Cover-Bild Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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25,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Piper
  • Themenbereich: Belletristik
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 672
  • Ersterscheinung: 02.04.2019
  • ISBN: 9783492059398
Joël Dicker

Das Verschwinden der Stephanie Mailer

Roman
Amelie Thoma (Übersetzer), Michaela Meßner (Übersetzer)

Joël Dicker ist zurück – so intensiv, stimmungsvoll und packend wie »Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert«.--- Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord sterben der Bürgermeister und seine Familie sowie eine zufällige Passantin. Zwei jungen Polizisten, Jesse Rosenberg und Derek Scott, werden die Ermittlungen übertragen, und sie gehen ihrer Arbeit mit größter Sorgfalt nach, bis ein Schuldiger gefunden ist. Doch zwanzig Jahre später behauptet die Journalistin Stephanie Mailer, dass Rosenberg und Scott sich geirrt haben. Kurz darauf verschwindet die junge Frau ... - Die idyllischen Hamptons sind Schauplatz einer fatalen Intrige, die Joël Dicker mit einzigartigem Gespür für Tempo und erzählerische Raffinesse entfaltet. --- »Macht süchtig!« Elle


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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.05.2019

Nicht glaubwürdig

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Es geht in diesem Roman um einen Vierfachmord, der bereits 20 Jahre zurückliegt. Damals wurden der Bürgermeister von Orphea, einem kleinen Ort an der amerikanischen Ostküste, sowie seine Frau und sein ...

Es geht in diesem Roman um einen Vierfachmord, der bereits 20 Jahre zurückliegt. Damals wurden der Bürgermeister von Orphea, einem kleinen Ort an der amerikanischen Ostküste, sowie seine Frau und sein Sohn erschossen. Außerdem wurde auch eine zufällig vorbeikommende Joggerin zum Opfer. Plötzlich, im Sommer 2014, taucht eine Journalistin auf, Stephanie Mailer, und behauptet, dass damals nicht richtig ermittelt worden sei, denn der wirkliche Täter sei nicht ermittelt worden. Zunächst nimmt keiner Stephanies Behauptungen ernst, aber als sie spurlos verschwindet und nicht wieder auftaucht, werden die Ermittlungen doch wieder aufgerollt.
Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, und durch die detailreiche Beschreibung des Ortes fühlt man sich mitten in diese Kleinstadt hineinversetzt. Sie wirkt sogar so idyllisch, dass man dort einmal Urlaub machen möchte. Durch den ständigen Wechsel zwischen den Erzählebenen (damals und heute) ist der Roman abwechslungsreich und vielseitig.
Der Prolog und auch der erste Teil des Buches sind sehr spannend geschrieben und man geht davon aus, dass es so bleibt. Aber leider verliert sich die Spannung, weil ab dem 2. Teil unschöne Längen auftreten, so dass man das Gefühl hat, dass unbedingt viele Seiten gefüllt werden sollten, z.B. wird eine neue Fernsehsendung viel zu intensiv geschildert, die keinerlei Bezug zum Buchgeschehen hat. Und auch die Kindheit des Ermittlers Jesse Rosenberg müsste nicht so ausführlich beleuchtet werden, denn zum eigentlichen Kern des Romans trägt sie nichts bei. Man quält sich schließlich durch die vielen Seiten, ohne dass man das Gefühl hat, der wirklichen Auflösung näher zu kommen.
Bedauerlicherweise erscheint im Laufe der Seiten der Inhalt auch immer abstruser, so dass man sich fragt, ob hier ein Schelmenstück beschrieben wird oder ob es tatsächlich um die Aufklärung des alten Verbrechens geht. Da soll als Hauptattraktion eines Theaterfestivals ein Stück aufgeführt werden, das eigentlich nicht wirklich existiert, aber trotzdem strömen die Fernsehteams und die Reporter heran, um über dieses Highlight zu berichten, weil es entsprechend angekündigt wird. Die Auswahl der Schauspieler erfolgt erst ein paar Tage vor der Aufführung mit spektakulären Auswahlmethoden, die in meinen Augen nur unglaubwürdig erscheinen und mich an eine Posse à la Till Eulenspiegel denken lassen.
Joel Dicker zeichnet in diesem Buch sehr viele interessante und vielschichtige Charaktere, nur wirken sie leider teilweise unglaubwürdig und klischeebeladen. Da ist z.B. der gebildete Chefredakteur einer bekannten Zeitung, der sich von seiner Geliebten nach Strich und Faden ausnehmen lässt, sich total verschuldet und sogar Firmengelder veruntreut, weil er sich immer wieder von seiner Freundin erpressen lässt mit simplen Drohungen. Oder der ehemalige Polizeichef, der sich zum Theaterregisseur berufen fühlt und sich trotz blamabler Auftritte als Genie betrachtet.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass die zugrunde liegende Idee zu diesem Kriminalfall originell und vielversprechend ist, aber die Ausführung mehr gestrafft werden müsste ohne diese gewaltigen Abschweifungen.

