Ein Thriller mit gesellschaftlicher Tiefe
Als Leser eines Thrillers möchte ich wissen, ob der Fall nur ein Vorwand für Spannung ist oder ob der Inhalt mehr zu bieten hat. Bei J. P. Pomares „Seventeen Years Later“ habe ich genau das gefunden. Das ...
Als Leser eines Thrillers möchte ich wissen, ob der Fall nur ein Vorwand für Spannung ist oder ob der Inhalt mehr zu bieten hat. Bei J. P. Pomares „Seventeen Years Later“ habe ich genau das gefunden. Das Buch befasst sich nicht nur mit einem altbewährten, aber stets fesselnden Thema – dem Cold Case –, sondern nutzt es als Vehikel für eine innovative gesellschaftliche Auseinandersetzung.
Die gewaltsame Ermordung der wohlhabenden Familie Primrose und die Verurteilung des jungen Kochs Bill Kareama vor siebzehn Jahren bildet die klassische Prämisse. Doch die Geschichte geht darüber hinaus:
Der Autor thematisiert eine komplexe Meta-Ebene, die weit über den Mord hinausgeht: unterschwelliger Rassismus, koloniale Erblast und Klassengesellschaft. Die Darstellung der Familie Primrose als „Hort alter Hierarchien“ und Bills Position als gut bezahlter, aber zutiefst entwürdigter Dienstbote verleiht dem Thriller eine dunkle, sozialkritische Tiefe, die ihn von vielen Genre-Kollegen abhebt. Es ist eine kritische Analyse des Justizsystems und der sozialen Ungleichheit in Neuseeland.
Durch die dreifache Perspektive und die Tatsache, dass Bills Rückblick nur über TKs gesicherte Aufzeichnungen an uns gelangt, wird eine permanente Verunsicherung erzeugt. Das Leseerlebnis ist ein einziges Rätseln und Umdenken, was der Spannung bis zur letzten Seite dient.
Die Struktur zwingt den Leser, nicht nur nach dem Wer zu fragen, sondern vor allem nach dem Warum und der juristischen bzw. moralischen Schuld.
Die Charaktere sind facettenreich gezeichnet und wirken durch ihre Ambivalenz authentisch:
Sloane ist eine starke, clevere Hauptfigur. Ihre professionelle Haltung, ihre akribische Recherche und ihre Empathie machen sie glaubwürdig.
Bill ist weit komplexer als der verurteilte Mörder. Er ist beherrscht und ruhig, aber seine Handlungen deuten auf eine tiefere, möglicherweise ethisch motivierte Agenda hin.
Die Nebenfiguren (Fleur, Elle, Dean, Bills Onkel) sind meisterhaft als Falsche Fährten eingesetzt und tragen zur ständigen Spekulation bei. Das Buch spielt bewusst mit dem Misstrauen gegenüber diesen Figuren.
Die Lektüre hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Die Abfolge genialer und atemberaubender Plot-Twists ist beeindruckend. Ich wurde meisterhaft in die Irre geleitet und meine Überzeugung vom Täter wechselte praktisch in jedem Kapitel. Die endgültige Auflösung ist phänomenal und völlig unerwartet, mit der tatsächlich schuldigen Person habe ich zu keinem Zeitpunkt gerechnet.
Absolute Leseempfehlung!
Für wen? Lesende, die anspruchsvolle, psychologisch tiefgründige Thriller mögen, die mit der Erzählperspektive spielen und die Spannung bis zum letzten Satz halten.
Warum? Weil „Seventeen Years Later“ mehr ist als nur eine Mördersuche. Es ist ein fesselndes, wendungsreiches Buch, das eine kluge Kritik an Gesellschaft, Rassismus und Justiz übt. J. P. Pomare beweist hier sein meisterhaftes Können, eine packende Geschichte mit tiefem, relevantem Hintergrund zu verweben