Kurzmeinung:
Viele gute Ideen, aber eine eher schwache Umsetzung. Zu großen Teilen mehr zynisch als aufrüttelnd. Die Kritik wird einem so platt um die Nase gehauen, dass der Reiz verloren geht. Das wirklich starke Ende kann aber noch viel retten.
Meine Meinung:
Juli Zeh erschafft in ihrem neuen Roman Leere Herzen eine beklemmende Zukunftsvision. Die Demokratie hat sich selbst abgeschafft, die EU ist weiter zerfallen. Überall herrscht Politikverdrossenheit. An der Macht ist die BBB, die Besorgte Bürger Bewegung. Allen geht es nur um Machterhalt und Effizienz. Die Bürger haben sich in der neuen Situation eingerichtet und das allgemeine Motto scheint zu sein, bloß nicht kritisch nachzufragen, sondern einfach brav seiner Arbeit nachzugehen und zu funktionieren. Generell scheinen die Menschen in "Leere Herzen" seltsam unbeteiligt.
Doch einige wenige gibt es, die Unzufrieden sind und auch etwas tun wollen. Um diese Menschen kümmert sich Protagonistin Britta und ihr Freund Babak. Mit ihrem Unternehmen "Die Brücke" bilden sie suizidwillige Menschen zu Selbstmordattentätern aus und vermitteln sie an verschiedene Organisationen –von islamistischen Terrorzellen bis zu radikalen Umweltaktivisten ist für jede*n das Passende dabei.
Dieses perverse Geschäftsmodell ist an Nihilismus wirklich kaum zu überbieten. Allerdings ist mir das Ganze dann doch etwas zu zynisch. Die Menschen wirken in ihrem Desinteresse, ja fast schon Lethargie nicht mehr glaubwürdig. Was als Zuspitzung vielleicht augenöffnend wirken soll, ist bei mir nicht so richtig angekommen und wirkte in der Übertreibung eher etwas lächerlich.
Allein das Britta und ihre Freundin ernsthaft die Frage diskutieren, ob sie für eine gratis Waschmaschine ihr Wahlrecht abgeben würde, ist so plakativ und dabei aber so an den Haaren herbeigezogen, dass ich es nicht als Gesellschaftskritik ernst nehmen kann, sondern es mir allenfalls ein müdes Schmunzeln entlockt.
Dabei denkt Zeh einige heutige Entwicklungen durchaus spannend weiter und diese Gesellschaftskritik hätte durchaus Potential gehabt. Das Genre der Dystopie ist sehr reizvoll und ein gutes Mittel, sich mit der aktuellen Situation auseinanderzusetzen und Kritik zu üben. Und einige aktuelle Probleme, wie die steigende Politikverdrossenheit, hat Juli Zeh ja durchaus gut erkannt. Allerdings finde ich die Umsetzung in Leere Herzen nicht ganz so gut gelungen. In vielen Teilen wirkte es für mich eher geschmacklos zugespitzt als aufrüttelnd. Zu oft spürt man beim Lesen den moralischen Zeigefinger und die politischen Botschaften werden einem so deutlich unter die Nase gerieben, das der Reiz verloren geht.
Juli Zeh kann schreiben, dass ist keine Frage und so kann man den Roman trotz großer Schwächen gut lesen. Für mich fehlt allerdings die Spannung. Genau wie seine Protagonisten ist die Geschichte eher kühl und verläuft ohne große Überraschungen und Wendungen, dafür gespickt mit kaum versteckten Belehrungen.
Dafür konnte mich das überraschend starke Ende aber wirklich überzeugen und hat dafür gesorgt, dass mir Leere Herzen insgesamt dann doch nicht so schlecht gefallen hat.
Fazit:
Leere Herzen von Juli Zeh ist ein Roman, den man gut lesen kann. Zeh erkennt und benennt einige kritische Entwicklungen in unserer Gesellschaft und liefert durchaus einige Denkanstöße und steckt viel Kritik in die Handlung. Mir allerdings zu viel und zu platt, so dass es insgesamt eher zynisch und teilweise fast schon lächerlich wirkt. Mit dem wirklich starken Ende kann Zeh aber nochmal viel aus der Handlung rausholen.