Veröffentlicht am 27.05.2019

Spannend und anstrengend gleichermaßen

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Eine Leseprobe hatte mich „angefixt“, so dass ich mich mit Begeisterung auf den dicken Wälzer mit fast 700 Seiten stürzte.
Die recht verschlungene Handlung wird vom Verlag so erzählt: „Es ist der 30. ...


Eine Leseprobe hatte mich „angefixt“, so dass ich mich mit Begeisterung auf den dicken Wälzer mit fast 700 Seiten stürzte.
Die recht verschlungene Handlung wird vom Verlag so erzählt: „Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord sterben der Bürgermeister und seine Familie sowie eine zufällige Passantin. Zwei jungen Polizisten, Jesse Rosenberg und Derek Scott, werden die Ermittlungen übertragen, und sie gehen ihrer Arbeit mit größter Sorgfalt nach, bis ein Schuldiger gefunden ist. Doch zwanzig Jahre später behauptet die Journalistin Stephanie Mailer, dass Rosenberg und Scott sich geirrt haben. Kurz darauf verschwindet die junge Frau ...“
Eigentlich erzählt Dicker so packend und lebendig-fesselnd, dass das Buch leicht lesbar ist. Und doch verlangt das Lesen volle Konzentration, denn nicht nur der oft willkürlich wirkende Wechsel zwischen zwei Handlungssträngen mit einem Zeitabstand von 20 Jahren ist irgendwie anstrengend. Auch die Schilderung der Personen in Vergangenheit und Gegenwart und deren Umgang miteinander empfand ich als anstrengend. Dennoch bin ich dem Autor sehr gerne auf allen von ihm auf den Leseweg gestreuten Puzzle-Teilchen gefolgt, kreuz und quer, hin und her, bildhaft-atmosphärisch füllig erzählend. Immer wenn mich das Lesen zu ermüden begann, packte mich der Autor erneut, mit einem Cliffhanger, mit einer überraschenden Wendung, mit einer skurrilen Nebengeschichte… Kurzum: Der Roman ist sowohl leicht lesbar und packend erzählt, als auch fordernd-anstrengend. Mir hat er sehr gefallen.

Veröffentlicht am 26.05.2019

Sehr fesselnder, hochkomplexer und unterhaltsamer Roman

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INHALT
Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord ...

