Cover-Bild The Doll Factory
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Eichborn
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 416
  • Ersterscheinung: 27.03.2020
  • ISBN: 9783847900436
  • Empfohlenes Alter: ab 16 Jahren
Elizabeth Macneal

The Doll Factory

Roman
Eva Bonné (Übersetzer)

London, 1850. Iris schuftet unter harten Bedingungen in einer Puppenmanufaktur, doch heimlich malt sie Bilder und träumt von einem Dasein als Künstlerin. Als sie für den Maler Louis Frost Modell stehen soll und von ihm unterrichtet wird, eröffnet sich ihr eine völlig neue Welt: Künstlerische Meisterschaft, persönliche Entfaltung und die Liebe zu Louis stellen ihr Leben auf den Kopf. Sie ahnt jedoch nicht, dass sie einen heimlichen Verehrer hat. Einen Verehrer, der seinen ganz eigenen, dunklen Plan verfolgt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2020

Ausbaufähig

1

Dieses Buch war für mich die reinste Achterbahn. Als ich es begann war ich hellauf begeistert, da die Autorin einen Ton anschlug, der mir richtig gut gefiel. Es war eine Mischung aus dem was man den Damen ...

Dieses Buch war für mich die reinste Achterbahn. Als ich es begann war ich hellauf begeistert, da die Autorin einen Ton anschlug, der mir richtig gut gefiel. Es war eine Mischung aus dem was man den Damen damals lehrte, wie auch den Herren, und einem derben Unterton, den ich so vermutlich nicht erwartet hätte. Doch irgendwie wurde es dann komisch. Der Weg von der Puppenmanufaktur zur Künstlerin ist ein recht langer. Die Seiten werden gefüllt mit diversen Wiederholungen, die mir dann irgendwann mehr auf die Nerven gingen als das sie mich unterhielten. So kam es, dass mich die ersten knapp hundert Seiten begeisterten, danach musste ich mich bis Seite 250/300 durch Quälen und dann kam das was ich erwartet hatte. Wobei ich sagen muss, dass ich auch hier mehr erwartet hätte. Auf der einen Seite sind die Beschreibungen sehr detailliert, die Atmosphäre spitze, aber an einigen Stellen, an denen es wirklich darauf ankam, wurde so gar nichts transportiert.

Gegen Ende gibt es einige Szenen, die wirklich Spannung aufbauen könnten, Emotionen hervorrufen, einen Fingernägel kauen lassen, aber all das blieb aus und das fand ich wirklich schade. Während die Autorin den Zwist zwischen den Schwestern, Iris und Rose, bis aufs Kleinste schafft zu vermitteln – trotz der häufigen Wiederholungen – so hat sie, aus meiner Sicht, im entscheidenden Moment versagt. Liebe und Sehnsucht konnte sie sehr gut vermitteln, keine Frage, selbst den Wahn des Verehrers schaffte sie zweitweise gut zu betonen, aber als es darauf ankam, fehlte mir einfach was.

Auch die Charaktere selbst fand ich etwas fragwürdig. Einmal waren sie sehr schön gezeichnet und ich hatte das Gefühl Zugang zu haben, aber dann war da wieder so gut wie nichts. Vielleicht lag es daran, dass es das Debüt der Autorin ist, das weiß ich nicht. Sie zeigt auch klar, dass sie es kann, aber irgendwie fehlte mir die Konstante. Die Geschichte selbst fand ich recht schön, wenn auch etwas vorhersehbar und konstruiert. Der Schreibstil an sich war glücklicherweise gut und schön zu lesen. Wie schon erwähnt, war auch die Atmosphäre meist sehr gut getroffen. Besonders gut gefiel mir das Ende, da erst durch den Epilog das eigentliche  Ende klar wird und selbst dort wird nicht zu viel verraten. So bleibt genügend Spielraum um sich eigene Gedanken dazu zu machen. 

