Wie eine gute Schokolade. Nicht zu süß, sondern durch die richtige Mischung und Würze einfach nur toll.
Die einundzwanzigjährige Judith Rothmann hat es nicht leicht. Sie lebt Anfang 1900 mit ihrem Vater und den beiden weitaus jüngeren Rabaukenzwillingen Anton und Karl in einer Villa in Degerloch bei Stuttgart. ...
Die einundzwanzigjährige Judith Rothmann hat es nicht leicht. Sie lebt Anfang 1900 mit ihrem Vater und den beiden weitaus jüngeren Rabaukenzwillingen Anton und Karl in einer Villa in Degerloch bei Stuttgart. Die Mutter weilt schon seit langem in einem Santorium am Gardasee.
Eigentlich würde sie gerne in der Schokoladenfabrik des Vaters mitarbeiten. Sie steckt voller innovativer Ideen, von denen der Vater aber nichts hören mag. Für ihn, wie für viele Männer seiner Zeit, haben Frauen keine eigene Meinung zu haben, sondern sollen den Mann und den Haushalt umsorgen und die Kinder groß ziehen. So hat Wilhelm Rothmann auch mit Judith seine Pläne und die entsprechen nun mal so gar nicht den Zukunftsvisionen der jungen Frau.
Das Cover mit der verschneiten Villa im Hintergrund und Judith, einer modernen jungen Frau ihrer Zeit im Vordergrund, hat mich sofort angesprochen. Man konnte Dank des Kleidungsstils der jungen Frau gleich erkennen das die Geschichte um 1900 spielt.
Durch den Winter ist es etwas kühl gehalten, doch die junge Frau lässt schon mutig den Mantel offen stehen, um zu zeigen was darunter steckt. Auch das herrschaftliche Anwesen sticht heraus aus dem Winterweiß und über allem prangt in roter Schrift, altertümlich verschnörkelt, der Titel des Buches.
Und so wie das Cover anmuten ließ war auch das Buch.
Ich durfte die Familie Rothmann, ihre Angestellten, Bekannten und Freunde ein ganzes Jahr, vom Januar 1903 bis zum Januar 1904 begleiten. Und ich muss sagen das das Jahr vorüberflog und ich am Ende froh war, dass ich schon den 2. Band der Trilogie hier liegen habe. Somit musste ich von den liebgewonnen Darstellern noch nicht Abschied nehmen und das hat mich sehr gefreut.
Denn die einzelnen Charaktere der Geschichte erschienen authentisch und wurden gut dargestellt. Ich konnte mich sehr gut in die Geschichte hinein versetzen. Begeistert war ich von Judith Rothmann, die ihre Meinung auch gegenüber dem eher strengen Vater vertrat und sich nicht in etwas zwängen ließ was sie nicht wollte.
Schön zu sehen war, das sie in ihren Freundinnen Dorothea und Charlotte echte Freundinnen hatte, die ihr auch in Notsituationen beistanden.
Eine meiner Lieblingsnebenpersonen in dem Buch war Dora, die Zofe Judiths und ihre engste Vertraute. Nachdem die Mutter schon sehr lange in Riva lebte übernahm sie sozusagen fast Mutter und Freundinnenstelle in einem und war mit ihren Ratschlägen und dem Rückhalt den sie bot eine gute Vertraute von Judith, ohne deren Beistand und Hilfe die Geschichte sicherlich ein anderes Ende gehabt hätte.
Spannend fand ich das Buch auch,sobald Victor Reinberger auf der Bildfläche erschien. Er war in meinen Augen der passende Gegenpart zu Judith, gehörte aber leider der falschen gesellschaftlichen Schicht an.
Die kurzen Sequenzen die in Riva am Gardasee bei Helene Rothmann spielten fand ich unterhaltsam aber nicht so wirklich wichtig für den Fortgang dieser Geschichte. Allerdings erhoffe ich mir da für den Folgeband eine weitere spannende Sequenz.
Alles in allem muss ich sagen, dass die Zeiten der Industriealisierung Anfang des letzten Jahrtausends gut dargestellt wurden. Es wurde nichts beschönigt sondern auch die Probleme der Zeit dargestellt. So wurde schnell klar, wie unterschiedlich die Leben der Herrschaft und die der Angestellten verlief. Das Leben der Arbeiter war in der Regel noch weiter unten, aber auch hier gab es schon gute Fabriken, die ihre Arbeiter besser bezahlten und auch was die Arbeitsbedingungen anging anderen weit voraus waren.
Ich fühlte mich in die Zeit um 1900 zurück versetzt und lebte für einen kurzen Moment darin. Ich muss aber sagen das ich froh bin nicht in dieser Zeit gelebt zu haben. Es ging sicherlich weniger hektisch zu als heute, aber die sozialen Unterschiede vor Ort waren doch noch deutlich krasser als heute. Und auch die Rolle der Frau war eine klar andere. Da bin ich froh das es früher Frauen wie Judith Rothmann gab, die sich nicht unterbuttern ließen.
Ich freue mich nun darauf mit dem Folgeband Die Schokoladenvilla - Die goldenen Jahre - beginnen zu dürfen.