Cover-Bild Der Zopf
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 21.03.2018
  • ISBN: 9783103973518
Laetitia Colombani

Der Zopf

Roman
Claudia Marquardt (Übersetzer)

Der SPIEGEL-Bestseller - Drei Frauen, drei Leben, drei Kontinente – dieselbe Sehnsucht nach Freiheit
Ergreife Dein Glück - überall auf der Welt kannst Du es finden!

Die Lebenswege von Smita, Giulia und Sarah könnten unterschiedlicher nicht sein. In Indien setzt Smita alles daran, damit ihre Tochter lesen und schreiben lernt. In Sizilien entdeckt Giulia nach dem Unfall ihres Vaters, dass das Familienunternehmen, die letzte Perückenfabrik Palermos, ruiniert ist. Und in Montreal soll die erfolgreiche Anwältin Sarah Partnerin der Kanzlei werden, da erfährt sie von ihrer schweren Erkrankung.
Ergreifend und kunstvoll flicht Laetitia Colombani aus den drei außergewöhnlichen Geschichten einen prachtvollen Zopf.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.04.2018

Drei Geschichten meisterhaft verwoben

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Normalerweise schreibe ich in meinen Rezensionen nichts über das Cover, aber hier muss ich es einfach tun: Die Farben harmonieren hier so schön, gold, schwarz und beige sind so klug gewählt und ...

Normalerweise schreibe ich in meinen Rezensionen nichts über das Cover, aber hier muss ich es einfach tun: Die Farben harmonieren hier so schön, gold, schwarz und beige sind so klug gewählt und wirken so elegant, man möchte es die ganze Zeit anschauen! Es wird auf jeden Fall ein Schmuckstück in meinem Regal werden.

Nun aber zum Inhalt: Autorin Laetitia Colombani hat nicht nur einen wunderbaren Namen, sondern auch einen wunderbaren Schreibstil. Es dauert nur wenige Seiten, dann ist man mitten im Geschehen, bangt um und fiebert mit Smita, Guilia und Sarah, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnte. Trotz der drei wechselnden Perspektiven mit so verschiedenen Szenarien schafft es die Autorin, dass man sich als Leser gar nicht richtig entscheiden kann, welche Geschichte gerade am spannendsten ist. Das Einfinden in die jeweils anderen Perspektiven gelingt dabei jedes Mal mühelos, ohne lästiges "was war da nochmal gerade passiert?".
Fasziniert hat mich auch, dass Laetitia Colombani jeder der drei Frauen eine eigene Stimme gegeben hat. Auch ohne die Überschriften hätte man als Leser leicht erkannt, um welche der drei Protagonistinnen es gerade geht. Ebenfalls meisterhaft beherrscht die Autorin letzte Sätze: die Kapitelenden sind jeweils so auf den Punkt gebracht spannend, dass man die nächste Seite einfach umblättern MUSS, weil man unbedingt wissen will, wie es weitergeht.

Die Geschichten der drei Frauen plätschern niemals einfach so dahin, immer passiert etwas, immer lässt subtile Spannung Seite um Seite umdrehen, bis man verwundert feststellt, dass man schon am Ende ist. Ich war glücklich und traurig, dass es das Ende war: Glücklich, weil ich mir einen anderen Ausgang im Kopf ausgemalt hatte und froh war, dass ich überrascht wurde, und traurig, weil ich die Geschichte und Smita, Giulia und Sarah schon wieder verlassen musste. Gern hätte ich noch ein bisschen in diesen drei Welten verweilt und insbesondere mehr über Smitas Kultur und das Leben in Indien erfahren.

Mein Fazit: Laetitia Colombani verwebt in "Der Zopf" drei Geschichten so meisterhaft miteinander, dass der Titel des Buchs eine doppelte Bedeutung bekommt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 26.01.2022

Zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp...

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Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun ...