Fazit:

Eine interessante Geschichte, deren Ausführung etwas besser hätte sein können, aber dennoch passabel unterhalten hat.

Veröffentlicht am 27.03.2020

Düster aber zugleich auch bunt und auf kuriose Weise schön!

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Ich habe schon seit Längerem keinen historischen Roman mehr gelesen, da mein großes Problem mit dem Genre ist, dass die Geschichten häufig entweder zum Einschlafen langweilig oder absolut unglaubwürdig ...

Ich habe schon seit Längerem keinen historischen Roman mehr gelesen, da mein großes Problem mit dem Genre ist, dass die Geschichten häufig entweder zum Einschlafen langweilig oder absolut unglaubwürdig aus der Luft gegriffen sind. Es ist wirklich schwierig, historische Romane zu finden, die den Spagat zwischen korrekter Darstellung und spannender Unterhaltung schaffen, doch da ich mein Leseprogramm gerne bunt durchmische und die Geschichte interessant klang, habe ich mir trotzdem ein Exemplar angefragt. Gut für mich, denn statt einer netten Abwechslung erhielt ist eine eindrückliche, düstere aber zugleich auch bunte und auf kuriose Weise schöne Geschichte, die ich bestimmt nicht so schnell vergessen werde.


"Ich will Sie malen, weil Sie interessant sind. Ihre Erscheinung ist majestätisch. Ihr Gesicht... Ihr Gesicht ist ebenso schön wie verwirrend. Und Ihr Haar! Ein Wald aus Nadeln könnte es nicht bändigen, davon bin ich überzeugt. Wirklich außergewöhnlich!"


Der blaue Buchumschlag aus Papier zeigt im Mittelpunkt ein vergilbtes Mannequin mit dem Abdruck alter Zeitungsausschnitte, hinter dem braue Schmetterlingsflügel hervorschauen. Umrankt wird das Hauptmotiv von Rosen und noch geschlossenen Iris, wodurch alle Teile der Geschichte auf wundervolle Art und Weise mit eingebracht wurden: Iris und ihre Schwester Rose, die Puppenmanufaktur, Silas mit seiner Kuriositätensammlung und Schmetterlingsfenstern und die Kunst, um die sich alles dreht. Der Titel "The Doll Factory" wurde in 3D-Schrift auch haptisch hervorgehoben und ist nicht unpassend, auch wenn es sich mir nicht ganz erschließt, warum die Geschichte ausgerechnet nach der Puppenmanufaktur benannt ist, die bestenfalls eine Nebenrolle spielt. Auch das Originalcover ist ein kleines Kunstwerk und enthält sogar noch mehr Details, wirkt aber viel verspielter. Das ernstere, düstere deutsche Cover gefällt mir da besser! Innerhalb der Buchdeckel ist die Gestaltung schlicht aber angenehm. Die Innenseiten der Buchdeckel sind mit Schmetterlingen und Faltern bedeckt, unter dem Umschlag blitzt ein schlichtes Hellblau hervor. Geteilt ist die Geschichte in drei Teile, die durch passende Zitate eingeleitet werden. Außerdem gibt es keine durchnummerierten Kapitel, nur Abschnitte mit Überschriften, die ab und an von Briefen, Notizen und Infoschreiben in schmuckloser Kursivschrift unterbrochen werden. Abgerundet wird die Gestaltung von einem blauen Lesebändchen.


Erster Satz: "Wenn die Straßen am stillsten und dunkelsten sind, setzt eine junge Frau sich im Keller der Puppenmanufaktur an ein kleines Pult."


