Cover-Bild Rote Kreuze
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 26.02.2020
  • ISBN: 9783257071245
Sasha Filipenko

Rote Kreuze

Ruth Altenhofer (Übersetzer)

Alexander ist ein junger Mann, dessen Leben brutal entzweigerissen wurde. Tatjana Alexejewna ist über neunzig und immer vergesslicher. Die alte Dame erzählt ihrem neuen Nachbarn ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt. Nach und nach erkennen die beiden ineinander das eigene gebrochene Herz wieder und schließen eine unerwartete Freundschaft, einen Pakt gegen das Vergessen.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.03.2020

Tief erschütternde Lebensgeschichten

1

Der junge, alleinerziehende Alexander zieht gerade in seine frisch gemietete Wohnung ein. Das Leben meinte es bisher nicht gut mit ihm und seiner Tochter. Dass Alexander daher ein introvertierter, depressiver ...

Der junge, alleinerziehende Alexander zieht gerade in seine frisch gemietete Wohnung ein. Das Leben meinte es bisher nicht gut mit ihm und seiner Tochter. Dass Alexander daher ein introvertierter, depressiver Mann ist, wirkt nicht verwunderlich. Als er auf seiner Wohnungstür ein rotes Kreuz entdeckt, wird er wütend. Gemalt hat es niemand anderes als seine neue Vermieterin Tatjana Alexejewna ist über neunzig und immer vergesslicher.
Die alte Dame erzählt ihrem neuen Nachbarn ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt. Nach und nach erkennen die beiden ineinander das eigene gebrochene Herz wieder und schließen eine unerwartete Freundschaft, einen Pakt gegen das Vergessen.

Mein Fazit:
Als ich das Buch bei meiner Buchhändlerin des Vertrauens abholte, warnte sie mich mit den Worten „Ein sehr bewegendes und erschütterndes, teilweise so gruseliges Buch.“ Mit den Worten hatte sich mich im Sack. Ich suche immer wieder nach Büchern, die mich emotional und geistig fordern und ich muss sagen, sie hat nicht zu viel versprochen.

Alexander ist ein sehr griesgrämiger Mann. In seinen jungen Jahren schon so eine Verbissenheit an den Tag zu legen ist traurig, hat aber sehr gut nachvollziehbare Gründe. Als er dann auch die über 60 Jahre ältere Tatjana stößt, führt dies zu einer ziemlich ulkigen Situation. Denn durch ihre Demenz ist sie Gott sei es gedankt gutmütig und dennoch schlagfertig. Sie wickelt Alexander ein und obwohl dieser eigentlich gar nicht will, so ein wenig Höflichkeit hat er halt doch noch und so sitzt er auch ganz schnell in ihrer Wohnung und muss sich ihre Geschichte anhören. Ich musste des Öfteren wirklich herzhaft lachen.
Als die Geschichte Tatjanas dann immer mehr Form und Gewalt annahm, verging mir das Lachen bis zum Schluss. Der Autor schafft es wirklich sehr gekonnt diese Gewalt im Russland des 20. Jahrhunderts zu transportieren. Mir blieb des Öfteren die Luft weg ob dieser Grausamkeit, Gewalt und Willkür.
Der Schreibstil des Autors ist etwas ganz besondereres. Durch Briefe, Gedichte und sehr detaillierte, bzw. Charaktere in die man sich gut hineinversetzen kann, lässt den Leser die Geschichte nicht mehr los.

Der Autor ist wirklich ein Künstler und da ich wirklich nichts zu bemängeln habe, eine ganz klare Empfehlung mit 5 Sternen!

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Veröffentlicht am 25.02.2020

Ein Schicksal erzählt gegen das Vergessen

1

Nach einem schlimmen Schicksalsschlag zieht Alexander in eine andere Stadt und bei Ein-zug in seine Wohnung trifft er schnell auf seine Nachbarin, eine alte Dame. Sie hat Alz-heimer und erzählt ihm schnell ...

