Leserunde zu "72 Stunden - Fürchte die Stille" von Ben Escher

[Achtung Spoiler]
Auch der dritte Teil blieb spannend. Der Täter ist letztendlich doch Rainer. Ich finde die Auflösung etwas verwirrend, weil er in der Therapiesitzung in der dritten Person spricht und sehr distanziert über die Ehe von Bea und Rainer spricht. Letztendlich sieht er sich aber als Matignon und ist ganz einfach nicht zurechnungsfähig. Da ich ihn dadurch so früh ausgeschlossen habe, blieb die Spannung wirklich bis zum Schluss.

Leider ist Elias wirklich tot, überfahren von seinem eigenen Vater. Wie grausam sein eigenes Kind verwesen zu lassen und seine eigene Ehefrau über ein Jahr so dermaßen zu quälen. Wie kann man denn da zu schauen, wie die Frau bei der Suche zerbricht, wenn man die Wahrheit kennt. Da hat er sich wirklich Zeit gelassen. Mit Rainers Reaktion (auch wenn er irre ist) tue ich mich aber etwas schwer. Er scheint ja mega labil und sensibel zu sein und bricht auch schnell in Tränen aus. Wie hat er denn da seinen Sohn überfahren und dann in den Kofferraum packen können, ohne zusammen zu brechen? Er schien gerne Vater gewesen zu sein. Dann müssten die Gefühle für seinen Sohn genauso stark wie zu Bea sein.

Warum eigentlich die Dame vom Arbeitsamt? Weil er unzufrieden mit seiner Jobsituation war?
Ich hab es so verstanden, dass das Retreat vor einem halben Jahr bei ihm einen Schalter umgelegt hat. Da wundert es mich schon, dass er Klaffer so lange leben und weiter machen ließ und auch nicht die anderen Teilnehmer damals direkt angegriffen hat. Insgesamt hätte ich mir da ein bisschen mehr Klärungsbedarf gewünscht.

Die Szene mit den Mönchen zum Ende hin fand ich auch etwas grotesk. Erst halten sie sich solange raus und dann lassen sie sich widerstandslos hinrichten. Was soll uns das sagen?

Was ich auch komisch finde: Das Schloss brennt lichterloh, aber die Polizei steht mit gezogener Waffe plötzlich im Mönchs-Bungalow? Wer hat sie gerufen? Kamen sie automatisch wegen dem Brand und haben dann Schüsse gehört?

Und Bea verteidigt die ihr unbekannte Cindy im nachhinein, obwohl diese sie seit Jahren stalkt. Woher will sie denn wissen, dass diese ihr wirklich helfen wollte? Im Grunde hat sich diese doch nur ertappt gefühlt, als Bea die Fotos gefunden hat. Sie hätte sie auch in eine Falle locken können. Schon naiv von Bea.
Zum Schluss ist Bea aber wirklich gewachsen und man sieht, dass sie endlich abschließen kann. Sie konnte sich von ihrem Sohn verabschieden und hat auch den Schritt mit Rainer gewagt.

Ich habe mich insgesamt sehr gut unterhalten gefühlt und werde bei dem Namen Ben Escher künftig aufmerken.

Rainer war´s….
Trotz den ganzen Überlegungen während dem Lesen hatte ich Rainer nur bedingt auf dem Schirm….. Aber scheinbar ist er ja psychisch schon immer labil gewesen, so dass er vermutlich nach dem Vorfall rund um Elias völlig „abgedreht“ ist. Dass er Elias sogar selbst (wenn auch aus Versehen) auf dem Einkaufscenter-Parkplatz überfahren hat, ist natürlich bitter. Aber super dreist und seiner Krankheit/Psychose o.ä. geschuldet, dass er dann Bea die Schuld gibt, dass sie den Sohn nicht nur alleine im Bällebad zurückgelassen hat, sondern auch angeblich nicht richtig auf den Schuh reagiert hat, den Rainer auf die Rückbank des Autos geworfen hatte, nachdem er Elias überfahren und in den Kofferraum verfrachtet hatte.

Im Schloss ging es ja bis zum Show down in den Kellergängen noch hoch her. Erst gab es drei Tote (Cindy, Klaffer, Jacobi), dann eine hochgradig verwirrte Cleo, ein blutüberströmter Lang und letztendlich die Abschluss-Szene mit dem mumifizierten Elias. Gruselig einerseits, aber manchmal sogar etwas zu viel des „Guten“, so dass es vereinzelt nur noch unrealistisch war.