So beginnen wir die Geschichte der jungen Iris Whittle, die gefangen im Korsett ihrer gesellschaftlichen Stellung von Freiheit und Erfüllung in der Malerei träumt. Auch nach zwanzig Stunden Arbeit in der kleinen Puppenmanufaktur, in der sie zusammen mit ihrer von den Pocken entstellten Zwillingsschwester Rose Porzellanpuppen herstellt, setzt sie sich bei kostbarem Kerzenlicht hin und malt mit Farben, die sie mit mühsam zusammengekratztem Lohn gekauft hat. Als sie von dem jungen Maler Louis Frost gebeten wird, für ihn gegen eine gute Bezahlung und Unterricht Modell zu stehen, klingt das Angebot viel zu gut um wahr zu sein und sie vermutet eine Falle. Doch dann siegen ihre Neugier und ihr Traum über die Stimme der Vernunft und sie taucht ein in eine ihr bislang unbekannte Welt voller Farben, Glück und Liebe.

Abwechselnd mit ihr erhalten wir auch Einblick in das Leben des Kuriositätensammlers Silas Reed, der sich nach einem Treffen auf der Straße sofort in die majestätische Erscheinung von Iris verliebt. Als diese jedoch nicht auf seine Annäherungsversuche reagiert und für ihn nur die kalte Schulter übrig hat, auch als seine Leidenschaft sich zur Besessenheit steigert, beginnt ein Plan in ihm zu reifen. Mit jeder Verschmähung, Demütigung oder Ausgrenzung, die er erdulden muss, rückt die Eskalation näher und über dem jungen Glück von Louis und Iris schwebt ein Damoklesschwert...


"Und da verschmelzen alle Visionen zu einem glasklaren Bild. Zitternd vor Dankbarkeit erkennt er, was zu tun ist, wie er sich dieses Blickes würdig erweisen und sie ganz für sich allein haben kann. Wie er sie entzücken und die Traurigkeit von ihr abwaschen wird. Ein Glücksgefühl durchflutet ihn, ein bebender, zögerlicher Nervenkitzel, den er nicht benennen kann und den er am liebsten in einen Flakon abfüllen würde. Die Empfindung ist schöner als in Shaffordshire über die Wiesen zu laufen oder den gehörnten Schädel eines Widders zu finden, oder als Flick endlich zu besitzen, ihren Mund ganz allein für sich zu haben. Sie wird ihm gehören."


Ein weiterer Handlungsstrang ist der des kleinen Straßenjungens Albie, der zusammen mit seiner großen Schwester in einem heruntergekommenen Bordell wohnt und mit niederen Arbeiten über die Runden zu kommen versucht. Während seine Schwester sich prostituiert, sammelt er für Silas Tierkadaver von den Straßen auf, die er dann ausstopfen kann, näht für Iris´ Puppen kleine Leibchen und Röcke und steht später ebenfalls für Louis Modell. So verbinden sich die drei unterschiedlichen Handlungsstränge und die Protagonisten aus den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten finden u einer spannenden Geschichte zusammen, die nicht für alle von ihnen gut ausgehen wird...


"Lügner, Teufel, Spanner. So viele Leute haben ihn ausgelacht, abgelehnt und gequält. Er schlägt mit der Faust auf die Tischplatte und steht so abrupt auf, dass der Stuhl beinahe umkippt. Er beschließt, ihr einen Besuch abzustatten."


"The Doll Factory" ist kein sonniges Buch, sondern ein sehr authentisches Porträt des viktorianischen Londons gemischt mit einer romantischen Liebesgeschichte. Und wenn ich authentisch schreibe, muss ich anmerken, dass es mir an manchen Stellen fast ein wenig zu authentisch für meinen Geschmack war, sodass ich fast glaubt, den bestialischen Gestank der Gosse durch die Seiten riechen, das Klappern der Kutschräder in den engen, dreckigen Gassen hören, die madigen Kadaver von unter die Räder gekommenen Tieren sehen, die Bisse der Flöhe auf meiner Haut spüren und den Geschmack von glibberigem Rindertalg auf meiner Zunge schmecken zu können. Eine Erfahrung, auf die ich sehr gut hätte verzichte können... Der sehr direkte, detailreiche Schreibstil der Autorin schreckt vor teilweise ekelhafter, expliziter Darstellung nicht zurück und erzählt schonungslos von verwesende Leichen, ausgeleerten Nachttöpfe, Gewalt, Prostitution, allerlei Blut, Schleim und diversen andere Körperflüssigkeiten. Meine ausdrückliche Warnung an alle zartbesaiteten Leser: Elizabeth Macneal nimmt keinerlei Rücksicht auf den empfindlichen Magen oder das mitleidende Herz des Lesers (Stichwort für alle, die das Buch gelesen haben: Albie). Sehr beeindruckend ist jedoch, dass der ausschweifende, bildhafte Schreibstil, der ein lebensechtes Bild von London um 1850 malt, der Handlung niemals im Weg steht und die Geschehnisse nur geringfügig ausbremst.