Handlung: "Der Zopf" war vor ein paar Jahren in aller Munde und erhielt auch einige Auszeichnungen, sodass er sich lange Zeit ganz oben auf meiner Wunschliste gehalten hatte. Nachdem ich den Roman nun gelesen habe, bin ich aber ein wenig ernüchtert. Ich finde die Erzählung keineswegs schlecht - sie konnte mich nur einfach nicht erreichen. Die Idee mit den drei über die gesamte Welt verteilte Erzählsträngen, die immer in derselben Reihenfolge durchgegangen werden, auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben und zusammengebracht werden wollen, hat mich beim Lesen des Klapptextes sofort angesprochen. Leider ist hier schon von Beginn an aber schon vorhersehbar, wie die Autorin plant, die Handlungsstränge zusammenzuführen ( Schon während der ersten Kapitel wurde erwähnt, dass die eine Figur ihre Haare wachsen lässt, die nächste Perücken macht und die dritte Krebs hat - um zu kombinieren wohin das führen wir muss man wahrlich kein Genie sein ). Am meisten an der Umsetzung der Idee enttäuscht hat mich aber nicht die Vorhersehbarkeit, sondern dass die Autorin während der Verbindung ihrer drei Handlungsstränge komplett vergisst, die globale Ungerechtigkeit anzuprangern, die dahintersteckt ( Ich hatte die ganze Zeit darauf gewartet, dass Laetitia Colombani problematisiert, dass die religiöse Geste einer mittellosen Frau aus einem Entwicklungsland einer Europäerin den Betrieb rettet, nur um dann als Endprodukt einer kanadischen Frau aus der Oberschicht als inspirierendes Accessoire zu dienen. Das geschieht aber leider nie. ). "Der Zopf" hätte Ausgangspunkt und Denkanstoß für Überlegungen sein können, mit welchen über die gesamte Welt verteilten Menschen unser Schicksal unwissentlich verbunden ist. Durch die hier dargestellte Romantisierung von globalisiertem Ungleichgewicht, bekommt dieser Gedanke aber einen etwas bitteren Beigeschmack, der - so denke ich zumindest - nicht beabsichtigt war.

Schreibstil: Überrascht war ich auch, dass mich hier statt eines schwergängigen, literarischen Werks eine einfacher, schlichter Schreibstil mit vielen lebensnahen Redewendungen erwartete, der mir auf Anhieb gut gefallen hat. Obwohl der Roman viele ernste Themen anschneidet, auch unliebsame Informationen über die Lebenswelt der Figuren einfließen lässt und von persönlichen Lebenskrisen erzählt, liest sich "Der Zopf" doch eher wie eine leichte Feierabendlektüre. In Kombination mit der auffallend großen Schrift, konnte ich die 288 Seiten demnach schnell hinter mich bringen. Positiv anzumerken ist auch, dass die Autorin an einigen Stellen Beobachtungen auf der Metaebene in Gedichtform einflicht und ihrer Geschichte so einen Rahmen verschafft. Zwar ist dieser genau wie die Zusammenführung der Handlungsstränge recht offensichtlich, strukturiert den Roman aber auf angenehme Weise. Schade ist aber, dass sich gerade bei den Zeitformen der Erzählung einige Übersetzungsfehler eingeschlichen haben...