INHALT
Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord sterben der Bürgermeister und seine Familie sowie eine zufällige Passantin. Zwei jungen Polizisten, Jesse Rosenberg und Derek Scott, werden die Ermittlungen übertragen, und sie gehen ihrer Arbeit mit größter Sorgfalt nach, bis ein Schuldiger gefunden ist. Doch zwanzig Jahre später behauptet die Journalistin Stephanie Mailer, dass Rosenberg und Scott sich geirrt haben. Kurz darauf verschwindet die junge Frau ... - Die idyllischen Hamptons sind Schauplatz einer fatalen Intrige, die Joël Dicker mit einzigartigem Gespür für Tempo und erzählerische Raffinesse entfaltet.
(Quelle: Piper)
MEINE MEINUNG
Mit seinem bereits dritten Roman „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ hat der Franko-Schweizer Bestsellerautor Joël Dicker einen fesselnden, hochkomplexen Kriminal- und Gesellschaftsroman mit echten Page-Turner Qualitäten verfasst, der mich allerdings nicht völlig packen und überzeugen konnte.
Im Mittelpunkt des vielversprechend beginnenden Romans steht ein lang zurückliegender Kriminalfall um einen brutalen Vierfachmord, der 1994 in Orphea geschah, einem kleinen fiktiven Ostküstenort auf Long Island, und der 2014 vom Protagonisten Jesse Rosenberg wegen aufkommender, erheblicher Zweifel erneut aufgerollt wird. Ein mysteriöser Fall, bei dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint!
Ähnlich wie in seinem grandiosen Erstling "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" ist die Handlung äußerst verschachtelt angelegt und besteht aus unzähligen kleinen Puzzleteilen, die sukzessive preisgegeben werden, einem ständigen Wechsel zwischen unterschiedlichen Erzählperspektiven und verschiedenen Handlungssträngen in der Vergangenheit und Gegenwart, vielen unerwarteten Wendungen und zahllosen falschen Fährten. Es bereitet großes Vergnügen in den immer rätselhafter werdenden Fall einzutauchen, die sympathischen Ermittler bei ihren Nachforschungen zu begleiten, Mitzurätseln und den Hintergründen einer weiteren Mordserie auf die Spur zu kommen. Es ist bei der Vielzahl an Figuren, ihren sorgsam gehüteten Geheimnissen und immer neuen verdächtigen Details fast unmöglich, als Leser noch den Überblick zu behalten. So manche heiße Spur erweist sich als Irrweg und offensichtlich Verdächtiges als geschickt platzierte Finte, so dass man bis kurz vor der überraschenden Auflösung des vielschichtigen Falls, der Enthüllung des wahren Täters und seiner Hintergründe im Dunkeln bleibt.
Bei der Vielzahl von Charakteren ist es Dicker recht gut gelungen, seine Figuren interessant und mit einigen Ecken und Kanten auszuarbeiten. Es ist eine bunte Mischung an unterschiedlichsten Charakteren, wobei einige Nebenfiguren recht skurril gezeichnet sind. Zudem findet man im Anhang ein Personenverzeichnis zum besseren Überblick. Insbesondere seine Hauptfiguren – die Ermittler Rosenberg, Scott und die junge Kollegin Anna Karger, sind sehr vielschichtig ausgearbeitet und erhalten durch Rückblicke in ihre durch Schicksalsschläge belastete Vergangenheit an zusätzlicher Tiefe. Dennoch empfand ich im Verlauf der Handlung als recht farblos und unspektakulär und hatte Schwierigkeiten, einen Bezug zu ihnen aufzubauen.
Nach und nach lässt Dicker geschickt die vielen Fäden seiner zahllosen Handlungsstränge zusammenlaufen, deckt immer neue Intrigen und persönliche Verstrickungen auf und lässt uns schließlich in erschreckende Abgründe der menschlichen Psyche blicken. Leider gestaltete sich die fesselnde Suche nach der Wahrheit für mich bei Dickers angenehmen, unverwechselbaren aber oftmals auch ausufernden Erzählstil gerade im Mittelteil recht langatmig und zäh. Vieles entwickelte sich für meinen Geschmack zu klischeehaft und übertrieben. Insbesondere seine permanente Kritik am Literatur- und Theaterbetrieb, die wenig subtil in die Handlung eingearbeitet wurde, und die absolut überzeichnete und unglaubwürdige Figur des Ex-Polizeichefs und Möchtegern-Regisseurs waren mir zu viel des Guten, Zeitweise drohte die Geschichte in meinen Augen durch die slapstickhafte Inszenierung in eine Satire abzugleiten.
Dennoch ist es Dicker mit seiner komplexen Geschichte, seinem mitreißenden Erzählstil und fiesen Cliffhangern gelungen, mich zu fesseln, so dass ich den Roman trotz einiger Schwächen nicht mehr aus der Hand legen konnte, bis sich schließlich alle Puzzleteile zu einem schlüssigen Bild zusammengefügt hatten.
FAZIT
Trotz einiger Schwächen ein sehr fesselnder und unterhaltsamer Roman mit einer hochkomplexen Handlung und echten Page Turner-Qualitäten! Aber deutlich schwächer als die beiden Vorgängerromane!

Veröffentlicht am 26.05.2019

Eine spannende Zeit in einem verschlafenen Ort

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Es ist mir selten so schwer gefallen, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich habe das Buch verschlungen, aber weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll. Zu viele Charaktere, die man erwähnen könnte, zu ...

Es ist mir selten so schwer gefallen, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich habe das Buch verschlungen, aber weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll. Zu viele Charaktere, die man erwähnen könnte, zu viele Geheimnisse, die gelüftet werden, und das alles in einer Kleinstadt: Orphea.

Jesse Rosenberg ist Polizist. Während seiner Verabschiedung in den Ruhestand entscheidet er sich, einen Fall von damals noch einmal aufzurollen und den Hinweisen von Stephanie Mailer nachzugehen. Denn wenn er sich erst in etwas verbissen hat, bleibt er auch dran.