"Albie rennt, wie er noch nie gerannt ist. Er rennt, als treibe eine Dampfmaschine seine Beine an. Die kühle Luft brennt ihm in der Kehle, der Weg scheint Stunden zu dauern. Er besinnt sich auf die besten Abkürzungen und wählt Straßen, die er kennt wie seine Westentasche. Er ist noch ein Kind, ein Junge aus der Gosse, aber er fühlt sich groß und stark. Er wird sie warnen. Er hat Silas nicht aus den Augen gelassen und den richtigen Moment abgewartet. Er weiß, was niemand sonst weiß."


Neben dem abstoßenden Teil kommt die Aufbruchsstimmung der fortschreitenden Industrialisierung und des technischen Fortschritts, die das Setting prägt sehr schön durch. Neben der Neugier der Menschen wegen der Weltausstellung und einem Bild der Gesellschaft durch verschiedene Schichten, konzentriert sich Elizabeth Macneal vor allem auf die Kunst und die frisch gegründete Präraffaelitische Bruderschaft, die als Reaktion auf die festgefahrene akademische Tradition in der Malerei entstand. Ich gebe zu, dass ich mich mit Kunstgeschichte nicht besonders gut auskenne und nach dem Lesen erstmal Dr. Wikipedia zurate ziehen musste, um zu verstehen, dass die dargestellte Geschichte und die vorkommenden Figuren zu einem großen Teil auf wirklichen historischen Begebenheiten beruhen. So lernen wir unter anderem die jungen Künstler John Millais, William Hunt und die Brüder Rossetti kennen, von denen es heute etliche Bilder zum Bestaunen gibt, erfahren beiläufig etwas über die Motive, künstlerische Ziele und Ausdrucksweise der Bruderschaft und bekommen durch etliche real existierenden Bildern und Anspielungen bewiesen, dass die Autorin gut für ihre Geschichte recherchiert hat. Zum Beispiel sind wir live dabei, als John Millais bei einem gemeinsamen Abendessen seinen größten Erfolg, die "Ophelia" plant, für das sein Modell Elizabeth Siddall (später Siddal), in einer Badewanne liegen muss, wobei sie sich eine lebensgefährliche Lungenentzündung zuziehen wird. Auch die ab und an abgedruckten Briefe an die Times des bedeutendsten Kunsthistorikers der Zeit, John Ruskin, die der Auslöser für den Wandel der öffentlichen Wahrnehmung der Bruderschaft waren, zeugen von guter Recherche.


"Es ist, als wäre ihr Leben eine nüchterne Kohleskizze gewesen, die plötzlich mit lebhaften Ölfarben übermalt wurde. (…) Sie öffnet den Mund, eine Schneeflocke landet auf ihrer Zunge. "Kannst du die fangen?", fragt sie und zeigt auf eine riesige Flocke, fast so groß wie eine Pusteblume. Louis stellt sich darunter und schnappt zu wie ein Terrier. "Was gibt es zu gewinnen?"
"Ewigen Ruhm."
"Ach so", sagt er. "Ich wusste nicht, dass es so einfach ist."