Figuren: Eine Konsequenz des mit 288 Seiten recht kurzen Romans ist, dass wir leider nur sehr oberflächlich in die drei Schicksale einsteigen können und wir alle Figuren nur für einen kurzen Ausschnitt von deren Leben begleiten können. Es fehlen Dialoge, Reflexionen, wirkliche Vertiefungen und auch viele der spannenden Entwicklungen passieren zwischen den Zeit- und Perspektivwechsel und gingen dadurch für mich als Leserin verloren. So wirklich nahbar und nachvollziehbar wirkte deshalb keine der drei Hauptfiguren auf mich. Im Gegenteil: Einiges erschien mir hier sogar ein wenig unglaubwürdig und das zieht sich durch alle Handlungsstränge. Zum Beispiel hat die bettelarme Dalit Smita plötzlich ein Fahrrad, kennt sich mit großen politischen Vorgängen aus und beginnt von heute auf Morgen, aus ihrer Erlebniswelt auszubrechen. Statt ihrem Mikrokosmos entsprechen zu denken und zu handeln, wird ihr die Denkweise unserer Gesellschaft übergestülpt. Auch Giulia konnte mich nicht immer überzeugen, ist sie doch am einen Tag eine überforderte, naive Arbeiterin, die die Schule abgebrochen hat, während sie am anderen banktaugliche Analysen für ein neues weltweites Geschäftsmodell aufstellt und sich gegen ihre Mutter und Schwestern durchsetzt. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Diese Frage kann man auch auf Sarah beziehen, deren Welt aus den typischen Anwalts-Leistungsgesellschafts-Klischees aufgebaut ist, in der kein Platz für Schwäche oder Krankheit ist. Auch bei ihr ist der Zeitpunkt, an dem sie sich von ihrer Arbeit distanziert und neue Prioritäten steckt, sehr verschwommen und wenig nachvollziehbar gewählt. Klar, der Weg der drei Figuren erzählt von Stärke, Weiblichkeit, Mutterschaft, Sinnlichkeit, und zeigt auf unterschiedliche Art und Weise, dass es Frauen immer noch schwer haben auf dieser Welt. Dies geschieht aber leider auf eine mitleidheischende Art und ohne eine echte Verbindung zu den LeserInnen aufzubauen.



Die Zitate


Smita: "Niemand wird die wie einem Hund Essensreste hinwerfen. Du wirst nie wieder den Blick senken müssen. All das würde Smita ihrer Tochter so gern sagen. Aber ihr fehlen die Worte, um ihren Hoffnungen und ein wenig verrückten Träumen Ausdruck zu verleihen, um das Gefühl zu beschreiben, das sie hat, wenn dieser Schmetterling in ihrem Baum mit den Flügeln schlägt."


Giulia: "Sie kommt sich vor wie ein Seiltänzer, der bei jedem Windstoß ins Taumeln gerät. Manchmal, sagt sie sich, rückt das Leben die finstersten und die lichtesten Momente nah zusammen. Es nimmt und gibt gleichzeitig."


Sarah: "Sie lügen, allesamt. Sie sagen ihr Sei stark, sei sagen ihr Du wirst es schaffen, sie sagen ihr Wir sind bei dir, aber ihr Handeln spricht eine andere Sprache. Sie haben sie fallenlassen. Wie einen kaputten Gegenstand ausgemustert."



Das Urteil


"Der Zopf" hatte viele gute Ansätze, ein sehr interessantes Gesamtkonzept und Potential, eine kraftvolle Geschichte davon zu erzählen, was es heißt, eine Frau zu sein. Leider hat Laetitia Colombani ihren Roman aber zu vorhersehbar, zu oberflächlich und zu knapp ausgestaltet, sodass sie mich nur schwer erreichen und überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Drei Frauen, drei Kämpfe, ein Zopf

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Für manche Frauen ist ihr Haar das wertvollste, das sie besitzen. Für andere sind es in ›Der Zopf‹ die Traditionen des seit Generationen bestehenden Familienbetriebs oder die eigene sprunghafte Karriere. ...

Für manche Frauen ist ihr Haar das wertvollste, das sie besitzen. Für andere sind es in ›Der Zopf‹ die Traditionen des seit Generationen bestehenden Familienbetriebs oder die eigene sprunghafte Karriere.

Doch was passiert, wenn der Mensch im Begriff ist, sein Wertvollstes zu verlieren? Wenn es ihm genommen wird und er es nicht halten kann oder nur durch große Veränderungen? Und was, wenn er sogar freiwillig bereit ist, es aufzugeben?