„[Jesse] ist der Beste von uns allen. Wir haben ihn den Hundertprozentigen getauft, weil er die Fälle, an denen er dran war, alle gelöst hat.“ (Zitat S. 15)

Von der namensgebenden Person selbst erfahren wir wenig, denn wie der Titel schon sagt, verschwindet sie. Doch wir lernen genug andere Charaktere kennen. Sei es nun eine Polizistin, die gegen die frauenfeindlichen Kollegen und die Vetternwirtschaft (in einer Kleinstadt ist die nicht zu vergessen!) ankämpfen muss. Ein abgedrehter Regisseur, der gerne groß rauskommen will. Ein Redakteur, der eine Affäre hat, die zu einem Problem wird. Ein Mädchen, das nach Hilfe ruft.

Trotz der Vielfalt der Sichtweisen sind die einzelnen Personen gut dargestellt. Man erfährt so einiges über sie und ihre Beweggründe. Es mag anfangs nicht klar sein, was die ein oder andere Figur in der Story zu suchen hat, doch der Nebel lichtet sich peu à peu. Ich konnte mit jedem leiden, lieben und hassen. Extrovertiert, überspitzt, schüchtern, lieb, zurückhaltend, überheblich, unfreundlich … hier sind quasi alle Charaktere vertreten.

Und während man sich so durch den Roman kämpft, in dem die Ermittlungen wieder laufen, könnte man annehmen, dass Orphea das wichtigste Städtchen der Welt sei. Dort tickt die Zeit anscheinend anders. Besonders momentan, denn es findet ein Theaterfestival statt, wofür die Zuschauer von überall her kommen. Dieses Festival ist der Nabel des Daseins von Orphea, weswegen ein großer Rummel darum gemacht wird. Alle Einwohner beteiligen sich irgendwie an den Vorbereitungen, denn man will ja zeigen, was man hat.

„Diese Stadt wirkte wie eine Filmkulisse.“ (Zitat S. 24)

Aber wie das bei einer Kulisse so ist, sieht nur die äußere Fassade pompös aus. Der Rest … nun ja. Schaut man dahinter, sieht man die Stützen, die Leere und die Wahrheit. Denn in Orphea hat jeder etwas zu verbergen, und so bekommt dann auch jeder Charakter seine Daseinsberechtigung.

Manches Mal lese ich bei Krimis: zu vorhersehbar, keine Spannung. Jetzt könnte man sich darüber streiten, ob es sich hier überhaupt um einen Krimi handelt, oder eher um einen Roman. Steht die Ermittlungsarbeit im Vordergrund, oder eher die Entwicklung der Charaktere? Ganz egal – hier ist definitiv nichts vorhersehbar. Die Geschichte besticht durch Wendungen und Wirrungen, deren Ausgang eine echte Überraschung ist.

Und doch hatte ich so zwischendurch meine Probleme. Angefangen bei einem Regisseur, der seine Informationen zum Mord und zum Mörder nur dann preisgeben will, wenn sein Stück beim Festival aufgeführt wird. Und statt ihn zu verhaften, tanzt man nach seiner Pfeife. Was machen schon ein paar Tage mehr aus, um den Mörder zu entlarven – wo er doch augenscheinlich wieder zugeschlagen hat und man ihn stoppen könnte, nein, müsste! Aber gut, hätten sie ihn festgenommen, wäre die Geschichte ja schnell zu Ende gewesen. Und wenn man bei diesem dritten Werk eines über den Autor weiß, dann dass sich keines seiner Bücher mit einer kurzen Geschichte zufrieden gibt.

Wie so oft bei Geschichten gibt es auch hier Situationen, die man schon früh hätte lösen können, hätte man miteinander geredet. Alles in allem wurde aber mein Lesevergnügen nicht geschmälert. So kann ich abschließend betonen: Das ist Meckern auf hohem Niveau!

Persönliches Fazit: Meiner Meinung nach sein bisher bestes Buch. Tolle Charakterzeichnungen und ein ungelöster Mordfall, der einige Geheimnisse ans Tageslicht bringt. Empfehlenswert für Fans von komplexeren Plots, die gern mitdenken.

Veröffentlicht am 25.05.2019

Spannend und komplex

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Es ist mir selten so schwer gefallen, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich habe das Buch verschlungen, aber weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll. Zu viele Charaktere, die man erwähnen könnte, zu ...

Es ist mir selten so schwer gefallen, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich habe das Buch verschlungen, aber weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll. Zu viele Charaktere, die man erwähnen könnte, zu viele Geheimnisse, die gelüftet werden, und das alles in einer Kleinstadt: Orphea.

