Dr. Leon Ritter, seines Zeichens Rechtsmediziner im schönen provenzalischen Städtchen Le Lavandou, dachte, er könnte einen beschaulichen Frühling genießen. Da bekommt er einen Mann zur Obduktion auf den Tisch, bei dem er starke Folterspuren feststellt. Bei seiner ersten Untersuchung dann der Schock: Der Mann lebt noch! Schnell stellt sich heraus, dass es der vermisste und sehr renommierte Richter Nicolas Lambert ist, ein angesehenes Mitglied der guten Gesellschaft der Region. Womit hatte er solche grausamen Martern verdient? Und bei diesem einen Folteropfer bleibt es beileibe nicht….Die Polizei und Leon bekommen es mit einem Serientäter zu tun, ein verzwickter Fall, der großes Medieninteresse hervorruft und sogar die Kripo aus Toulon auf den Plan ruft. Zum Verdruss aller schalten sich außerdem die Staatsanwaltschaft und der Staatssekretär ein. Während sich die örtliche Polizei um Isabell mit diesen und einem Maulwurf in den eigenen Reihen herumschlagen muss, bekommt es Dr. Ritter zu allem Überfluss auch noch mit einer Stalkerin zu tun, die glaubt, sie und Leon gäben das perfekte Liebespaar ab. Nicht nur dies führt zu Spannungen mit Isabel, mit der Leon seit geraumer Zeit glücklich zusammenlebt. Auch der Fall belastet die Beziehung der beiden, zumal Leon es nicht lassen kann, auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen, die nicht im Einklang mit der Polizeiarbeit stehen…
Dritter Fall für den umtriebigen, integren, äußerst intelligenten und metaphysisch begabten deutschen Rechtmediziner in der manchmal gar nicht so idyllischen Provence. Erneut ein solider und spannender Krimi in gewohnt flüssiger Erzählmanier. Der geneigte Kenner der Reihe feiert ein Wiedersehen mit bekannten Figuren, sowohl das Cover als auch der Inhalt - Umgebung und Personen - haben einen starken Wiedererkennungswert. Der Fall ist spannend bis zum Schluss, er braucht allerdings etwas, bis er so richtig in Fahrt kommt. Die vielen Perspektivwechsel sind einerseits spannend, andererseits aber zu Anfang auch in ihrer Kürze recht abgehackt und verwirrend, und es dauert bis zum Schluss, bis sich der Kreis zwischen Prolog und Geschichte schließt und es zu einem doch schlüssigen Ende kommt. Ab etwa einem Drittel wird es dann aber ein richtiger Pageturner und man liest das Buch in einem Rutsch herunter.
Der Autor versteht es, die Charaktere gut herauszuarbeiten und auch die Nebenfiguren detailliert darzustellen. Erneut lässt er mit seiner bildhaften Sprache die Landschaft und die teilweise skurrilen und eigenwilligen Dorfbewohner vor dem inneren Auge auferstehen. Dass er Region und Leute sehr gut kennt und liebt, merkt man erneut in jeder Zeile. Mir war es phasenweise allerdings zu viel aus dem Privatleben und den Sorgen um Tochter Lilou, und die Nebengeschichte um die Stalkerin hätte er sich meines Erachtens sparen können. Nichtsdestotrotz finde ich einfach die Arbeitsweise von Leon Ritter und das Zusammenspiel mit Isabell, eine Vollblut-Polizistin, super spannend und ich lese einfach gerne, wie die beiden mal getrennt, mal gemeinsam ermitteln und wie sich alle Fäden nach und nach zusammenfügen. Köstlich sind außerdem seine Aufeinandertreffen und die Dialoge mit der klatschsüchtigen Bevölkerung, die aber immer Früchte tragen und besonders in diesem Fall sehr wesentlich zu einem befriedigenden Ende beitragen. Beim Boulespielen erfährt Ritter so manches Details aus der Vergangenheit der Beteiligten, die ihm bei der Aufklärung hilft. Ritter ist nicht nur ein herausragender Mediziner, er verfügt auch über ungemein viel Intuition und Einfühlungsvermögen, so dass er mit seinen Täter- und Opferprofilen oftmals ins Schwarze trifft. Er kann sich meist durchsetzen und hat einen hohen Anspruch an sich selbst und seine Arbeit, darin sind sich er und Isabell auch sehr ähnlich. Als nicht-Polizist kann er viel unkonventioneller ermitteln, begibt sich jedoch auch oftmals auf dünnes Eis. Trotzdem orientiert er sich an Fakten und versucht durch Logik hinter die Motive und damit zum Täter zu kommen. Mit forensischen und medizinischen Details spart auch der Autor nicht und offenbart dabei ein für den lesenden Laien doch recht beeindruckendes Fachwissen. Besonders spannend sind in meinen Augen auch die Kapitel aus Opfersicht, die Qualen der Opfer kommen in meinen Augen sehr gut rüber und gehen teilweise wirklich unter die Haut.
Fazit: Ein solider geschriebener, spannender Krimi mit viel Lokalkolorit, interessanten Charakteren und schlüssiger Auflösung. Für Fans der Reihe natürlich sowieso ein Muss, er schließt sich nahtlos an die Vorgängerbände an und lässt sich ebenso gut herunterlesen. Auch für Neulinge und solche Leser geeignet, die gerne regionale Krimis lesen. Die Fälle sind in sich abgeschlossen, und Schreibstil und Fall sind eingängig und interessant genug, um am Ball zu bleiben. Durch das Cover haben die Bücher einen hohen Wiedererkennungswert, und man weiß, was einen erwartet, auch wenn die Fälle immer neu und in sich abgeschlossen sind. Die Reihe lebt vom charismatischen Dr. Ritter, von den eigenwilligen Charakteren und der faszinierenden Umgebung, die der Autor sehr gut kennt und wunderbar zu beschreiben weiß. Kleiner Einschub am Rande: Der Blumenkorso im Städtchen Le Lavandou stand 2016 tatsächlich im Zeichen von Brasilien, er lockt jedes Jahr etwa 10.000 Besucher an. Und am 16. März 2016 gab es tatsächlich heftige Regenfälle…