Smita aus Badlapur in Indien, Giulia aus Palermo in Sizilien und Sarah aus Montreal in Kanada haben auf den ersten Blick wenig miteinander gemeinsam. Smita arbeitet als Unberührbare, wird gemieden und lebt mit ihrer Familie außerhalb der Gesellschaft. Durch eisern erspartes Geld wollten sie und ihr Mann ihrer Tochter den Besuch einer Schule und somit ein besseres Leben ermöglichen. Doch Smitas Beruf wird von Generation zu Generation weitergegeben. Und das soziale Stigma und die damit verbundenen Hürden wollen ihre Tochter nicht loslassen.

»Mit gesenktem Blick, das Gesicht hinter einem Tuch verborgen, hält sie sich am Straßenrand. In manchen Dörfern müssen sich Dalits eine Rabenfeder anstecken, damit man sie erkennt. In anderen verlangt man, dass sie barfuß laufen.«

Giulias Leben ist weit von Smitas entfernt. Die junge Frau ist belesen, gebildet und nicht auf den Mund gefallen. Sie liebt die Arbeit in der Fabrik ihres Vaters, die ihr längst ins Blut übergegangen ist. Doch nach einem Unfall ihres Vaters steht nicht nur sein Leben auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft seiner Familie und der Fabrik.

»Seit fast einem Jahrhundert lebt ihre Familie von der Cascatura, einem alten sizilianischen Brauch, der darin besteht, Haare, die ausfallen oder abgeschnitten werden, zu sammeln, um später Toupets oder Perücken daraus zu machen. Giulias Urgroßvater gründete die Lanfredi-Werkstatt im Jahr 1926, heute ist das Unternehmen eines der letzten seiner Art in Palermo.«

Sarahs Leben und Arbeit gleichen weder Smitas noch Giulias. Sie ist eine Karrierefrau, hat es auch eigener Kraft in Rekordzeit nach oben geschafft. Sie lebt für ihre Arbeit und hat ihr gesamtes Leben danach ausgerichtet, in der Arbeit die besten Leistungen bringen zu können. Sarah und ihre Familie sind dabei für ihre Kollegen kaum sichtbar gewesen. Doch ein Besuch beim Arzt und eine Diagnose ändern alles. Doch mehr noch als die Krankheit selbst sind es ihre Kollegen, die Sarah aus der Bahn werfen.

»Sarah kannte ehrgeizige Männer dieses Schlags zur Genüge, Männer, die Frauen hassten, weil sie sich von ihnen bedroht fühlten, sie umgab sich mit ihnen, allerdings ohne gesteigerten Wert darauf zu legen. Sie bahnte sich ihren Weg und ließ sie am Straßenrand zurück.«

So unterschiedlich die Geschichten der drei Frauen in ›Der Zopf‹ auch sein mögen, haben sie doch vor allem eines gemeinsam: Sie haben sich nicht unterkriegen lassen und gekämpft. Smita für ihre Tochter, Giulia für die Fabrik der Familie, Sarah für eine gerechtere Zukunftsaussicht.

Colombani gelingt es in ›Der Zopf‹, die Persönlichkeiten der drei Frauen bereits nach wenigen Seiten zum Leben zu erwecken. In ihrer Besonderheit, in ihren Stärken und Schwächen, in ihren schweren und starken Augenblicken. Sie alle versuchen, sich von den Grenzen und Regeln der ihnen bekannten Welt und Gesellschaft nicht niederringen zu lassen. Sie fordern einen Platz für sich und ihre Liebsten und sind bereit, sich den Hürden zu stellen.

Drei Leben sind es, die Colombani in ihrem Roman ›Der Zopf‹ miteinander verbindet. Auf eine Art, die nicht einmal die drei Protagonistinnen so zu sehen bekommen, wie es Colombani ihren Lesern und Leserinnen ermöglicht. ›Der Zopf‹ ist einer jener Romane, über die man sich spannend mit anderen austauschen kann. Auf Colombanis 2020 erschienenen Roman ›Das Haus der Frauen‹ darf mit Spannung geblickt werden.