Nach einem schlimmen Schicksalsschlag zieht Alexander in eine andere Stadt und bei Ein-zug in seine Wohnung trifft er schnell auf seine Nachbarin, eine alte Dame. Sie hat Alz-heimer und erzählt ihm schnell aus ihrem Leben. Erst reagiert Alexander unwillig, doch Tatjanas Geschichte erweist sich als so tragisch, dass Alexander zuhört und ihr auch seine Geschichte erzählt. Tatjana erlebt das Russland des 20. Jahrhunderts mit all seinen Schre-cken.
Sasha Filipenko bedient sich bei Tatjanas Geschichte einer eher emotionslosen Sprache. Doch diese reicht vollkommen aus, wenn man sich Tatjanas Erlebnisse beim Lesen ver-sucht vorzustellen. Über diese Zeit während und nach dem zweiten Weltkrieg in der da-maligen Sowjetunion wird wenig geredet. Vielleicht weil es so schlimme Zeiten waren? Diese Ignoranz der Einzelnen, das Inhaftieren aus seltsamen Gründen, Trennung der Kin-der von den Eltern und Inkaufnahme von Tod. Tatjanas Geschichte ist eine Geschichte gegen das Vergessen dieser Zeit mit so viel Leid. Ich denke, auch zu dieser Zeit noch mutig vom Autor. Alexander bleibt für mich mehr am Rand, als Erzählpartner für Tatjana, die unbedingt erzählen muss bevor Alzheimer ihr die Erinnerung nimmt und sie dann in der Folge Gott nicht mit ihrem Schicksal und anderer Menschen konfrontieren kann.
Für mich ein sehr eindringlicher Roman über das Grauen in der sog. Stalinzeit und wo sich mir die Frage stellt, wie viel Menschen ertragen, erdulden können.

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Veröffentlicht am 16.03.2023

Das Leben geht einfach weiter ...

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Das Leben geht einfach weiter … – „Rote Kreuze
Das Buch „Rote Kreuze“ von Sascha Filipenko beginnt mit der Begegnung zweier Fremden, die zu Freunden werden. Beide haben mehr Leid erfahren, als für ein ...

Das Leben geht einfach weiter … – „Rote Kreuze
Das Buch „Rote Kreuze“ von Sascha Filipenko beginnt mit der Begegnung zweier Fremden, die zu Freunden werden. Beide haben mehr Leid erfahren, als für ein einzelnes Leben zu verkraften sein kann, und dennoch stehen beide hier, und beginnen sich zu öffnen und sich füreinander zu interessieren. Das macht die Tragik ihrer Leben nicht ungeschehen, aber es hilft beiden, sie zu ertragen.

„Das war’s, denke ich, Vorhang. Ein Leben ist zu Ende – und ein anderes Leben beginnt. Eine transzendente Null. Mit meinen dreißig Jahren bin ich nun ein Mensch mit entzweigerissenem Schicksal. Ich darf es noch einmal versuchen. Was ist dagegen schon einzuwenden. Selbstmord ist nicht mein Ding; außerdem habe ich jetzt eine Tochter.“

Alexander rubbelt das rote Kreuz an der Tür seiner neuen Wohnung ab. Die Nachbarin Tatjana Alexejewa gesteht ihm, dass sie das Kreuz gemalt hat, weil bei ihr Alzheimer diagnostiziert wurde, und sie damit nach Hause findet. Sie möchte ihm ihre Geschichte erzählen:

„Eigentlich keine Geschichte, sondern eine Biographie der Angst. Ich möchte Ihnen erzählen, wie das Grauen einen Menschen unvermittelt packt und sein ganzes Leben verändert.“

Es ist das erste Buch, das ich von Sasha Filipenko lese und es hat mich mit voller Wucht getroffen.

Ich nahm sprachlos an den Gesprächen teil. Diese Sprachlosigkeit lag nicht an der Unmöglichkeit ins Geschehen einzugreifen. Nein, es hat mich überwältigt. Ich hörte, wurde manchmal zornig, manchmal traurig und mehr als einmal weinte ich.

