser Erzählstil legt die Verirrungen seiner Charaktere offen, ohne anklagend zu sein. Wiederum lese ich vom Holocaust wie schon beim „Vorleser“. Ein Thema, über das niemals geschwiegen werden darf. Er lässt Sigrun ihre eingeimpfte Sichtweise darlegen, um dagegenzuhalten - sachlich, authentisch, historisch belegt ohne langatmig zu sein. Da ich erst vor kurzem ein ehemaliges KZ besuchte, ließ mich Sigrun und Kaspars Besichtigung der Gedenkstätte Ravensbrück und ihr unsägliches Geplapper der „guten Gesichter“ wütend zurück.

Der Autor findet den richtigen Ton, zeigt die Sichtweisen aller sehr deutlich auf. Zwei Welten prallen aufeinander, sie werden sich wohl nie näherkommen. Er lässt es so stehen – wertfrei. Überlässt es seinen Lesern, zu werten.
„Die Enkelin“ lässt mich sehr nachdenklich zurück. Ein Buch, eine Geschichte, die nachhallt, die man nicht so schnell vergisst. In seiner schnörkellosen, aber so lebendigen Sprache vermittelt Schlink ein akkurates Bild, macht die Gegensätze Ost-West, die es leider immer noch gibt, nur allzu deutlich.

Das Geschichtliche verwebt Schlink mit dieser Geschichte vom Suchen und Finden. Ein Roman, der mich sehr berührt hat, den ich sehr gerne weiterempfehle. Er ist es wert, gelesen zu werden.

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Veröffentlicht am 28.10.2021

Bernhard Schlink - Die Enkelin

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Kaspar hat es kommen sehen, zu häufig schon war seine Frau Birgit zu betrunken, um noch zu verstehen, was sie tat. Und nun ist das Unglück geschehen, sie muss in der Badewanne eingeschlafen sein. In den ...

Kaspar hat es kommen sehen, zu häufig schon war seine Frau Birgit zu betrunken, um noch zu verstehen, was sie tat. Und nun ist das Unglück geschehen, sie muss in der Badewanne eingeschlafen sein. In den Monaten zuvor hatte sie intensiv an einem Roman gearbeitet, doch ihr Computer ist kaputt, einem Experte gelingt es jedoch die Daten zu retten. Was Kaspar liest, erschüttert ihn, offenbar kannte er die Frau kaum, mit der jahrzehntelang das Leben geteilt hat, vor allem trug sie ein Geheimnis in sich, das den Buchhändler in das völkische Milieu führt. Er ist abgestoßen von dem nationalen Gedankengut und der feindseligen Haltung, auf die er dort trifft. Auch die junge Sigrun ist indoktriniert und fest von der Richtigkeit des rechten Weltbildes überzeugt. Kann Kaspar ihr eine andere Welt zeigen?

Bernhard Schlink gelingt es immer wieder Romane zu schreiben, in die man sich einlesen muss und die dann plötzlich einen Sog entwickeln, der einen in die Geschichte zieht und gefangen hält. Auch „Die Enkelin“ ist so ein Roman, der mich vor allem durch die starke Figurenzeichnung überzeugen konnte. Es ist das Aufeinandertreffen sich widersprechender und ausschließender Überzeugungen, die zugleich von Zuneigung und gemeinsamer Liebe zur Musik herausgefordert werden. Es ist sicher kein Wohlfühlroman, sondern eine komplizierte Auseinandersetzung damit, wie das Leben manchmal spielt.

Die erste Konfrontation erleben Kaspar und Birgit. Er aus dem Westen, sie aus der DDR. Für die Liebe ist er bereit, alles aufzugeben, doch sie hat sich schon längst von dem sozialistischen Staat abgewandt und wagt die gefährliche Flucht. Birgit war bereit, alles hinter sich zu lassen, alles aufzugeben, doch so einfach lässt sich ein Leben nicht abschütteln, man nimmt immer etwas mit und weil sie dies nicht teilen kann, ist sie bereit viele Jahre im Stillen zu leiden.

Ebenso wie von seiner Frau wird Kaspar auch von Sigruns Familie ausgeschlossen. Sie leben in einer abgeschotteten Gemeinschaft, die sich ihre eigene Welt geschaffen hat. Sie brauchen keine Mauern von außen, sie haben sich selbst eingemauert in ihren Überzeugungen und erziehen die Kinder im völkischen Sinne. Trotz seiner Aufgeschlossenheit und hoher Toleranz kommt Kaspar dort an seine Grenzen, doch er will das Mädchen nicht so einfach aufgeben. Argumente allein reichen nicht, er muss andere Wege finden, um sie zu erreichen und ihr Weltbild infrage zu stellen. Keine leichte Aufgabe, die sich der Senior da vorgenommen hat.

Schlink greift kein einfaches Thema auf, setzt dieses aber überzeugend und nachdenklich stimmend um. Der Roman fordert den Leser heraus, sich selbst den Dilemmata zu stellen, mit denen die Figuren konfrontiert sind, bietet keine einfachen Antworten, denn die kann es nicht geben, auch Kompromisse nicht nicht immer möglich. Die Realität ist komplex und mehrdimensional, Schlink fängt dies ein und macht ein Angebot zum Nachdenken, das Höchste, was Literatur erreichen kann.