Was ist ein Leben?
"Ihr Leben sei schwer und einsam gewesen, sagt sie, und trotzdem wunderbar. Sie habe Kriege durchlebt und Revolutionen und Wiedergeburten. Sie habe ihre Spur in zahllosen Kunstwerken hinterlassen, wie ...
"Ihr Leben sei schwer und einsam gewesen, sagt sie, und trotzdem wunderbar. Sie habe Kriege durchlebt und Revolutionen und Wiedergeburten. Sie habe ihre Spur in zahllosen Kunstwerken hinterlassen, wie einen Daumenabdruck auf dem Boden einer Schüssel. Sie habe Wunder erlebt, den Verstand verloren, auf Schneewehen getanzt und sei am Ufer der Seine erfroren. Sie habe sich viele Male in den Schatten verliebt, aber nur einmal in einen Menschen. Und sie sei müde. Unsäglich müde. Aber ganz zweifellos habe sie gelebt."
Bei diesem Buch wusste ich trotz der Inhaltsangabe nicht, was mich erwarten würde. Durch den Hype rund um die Geschichte hatte ich jedoch (leider) ziemlich hohe Erwartungen, die nicht ganz erfüllt wurden.
Was man sich bewusst sein muss, ist, dass hier Addies Leben über 300 Jahre erzählt wird. Neben geschichtlichen Ereignissen verstreut Addie Schnipsel ihres Ichs in Kunstwerken, Gemälden und Modellen, obwohl oder gerade dadurch, dass sich niemand an sie erinnern kann. Das ganze Buch ist auf eine Art und Weise geschrieben, die mehr einer Fernwanderung statt einem Marathon gleicht, langsam, gemächlich, ruhig, aber tiefgründig. Wer hier Spannung oder besondere Plottwists erwartet, ist hier falsch. Es geht um die Bedeutung des Lebens, wie groß die Welt ist und wie viel Schönheit sich hinter der der dreckigen Fassade verbirgt. Wann hat man gelebt? Wie lang ist ein Leben?
Trotz des Einbaus zweier Liebesgeschichten würde ich das Buch nicht als Liebesroman bezeichnen, denn der Fokus liegt weiterhin auf Addie, nicht auf ihren Beziehungen. So unterschiedlich diese auch sein mögen, haben sie perfekt in die Handlung gepasst und Addies zwei Seiten als Mensch und nicht-Mensch aufgezeigt. Das Ende war deshalb happy und unhappy zugleich, aber nichtsdestotrotz ein wundervoller Abschluss dieses Buches.
Für mich persönlich war es etwas zu ruhig und langgestreckt. Ein bisschen mehr Spannung hätte nicht geschadet. Trotzdem hatte V.E. Schwab einen ganz besonderen Schreibstil, der einen immer zum Weiterlesen motiviert hatte. Die Worte waren jedes Mal genau auf den Punkt, sie hat eine Sehnsucht für das Leben erschafft, die einen tief zum Nachdenken bringt. Ich vergebe 4/5 Sterne.