Spannend, emotionsgeladen und hochaktuell
Als es im Amerika unter Donald Trump eines Tages zu einer Explosion in der überfüllten Penn Station kommt, überschlagen sich die Meldungen in den Medien. Viele verdächtigen ausländische Terroristen und ...
Als es im Amerika unter Donald Trump eines Tages zu einer Explosion in der überfüllten Penn Station kommt, überschlagen sich die Meldungen in den Medien. Viele verdächtigen ausländische Terroristen und Fremdenhass kocht hoch. Auch bei Julia Swann in ihrem beschaulichen Vorstadt-Zuhause schlagen die Nachrichten ein wie eine Bombe: Ihr Mann Michael befand sich in dem betroffenen Bahnhof. Da es ihr nicht gelingt, nach dem Anschlag Kontakt zu ihm aufzunehmen, macht sie sich auf die Suche nach ihm. Als wäre die grausame Angst, ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder könnte zu einem Opfer des Attentats geworden sein, nicht schon schlimm genug, wird Michael in den Nachrichten plötzlich als Attentäter gehandelt. Während seine Frau und das ganze restliche Land nach ihm suchen, irrt Michael ohne jegliche Erinnerungen an sein Leben vor der Explosion durch die Vereinigten Staaten. So stellen sich nicht nur Julia und die Lesenden, sondern auch Michael selbst die Frage: Wer ist Michael Swann? Liebender Familienvater oder skrupelloser Terrorist?
Bryan Reardon erzählt seinen Thriller Wer ist Michael Swann? abwechselnd aus der Perspektive des an Amnesie leidenden Michaels und seiner ihn suchenden Frau Julia. Anhand von Rückblicken erfährt man die Geschichte des Paares vom ersten Zusammentreffen in einem Studentenclub bis zum Vorabend des Bombenanschlags. Die kurzen Kapitel und schnellen Perspektivwechsel sorgen für ein atemberaubendes Tempo, das hilft, über die ein oder andere holprige Formulierung hinwegzuspringen. Reardon gelingt es, die Spannung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten und man möchte das Buch nicht eher aus der Hand legen, als bis man die Wahrheit über Michael herausgefunden hat. Der Autor beschreibt die Emotionen der Protagonistin so eindrücklich und mitreißend, dass man von Anfang an mit Julia mitfiebert und die unerträgliche Situation, in der sie sich befindet, mit ihr gemeinsam durchlebt.
Während man sich in Julia sehr gut hineinversetzen und ihr Handeln nachvollziehen kann, fällt einem dies bei Michael schwerer. Er kann sein Verhalten oft selbst nicht erklären, handelt meist aufgrund rätselhafter Instinkte. Das Vorgehen der Ermittler wirft ebenfalls Fragen auf. Mithilfe der cleveren Perspektivwechsel und indem einigen Gegenständen und Institutionen scheinbar besondere Wichtigkeit zugesprochen wird, lockt Reardon die Lesenden immer wieder auf falsche Fährten. Am Ende werden sich jedoch alle scheinbaren Widersprüche und Ungereimtheit auflösen und sich alles zu einem schlüssigen Bild zusammenfügen. Das einzige, was ein wenig zu kurz kommt, ist das Motiv, das letztendlich zum Anschlag geführt hat.
Zusätzlich zu der spannungsgeladenen Handlung liefert der Thriller einen erschütternd realistischen Blick darauf, wie Politik und unseriöse Nachrichten Wut und Hass schüren und Jagd auf Menschen auslösen. Dadurch gewinnt das Geschehen ungemein an Aktualität und bringt die Lesenden dazu, die momentane gesellschaftliche Lage – nicht nur in den USA – kritisch zu reflektieren.
Bryan Reardon gelingt es, eine geniale Idee, ehrliche Emotionen und essenzielle Beobachtungen über die heutige Zeit in Wer ist Micheal Swann? zu einem unterhaltsamen und mitreißenden Thriller zu verweben. Eine absolut empfehlenswerte Lektüre für alle, die gerne rätseln, spekulieren und die Motive menschlichen Verhaltens hinterfragen. Wer auf Action ohne Ende aus ist, sei jedoch gewarnt: Hier stehen oftmals die Emotionen im Vordergrund.