Sasha Filipenko schildert, wie es den Menschen in der UDSSR in der Zeit unter Josef Stalin ging. Tatjana Alexejewa hat sie durch- und überlebt.

Nun hat man den Beginn einer Alzheimer Krankheit festgestellt. Und sie glaubt zu wissen, warum sie daran erkrank ist:

„Weil Gott Angst hat vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu.“

Sie hat nur noch einen Wunsch: sie möchte ihr ganzes Leben weitererzählen. Es muss Gehör finden

Alexander, kurz Sascha, ist gefangen in seinem eigenen, unglaublichen Schicksal. Hat es sich zum Guten gewendet? Es fällt ihm am Anfang schwer, sich der neugierigen übergriffigen Nachbarin zu öffnen.

Sasha Filipenko gelingt es, die Tragödien dieser zwei Menschenleben so zu erzählen, dass die Leser:innen langsam, immer nur so viel erfahrend, dass es gerade noch erträglich zu fühlen ist, auszubreiten.

Das Hörbuch „Rote Kreuze“
Das im Diogenes Verlag erschienene Hörbuch „Rote Kreuze“ ist 4 Stunden und 59 Minuten lang. Es wird von Robert Stadlober gesprochen.

Robert Stadlober gelingt es, sowohl den immer wieder aufblitzenden Sarkasmus des Widerstands von Tatjana Alexejewa in Szene zu setzen, aber genau so zieht er die Hörer:innen mit leisen einfühlsamen Tönen in seinen Bann. Obwohl es schmerzt, will man weiterhören.

Zum Autor Sasha Filipenko
Pressebildsashafilipenkocfoto-lukas-lienhard-diogenes-verlag
"Rote Kreuze"
Sasha Filipenko wurde 1984 in Minsk geboren. Er ist ein belarussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Die Romane werden von Ruth Altenhofer übersetzt.

Systemkritik ist die Botschaft seiner Bücher. Sicherlich ist das auch der Grund, warum er in seiner Heimat Belarus unerwünscht ist. Bis 2020 lebte er in Petersburg, dann verließ er mit seiner Familie Rußland und lebt jetzt in der Schweiz.



Fazit/Kritik „Rote Kreuze“
Beim Lesen bzw. Hören des Buchs wurde mir wieder einmal bewusst, dass der Mensch das größte und gefährlichste Raubtier ist, dass es gibt. Mit Ironie untermauert Sasha Filipenko die Gespräche seiner Protagonisten. Er schreibt in einer Sprache, die gesprochen wird.

Das Buch ist mehr als aktuell. Putin verherrlicht Stalin, obwohl oder vielleicht gerade, weil ihm die Geschichte Russlands, und das Wirken Stalins genau bekannt ist.

1932/33 verfolgte Josef Stalin das Ziel, den Freiheitswillen der Ukraine zu brechen und die sowjetische Herrschaft zu festigen. Um zur Industriemacht zu werden, brauchte die Sowjetunion dafür Technologie aus dem Westen, und das einzige Zahlungsmittel, das zur Genüge verfügbar war, war Getreide. Mehr als ein Viertel davon produzierte die Ukraine. Dieses Getreide wurde der Ukraine weggenommen und dadurch wurde eine Hungersnot erzeug, der schätzungsweise drei bis sieben Millionen Menschen zum Opfer. Das ging unter dem Begriff Holodomor in die Geschichte ein.

Sasha Filipenko erzählt immer wieder in seinen Büchern vom 20. Jahrhundert in der Sowjetunion.

Es ist wichtig, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen, um das aktuelle politische Geschehen wirklich verstehen und einordnen zu können.

Heute beginne ich mit seinem neuen Buch „Der Kremulator“.

„Rote Kreuze“ Sasha Filipenko
Pressebildrote-kreuzeDiogenes-Verlag
Hardcover Leinen
288 Seiten
erschienen am 26. Februar 2020

978-3-257-07124-5

Veröffentlicht am 24.11.2020

Ein Menschenleben

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Kreuze ziehen sich in abgewandelten Formen durch das ganze Buch. Es sind nicht nur die kleinen roten Kreuze, welche die 91jährige Tatjana Alexejewna zur Orientierung an Türen malt, weil sie an beginnendem ...

