Pure Buchmagie!
Beschreibung:
Zachary Ezra Rawlins studiert neue Medien und sollte eigentlich mit Videospielen für seine Promotion beschäftigt sein. Doch als er in der Uni-Bibliothek auf ein geheimnisvolles Buch eines ...
Beschreibung:
Zachary Ezra Rawlins studiert neue Medien und sollte eigentlich mit Videospielen für seine Promotion beschäftigt sein. Doch als er in der Uni-Bibliothek auf ein geheimnisvolles Buch eines unbekannten Autors mit dem Titel »Süßes Leid« stößt, kann er sich auf nichts anderes als die darin enthaltenen Geschichten konzentrieren.
Das in rote Leder gebundene Buch, dem schon einige Seiten fehlen, enthält märchenhafte Kurzgeschichten – und eine dieser Geschichten beschreibt haargenau ein Ereignis aus seiner eigenen Kindheit. Auf der Suche nach Antworten folgt der Sohn der Wahrsagerin den immer wiederkehrenden Symbolen Biene, Schlüssel und Schwert bis er an einen unterirdischen Ort der Geschichte gelangt, der sich das sternenlose Meer nennt.
Meine Meinung:
Die US-amerikanische Schriftstellerin Erin Morgenstern konnte mich bereits vor acht Jahren mit ihrem Debütroman »Der Nachtzirkus« und ihrer absolut traumhaften Geschichte verzaubern – in ihrem neuen Roman, »Das sternenlose Meer«, wirkt sie wahre Wort-Magie!
Zachary Ezra Rawlins ist ein Buchliebhaber durch und durch, liebt Geschichten über alles und findet, dass Videospiele in vielerlei Hinsicht dem Lesen eines Romans ähneln, nur dass bei einem Buch vorab jemand sämtliche Entscheidungen abgenommen hat. Da ahnt Ezra jedoch noch nichts davon, dass er sich selbst bald mitten in einem Buch findet und seine eigene Geschichte schreibt.
Alles beginnt mit einem in rotes Leder gebundenes Buch eines unbekannten Autors mit dem Titel »Süßes Leid«, das Ezra in der Bibliothek findet und für ihn die Tür zu einer unbegreiflichen Welt von in sich verschachtelten Geschichten des Suchens und Findens, der Bienen, der Wächter und der Hüter aufstößt, von denen er selbst ein Teil ist.
Mit ihrem unglaublich poetischen Schreibstil kreiert Erin Morgenstern Wort für Wort, Satz für Satz und Seite für Seite eine meisterhafte Geschichte, deren winzige Zahnräder nach und nach ineinandergreifen und ein fantasievolles Kopfkino in Gang setzen, dass für pure Gänsehaut sorgt.
Das komplexe Fadenspiel der zahlreichen Märchen und Mythen die sich hier zu einer dimensionreichen Geschichte verflechten ist gespickt von Metaphern, Symbolen und es gibt klitzekleine Einflüsse/Anspielungen auf andere Romane (was mir ausgesprochen gut gefällt). Geht man dem Faden der einzelnen Geschichten nach, fühlt man sich wie Alice die ins Bodenlose fällt und schließlich dem Kaninchen ins Wunderland folgt, um dort kuriose Abenteuer zu bestehen. Aufmerksame Leser*innen die sich fallen lassen, eröffnen sich zahlreiche Deutungsmöglichkeiten der Metaphern und Symbolik, die sich durch das ganze Buch ziehen und zu einem paradoxen, nicht greifbaren und traumartigen Leseerlebnis führen.
Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass so starke Gefühle in mir geweckt hat, wie das Rauschen des sternenlosen Meeres unter der Erdoberfläche. In diesem kunstvoll gewebten Werk fügen sich die authentisch gezeichneten Charaktere, deren wohlklingende Namen sich bereits in mein Gedächtnis gebrannt haben, perfekt in einem, so scheint es, eigens für Bücherwürmer erträumten Setting ein.
Die Hauptgeschichte über Zachary Ezra Rawlins wird durch märchenhaften Episoden aus den Büchern in dem Buch durchbrochen, sodass es zu einer spannenden »Geschichte in der Geschichte in der Gesichte« Konstellation kommt. Diese mystischen Erzählungen handeln unter anderem von der Liebe zwischen dem Schicksal und der Zeit, dem Eulenkönig, Schlüssel die Türen zu Geschichten öffnen und verschließen, Bienen die Geschichten lauschen und Wächter die den Heimathafen der Geschichten beschützen. Damit sich der Zusammenhang zwischen den einzelnen Geschichtsfäden ergibt, lässt sich diese nicht auf die Schnelle verschlingen. Die Geschichte benötigt auf jeden Fall etwas mehr Zeit, um ihre gesamte Sogkraft zu entfalten – aber für diese perfekte Komposition lohnt sich allemal!
Besonders schön an diesem Buch ist, dass die Geschichten jede Menge Raum für eigene Interpretationen offen lassen (was natürlich auch beinhaltet, dass nicht alle aufgeworfenen Enden eine Antwort erhalten).
Fazit:
Erin Morgensterns Wörter die in »Das sternenlose Meer« zu Geschichten in Geschichten werden, wirken pure Magie!
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 22.06.2020