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Veröffentlicht am 11.01.2019

Schlag auf Schlag

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„Der Zopf“ hat einen schlichten Titel und ein in seiner Farbgestaltung edel wirkendes Cover. Der Debütroman der Französin Laetitia Colombani gibt einen kleinen Einblick in die Leben von drei Frauen, die ...

„Der Zopf“ hat einen schlichten Titel und ein in seiner Farbgestaltung edel wirkendes Cover. Der Debütroman der Französin Laetitia Colombani gibt einen kleinen Einblick in die Leben von drei Frauen, die auf den ersten Blick nichts zu verbinden scheint: Die Inderin Smita gehört zu den unberührbaren Dalits und führt wie ihre Vorfahren ein Leben in totaler Armut. Sarah in Montreal ist eine erfolgreiche Anwältin und Giulia auf Sizilien arbeitet in der Perückenmacherei ihres Vaters. Eigentlich scheinen sich Smita, Sarah und Giulia auf vorgezeichneten Wegen zu befinden, doch dann passiert etwas. Die als gegeben angenommene Ordnung in ihren Leben wird erschüttert und plötzlich müssen bzw. wollen sie etwas verändern. Als Leser begleitet man alle drei dabei, einzelne Kapitel zu jeder der Frauen wechseln sich ab. Diese sind kurz, „Der Zopf“ umfasst keine 300 Seiten und so entwickelt sich die Handlung nicht behutsam, sondern Schlag auf Schlag. Gefühlt bin ich nur so durch das Buch geflogen – und hatte trotzdem Probleme, am Ball zu bleiben, denn die Welten von Smita, Sarah und Giulia weisen keinerlei Gemeinsamkeiten auf und es hat mich gestört, immer schon nach ein paar Seiten wieder herausgerissen und auf einen anderen Kontinent versetzt zu werden. Trotzdem sind diese schnellen, brutalen Wechsel auch eine große Stärke des Romans: Durch die Nebeneinanderstellung der drei Leben wird deutlich, wie verschieden die Lebensbedingungen auch Anfang des 21. Jahrhunderts noch sind. Giulias Alltag auf Sizilien wirkt in Teilen so behütet und traditionell, dass es mich richtiggehend irritierte, als sie plötzlich etwas im Internet recherchierte – bis dahin kam er mir eher wie vor dessen Erfindung angesiedelt vor. Smitas Lebenstraum ist, dass ihre Tochter lesen und schreiben lernen soll, um nicht wie sie und die restliche Familie als Analphabetin zu enden – man wünscht sich, ihre Geschichte würde in einer längst überwundenen Zeit spielen, aber nein, auch das ist Gegenwart. Bei Sarah, der 40-jährigen Kanadierin, kommt man dagegen nicht in die Verlegenheit, sie gedanklich einer anderen Zeit zuordnen zu wollen: Diese Protagonistin ist die Verkörperung einer modernen Frau in einem Industrieland, hat sie doch in einer renommierten Anwaltskanzlei die gläserne Decke durchstoßen und scheint auf der Zielgeraden, die erste weibliche Partnerin zu werden. Dass sie jedoch bereits zwei gescheiterte Ehen hinter sich und einen Tagesvater für ihre drei Kinder engagiert hat, kam mir doch etwas klischeehaft vor.

Es ist der rote Faden des Romans und eine schöne Idee, dass diese Frauen, die sich – so viel kann verraten werden – nie begegnen, dennoch etwas verbindet. Allerdings hätte ich mir etwas mehr Ausgestaltung gewünscht. „Der Zopf“ liest sich intensiv, Autorin Colombani hätte den Einzelschicksalen aber durchaus noch mehr Raum geben können. So wird sie dem Potential ihres Romans in meinen Augen nicht ganz gerecht. Doch vielleicht hatte sie beim Schreiben auch bereits ein anderes Medium im Sinn: Laetitia Colombani ist Schauspielerin und Regisseurin. Verfilmt kann ich mir diesen inhaltlich verknappten Roman bestens vorstellen und bin gespannt – die Rechte sind bereits vergeben, es ist also davon auszugehen, dass „Der Zopf“ auch irgendwann ins Kino kommt.