Mit Louis und Iris hat die Autorin zwei fiktive Charaktere gewählt, um frei eine Geschichte rund um die wahren Begebenheiten erzählen zu können. Zwar zeigen die beiden Parallelen zu wirklichen Charakteren (der Künstler und seine schöne Muse könnten eine etwas abgewandelte Form von Rossettis und Liddalls Geschichte sein), da aber die wirklichen Charaktere separat in der Geschichte vorkommen wird klar, dass die Autorin sich hier künstlerische Freiheit erlaubt hat. Die eingebettete zarte Liebesgeschichte zwischen Louis und Iris, die sich ganz langsam, getragen von einer gemeinsamen Leidenschaft und dem Wunsch nach Freiheit, entwickelt, wirkt fast zu rein und sanft, um Teil der dreckigen, stinkenden, unheimlich fremden Welt zu sein, die Elizabeth Macneal hier geschaffen hat. Der Maler mit den dunklen Locken, seine Freunde und die kleine Wombat-Dame Guineveres eroberten schnell mein Herz. Genau wie für Iris ist die kleine schöne, heile Welt voller Kunst, Glück und Licht, die sie bei Louis findet, eine herrliche Abwechslung, eine Insel in all dem Leid und Dreck um sie herum. Iris´ Charakter selbst war wunderbar komplex, gegen Ende aber leider ein wenig unrealistisch. Von einer prüden, verklemmten, wohlerzogenen grauen Maus, also einer Frau ihrer Zeit wandelt sie sich in eine zielstrebige, beinahe feministisch anmutende Königin, die ihr Leben stark selbst in die Hand nimmt. Ausgelebte Kunst und Brechen mit Tabus hin oder her - ob dies tatsächlich eine glaubhafte Entwicklung im viktorianischen Zeitalter ist, bleibt fragwürdig. Die Darstellung ihrer neu entdeckten Leidenschaft für die Kunst, ihrer von der Gesellschaft abgesprochenen Sexualität und ihre eigene Entscheidungsfreiheit hat mir aber sehr imponiert. Ein wenig haben mich die Kunstbeschreibungen an "Das Lapislazuliherz" erinnert, auch wenn dieses in einer ganz anderen Zeit spielt.


"Dort drüben", sagt sie. Louis dreht sich um. Es hängt auf Augenhöhe, absolut gerade und in der Mitte des Westsaals. Ein schimmernder, von bräunlichen Gemälden umrahmter Farbfleck. Sie ist vor aller Welt ausgestellt. Er hat sie auf der Leinwand fixiert und in ein vergoldetes Rechteck gesperrt. Da steht sie, lebensecht und im Augenblick erstarrt. Er hat sie in ihrer ganzen Schönheit eingefangen."


Beeindruckend ist, dass neben der sich entwickelnden Romanze, Iris´ Selbstfindung und künstlerischer Emanzipation und den historischen Begebenheiten noch Raum für weitere Entwicklungen und Aspekte bleibt. Gut gefallen hat mir die Darstellung von Iris´ Beziehung zu ihrer Zwillingsschwester Rose, die zwar von Neid, Bitterkeit und Missverständnissen, aber auch von enger Verbundenheit und Liebe geprägt ist. Auch der kleine Albie ist ein einfach gestrickter aber doch vielschichtiger Protagonist, bei dem einem einfach das Herz aufgeht.

Für ordentlich Spannung sorgen hingegen die Einblicke in das kranke, verdrehte Gehirn des Kuriositätensammlers Silas Reed, der zu Beginn noch gar nicht so verrückt, sondern in erster Linie einsam und etwas verschroben wirkt. Erst nach einigen hundert Seiten und vielen kleinen Anspielungen wird dem Leser klar, dass wir in die verquere Gedankenwelt eines Serienmörders eingestiegen sind. Die Art und Weise wie die Autorin unser Bild von dieser Figur immer wieder aufs Neue ändert, unsere Gefühle von Zuneigung über Mitleid bis hin zu Abscheu, Ekel und ungläubigem Schock wechseln lässt, ist wirklich krass. Exzessives Stalking, krankhafte Besessenheit, immense Selbstleugnung, das Abtauchen in Fantasiewelten und ein gefährlicher Plan - bald mutet die Geschichte an wie ein Psychothriller. Die kommende Eskalation erscheint bald zum Greifen nahe und wir bangen und hoffen, dass die liebgewonnenen Protagonisten diese überstehen.