Jedenfalls erstaunlich, mit wieviel Aufwand Rainer das Ganze inszeniert hat. Durch Zufall war er ja vorab schon einmal in einem Retreat bei Klaffer – die er unter ihrem echten Namen von früher kannte…. Außerdem hat er ja das Tagebuch des früheren Schlossbesitzers Louis de Matignon gefunden und sich mal gleich seine Abhörmechanik angeeignet….. Nur die Verkleidung als Louis war irgendwie überflüssig….

Ich weiß zwar gar nicht genau, was ich erwartet habe, aber das Ende war dann doch überraschend einem Wahnsinnigen geschuldet…

Diese beiden Situationen habe ich auch nicht wirklich verstanden. Denn bei aller Tiefenentspanntheit - wird sich doch wohl auch ein Mönch und seine Brüder nicht einfach so erschießen lassen.

Wow, was für ein Showdown! Dieser 3. Abschnitt war an Spannung kaum zu überbieten! Wer ihn noch nicht zu Ende gelesen hat, sollte hier nicht weiterlesen – Spoilergefahr!
Der Nachbar hat tatsächlich die Polizei gerufen. Ich dachte schon, es gelingt Klaffer, die Polizisten einzuwickeln. Sammer ist ihr auf den Leim gegangen, während Beckermann misstrauisch geworden ist.
Eine Überraschung ist auch, dass Klaffer mit den Vorgängen tatsächlich nichts zu tun hat, sie will lediglich ihre zweifelhafte Existenz schützen.

Ich hatte zunächst Lang in Verdacht – spätestens als in einer der „Ich-Passagen“ Dr. Olson den Erzähler fragte, warum er so antiquierte Kleidung trägt. Es wurde ja vorher kurz erwähnt, dass Lang in den alten Mantel des ursprünglichen Schlossbesitzers geschlüpft war. Dass Rainer hinter all den Gräueltaten steckt hätte ich nicht gedacht. Was für ein Zufall, dass auf dem riesigen Parkplatz eines Einkaufszentrums ausgerechnet er seinen eigenen Sohn anfährt! Dieses Unglück und Rainers Unfähigkeit darüber zu sprechen sind die Auslöser für all das Schreckliche, das Bea durchmachen muss. Allerdings frage ich mich, wo Rainer, der sich im Umgang mit Bea und auch in den in Ich-Form erzählten Therapie-Sitzungen sehr schwach zeigt, die Entschlossenheit und Härte hernimmt, seinen von ihm selbst totgefahrenen Sohn in den Kofferraum zu verfrachten und heimlich beiseite zu schaffen.

Insgesamt finde ich die Geschichte sehr gut, auch wenn sie mir zwischendurch fast ein bisschen zu blutig war. Da war mir zeitweise der Schreibstil fast zu bildhaft, denn das Kopfkino war teilweise schon sehr deutlich. Und eine Leiche weniger wär auch o.k. gewesen. Spannungsaufbau und Erzählstil sind aber ziemlich klasse, finde ich.

Ich hatte bei Klaffer auch mehr "Mittäterschaft" vermutet.

So nun habe ich da Buch beendet und weiß noch immer nicht ganz, wie ich es finden soll. Irgendwie wirkt mir das etwas zu gekünstelt, ich kann meine Meinung hier nur schwer beschreiben.

Sympathisch ist mir bis zum Ende keiner, mittlerweile weiß ich nicht, ob das vielleicht auch ein Punkt war, warum mich das Buch nicht voll und ganz überzeugen konnte.

Das Ende ist dann zwar nochmal etwas spannender, aber auch nicht so richtig meins.
Die Szenen aus dem Gefängnis waren für mich eindeutig am spannendsten zu lesen.

Werde mich nun einmal sammeln und dann an meine Rezension setzen. Von mir wird’s 3,5 (aufgerundete 4) Sterne geben.

Ja, das finde ich auch. Denn die ganzen Ermordeten hatten ja eigentlich keinen Einfluss auf den Handlungsverlauf....

Klaffer muss schon sehr verzweifelt oder ignorant gewesen sein, sie hat ja mitbekommen, dass Dinge in Beas Zimmer gebracht wurden. Sie hätte auch ohne Studium erkennen müssen, dass hier Gefahr droht.

Gekünstelt, konstruiert, irgendwie nicht ganz überzeugend. Wie Rainer noch schnell die letzten Morde hinbekommen hat, den schweren Jakobi aufhängen konnte, alles kam einfach Schlag auf Schlag.

Das Schloss und seine Geschichte, das Retreat selbst, die Mönche, die Morde, die "falsche" Spur durch die Ich-Form, alles kommt mir doch extrem klischeehaft vor.
Ich hatte Rainer zwar in Verdacht, dabei haben wir von ihm am Wenigsten erfahren, hatte aber eine echte Schizophrenie vermutet. Das war die größte Überraschung. Ich denke ohne ganz so viele Superlative wäre es ein besserer Thriller geworden.