Verity
2,5 Sterne, aufgerundet.
Ich habe vor vielen Jahren das letzte mal ein Colleen Hoover Buch gelesen und war nicht allzu begeistert. Für mich ist ihr Zeug eher unangenehm bis creepy, was dem Genre, in ...
2,5 Sterne, aufgerundet.
Ich habe vor vielen Jahren das letzte mal ein Colleen Hoover Buch gelesen und war nicht allzu begeistert. Für mich ist ihr Zeug eher unangenehm bis creepy, was dem Genre, in dem sie hauptsächlich schreibt (Romance), nicht grade zuträglich ist. Allerdings sind viele Menschen, die Hoover sonst auch eher kritisch gegenüber stehen, der Meinung, dass genau das zu ihren "Thrillern" passt. (Ich schreibe Thriller in Anführungszeichen, denn so richtig einer ist es irgendwie auch nicht)
Und so habe ich beschlossen, es doch nochmal mit ihr zu probieren.
In Verity geht es um Lowen, eine drittklassige Schriftstellerin, die (wie alle Hoover-Charaktere) einige Schicksalsschläge und jede Menge Drama mit sich herumschleppt. Sie wird unmittelbare und mit Blut besudelte Zeugin eines schlimmen Verkehrsunfalls und trifft in dieser hanebüchenen und merkwürdigen Situation auf einer öffentlichen Toilette Jeremy - der sich dann wenig später rein zufällig als ihr neuer Auftraggeber herausstellt. Lowen soll die super erfolgreiche Buchreihe seiner Ehefrau fortführen. Die liegt in einer Art Wachkoma, denn ihre beiden Zwillingsmädchen sind kurz hintereinander ums Leben gekommen und sie ist aus Verzweiflung gegen einen Baum gefahren.
Lowen soll einige Zeit auf dem Anwesen der beiden verbringen und sich in Veritys Unterlagen einarbeiten. Dabei findet sie ein geheimnisvolles, autobiografisches Manuskript, das Schockierendes offenbart...
Irgendwie hätte das alles Stoff für eine richtig gruselige Geschichte und krasse Wendungen gegeben, aber leider verliert sich Hoover dann doch wieder in die Romanze, denn natürlich verliebt sich Lowen in Jeremy (von Anfang an... Insta-Attraction ahoi). Und ich muss ganz ehrlich gestehen, dass sowas überhaupt nicht mein Ding ist. Da liegt die Ehefrau oben im Wachkoma und Lowen denkt die ganze Zeit nur an Sex mit Jeremy! Und das ist das nächste Ding: es geht fast nur um Sex. Lowen offenbart uns, wie es mit ihren früheren Partnern so war und verliert sich wenig später in Fantasien über den verheirateten Mann, der seine beiden Mädchen verloren hat. Auch Verity ergießt sich in ihrem Manuskript in endlosen Sexszenen. Und natürlich kommt es irgendwann wie es kommen muss (das ist echt kein Spoiler, es ist von Anfang an klar) und Lowen und Jeremy vögeln ausgiebig. Denn der tolle und ach so aufopfernde Ehemann hat leider nie so eine richtige Seelenverwandtschaft zu seiner Frau gespürt, auch wenn er sie geliebt hat. Aber bei Lowen (die sich selbst optisch übrigens als übermüdet und abgewrackt beschreibt) war's sofort um ihn geschehen! Bereits am ersten Tag als er sie mit blutverschmierter Bluse auf dem Klo gesehen hat!
Und immerhin, Hoover gibt sich richtig Mühe, Verity so schlimm wie möglich darzustellen, um das alles zu rechtfertigen, sogar zu romantisieren und Lowen daneben besser aussehen zu lassen (auch wenn das Ende einen eventuellen, winzigen Dreh bringt, darüber schreibe ich aber natürlich nichts weiter).
Und Jeremy, oh Gott... wir erleben diesen Typen nur durch die Linse zweier völlig vernebelter Frauen, aber es scheint, als wäre er der perfekte Ehemann, Vater und Liebhaber. Und er hat den Magic Dick™. Mit dem kann er mit minimalstem Aufwand (und natürliche ohne böse Vorlieben oder Fetische, denn sowas ist in Hoovers Welt verpönt) die Frauen um den Verstand bringen. Oh, und zum Thema Verhütung (keine Kondome da und Lowen nimmt keine Pille) sagt er, er passt schon auf... was ein Traummann, oder?
Vom Sex abgesehen habe ich nicht verstanden, was diese Frauen überhaupt mit ihm wollten. Da war keine Chemie, weder bei Verity noch bei Lowen. Ich hätte mir so sehr ein bisschen "show, don't tell" gewünscht. Was haben sie gemeinsam, warum verbringen sie gern Zeit miteinander? Wie sind diese Verliebtheitsgefühle gewachsen? Der einzige Moment, den Lowen und Jeremy teilen, ist das Klischee unterm Sternenhimmel, während die beiden ihr schweres Los und ihre ganzen Schicksalsschläge darlegen. Sorry, aber das reicht mir nicht. Ausschließlich darüber schafft man keine glaubwürdige und ehrliche Verbindung, zumindest für mich nicht.
Nun stehen hier ja trotz aller Kritik drei Sterne und das hat auch seinen Grund. Das Buch ist gut geschrieben und hat eine gewisse Sogwirkung. Die unangenehme Stimmung im Haus lief auch auf mich über und hat mir sehr gefallen. Das stückweise eingebaute Manuskript schafft einen guten Spannungsbogen. Die Auflösung lässt mich aber etwas zwiegespalten zurück.
Am Ende ist es ein Buch über mindestens eine völlig kaputte Frau im Gone Girl Stil (wer das ist, muss man wohl selbst entscheiden... ich weiß, wer mir lieber ist) und einen ('tschuldigung) Vollhonk. Der einzige, den ich wirklich ein bisschen mochte, war der kleine Crew, der jüngste Sohn von Verity und Jeremy. Aber auch diese Antipathie was die Protas angeht muss man erstmal entstehen lassen können und schlimmer wär's gewesen, wenn ich gar nichts gefühlt hätte.
(Bitte dran denken: das ist mein ganz persönlicher und rein subjektiver Leseeindruck)