"Komm herunter, denkt sie, sprich mit mir, gib mir etwas zu essen. Was sie meint: Lass mich nicht hier unten sterben. Sie hat Todesangst.
Der Vogel.
Die verklebten Flügel.
Nun sitzt sie im Käfig, und kein Kind ist in der Nähe, das die Gitterstäbe zerbrechen könnte."


Die letzten Kapitel lesen sich spannend wie ein Thriller und ich musste einfach in dem Wettlauf gegen die Zeit mit fiebern: wird Iris es schaffen, den Fängen ihres Verehrers zu entwischen? Gibt es ein Happy End? Ab gewissen Stellen der Geschichte, die mein armes Leserherz gebrochen haben, hätte ich ihr wirklich alles zugetraut. Und so wollte ich gleichzeitig, dass das Buch endlich aufhört und dass es niemals endet. Das wirkliche Ende hätte ich mir noch ein wenig ausführlicher gewünscht. Man erfährt in einer kurzen Bildbeschreibung von Iris Meisterwerk zwar alles, was man über den weiteren Fortgang der Handlung wissen muss, dennoch hätte sich mein Leserherz ein paar detailliertere Ausführungen gewünscht.



Fazit:


Ein beeindruckend vielschichtiger, düsterer aber zugleich auch bunter und auf kuriose Weise schöner historischer Roman, der mich mitgerissen, beschäftigt und berührt hat, sodass ich ihn gewiss lange nicht vergessen werde.

Auch wenn das lebensechte Porträt des viktorianischen Londons, die gute Recherche der Autorin, die komplexen Charaktere und der Thriller-Showdown mich wirklich überzeugt haben, war der Roman für meinen Geschmack zu düster, zu eklig und im Erzähltempo streckenweise zu langsam und überladen, als dass ich 5 Sterne vergeben würde.

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Veröffentlicht am 14.05.2024

Eine Frau geht ihren Weg

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Dieses sehr besondere Buch war ein Spontankauf und ich wusste kaum was mich erwartet. Aber bereits nach den ersten Seiten zog mich die Geschichte in ihren Bann: Iris träumt von einem Leben als Künstlerin, ...

Dieses sehr besondere Buch war ein Spontankauf und ich wusste kaum was mich erwartet. Aber bereits nach den ersten Seiten zog mich die Geschichte in ihren Bann: Iris träumt von einem Leben als Künstlerin, doch die Realität sieht anders aus. Ihrem kargen Leben kann sie erst entfliehen, als der Maler Louis Frost sie in sein Atelier holt und unter seine Fittiche nimmt. Endlich kann Iris ihren Traum leben, und in Louis findet sie einen Seelenverwandten, zu dem sich eine bedingungslose Liebe entspinnt. Doch der Preis ist hoch: weder ihre Schwester noch ihre Eltern wollen Iris, die nun in Sünde lebt, wiedersehen. Zugleich wird Iris von einem Mann gestalkt, der sich immer tiefer in seinem Wahn, Iris würde ihn ebenfalls lieben, verstrickt und der schließlich bis zum Äußersten geht, um Iris an seine Seite zu holen.
Ein ums andere Mal zeigt sich, was für eine starke und moderne Frau Iris ist, die den konservativen Zwängen der viktorianischen Zeit entflieht und ihren eigenen Weg geht, ungeachtet des Skandals, den dieses Leben mit sich bringt.
Fazit: romantisch, unheimlich, geprägt von unbändigem Lebenswillen und dem Aufeinanderprallen moderner Vorstellungen auf konservativ-verstaubte Ansichten entspinnt sich ein Reigen voller Magie und Drama.