Jesse Rosenberg ist Polizist. Während seiner Verabschiedung in den Ruhestand entscheidet er sich, einen Fall von damals noch einmal aufzurollen und den Hinweisen von Stephanie Mailer nachzugehen. Denn wenn er sich erst in etwas verbissen hat, bleibt er auch dran.

„[Jesse] ist der Beste von uns allen. Wir haben ihn den Hundertprozentigen getauft, weil er die Fälle, an denen er dran war, alle gelöst hat.“ (Zitat S. 15)

Von der namensgebenden Person selbst erfahren wir wenig, denn wie der Titel schon sagt, verschwindet sie. Doch wir lernen genug andere Charaktere kennen. Sei es nun eine Polizistin, die gegen die frauenfeindlichen Kollegen und die Vetternwirtschaft (in einer Kleinstadt ist die nicht zu vergessen!) ankämpfen muss. Ein abgedrehter Regisseur, der gerne groß rauskommen will. Ein Redakteur, der eine Affäre hat, die zu einem Problem wird. Ein Mädchen, das nach Hilfe ruft.

Trotz der Vielfalt der Sichtweisen sind die einzelnen Personen gut dargestellt. Man erfährt so einiges über sie und ihre Beweggründe. Es mag anfangs nicht klar sein, was die ein oder andere Figur in der Story zu suchen hat, doch der Nebel lichtet sich peu à peu. Ich konnte mit jedem leiden, lieben und hassen. Extrovertiert, überspitzt, schüchtern, lieb, zurückhaltend, überheblich, unfreundlich … hier sind quasi alle Charaktere vertreten.

Und während man sich so durch den Roman kämpft, in dem die Ermittlungen wieder laufen, könnte man annehmen, dass Orphea das wichtigste Städtchen der Welt sei. Dort tickt die Zeit anscheinend anders. Besonders momentan, denn es findet ein Theaterfestival statt, wofür die Zuschauer von überall her kommen. Dieses Festival ist der Nabel des Daseins von Orphea, weswegen ein großer Rummel darum gemacht wird. Alle Einwohner beteiligen sich irgendwie an den Vorbereitungen, denn man will ja zeigen, was man hat.

„Diese Stadt wirkte wie eine Filmkulisse.“ (Zitat S. 24)

Aber wie das bei einer Kulisse so ist, sieht nur die äußere Fassade pompös aus. Der Rest … nun ja. Schaut man dahinter, sieht man die Stützen, die Leere und die Wahrheit. Denn in Orphea hat jeder etwas zu verbergen, und so bekommt dann auch jeder Charakter seine Daseinsberechtigung.

Manches Mal lese ich bei Krimis: zu vorhersehbar, keine Spannung. Jetzt könnte man sich darüber streiten, ob es sich hier überhaupt um einen Krimi handelt, oder eher um einen Roman. Steht die Ermittlungsarbeit im Vordergrund, oder eher die Entwicklung der Charaktere? Ganz egal – hier ist definitiv nichts vorhersehbar. Die Geschichte besticht durch Wendungen und Wirrungen, deren Ausgang eine echte Überraschung ist.

Und doch hatte ich so zwischendurch meine Probleme. Angefangen bei einem Regisseur, der seine Informationen zum Mord und zum Mörder nur dann preisgeben will, wenn sein Stück beim Festival aufgeführt wird. Und statt ihn zu verhaften, tanzt man nach seiner Pfeife. Was machen schon ein paar Tage mehr aus, um den Mörder zu entlarven – wo er doch augenscheinlich wieder zugeschlagen hat und man ihn stoppen könnte, nein, müsste! Aber gut, hätten sie ihn festgenommen, wäre die Geschichte ja schnell zu Ende gewesen. Und wenn man bei diesem dritten Werk eines über den Autor weiß, dann dass sich keines seiner Bücher mit einer kurzen Geschichte zufrieden gibt.

Wie so oft bei Geschichten gibt es auch hier Situationen, die man schon früh hätte lösen können, hätte man miteinander geredet. Alles in allem wurde aber mein Lesevergnügen nicht geschmälert. So kann ich abschließend betonen: Das ist Meckern auf hohem Niveau!

Persönliches Fazit: Meiner Meinung nach sein bisher bestes Buch. Tolle Charakterzeichnungen und ein ungelöster Mordfall, der einige Geheimnisse ans Tageslicht bringt. Empfehlenswert für Fans von komplexeren Plots, die gern mitdenken.

© Recensio Online, 2019, Katharina