Veröffentlicht am 18.10.2018

Die Stärke der Frauen...

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Auf diesen Roman bin ich durch seinen ungewöhnlichen Titel und seine hübsche Aufmachung gestoßen. Nie konnte ich erahnen, was mich erwartet.

In der Geschichte geht es um drei Frauen, die unterschiedlicher ...

Auf diesen Roman bin ich durch seinen ungewöhnlichen Titel und seine hübsche Aufmachung gestoßen. Nie konnte ich erahnen, was mich erwartet.

In der Geschichte geht es um drei Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. In Indien lebt Smita, die für andere Exkremente wegschafft und ein besseres Leben für ihre Tochter wünscht. In Italien lebt Giulia, die das Familienunternehmen retten muss: eine Perückenfabrik. Und in Kanda lebt die erfolgreiche Anwältin Sarah, deren Leben sich drastisch verändert als sie schwer erkrankt. Werden die Frauen ihr Schicksal trotz schwerer Prüfungen meistern können?

Die Geschehnisse um alle drei Frauen werden dem Leser über einen beobachtenden Erzähler nahe gebracht. Anfänglich hat mich die Handlung um Giulia am meisten begeistern können, aber mit der Zeit wird immer deutlicher, dass alle drei Frauen so willens- und charakterstark sind, dass man einfach alle drei lieben muss und ihr doch sehr unterschiedliches Leben gern verfolgt.

Obwohl alle Drei finanziell sehr unterschiedlich situiert sind, hat jede von ihnen ihr Päckchen zu tragen und jedes Schicksal ist für sich berührend, denn weder möchte man wegen einer Krankheit noch wegen seines Standes ausgegrenzt werden. Der Roman macht sehr deutlich, dass Frauen auch in der heutigen Zeit noch mehr kämpfen müssen als Männer es je mussten.

Die Autorin schreibt sehr fesselnd, dass die Seiten nur so dahin fliegen. Die eingestreuten Verse zum Entstehen einer Perücke ließen einen beim Lesen kurz innehalten und nachdenklich werden.

Haare sind gerade in der westlichen Welt für Frauen ein großes Thema, denn nur wer jung und verführerisch aussieht, geht seinen Weg einfacher als andere Frauen. Dies wird im Buch sehr gut aufgegriffen, denn es zeigt wie sehr sich die Wahrnehmung zum eigenen Ich und durch andere verändert, ob man nun langes Haar trägt oder nicht, denn langes, gesundes Haar steht nach wie vor für Weiblichkeit.

Besonders berührt hat mich wie eine Krankheit wie Krebs dazu führen kann, dass man anders wahrgenommen wird. Kein Mensch sucht sich eine Krankheit selbst aus, um dann weniger leistungsfähig zu sein. Leider habe ich diese Erfahrung im eigenen beruflichen Umfeld bereits machen können und ich spreche mich nicht davon frei ähnliche Gedanken wie Ines gehegt zu haben, wenn man sieht wie Kolleginnen wegen Krankheit oder Schwangerschaft ausscheiden.

Das positiv anklingende Ende hat mich sehr optimistisch gestimmt, dass für alle, insbesondere für Frauen, nach einem Unglück auch irgendwann wieder das Glück auf einen wartet, man darf eben nur nicht aufgeben.

Ein Roman, der sehr nachdenklich stimmt. Bisher hatte ich mir noch keinerlei Gedanken darüber gemacht, wo Haare für Perücken und Extensions herkommen. Jetzt sieht das etwas anders aus und wie im Buch beschrieben, sollte die jeweilige Trägerin die geopferten Haare mit Stolz tragen.

Fazit: Für mich eine echte Entdeckung. Ich kann nur eine klare Leseempfehlung aussprechen. Klasse Lektüre, die lange nachklingt.