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Veröffentlicht am 06.08.2020

Genial im Sinne von unvorhersehbar

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London, im Jahre 1850, die erste Weltausstellung steht vor der Tür.
Iris gibt ihre Anstellung in einer Puppenmanufaktur auf, wo sie Nachts heimlich malt, um ihrem größten Traum zu folgen. Sie will Künstlerin ...

London, im Jahre 1850, die erste Weltausstellung steht vor der Tür.
Iris gibt ihre Anstellung in einer Puppenmanufaktur auf, wo sie Nachts heimlich malt, um ihrem größten Traum zu folgen. Sie will Künstlerin werden, der Maler Louis Frost, für den sie Modell steht, gibt ihr fortan Unterricht.
In einer Menge von Schaulustigen, welche die Vorbereitungen für die Weltausstellung beobachten, trifft Iris erstmals auf Silas. Iris hat die Begegnung gleich wieder vergessen. Silas, der Sammler von allem schönen ist, und dafür sorgt, dass das Vergängliche den Tod überdauert, wird von einer Besessenheit ergriffen, die nicht zulässt, dass er Iris vergisst.
Louis hingegen zeigt Iris derweil eine neue Welt auf, eine Welt der Leidenschaft, der Liebe und der Kunst, die im Gegensatz zur den gesellschaftlichen Zwängen dieser Zeit steht.
Silas jedoch verfällt immer mehr seiner Besessenheit und setzt alles daran seine finsteren Pläne zu verwirklichen.

Kein Buch für Zartbesaitete! Vom Cover und dem Klapptext sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn es wird fast alles in erschreckenden Details da gelegt. Auf manches hätte mein Leserherz auch verzichten können. Auf die genaue Schilderung, was Silas macht, um seine Tiere haltbar zu machen, hätte ich persönlich verzichten können.
Das Buch beginnt etwas holprig und langsam, so ist vor allem davon die Rege, dass sich Iris, als freidenkende, stolze Frau, im tiefsten Herzen nicht den Erwartungen der Gesellschaft beugen will, auch wenn der Preis hoch ist. Ihre Schwester verachtet sie dafür, dass sie ihren eigenen Weg gehen möchte und sie in der Puppenmanufaktur alleine lässt. Von ihren Eltern wird Iris verstoßen, schließlich ist es nicht schicklich mit einem Junggesellen zusammen zu arbeiten, der zu allem Überfluss auch noch Künstler ist.
Gegen Ende nimmt das Buch rasant Fahrt auf, alle Charaktere stellen sich ihren eigenen Dämonen und wachsen über sich hinaus nur, damit die finsteren Pläne sich ganz verwirklichen.

Das Buch „The Doll Factory“ ist ein wirklich gelungenes Debüt, welches eine lebensechte Nachbildung des London des 19. Jahrhunderts schafft. Macneals Charaktere sind alle unglaublich echt geworden, sie haben alle Macken, denn niemand ist perfekt.
Das Buch ist ein Mischung aus Historischem, Horror und Liebesgeschichte.
Ein Großteil der in dem Buch gemalten Bilder, gibt es tatsächlich und auch die Künstler, die in dem Buch vorkommen, entsprechen Personen, die in dieser Zeit gelebt haben. Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen, den es ist nicht vorhersehbar. Es mal etwas ganz anderes, es zeigt wie nah Liebe und Hass zusammen liegen und das alles vor der Kulisse des viktorianischen Londons.

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Veröffentlicht am 04.06.2020

Ein packendes Roman-Highlight

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Beschreibung

London, 1850. Die Schwestern Iris und Rose arbeiten unter schlechten Bedingungen in einer Puppenfabrik und haben keine schöne Aussicht auf ihr weiteres Leben. Doch Iris träumt von der Arbeit ...