Kreuze ziehen sich in abgewandelten Formen durch das ganze Buch. Es sind nicht nur die kleinen roten Kreuze, welche die 91jährige Tatjana Alexejewna zur Orientierung an Türen malt, weil sie an beginnendem Alzheimer leidet. Das Rote Kreuz als Organisation wird für sie zum Auslöser einer großen Last, die ihr Gewissen jahrzehntelang plagt. Als Übersetzerin des NKID, des "Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten", landen während des 2. Weltkriegs zahlreiche Briefe des Internationalen Roten Kreuzes auf ihrem Schreibtisch, die den Austausch von Kriegsgefangenen vorschlagen. Auf einer der Listen mit den Namen sowjetischer gefangener Soldaten entdeckt Tatjana auch den ihres Mannes und löscht ihn, um ihn und ihre kleine Familie zu schützen; denn als mögliche Vaterlandsverräter sind sie alle gefährdet.
Genau wie es Tatjana leicht gelingt, ihren jungen Nachbarn Alexander mit der Erzählung ihres Schicksals während und nach der Stalinära zu faszinieren, versteht es Filipenko ganz wunderbar, seine Leser in das Leben seiner Protagonistin hineinzuziehen. So werden wir Zeugen eines langen wechselhaften Lebenslaufs, der von Unglück und Verlust geprägt ist.
Das Kreuz als Symbol für Schmerz und Leid - Tatjanas Stärke zeigt sich in dem Willen, die Schicksalsschläge zu überleben. Mit bitterem Humor und viel Sarkasmus trägt sie ihr Kreuz und findet einen neuen Sinn darin, andere Frauen, die von der Willkür des Stalinsystems betroffen sind, zu unterstützen - eine beeindruckende Zeitzeugin, die sich darum bemüht, die vielen Opfer jener Zeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

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Veröffentlicht am 25.05.2020

Kalt und hart

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Diese Geschichte um Sascha, der gerade in seine neue Wohnung eingezogen ist, und schnell Bekanntschaft mit seiner Nachbarin Tatjana schließt, ist auf jeden Fall nicht leicht zu lesen. Denn die an Demenz ...

Diese Geschichte um Sascha, der gerade in seine neue Wohnung eingezogen ist, und schnell Bekanntschaft mit seiner Nachbarin Tatjana schließt, ist auf jeden Fall nicht leicht zu lesen. Denn die an Demenz leidende, alte Frau erzählt dem jungen Vater ungefragt ihre Lebensgeschichte im Russland des zweiten Weltkrieges, solange sie sich noch daran erinnern kann. Und sie lässt dabei dieses kalte, harte Land in keinem guten Licht erscheinen.

Das Buch zeigt Russland von seiner kaltherzigen, sturen Seite; erzählt von einer (unerwiderten) Loyalität zu Deutschland und seinem ignoranten Verhalten seinem eigenen Volk gegenüber während des Krieges.

Dabei weiß man lange nicht, was man von Tatjana (und auch Alexander, kurz Sascha) halten soll. Die Figuren erscheinen unnahbar, emotionslos, was nicht zuletzt am Erzählstil des Autors liegt. Das Buch wirkt teilweise wie ein sachlich gehaltener Tatsachenbericht, was durch die Einstreuung historischer Briefe unterstützt wird. Und doch entwickelt es eine albtraumhafte Sogwirkung. Es wird nichts beschönigt, nur die kalte, harte Realität dargelegt. Und gerade das hat mich letztenendes mitten ins Herz getroffen.

Aus diesem geschilderten Albtraum gibt es keine Entkommen, kein Happyend, ebenso wenig wie es das für die Menschen der damaligen Zeit gab.

Fazit:
Ein Stück Weltgeschichte, unbeschönigt und doch oder gerade deshalb lesenswert.

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