Viel mehr als ein Fernweh-Krimi
REZENSION – Vor drei Jahren erschien mit „Lost in Fuseta“ der Auftaktband zur namensgebenden Krimireihe des unter Pseudonym Gil Ribeiro schreibenden Drehbuch-Autors Holger Karsten Schmidt (54). Hauptfigur ...
REZENSION – Vor drei Jahren erschien mit „Lost in Fuseta“ der Auftaktband zur namensgebenden Krimireihe des unter Pseudonym Gil Ribeiro schreibenden Drehbuch-Autors Holger Karsten Schmidt (54). Hauptfigur der Reihe ist der am Asperger-Syndrom (Autismus) leidende Europol-Kommissar Leander Lost, der im internationalen Austausch statt in der Großstadt Hamburg jetzt bei der Polícia Judicária im portugiesischen Dorf Fuseta eingesetzt ist, einem provinziellen Küstenort in der Algarve mit nicht einmal 2.000 Einwohnern. Über den ersten Band urteilte ich damals: „Der Autor beschreibt diesen Lost, der wahrhaftig 'verloren im Dörfchen Fuseta' ist, und seine portugiesischen Kollegen mit so viel Liebe. …. Es ist ein unterhaltsamer Krimi, aber trotz aller Lockerheit und Leichtigkeit auch spannend.“ Diese Aussage gilt unverändert – nach den im Jahresabstand veröffentlichten Folgebänden „Spur der Schatten“ und „Weiße Fracht“ – auch für den gerade erschienenen vierten Band „Schwarzer August“.
Anfangs musste sich der eigenartige Kommissar an die ihm fremde südeuropäische Mentalität der Dorfbewohner erst gewöhnen. Inzwischen hat er sich eingelebt, darf weiter im Dienst der Polícia Judicária ermitteln und hat sich sogar in Soraia, die Schwester seiner Kollegin Graciana Rosado verliebt. Es könnte also für Leander Lost ein idyllischer August werden, wenn nicht im Hinterland bei der Filiale der Crédito Agrícola eine Autobombe explodiert wäre. Ist der islamistische Terror nun auch in Portugal angekommen? Zwei Tage später werden drei Thunfisch-Trawler im Hafen von Olhão versenkt. Leander Lost und seine Kollegen Graciana Rosado, Carlos Esteves und der eitle Spanier Miguel Duarte stehen vor einem Rätsel. Doch Leanders ausgeprägte Logik und Kombinationsgabe bringen sie schließlich dem Täter auf die Spur.
„Schwarzer August“ ist wie die drei Vorgängerbände der vergnüglichen Krimireihe eine Liebeserklärung an die Algarve, in die sich Autor Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt nach eigener Aussage schon in jungen Jahren verliebt hat. Voller Sympathie schildert er uns das Dorf an der Algarve, das Alltagsleben unter dem azurblauen Himmel und die Bewohner mit ihren unterschiedlichen Marotten – nicht selten ironisch, aber voller Empathie.
Im Mittelpunkt steht natürlich der „Aspie“ Leander Lost und dessen Schwierigkeit im Umgang mit den „Normalos“. Ihm fehlt die Fähigkeit, Mimik und Gesten zu deuten, Scherz oder Ironie zu erkennen. Er nimmt jede Äußerung wörtlich und irritiert dadurch seine Gesprächspartner. Lost braucht seinen strukturierten Alltag, kann ohne Ordnung und Disziplin nicht leben – typisch für das Asperger-Syndrom. Oder sollte dies vielleicht auch ein ironischer Seitenhieb des Autors auf eben jene typischen Charakterzüge sein, die Ausländer doch immer gern den Deutschen zuschreiben?
„Schwarzer August“ ist keiner dieser unzähligen und meist oberflächlichen Fernweh-Krimis, die mit Sonnenschein, Meeresrauschen, Romantik und Kulinarik bei ihren Lesern punkten wollen. „Schwarzer August“ ist viel mehr: Gil Ribeiro, der mit dem Autisten Leander Lost einen „eigenartigen“ Kommissar erschaffen hat, zeigt uns ganz nebenbei, wie wichtig es ist, Autisten nicht auszugrenzen, sondern deren Andersartigkeit und daraus resultierenden besonderen Fähigkeiten zu nutzen. „Schwarzer August“ ist zudem, obwohl wie in Urlaubslaune locker und leicht geschrieben, ein spannender Krimi mit starken Charakteren. Aber natürlich auch ein lesenswerter Roman für alle Freunde der Algarve – oder solche, die es werden wollen.