Beschreibung

London, 1850. Die Schwestern Iris und Rose arbeiten unter schlechten Bedingungen in einer Puppenfabrik und haben keine schöne Aussicht auf ihr weiteres Leben. Doch Iris träumt von der Arbeit als Künstlerin und so schleicht sie des Nachts in den Keller der Fabrik um zu zeichnen. Eines Tages begegnet Iris dem Maler Louis Frost und als er mit ihr übereinkommt, ihr im Gegenzug zum Modellstehen Unterricht zu erteilen, ergreift Iris die Chance ihres Lebens beim Schopf. Während Iris Träume wahr werden und die Gefühle für Louis immer stärker werden, verfolgt ein ungeahnter Verehrer sie auf Schritt und Tritt und fasst bald einen düsteren Plan.

Meine Meinung

Auf den ersten Blick war klar: Elizabeth Macneals Debütroman »The Doll Factory« ist genau MEINS. Die junge Autorin ist mit ihrer Geschichte, die im London des 19. Jahrhundert verortet ist und sich nicht so leicht in nur ein Genre einordnen lässt, gleich auf der britischen Bestsellerliste gelandet.

Macneal entführt die Leser*innen in die düsteren und stinkenden Gassen der viktorianischen Stadt, zum Kuriositätenladen des Sammlers und Präparators Silas Reed und der Puppenfabrik, in der die Schwestern Iris und Rose hart für ihren Lebensunterhalt schuften müssen. Mit einer einnehmenden Art und Weise verwebt die Autorin die Ingredienzen für einen historischen Roman mit denen für einen Schauerroman und denen eines Psychothrillers zu einem grandiosen Geflecht, das vollkommen gefangen nimmt.

Mit mindestens ebenso feinen Pinselstrichen, wie Macneal das Setting arrangiert, zeichnet sie nun auch die einzelnen Charaktere und erfüllt diese mit einer Leibhaftigkeit, die mich zwischendurch vergessen ließen, dass es sich nur um fiktive Personen handelt, mit Ausnahme einiger Randfiguren der »Präraffaelitische Bruderschaft« (PRB).

Iris Whittle, ist die Heldin des Romans und scheint mit ihrem modernen und selbstbewussten Gemüt nicht ihrer Zeit entsprungen zu sein. Im starken Kontrast zu ihrer Schwester Rose und der damaligen gesellschaftlichen Sitten, ringt sich Iris dazu durch ein selbstbestimmtes Leben zu führen und ihrem Traum, eine angesehene Malerin zu werden, zu folgen. Mit ihrem Mut und ihre Unerschrockenheit, sich gegenüber der patriarchalischen Domäne der Männer zu behaupten, avanciert sie zu meiner liebsten Romanheldin neben Lizzy Bennet.

Durch diese starke Protagonistin und plakative Szenen über den damaligen Wert und die Stellung der Frau vermittelt die Geschichte eine durchaus feministische Botschaft. Aber dies ist nur eine Nuance im Gesamtkunstwerk, das durch die dunklen Machenschaften und der düsteren Vergangenheit des Tierpräparators Silas Reed mit subtilem Horror angereichert wird und eine kribbelige Schauerroman-Atmosphäre erzeugt.

Elizabeth Macneal hat sich mit ihrem wundervollen Roman »The Doll Factory« in mein Leserherz geschrieben, denn die Mischung aus perfekter Sprache, einem dynamischen Spiel der ausgefeilten Charaktere und der authentischen Konstruktion des Plots harmonieren superb miteinander. Besonders gut gefällt mir die Leidenschaft und Liebe zur Kunst, welche eine tragende Rolle des Romans ausmacht.

Fazit

Ein brillant erzählter Roman auf der sich die Waage zwischen Drama und Horror hält und alles von der Liebe und Leidenschaft zur Kunst durchdrungen wird. Unbedingt lesen – dieses Buch hat Suchtpotenzial und ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen!

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